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erscheint jetzt fast die ganze langgestreckte Ostküste des westlichen Continents verdächtig. Und Hand in Hand mit dieser Ausbreitung wächst die Gelegenheit der Verschleppung. Wenn auch schon seit einigen Decennien *) Dampfschiffe den Ocean durchkreuzen, so beginnt doch erst seit den letzten Jahren jener colossale Aufschwung der transmarinen Dampfschifffahrt, der noch gar keine Grenzen absehen lässt. Ist unter diesen Umständen nicht eine noch viel gefahrdrohendere Ausbreitung der Krankheit zu fürchten? Noch ist St. Francisco, von dem alle Dampferlinien des stillen Oceans ausgehen, nicht befallen; aber die Stadt steht in häufigem Verkehr mit dem schon öfters heimgesuchten Panama und liegt noch nicht unter 38° N.B.; Lallemant berichtet sogar, dass schon einmal ein Dampfschiff auf der Fahrt von Panama nach St. Francisco 200 Menschen am Gelbfieber verloren habe. Ist da eine Verschleppung der Krankheit nach Ostindien eine so fern liegende Möglichkeit? Und wie wird die Gefahr sich steigern, wenn der noch in den Windeln liegende transpacifische Dampfschiffsverkehr sich weiter entwickelt, ganz zn schweigen von der noch ferneren Zeit, wenn der Isthmus von Darien durchstochen sein wird.

Wie aber wird das Gelbfieber in den Tropen der alten Welt sich verhalten, nachdem die erste Einschleppung stattgehabt hat? Wird es ihm hier ergehen wie der Cholera in Westindien, d. h.

nöthigt. Zu dem Ende wird in der Nähe des Kieles in ein Loch des Eisens ein durchbohrter Metallbolzen fest eingekeilt, der eine sichere Garantie gegen eine allmähliche Vergrösserung des Bohrloches bietet.

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Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse bei eisernen Dampfschiffen. Hier pflegt der Kielraum abgetheilt zu sein in eine Reihe hintereinander liegender compartments". Ueber einem solchen liegt die Maschine. Hier rinnt beständig direct von aussen Seewasser hinein zum Kühlen der Wellenlager und wird ebenso urunterbrochen sofort wieder hinausgepumpt. Das Wasser kann also nie stagniren. Die übrigen Abtheilungen sind von einander abgeschlossen, können aber sowohl einzeln wie insgesammt mit dem „compartment unter der Maschine in Verbindung gebracht werden. Alle 4 Stunden wird jedes derselben für sich gepeilt, um aus der Höhe des Wasserstandes auf die Dichtigkeit des Schiffes zu schliessen.

Diesem Bilschwasser ist von vielen Autoren eine viel zu generelle Bedeutung bei der Gelbfieber - Aetiologie auf Seeschiffen beigelegt worden. Bei mancher Schiffs epidemie ist dasselbe sicher unbetheiligt und die Schädlichkeit an einem ganz beschränkten Theile des Schiffes zu suchen. Wie es auf dem Lande Zimmerepidemien neben Hausepidemien giebt, so giebt es auch Cajütenepidemien neben Schiffsepidemien. (cf. Dutroulon 1. c. p 332.)

*) 1819 fuhr die Savannah als erster Dampfer von New-York nach Liverpool über den Ocean, später folgten vereinzelte zum Theil missglückte Versuche, bis 1840 die Cunard Line zuerst regelmässige Fahrten in Betrieb setzte, 1850 als erste directe Linie nach Westindien die Royal Mail Steam Ship Company folgte. (Meyer's Conversationslexicon, Art. Dampfschiff.)

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 1.

