Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Da mag man mir noch von gleichmässiger Vertheilung der Apotheken sprechen und nur Berlin ausnehmen; ich glaube bewiesen zu haben, dass es noch andere Beispiele nur zu günstiger Vertheilung, d. h. für die Besitzenden giebt. Beati possidentes! Apotheken fehlen überall dort, wo ohne wirkliche erhebliche Schädigung der anderen Apothekenbesitzer, wenn man den wahren Werth dieser Geschäfte, d. h. jenen Werth zu Grunde legt, welchen das Geschäft heute unmittelbar nach der Einrichtung und Eröffnung haben muss, um das angelegte Kapital zu verzinsen, die Betriebskosten zu decken, den Besitzer nebst Familie bei bescheidenen Ansprüchen anständig zu ernähren und ihm daneben die Gelegenheit zu Ersparnissen für das Alter zu gewähren, eine neue Apotheke einen MinimalUmsatz von 2,700 Thalern erreichen kann. In den Städten muss sich der Umsatz etwas resp. viel höher beziffern, weil die Beschaffung der Realien, namentlich des Grundstückes eine viel höhere Kapital-Anlage erfordert.

Hiernach muss ich Jacobi vollständig beistimmen, wenn er in dem PetitionsBericht, wie in dem Artikel der Schlesischen Zeitung No. 296. 1873. darauf dringt, dem in Preussen bestehenden Concessions - Unwesen, das den Apothekenbesitzern selbst nur bis vor ca. 20 Jahren Nutzen gebracht hat, welcher später durch die hohen Zinsen erheblich vermindert wurde, ein Ende zu machen. Die künstlich erzielten hohen, ja man kann sagen, Schwindelpreise, welche man mit den Güterpreisen und Pachtsummen um das Jahr 1860 vergleichen kann, müssen auf die gehörige Norm zurückgeführt werden; es muss minder begüterten approbirten Apothekern die Erlangung der Selbstständigkeit nicht durch Speculation unter der Aegide des Staatsschutzes erschwert werden.

Aber nicht das System der Concessionen an sich ist schlecht, die Art der Anwendung, die heute massgebenden Grundsätze sind zu verwerfen. Aendert man diese ab, beseitigt man den eingerissenen Abusus, concessionirt man künftig ohne jene ängstliche Rücksicht auf die Besitzenden, ohne Rücksicht auf die hohen Kaufsummen und die also aufzubringenden Zinsen, nur mit Rücksicht auf die Bedürfnissfrage der Bewohner und auf die Existenzfähigkeit des neuen Concessionärs, neben den bestehenden Geschäften in ihrem wahren Werth, dann werden wir gute, billige und schnell zu erreichende Arznei erhalten und behalten. Die Wissenschaft wird dabei auch ihre Rechnung finden. Die bisherigen Pfründen - Inhaber mögen immerhin schreien über Beeinträchtigung wohl erworbener Rechte, Niemand wird sich darum kümmern; ich meine aber, sie thun besser, dankbarlichst zu schweigen, dass man ihnen so lange die fetten Pfarren ungeschmälert belassen hat.

Gern gebe ich zu, was mir namentlich von einzeln stehenden Apothekern öfters auf meine Auseinandersetzungen gesagt ist: „Ja, man hätte nur bei meinem Vorgänger schon eine neue Con

cession geben sollen, da hat man es versäumt; der sass in der Wolle, ich habe nun im guten Glauben theuer gekauft und soll dafür büssen.“ Ja, darin liegt eine gewisse Härte, aber daran darf die Staatsregierung resp. die Bezirksregierung sich nicht kehren, damit nicht wieder der rechte Zeitpunkt versäumt werde. Wo nach reiflicher Erwägung eine zweite Apotheke so existiren kann, dass der Besitzer ohne Nebengeschäfte sich einen Gehülfen oder auf dem Lande, wenn er tüchtig ist, auch ohne Gehülfen einen Lehrling halten kann, da muss von jetzt ab ohne Säumen mit der Errichtung neuer Apotheken vorgegangen werden, freilich so, dass man die ersten Apotheken immer dort neu eröffnet, wo alte Besitzer sind, doch auch mit den erst seit kürzerer Zeit im Besitz stehenden nicht zu lange zögert und das aus folgenden Grunde: Wartet man zu lauge mit neuen Concessionen an Orten, wo nur zwei oder gar nur ein Besitzer sind, so setzen sich diese oder dieser inzwischen so fest in den Sattel, dass sie durch niedere Concurrenz den neu concessionirten Apotheker todt machen, oder sie verkaufen wieder höher. Solche Fälle sind mir bekannt aus der Mark und Pommern. Also lieber zu früh als zu spät concessioniren, so dass in 10 Jahren nach den später zu erörternden Normativzahlen Alles geordnet ist.

