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Materialien

zu den

Berathungen des Zollparlaments.

I. Geschichtliche Einleitung.

Bericht der vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr im Bundesrathe des Norddeutschen Bundes

über den Vertrag vom 8. Juli 1867

zwischen dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betreffend.

In der Geschichte des Zollvereins bildet der am

8. Juli c. unterzeichnete und jetzt dem Bundesrathe vorgelegte Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde einerseits und Bayern, Württemberg, Baden und Hessen andererseits den bemerkenswerthesten Abschnitt: der Zollverein erhält damit zum ersten Male eine feste Organisation, und es ist jetzt mit Sicherheit vorauszusehen, dass er in Zukunft eine bleibende Institution für das gesammte in ihm vereinigte Deutschland sein wird.

Die früheren Stadien, welche der Zollverein durchlaufen hat, bezeichneten der Hauptsache nach nur eine Erweiterung seines Gebiets. Aus der Einigung Preussens und beider Hessen entstanden, consolidirte er sich wesentlich zuerst im Jahre 1834 durch den Zutritt von Bayern und Württemberg, denen dann Sachsen, Thüringen und Baden folgten. Das Gebiet des Zollvereins enthielt am Ende des Jahres 1834 23 Millionen Einwohner. Später folgten Nassau, Hessen - Homburg, Frankfurt und kleinere Braunschweigische und Hannoversche Gebietstheile, so dass das Gebiet des Zollvereins 26 Millionen Einwohner enthielt. Die folgende Periode inaugurirt alsdann der Vertrag über die Erneuerung des Zollvereins vom 8. Mai 1841, auf den noch in demselben Jahre der Anschluss des Herzogthums Braunschweig folgte. In dieser Periode waren die Grenzen des Zollvereins, insonderheit im Norden, schlecht arrondirt; es war also ein wesentlicher Fortschritt, als sich im Jahre 1851 der Beitritt des Steuervereins erreichen und der Zollverein an die Ufer der Nordsee ausdehnen liess. Der Vertrag vom 4. April 1853 bezeichnet den Anfang eines neuen Abschnitts in der Geschichte des somit erweiterten Zollvereins. Gegen das Ende dieses Abschnitts wurde der Französische Handelsvertrag geschlossen, der zu einer Reform des bisherigen Tarifs führte: den Abschluss der dadurch herbeigeführten Schwierigkeiten bildete dann der letzte der unter den einzelnen Staaten zu Stande gekommenen allgemeinen Einigungsverträge, der Vertrag vom 16. Mai 1865.

Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc.

Ungeachtet der Zollverein schon in seinen früheren Perioden eine politische, finanzielle und commercielle Nothwendigkeit für Deutschland war, sind doch seine Fortschritte sehr langsam gewesen: Gründe, die mehr auf dem politischen Gebiete lagen, wirkten hemmend und zurückhaltend ein, und es hat einer grossen Geduld und Stetigkeit bedurft, die verschiedenen Krisen, die der Zollverein durchgemacht hat, zu überwinden. Man überzeugt sich nämlich bei einem Rückblicke auf die Geschichte des Zollvereins leicht, dass jeder Fortschritt, den er machte, durch eine Krisis erkauft werden musste, und dass der Uebergang in ein neues Stadium niemals sanft und schmerzlos erfolgte. Die Schwierigkeiten, welche die Erneuerung des Zollvereins in den Jahren 1851 bis 1853 nach dem so erwünschten Beitritte des Steuervereins zu überwinden hatte, die Zerwürfnisse, die in Folge des Französischen Handelsvertrags der Erneuerung in den Jahren 1864 und 1865 vorangingen, sind in zu frischer Erinnerung, als dass auf das Einzelne einzugehen wäre. Es erwiesen sich jedesmal politische Considerationen und äussere Einwirkungen als entschieden einflussreich, die Staaten fanden sich nur successive wieder zusammen, und das letzte und entscheidende Motiv musste jedesmal die Aussicht auf die für alle Staaten sehr unerwünschte Auflösung des Vereins geben.

Der Uebelstand lag darin, dass der Zollverein auf periodisch ablaufenden Verträgen beruhte, und dass in Folge der politischen Verhältnisse seinen organischen Einrichtungen die Festigkeit fehlte, die ein geschlossenes Ganzes nicht entbehren kann, wenn es den Charakter der Sicherheit und Dauer haben soll.