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ein Fremdling bleiben, der wohl verheerende Epidemien verursacht, aber immer wieder verschwindet, zum neuen Auftreten einer neuen Einführung aus der alten Heimath am Ganges bedarf, oder wird es sich an den asiatischen und australischen Ufern des stillen und indischen Oceans eine zweite Heimath gründen, wie es dasselbe schon an der Westküste Afrika's gethan hat?*) Steht Europa in ernster Gefahr, mit der Zeit auch gegen Süden sich gegen das Gelbfieber schützen zu müssen, auch wegen dieser Krankheit den Verkehr durch den Suezcanal controliren zu müssen? Wohl mögen diese Gefahren fern liegen, die Sorgen weit hergeholt erscheinen, andererseits bleibt zu erwägen, dass wir es noch in unseren Händen haben uns zu schützen. Wie bald vielleicht nicht mehr? **)

Uns näher liegt eine zweite Frage: ob nämlich seit Eröffnung der directen Dampferlinien nach Westindien für den Norden Europa's die Gefahr einer Gelbfieber-Einschleppung wesentlich gesteigert, ob in unserem Klima überhaupt eine epidemische Ausbreitung der Krankheit je möglich sei. Ich glaube ja!

Während Segelschiffe einen Hafen nach dem andern anlaufend nach längerer Abwesenheit erst wiederkehren, gehen die Dampfschiffe auf den kürzesten Wegen ohne viel Aufenthalt hin und wieder fahrend zwischen den Continenten. Selbst bei directer Fahrt waren Segelschiffe durchschnittlich 6 Wochen zwischen Amerika und Europa unterwegs, jetzt trennt uns eine kaum 14 tägige Ueberfahrt von verrufenen Gelbfieberplätzen; während jene in schlechter Jahreszeit Gelbfieberhäfen gern mieden, kennt das Geschlecht der Eisenbahnen und Dampfschiffe solch sentimentale Rücksichten nicht mehr; wenn jene die Havanna oder New-Orleans im Juli und August verliessen, trafen sie hier zur kühleren Jahreszeit ein, diese dagegen begleitet in warmen Sommern die Hitze der Tropen bis in die Heimath.

Aus statistischen Nachweisungen ergiebt sich, dass monatlich in Europa etwa 59 Dampfschiffe aus dauernd oder zeitweilig des Gelbfiebers verdächtigen Orten eintreffen und zwar weitaus die grössere Mehrzahl in Häfen

*) Keine der Nachrichten über das Vorkommen von Gelbfieber auf den Sunda-Inseln etc. ist beglaubigt.

**) Die Niederlande haben 1872 in ihren indischen Besitzungen Schutzmassregeln gegen Gelbfieber eingeführt. cf. Preussisches Handelsarchiv, 1872. II. p. 610; ebenso England. cf. die Quarantaine - Vorschriften vom 11. Septbr. 1872 für Madras. Leudesdorf 1. c. 6. Hft. p. 23.

des nördlichen Europas, dass Deutschland dabei zur Zeit mit 7 Schiffen im Monat betheiligt ist. Nachrichten über den Schiffsverkehr Hamburgs und Bremens zeigen ausserdem, in wie raschen Progressionen derselbe wächst, wie namentlich der transatlantische Dampfverkehr eine steigende Zunahme erwarten lässt.

Verfolgt man den Cours der von der Havanna und New-Orleans kommenden Schiffe, so ersieht man, dass sie sehr rasch nördliche Breiten und damit kühleres Wasser*) und kühlere Luft aufsuchen, dass dagegen die von den kleinen Antillen kommenden Dampfer und natürlich ebenso die aus Brasilien und den La-Plata-Staaten selbst in den Jahren wo die Temperatur der Luft und des Oceans das Mittel nicht übersteigt, in den Sommermonaten bis sie den 30° W.L. erreichen, also während des grösseren Theils ihrer Reise in einer Umgebung von über 20° C. bleiben, ganz abgesehen von der durch die Maschine gesetzten Wärme dass kaum 8 Tage andauernder Sommerwärme dazu gehören, um das Schiff bis zu seiner Ankunft in Deutschland unter allen für die Entwicklung des Gelbfiebers günstigen Bedingungen zu erhalten.