Bei der Ertheilung der Concession muss jedes persönliche Motiv, besonders die Rücksicht auf Politik oder Religion fortfallen, dagegen muss der Charakter und die Befähigung des Bewerbers mit allen zu Gebote stehenden Mitteln genau geprüft werden. Der Staat soll ja eine Erziehungs-Anstalt im Grossen sein; nun dann muss er seine Diener besonders nach ihrem Charakter und ihren Fähigkeiten anstellen, nicht nach dem so leicht zu wechselnden Kleide der Religion und der Politik. Wer in den letzten 25 Jahren offene Augen gehabt hat, dürfte nicht nach Beispielen für politisches und religiöses Changement je nach dem herrschenden Regime fragen. Unter den durch Charakter und fachmännischer Befähigung Gleichen muss der älteste Bewerber genommen werden. Diesem Concessionär muss die Bedingung auferlegt werden, dass er das Geschäft nach frühestens 10jahrigem Besitz wieder veräussern darf und zwar an einen qualificirten Nachfolger, welcher sich der Regierung über seine Qualification auszuweisen hat.

Wie stellt man nun das Bedürfniss fest, wie ermittelt man die von Hartmann am Schluss gewünschten am Schluss gewünschten Normativzahlen? Nach meinem Dafürhalten am besten so, dass man folgende Momente in Rechnung bringt:

1) Dichtigkeit der Bevölkerung;

2) Wohlhabenheit der Bevölkerung, festgesetzt nach der StaatsEinkommen- und Klassensteuer pro Kopf.

Dies sind die Hauptpunkte, um welche es sich in erster Linie handelt, um vor allen Dingen durch Vergleich der einzelnen Landestheile unter sich zu constatiren, wie die Vertheilung der Apotheken in Preussen bis dahin stattgefunden hat. Mag man dann noch die Verhältnisse von Stadt und Land für jeden einzelnen District bei neuen Anlagen besonders berücksichtigen, wie Hartmann will, die Vertheilung im Ganzen, wie die Befriedigung des Arznei-Bedürfnisses ist schon gegeben. Dispensir-Anstalten und Haus-Apotheken der Aerzte spielen eine sehr unbedeutende Rolle. Die letzteren sollten eigentlich gar nicht geduldet werden; viele Haus - Apotheken sind ein Zeichen, dass mit den Concessions - Ertheilungen sparsam umgegangen ist.

In der beifolgenden Tabelle habe ich für sämmtliche Regierungsbezirke des preussischen Staats in seinem heutigen Bestande zusammengestellt*)

No. 1. Grösse nach Quadratmeilen,

[ocr errors]

[ocr errors]

2. Zahl der Einwohner nach der Volkszählung pro 1871,

3. Dichtigkeit der Bevölkerung,

4. Summe der Klassen- und Einkommensteuer, event. statt der Klassensteuer der aufgebrachten Mahl- und Schlachtsteuer nach Abzug der Quote, welche den Communen zufällt, sowie der in den Rheinlanden zur Erhebung gekommenen Beischläge zu den Justizkosten,

5. Kopfsteuer nach Mark, sowie nach Groschen und Pfennigen berechnet,

6. Zahl der Apotheken nach dem Medicinal-Kalender.

7. Wie viel Einwohner kommen auf eine Apotheke im Regierungsbezirk?

8. Wie viel Quadratmeilen gehören zu einer Apotheke?

9. Wie viel Apotheken kommen auf 100 Quadratmeilen?

Um die Wohlhabenheit eines Districts abzuschätzen, ist nur die pro Kopf gezahlte directe Staatssteuer massgebend; diese allein ist durch den ganzen Staat nach demselben Princip bemessen. Die Mahl- und Schlachtsteuer musste jetzt noch zu Hülfe genommen werden, um den Ausfall an Klassensteuer zu decken. Später fällt diese Aushülfe fort und das Resultat wird noch genauer. Statt für die Provinzen habe ich die Zahlen für die einzelnen Rsgierungsbezirke aufgestellt, weil die einzelnen Bezirke oft zu wesentlich differiren in Wohlhabenheit, in Vertheilung der Apotheken, in Volksdichtigkeit. Die Markrechnung wurde bei der Kopfsteuer der besseren Uebersichtlichkeit halber gewählt.