Der jetzt gemachte Uebergang in ein neues Stadium ist nun in Uebereinstimmung mit der oben angedeuteten geschichtlichen Erfahrung ebenfalls nicht die Folge ruhig-regelmässiger Entwickelung, sondern einer Krisis: auch hier steht die Grösse und Schwere der Krisis mit der Erheblichkeit des Erfolges und des gemachten Fortschrittes im Verhältniss.

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Während des Krieges des vorigen Jahres haben die Zolleinigungsverträge thatsächlich fortbestanden. In den Friedensschlüssen hatte man dann die Fortdauer des Zollvereins von weiteren Verhandlungen abhängig gemacht, und eine sechsmonatliche Kündigungsfrist stipulirt.

Während so der Zollverein factisch fortgesetzt wurde, gründete Preussen den Norddeutschen Bund. Die am 7. Februar d. J. unter den Regierungen der am Norddeutschen Bunde betheiligten Staaten festgestellte und am 16. April d. J. nach Maassgabe der Beschlüsse des Reichstags angenommene Verfassung des Norddeutschen Bundes enthält in ihrem sechsten Abschnitte eine tiefe und durchgreifende Aenderung in den Verhältnissen des Zollvereins, die indess mit dem bisherigen Zustande in keiner Weise definitiv gebrochen, sondern nur mit voller Entschiedenheit die Organisation durchgreifend gebessert und dancben den Punkt zur Anknüpfung für Herstellung des ganzen Zollvereins offen gelassen hat.

Der Norddeutsche Bund bildet danach Ein Zollgebiet, seine Mitglieder setzen den Zollverein unter sich auf Grund des materiellen Inhalts der Zolleinigungsverträge fort, die Gemeinschaft wird durch Hinzuziehung neuer Gebiete und Erstreckung auf innere Steuern erweitert; das Zoll- und Steuerwesen fällt aber unter die Competenz der Organe des Bundes. Der Zollverein ist im Norddeutschen Bunde danach bleibende Institution und beruht auf Gesetz und Verfassung: seine Entwickelung und seine Organisation ist aber durch Beseitigung des Unanimitätsprincips und die Einrichtung von Organen, die nach Majorität entscheiden, sicher gestellt.

Damit war denn allerdings die Auflösung des bisherigen Vereins mit den nicht zum Bunde gehörigen Staaten ausgesprochen. Eine Erneuerung auf unveränderten Grundlagen war nicht denkbar, da der Norddeutsche Bund einen der wichtigsten Abschnitte seiner Verfassung, der eine längst erwünschte Verbesserung ins Leben rief, nicht schlechthin wieder aufgeben konnte. Eben so wenig war aber eine Wiederanknüpfung auf neuen Grundlagen ausgeschlossen so wenig im Norden als im Süden war man gesonnen, die Wohlthaten der Zolleinigung von ganz Deutschland aufzugeben. Freilich war die Verbindung des verfassungsmässig als Zolleinheit constituirten Norddeutschen Bundes zu einem Zollvereine mit Staaten, die ausserhalb seiner Verfassung standen, eine scheinbar schwierige und nicht ohne eine immerhin künstliche Vermittelung zu lösende Aufgabe. Darin aber, dass sich solche Vermittelung rasch und leicht gefunden hat, liegt der Beweis einerseits für die Lebenskraft und Nothwendigkeit des Zollvereins, und andererseits für die patriotische Gesinnung der betheiligten Regierungen, welche das im allgemeinen Deutschen Interesse Liegende rasch erkannten und ohne Anstand ins Leben führten.

Eben so unzulässig, wie die Erneuerung des Zollvereins auf den alten Grundlagen zwischen allen einzelnen Staaten, war aber die Combination, nach welcher der Norddeutsche Bund als Ganzes mit den Südstaaten einfach die alten Verträge erneuert, in dem Verhältnisse zu diesen Staaten es lediglich bei den organisatorischen Bestimmungen dieser Verträge gelassen und die Neuerungen der Verfassung des

Norddeutschen Bundes als sein Internum behandelt hätte. Damit wäre nichts erreicht als eine Verringerung der Zahl der Mitglieder des Vereins; das im Innern des Norddeutschen Bundes beseitigte Unanimitätsprincip wäre aber für den Gesammtverein bestehen geblieben. Andere Combinationen, nach welchen von den Organen des Norddeutschen Bundes durchaus verschiedene Organe des gesammten Zollvereins geschaffen wären, hätten zu einer zu grossen Vervielfältigung des ganzen Apparates, und abgesehen von einer tiefgreifenden Verfassungsänderung im Norddeutschen Bunde, zu mancherlei Verwirrungen geführt. Es blieb daher nur der Ausweg, die Institutionen des Norddeutschen Bundes bezüglich der Zoll- und Handelssachen auf den gesammten, thatsächlich noch bestehenden Zollverein auszudehnen, theils also ihren Wirkungskreis auf ein grösseres Gebiet zu erweitern, theils dem entsprechend, neue, dieses hinzukommende Gebiet vertretende Mitglieder in sie aufzunehmen.