Diesen Betrachtungen entsprechen die Erfahrungen. Unter den 33 bekannt gewordenen Eiuschleppungen in nördliche Theile Europas finden sich einige Importationen durch Segelschiffe auch schon aus früheren Jahren sogar die beiden einzigen, wenn auch sehr beschränkten Epidemien in St. Nazaire 1861 und in Swansea 1865 danken wir Segelschiffen aber doch bei Weitem die grössere Zahl (20) stammt aus der Zeit der directen Dampferlinien aus den letzten 20 Jahren (seit 1852). Gehört es da zu den grossen Unwahrscheinlichkeiten, dass unsere deutschen Dampfer aus Westindien und Brasilien eines Tages auf der Elbe und Weser mit dem Gelbfieber an Bord erscheinen?**) Sollen wir dieselben dann im Vertrauen auf unser Klima anstandslos in die Häfen lassen zwischen Hunderte anderer Schiffe, den Verkehr freigeben mit unserer Hafenbevölkerung und deren insalubren Wohnungen?

Wenn in Southampton bisher keine Epidemie ausbrach, so ist neben der jedesmal streng durchgeführten Quarantaine die kühle Jahreszeit zu beachten in der die meisten unreinen Ankünfte erfolgten; wie aber würde sich die Sache gestalten ohne Quarantaine im Juli oder August eines besonders heissen Jahres?

Nach freundlichen Mittheilungen des Directors der deutschen Seewarte, des Herrn von Freden, stimmen die mittleren Temperaturen Hamburgs wesentlich mit den von Dove für verschiedene Orte unserer Nordseeküste aus dem 20jährigen Mittel genommen überein. Hiernach liegt allerdings auch in den Sommermonaten

*) Doch gehen sie immerhin im warmen Golfstrom.

**) Auf dem Dampfschiff der Hamburg - Südamerikanischen Gesellschaft „Brasilien", Kpt. von Holten, ist im Frühling 1873 in Rio fast die gesammte Mannschaft erkrankt.

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bei uns das Mittel unter 20 C., die zum Ausbruch des Gelbfiebers erforderlich sind. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass in einzelnen Jahren das Thermometer nicht auf längere Zeit wesentlich höher stiege. Vergleicht man die mittleren Tagestemperaturen und Tagesmaxima der Sommermonate von Hamburg und Elsfleth a. d. W. in einzelnen wärmeren Jahren mit denen, wie sie während der Lissaboner Epidemie des Jahres 1857 geherrscht haben, so wird man sich nicht der Einsicht verschliessen können, dass in den Sommermonaten einzelner heisser Jahre auch für die deutschen Küsten die Gefahr einer Gelbfieber-Einschleppung besteht, und dass wir allen Grund haben uns gegen dieselbe zu schützen.

Schon anlässlich der Epidemie von Livorno im Jahre 1804 haben in Deutschland vielfach ähnliche Erörterungen *) stattgefunden, die sich in der späteren Literatur fortsetzen. Fast alle kommen mit mehr oder weniger Bestimmtheit zu dem Resultat, dass die Möglichkeit eines solchen Ereignisses nicht zu bestreiten sei; ich glaube gezeigt zu haben, dass seit Eröffnung der directen Dampferlinien diese Möglichkeit zu einer Wahrscheinlichkeit geworden.

Nun hat aber die preussische Regierung im Jahre 1863**) alle bestehenden Schutzmassregeln gegen Gelbfieber aufgehoben; damals allerdings mit vollem Recht, wo der Staat nur Ostseehäfen besass, die mit Westindien keinen Dampfschiffsverkehr unterhalten. Im Jahre 1868 aber haben Preussen, Bremen und Oldenburg in dem Uebereinkommen wegen Errichtung einer Quarantaine-Anstalt an der Unterweser gleichfalls ausdrücklich von Quarantaine - Massregeln gegen das Gelbfieber Abstand genommen, und auch in Cuxhaven werden Ankünfte von Westindien keiner Controle unterworfen.

