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wo er sich der Insertion der Vena umbilicalis in die Leber nähert, mehr und mehr zu verlaufen.

Nachdem noch das von den Obducenten beispielsweise angeführte mechanische Moment, dass man mittelst eines an eine geöffnete Thür angebrachten Fadens, wenn man mässig an ihn zieht, die Thür schliessen könne, während der Faden reisse, ohne dass die Thür sich bewege, wenn man einen plötzlichen Zug anwendet, als nicht zutreffend zurückgewiesen worden, heisst es zum Schlusse:

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Wir meinen also, dass die Leberruptur nur dadurch entstanden sein könne, dass ein heftiger Schlag oder Stoss von aussen auf die Lebergegend eingewirkt hat."

Entsprechend dem sonst durchaus sachgemässen und streng objectiv gehaltenen Gutachten der Gerichtsärzte nahmen übrigens die Geschworenen an, dass das Kind vorsätzlich und zwar der Mutter getödtet worden sei, und wurde diese ebenfalls unter Annahme mildernder Umstände zu drei Jahren Gefängniss verurtheilt.

3. Fall.

Besser erging es im Regierungsbezirk Marienwerder auf Grund ärztlicher Gutachten einer dritten „Leberkünstlerin", welche merkwürdiger Weise ganz dasselbe Unglück hatte, wie ihre Vorgängerin in H., nämlich dass sie bewusstlos wurde, dass ihr Kind nicht bloss eine Leberruptur erlitt, sondern auch noch erstickte, und beides nur in Folge all zu grosser mütterlicher Besorgniss und Zärtlichkeit.

Die Angeschuldigte K. in H., eine angeblich Erstgebärende, will sogar im bewusstlosen Zustande geschwängert worden sein. Sie gebar am 14. Juni 1873 im Freien ein Kind; während des Geburtsactes verfiel sie ihrer Angabe nach wiederholt in einen bewusstlosen Zustand, so dass sie nachträglich von dem ganzen Vorgang nur dunkele Erinnerungen behalten hat. Soviel weiss sie aber, dass sie, in der „Meinung“, das neugeborene Kind könne ihr entfallen und Schaden leiden, unmittelbar nach der Geburt instinctmässig und krampfhaft nach demselben zugegriffen und es an der Nabelschnur schleppend längs dem Fussboden einige Schritte mit sich weiter gezerrt habe (?). Zur Stillung einer vermeintlichen Blutung aus dem Munde hat sie die

Mund- und Nasenöffnungen des Kindes mit - Stroh zugedrückt! (Fast wörtlich aus den Untersuchungs-Acten.) Als trotz all dieser mütterlichen Fürsorge das Kind dennoch todt war, hat sie es oberflächlich verscharrt und sich dann nach Hause begeben.

Die K. räumte ein, dass durch den heftigen Griff nach dem Kinde, um es vor dem Entfallen zu bewahren, oder auch durch anderweitige Zerrungen und Verletzungen dasselbe, wenn es überhaupt gelebt, zu Schaden gekommen sein könne; doch wäre solches ohne Absicht von ihrer Seite und lediglich während ihres bewusstlosen Zustandes geschehen.

Die Kindesleiche hatte, wie aus dem Sectionsprotokoll hervorgeht, ein Gewicht von 3325 Grm. und eine Länge von 54 Ctm.; sie bot bis auf den „eben erst in der Entwickelung begriffenen" Knochenkern in der unteren Epiphyse des Oberschenkelknochens fast alle Zeichen der Fruchtreife und der vollständigen Lebensfähigkeit.

Das Gelebthaben des Kindes nicht blos in, sondern auch nach der Geburt ergab sich aus dem niedrigen Stande des Zwerchfells (zwischen der 6. und 7. Rippe), in der Ausdehnung der Lungen, die zum Theil den Herzbeutel bedeckten, in ihrer marmorirten Farbe, der elastischen Beschaffenheit ihres Gewebes, in dem Blutgehalt und in der Schwimmfähigkeit und geprüften Lufthaltigkeit bis in die kleinsten Partikelchen.

Das Herz zeigte sich auffallender Weise, obwohl dasselbe vor seiner Trennung von den Lungen an seinen Gefässen unterbunden war, in beiden Kammern blutleer; die Kranzarterien blutarm; die grossen Gefässe der Brusthöhle nur sehr mässig von dunklem dünnflüssigem Blute gefüllt.