Diese Betrachtungen waren so einfach und klar, dass bei der ernsten Absicht, den Zollverein in seinem früheren Umfange fortzusetzen, die Lösung der Frage von der Modalität des Anschlusses der Süddeutschen Staaten keine ernste Schwierigkeiten machte. Schon am 4. Juni d. J. kam nach kurzer Verhandlung zwischen Preussen, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen eine Convention zu Stande, welche die wesentlichsten Grundlagen des Anschlusses feststellte der Zollverein sollte nach Maassgabe des Vertrages vom 16. Mai 1865 fortgesetzt und die Gemeinschaft auf die Besteuerung des Salzes und des Tabacks erstreckt werden, die Präcipuen sollten hinweg fallen und der erneuerte Zollverein sollte Organe erhalten, welche in der eben bezeichneten Weise den in der Verfassung des Norddeutschen Bundes gegebenen entsprachen.

Die weiteren Verhandlungen nahmen einen eben so raschen Verlauf. Die zur Feststellung des neuen Vertrages auf Grundlage der Convention vom 4. Juni berufene Conferenz begann ihre Arbeiten am 28. Juni und schon am 8. Juli wurde der Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betreffend, unterzeichnet.

Für die nähere Prüfung dieses Vertrages wird
1. die Art seines formellen Abschlusses,
2. sein materieller Inhalt und zwar

a) die verabredete neue Organisation des
Zollvereins, und die daraus folgende Mo-
dification der Verfassung des Norddeutschen
Bundes,

b) sein übriger Inhalt und die dadurch herbeigeführte Aenderung an den Abreden der früheren Verträge

ins Auge zu fassen sein.

1. Was die formelle Seite des Vertrages betrifft, so ist derselbe in Uebereinstimmung mit Art. 11. und 79. der Verfassung des Norddeutschen Bundes von Preussen in Vertretung des Norddeutschen Bundes einerseits und den vier Süddeutschen Staaten andererseits geschlossen. Unter dem Ausdruck vertragende Theile", der in den einzelnen Vertragsartikeln vorkommt, sind daher der Norddeutsche Bund und die vier Süddeutschen Staaten zu verstehen.

Unterzeichnet ist der Vertrag freilich auch von

den Bevollmächtigten der übrigen Norddeutschen Staaten, welche directe Mitglieder des Zollvereins waren. Dieses ist indess nur deshalb geschehen, weil die Verhandlungen vor dem 1. Juli, also dem Tage, an welchem die Verfassung des Norddeutschen Bundes ins Leben trat, begonnen hatten, und nach der damaligen Sachlage also die Zuziehung jener Staaten nothwendig war. Es schien nicht angemessen, die Bevollmächtigten derselben am 2. Juli aus den begonnenen Verhandlungen ausscheiden zu lassen, oder sie von der Unterzeichnung des Resultats der von ihnen mit gepflogenen Unterhandlungen auszuschliessen. Die rechtliche Lage der Sache ist durch die Fassung des Eingangs des Vertrages und die Bestimmung des Schlussprotokolls: dass die Ratification des Vertrages für den Norddeutschen Bund nur durch dessen Präsidium zu erfolgen habe, vollständig gewahrt.

2. Ueber den materiellen Inhalt des Vertrags und zunächst

a) über die verabredete neue Organisation des Zollvereins ist Folgendes zu bemerken: Die Bestimmungen in Artikel 7., 8., 9., 19. und 20. des Vertrages stimmen im Allgemeinen mit der Convention vom 4. Juni dieses Jahres und den bezüglichen Vorschriften der Verfassung des Norddeutschen Bundes überein. Die Gesetzgebung über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten wird durch einen Bundesrath des Zollvereins und ein Zollparlament geübt. Das Präsidium im Bundesrathe steht der Krone Preussen zu, welche in Ausübung desselben den Zollverein beim Abschlusse von Handels- und Schifffahrtsverträgen vertritt, in welcher Hinsicht in Nr. 8. des Schlussprotokolls der von den Süddeutschen Staaten gewünschte und an sich zweckmässige Zusatz gemacht ist, dass bei Verträgen mit der Schweiz und Oesterreich die angrenzenden Vereinsstaaten zu den Verhandlungen zuzuziehen sind, dass aber der Mangel einer Uebereinstimmung mit denselben das Präsidium nicht weiter am Abschlusse hindert. Bezüglich der Zollverwaltung, welche den einzelnen Staaten bleibt, soweit sie ihnen zustand, übt das Präsidium ein Oberaufsichtsrecht und sorgt für die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch Vereinsbeamte bei den Haupt-Aemtern und DirectivBehörden.