Gerade die Weser und Elbe sind aber die durch ihre Dampfschiffsverbindungen einzig gefährdeten Punkte der deutschen Küste, und sollten daher im Juli und August die vor den Flüssen eintreffenden Dampfschiffe einer Revision unterzogen werden, ehe man dieselben in die Häfen hineinlässt.

Die Gelbfieber - Quarantainen.

Die Erfahrungen der englischen Kriegsmarine, der englischen und französischen Postdampfschiffe zeigen, wie man durch überlegte Massregeln sowohl die Infection der Schiffe wesentlich er

*) Langemann kommt zu dem Schluss, dass das Gelbfieber auch für Europa und Deutschland keine wahre Pest sei", und bekämpft die ergriffenen Schutzmassregeln, die nach unseren jetzigen Kenntnissen allerdings auch an den Land grenzen überflüssig waren.

**) Durch § 13. der Verordnung vom 3. Juli 1863 zur Verhütung der Einschleppung der orientalischen Pest. cf. Eulenberg 1. c. p. 190.

schweren *), eine einmal ausgebrochene Schiffs -Epidemie wirksam beschränken, selbst unterdrücken könne. Eine rationelle SchiffsHygieine und strenge Bestimmungen für den Aufenthalt in Gelbfieberplätzen bilden daher die Hauptaufgabe gegen eine Verbreitung der Krankheit.

Trotzdem werden immer einzelne inficirte Schiffe in den Häfen eintreffen und dauernd Quarantainen nothwendig machen.

Um diese Gelbfieber - Quarantainen ist der früher erwähnte Kampf der Contagionisten und Anticontagionisten ganz besonders lebhaft entbrannt gewesen. In der Praxis freilich haben diese Differenzen nicht die Bedeutung erlangt, wie man es nach der Heftigkeit des Streites und nach dem Gewicht der betheiligten Stimmen wohl hätte erwarten können. Wohl hat es nicht an Beispielen gefehlt, dass unter der Herrschaft der Nichtcontagionslehre bestehende Quarantaine - Gesetze zum Theil zum grossen Schaden des betroffenen Landes sehr nachlässig gehandhabt wurden, nie ist es aber meines Wissens zu einer vollständigen Aufhebung derselben irgendwo gekommen. Zur Zeit sind solche in allen den Ländern in Kraft, die einer ernstlichen Gefahr durch die Krankheit ausgesetzt sind, freilich grossentheils noch auf Grund der irrthümlichen Lehre von der Contagiosität der Krankheit.

Für die Berechtigung der Gelbfieber - Quarantainen spricht neben allen theoretischen Betrachtungen vor Allem eine ansehnliche Reihe zweifelloser und segensreicher Erfolge.

New-York, das bis zum Jahre 1809 häufig schwer von der Krankheit heimgesucht wurde [in den 34 Jahren vor 1809 17 mal]**), hat seit diesem Jahre, wo eine strenge Quarantaine eingerichtet ward, bis jetzt nur 3 Epidemien (1822, 1856, 1870) wieder gesehen. Und doch hat es in der Zwischenzeit an Gelegenheiten zur Einschleppung nicht gefehlt. In dem Report on quarantine laws von 1846 findet sich eine tabellarische Zusammenstellung aller Gelbfieber - Ankünfte in New-York von den Jahren 1806-1844,

*) In verschiedenen transatlantischen Plätzen werden ganz bestimmte Theile der Häfen als einer Infection der Schiffe besonders günstig bezeichnet, so in Rio (cf. Leudesdorf 1. c. p. 1, 7), in St. Thomas; ebenso kehrt unendlich häufig die Angabe wieder, dass die Schiffe beim Kohleneinnehmen inficirt seien. Bei Anrechnung einer 6 tägigen Incubation würde dies auch die Infectionsgelegenheit gewesen sein für die deutsche Corvette Arcona (cf. Haenisch 1. c.).

**) Griscom in den Proceedings of the third national quarantine convention, 1. c. p. 74.

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