Als charakteristische Merkmale für die Todesart und die äusseren Ursachen derselben ist Folgendes aus dem Sectionsprotokoll hervorzuheben:

Die Haut hatte eine weissröthliche Farbe. Die Nasenspitze war nach der rechten Seite hin platt gedrückt, so dass beide Nasenlöcher dadurch geschlossen waren. Aus Mund und Nase floss beim Drehen und Wenden der Leiche dunkles dünnflüssiges Blut etwa 3 Theelöffel voll. In der Mitte des oberen Lippenrandes befand sich ein Zoll langer und Linie dicker Striemen ohne Blutunterlaufung; die Lippenschleimhaut graubläulich gefärbt, nicht sugillirt. Mund- und Rachenhöhle frei von fremden Körpern.

An dem unteren Theil der Brust, heisst es wörtlich im Sectionsprotokoll, rechterseits sind mehrere bräunliche linsengrosse, hart anzufühlende und zu schneidende Flecke, welche auf Einschnitte keine Blutunterlaufung zeigen. Auf dem Rücken sind ebenfalls einige Flecke von derselben Beschaffenheit; auch befinden sich hier 4 in die Quere verlaufende, 2-3 Zoll lange, bräunliche Hautstriemen ohne nachweisbare Sugillation.

Von den inneren Befunden ist zu erwähnen ein starker Erguss von dunkelrothem dünnflüssigem Blute (mindestens 6 Unzen) in der Bauchhöhle und als Quelle

desselben eine Ruptur der Leber. Die sonst gewöhnlich mässig bluthaltige Leber, heisst es wörtlich, war in ihrem rechten Lappen am Seitenrande desselben 2 Zoll tief in ihre Substanz hinein geborsten und zeigten die Ränder der Berstungsstellen vielfach eingerissene Fetzen. Etwas Weiteres ist über diesen pathologisch-anatomischen Befund nicht angegeben. Alle übrigen Organe waren unverletzt und sämmtlich ebenso wie die Gefässe der Bauchhöhle blutarm und blutleer.

In den Brustfellsäcken befanden sich je zwei Theelöffel voll blutigen Wassers. Die Lungen, deren mässiger Blutgehalt schon hervorgehoben worden, hatten eine hellrothe marmorirte Farbe, und an einzelnen Stellen befanden sich unter dem serösen Ueberzuge kleine schwärzliche, punktförmige bis linsengrosse Flecke, welche auf Einschnitte Blutaustritt zeigen (also Petechialsugillationen in sehr mässigem Grade). Dass das Herz blutleer, die grossen Gefässe nur mässig bluthaltend waren, ist gleichfalls schon erwähnt. Kehlkopf und Luftröhre waren leer, die Schleimhaut zeigte sich nur in sehr mässigem Grade injicirt und war von grau-weisslicher, nur wenig ins Röthliche schimmernder Farbe.

Die Schädelhöhle bot nichts Bemerkenswerthes und war der Blutgehalt des Gehirns, der Hirnhäute und der Blutleiter nur ein geringer.

In dem protokollarischen Gutachten nehmen die Gerichtsärzte einzig auf Grund der Befunde an:

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dass das zwar nicht vollkommen reife, aber lebensfähig geborene Kind der K. nach der Geburt gelebt, aber nur wenige Athemzüge gethan habe, dass es in Folge einer Zerreissung der Leber und der dadurch stattgehabten inneren Blutung gestorben und dass die Leberruptur durch eine noch bei Lebzeiten des Kindes auf dasselbe von aussen her geübte mechanische Gewalt, Stoss oder Druck hervorgerufen sei. Endlich dass ausser dieser Todesursache höchst wahrscheinlich noch eine Hemmung des Athmungsprocesses durch Abschluss der atmosphärischen Luft mitgewirkt habe."

Sie halten zwar in ihrem motivirten Gutachten die Leberruptur auch noch als die Hauptursache des Todes, lassen aber ebenso wie in dem Thiele'schen Falle ein mechanisches Athmungshinderniss der Leberruptur vorangehen, das stark genug gewesen wäre, dass auch ohne die Leberruptur der Tod des Kindes allein hierdurch hätte eintreten können. Das Vorangegangensein des Athmungshindernisses erhellt ihnen namentlich, ja ausschliesslich aus den Petechialsugillationen unter den Lungenpleuren, da sich dieselben nicht hätten bilden können, wenn die innere Verblutung aus der Leberruptur bereits stattgehabt oder begonnen hätte, als

die Folgen der Erstickung eintraten. Umgekehrt wieder suchen sie die nur in so geringem Grade ausgesprochenen Zeichen des Erstickungstodes, ja die geradezu dagegen sprechenden, wie die Blutarmuth aller Organe der Bauchhöhle, ja sogar die Blutleere des Herzens und seiner grossen Gefässe, den sehr mässigen Blutgehalt der Lungen trotz der Petechialsugillationen etc. dadurch zu erklären, dass die in Folge des Athmungshindernisses stattgehabten Blutanstauungen der inneren Organe durch die nachfolgende Blutung und der Leber hätten verschwinden müssen.