Der Bundesrath des Zollvereins besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Norddeutschen Bundes und der Süddeutschen Staaten; er enthält also thatsächlich den Bundesrath des Norddeutschen Bundes, welcher, sofern er als Bundesrath des Zollvereins fungirt, durch Vertreter der vier Süddeutschen Staaten im Ganzen auf 58 Stimmen erweitert wird, indem für Bayern 6 Stimmen, für Württemberg 4 Stimmen, für Baden 3 und für Hessen 2 Stimmen hinzukommen. Für Bayern sind, abweichend von der in Art. 6 der Verfassung des Norddeutschen Bundes gegebenen Regel, 6 Stimmen zugelassen, weil es billig erschien, dem auf solche Vermehrung der Stimmenzahl gerichteten Wunsche Bayerns zu entsprechen. Der Vorsitz und die Leitung der Geschäfte steht dem dazu designirten Vertreter Preussens zu (Art. 8. §. 10. vergl. mit Art. 15. der Verfassung des Norddeutschen Bundes), die Competenz des Bundesrathes ist in Art. 8. §. 12. ganz den Vorschriften in Art. 37.

der Verfassung des Norddeutschen Bundes entsprechend geregelt. Ebenso ist die Vorschrift über die Wahl der Ausschüsse der Verfassung des Norddeutschen Bundes conform.

Dass sich im Bundesrathe für Zollsachen auch Vertreter solcher Staaten befinden, welche nicht Theilnehmer am Zollverein sind, erklärt sich daraus, dass diese Staaten dem Norddeutschen Bunde angehören und im Bundesrathe ihre Vertretung haben. Das Zollparlament besteht aus den Mitgliedern des Reichstags des Norddeutschen Bundes und den nach gleichen Normen gewählten Abgeordneten der Süddeutschen Staaten. Die Wahlen dieser Letztern finden auf drei Jahre statt: die Berufung des Zollparlaments findet aber nicht wie die des Reichstags alljährlich, sondern dann statt, wenn das legislative Bedürfniss den Zusammentritt erforderlich macht, oder ein Drittheil der Stimmen im Bundesrathe denselben verlangt (Art. 9. §. 5. des Vertrages vergl. mit Art. 13. der Verfassung des Norddeutschen Bundes). Die Unterscheidung des Zollparlaments_von dem Reichstage des Norddeutschen Bundes ist dann (vergl. Art. 9. §. 9. des Vertrages mit Art. 27. der Verfassung des Norddeutschen Bundes) dadurch festgehalten, dass das Zollparlament eine eigene Geschäfts-Ordnung für sich feststellt und Präsidenten, Vice-Präsidenten nnd Schriftführer wählt.

Die Vereins-Beamten endlich, durch welche die Oberaufsicht Seitens des Präsidii geübt wird (Art. 36. der Verfassung des Norddeutschen Bundes, Art. 20. des Vertrages vom 8. Juli und Nr. 15. des Schlussprotokolls), entsprechen den bisherigen Vereinsbevollmächtigten und Controleuren. Sie werden indess nicht von den einzelnen Staaten, sondern vom Präsidium ernannt, und zwar nach Anhörung des Ausschusses des Bundesrathes. Dass nach ausdrücklicher Bestimmung des Schlussprotokolls nicht blos Preussische Beamte, sondern auch Beamte anderer Staaten zu diesen Functionen zu bestimmen sind, scheint im Grunde selbstverständlich zu sein. Die Kosten dieser Vereins-Controleure und Bevollmächtigten trägt künftig der Verein.