*) Für Hannover sind nach der Lage der Bezirks - Haupt - Cassen je zwei Drosteien zu einem Bezirk vereinigt, weil die Angabe der Steuern dazu nöthigte. Die Steuersummen pro 1873 beruhen auf amtlicher Angabe aus dem Finanzministerium.

[blocks in formation]

Gr. Pf.

der

Staats

steuern pro 1873.

Kopfsteuer Zahl der Zahl der Wie viel Wie viel nach Staats-Apotheken Einwohner, Qu.-Meilen Apotheken steuern berech- pro 1873 welche auf kommen würden auf net pro 1873. n. d. Med.-1 Apotheke auf 1 Apo-100 Qu.-M. Kal. 1874. kommen. theke. kommen?

Mark.

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

Wirft man nun einen Blick auf die Tabelle, so fällt zunächst auf, dass die neuen Provinzen, das wohlhabende und dicht bevölkerte Hessen-Nassau, sowie das theilweise dürftige und dünn bevölkerte Hannover, viel reichlicher mit Apotheken versorgt sind, als die alten Provinzen, selbst das Rheinland mit eingerechnet.

Bei einer Volksdichtigkeit von 2744 auf die Quadratmeile und einer Kopfsteuer von 2.72 Mark hat der Bezirk Osnabrück-Aurich 1 Apotheke auf 5588 Einwohner, während

Coblenz bei 2.61 Kopfsteuer und 4951 Dichtigkeit für 9413 Einwohner 1 Apotheke giebt,

Liegnitz bei 2.71 Kopfsteuer 3927 Dichtigkeit für 1 Apotheke 13,110 Einwohner reservirt hat.

Noch eclatanter aber wird dieser Gegensatz, wenn man die Summen der Staatssteuern vergleicht, welche von der zu einer Apotheke gehörenden Durchschnittszahl der Einwohner in den verschiedenen Bezirken aufgebracht werden. Auch hier habe ich die Markrechnung der besseren Uebersicht halber zu Grunde gelegt.

In dem meist dicht bevölkerten Oppeln zahlt die zu einer Apotheke gehörende Durchschnittsbevölkerung von 19,241 Seelen, die bei Einrechnung sämmtlicher Dispensir - Anstalten und Haus - Apotheken, welche ja doch nur einen sehr engen Kreis von Arznei-Consumenten, die ersten nämlich die Insassen des betreffenden Krankenhauses und mit einer sehr beschränkten Zahl von Mitteln, die zweiten auch einen abgegrenzten Kreis versorgen, vielleicht auf 18,500 herabzusetzen wäre, die Summe von 39,828.87 Mark,

in Liegnitz 35,528.10 M.,

in Schleswig 38,028.87 M.,

in dem dünn bevölkerten Lüneburg-Stade 19,868.25 M.,
in Osnabrück- Aurich 15,209.36 M.

Aus diesen Beispielen, wie noch mehr aus der ganzen Tabelle, erhellt klar die ungleichmässige Vertheilung der Apotheken im jetzigen Preussen; es geht daraus zur Genüge hervor, dass in den neuen Provinzen unter demselben System der Limitirung der Anlage neuer Apotheken, aber bei leitenden Grundsätzen anderer Art, eine bessere Vertheilung über Stadt und Land sowohl in dem dicht bevölkerten und meist reichen Hessen - Nassau, wie in dem grösstentheils dünn bevölkerten und theilweise weniger begüterten Hannover herbeigeführt ist.

Mit der Wohlhabenheit der Bevölkerung wächst die Neigung, die Gesundheit wieder herzustellen, das gefährdete Leben zu erhalten, mit der Wohlhabenheit wächst auch die Bildung im Allgemeinen, es treten mehr und grössere Bedürfnisse an die Menschen heran, und was der Arme und Ungebildete für Luxus erachtet, z. B. sein Kind durch ärztlichen Rath und Arznei zu erVierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 1.

8

« ZurückWeiter »