Die Herren Sachverständigen nehmen in ihrem Schlussgutachten an:

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dass zwar wahrscheinlich auf gewaltsame Weise ein Verschluss der Luftwege stattgefunden, dass aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass auch ohne die Schuld eines Dritten, allein durch die hülflose Lage des Kindes unmittelbar nach der Geburt ein derartiger Vorgang hätte eintreten können *)."

Sie geben ferner die Möglichkeit zu, „dass das Kind allein durch einen kräftigen energischen Griff mit der Hand die tödtliche Leberruptur erlitten hat." Der Eine der Herren Sachverständigen hielt es, wie aus den Untersuchungsacten erhellt, auch nicht für unmöglich, dass bei dem vorgeblichen Schleifen des Kindes vermittelst der Nabelschnur auf dem rauhen Erdreich durch zufälliges Anschlagen gegen einen kleinen Stein etc. die Leberverletzung hervorgebracht sein könne."

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Da ausser diesen zugestandenen Möglichkeiten es endlich noch heisst:

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dass zur Aufklärung der Frage, ob der Abschluss der Luftwege oder die Leberverletzung während eines bewussten oder unbewussten Zustandes der Mutter erfolgt ist", die Obduction (!) überall keine Befunde ergeben hat, so hielt die Staatsanwaltschaft die medicinisch-objectiven Grundlagen der Untersuchung für zu schwankend und unsicher, um aus denselben mit Aussicht auf Erfolg beim Schwurgericht eine

*) Der Mund der Kindesleiche war bei der Auffindung bis zur Auftreibung der Backen mit Stroh vollgestopft. Bei der Section fand sich von dem Stroh nichts mehr vor, weil es vorher herausgenommen war.

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 1.

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Schuld der Mutter deduciren zu können, und sind die Acten geschlossen und reponirt worden.

Das Hauptinteresse scheint mir bei diesem Falle in dem Umstande zu liegen, dass auch hier die Angeschuldigte ebenso wie in dem zuerst mitgetheilten Falle es nachträglich that, glauben zu machen versuchte, dass durch einen starken Druck mit den Fingern oder der Hand die innere Verletzung zu Stande gekommen sein könnte. Die bei der äusseren Besichtigung auf dem unteren Theil der rechten Brustseite in der Gegend der Leber wahrgenommenen bräunlichen, linsengrossen Flecke und die am Rücken befindlichen 4 in die Quere verlaufenden Striemen von 2-3 Zoll Länge würden der Behauptung gewissermassen eine objective Grundlage gewähren, wenn sie nach ihrer Lage, nach dem Abstande von und nach ihrem Verlaufe neben einander näher beschrieben wären und als Fingereindrücke aufgefasst werden könnten. Auffallender Weise haben die Herren Obducenten, obwohl sie die Möglichkeit einräumen, dass die Leberruptur einem kräftigen und energisch ausgeführten Handgriffe ihre Entstehung verdanke, diese Befunde bei ihren Deductionen weder beachtet noch benutzt, sondern sich einfach mit der allgemeinen Möglichkeit einer Ruptur durch Fingerdruck begnügt und nur erwähnt, dass die Section etwas dieser Möglichkeit Entgegenstehendes überall nicht ergeben hat.

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Es drängt sich nun auf Grund dieser gleichartigen Behauptungen in zwei Fällen, die nach Zeit und Oertlichkeit so weit auseinander liegen, unwillkürlich die Frage allgemein auf, ob es möglich sei, bei einem jungen Kinde durch Quetschung mit den Fingern die Ruptur eines Organs der Bauchhöhle in specie der Leber zu bewirken, ohne dass sie, wie im ersten Falle, überhaupt Spuren der Einwirkung oder, wie im zweiten Falle, solche ohne Sugillationen zurücklassen.

Dieselben aus der gewöhnlichen Erfahrung hergeleiteten Einwände, wie sie gegen die Möglichkeit einer Leberruptur durch heftige Zerrung an der Nabelschnur in dem Falle 2. gemacht worden sind, lassen sich auch hier vorbringen. Wie häufig mögen durch instinctive Selbsthülfe bei Fussgeburten mit zögerndem Austritt des Kopfes oder auf andere Veranlassung hin die energischsten Eingriffe mit den Fingern auf den Unterleib eines Kindes

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