Der Fortschritt, welcher mit dieser Organisation gemacht wird, ist augenscheinlich. Bisher galt im Zollverein das Princip des freien Vertrages. Jede neue Massregel in Gesetzgebung oder Verwaltung setzte eine Einigung im Correspondenzwege oder auf den General-Conferenzen voraus. Nur da, wo eine Entscheidung schlechthin gefunden werden musste, wenn nicht eine unmittelbare Stockung die Folge sein sollte, also bei Differenzen über die Ausführung der Grundverträge und der übrigen Uebereinkünfte und gemeinschaftlichen Gesetze, sowie über die definitiven Abrechnungen, war eine Entscheidung durch einen mit Stimmeneinhelligkeit gewählten Schiedsrichter möglich (Art. 5. und 34. des Vertrages vom 16. Mai 1865).

Dass man an dieser Organisation nichts ändern und bessern konnte, folgte aus dem Unanimitätsprinzipe selbst. Man befand sich damit in einem viciösen Zirkel, in welchem selbst der Versuch einer mässigen Verbesserung, den Preussen auf der zehnten General-Conferenz machte, scheitern musste.

Dass sich dieser Zustand aber jetzt ändert, dass an die Stelle des Vereinbarungsprincips das der Ma

jorität, also eine wirkliche Beschlussfähigkeit des Vereins tritt, ist jedenfalls ein wesentlicher, aber auch ein füglich nicht länger zu entbehrender Vortheil. Der Zollverein bat in seinen früheren Perioden segensreich gewirkt und vielfach seine Lebenskraft und Nothwendigkeit bewiesen; es liegt indess auf der Hand, dass bei der fortwährend steigenden Wichtigkeit der von ihm vertretenen Interessen eine eigentliche Beschlussfähigkeit auf die Dauer doch nicht zu entbehren war. Im Grunde bringen die Staaten mit dem Aufopfern des Vertragsprinzips ein geringeres Opfer von ihrer Souverainetät, als Manche glauben mögen. Schon bisher war ihre Souverainetät nicht frei, an die Verträge und eine Reihe von Gesetzen waren sie gebunden, der eigne Wille war für neue Massregeln durch das liberum veto der übrigen gehemmt und die Souverainetät konnte sich nur durch den eigenen Gebrauch dieses Veto, oder möglicher Weise durch Kündigung des ganzen Verhältnisses geltend machen.

Dann aber liegt ein entschiedener Fortschritt in der Bürgschaft der Dauer und Stabilität, welche dem Zollverein gegeben ist. Im Norddeutschen Bunde ist die Zolleinigung verfassungsmässige und bleibende Institution: beruht die Verbindung mit dem Süden zu einem erweiterten Vereine aber auch nur auf einem kündbaren Vertrage, so hat doch der Verein Organe bekommen, die den Charakter der Dauer haben müssen und deren Thätigkeit den Verein so tief mit dem wirthschaftlichen und politischen Leben des Deutschen Volkes verknüpfen wird, dass sich an eine Auflösung des Vereins durch Kündigung schwerlich denken lässt.

Gerade hierin liegt die hohe Bedeutung des Vertrags vom 8. Juli, der eine neue in ganz anderer Weise lebenskräftige Zukunft des Zollvereins begründet. Der Zollverein hat fortan eine wirkliche Verfassung, und wenn diese Verfassung dem Süden gegenüber auch auf kündbarem Vertrage beruht, so hängt doch die Dauer einer Verfassung nicht von der Möglichkeit ihrer Aufkündigung, sondern von ihrer Nothwendigkeit und der Stärke der Wurzeln ab, die sie im wirklichen Leben gewinnt.

Es erübrigt indess noch, das Verhältniss etwas näher zu präcisiren, in welchem die neuen organischen Einrichtungen des Zollvereins zu den Bestimmungen der Verfassung des Norddeutschen Bundes stehen.

Es leuchtet sofort ein, dass die Organe des Zollvereins mit denen des Norddeutschen Bundes, ungeachtet der Gleichheit der Benennungen, der Vorschriften über Competenz und Wirksamkeit und selbst der theilweisen Identität der Personen, doch nicht schlechthin identisch sind. Präsidium, Bundesrath, Parlament und Aufsichtsbeamte sind nicht die gleichnamigen Institutionen des Norddeutschen Bundes.

Gleichwohl ist die Verschiedenheit keine absolute, wenigstens nicht nach beiden Seiten hin. Das Verhältniss ist ein anderes für die Süddeutschen Staaten, ein anderes für den Norddeutschen Bund.

Die Süddeutschen Staaten sind dem Norddeutschen Bunde nicht etwa bezüglich der Zölle und der Steuern von Rübenzucker, Salz und Taback beigetreten und können sich nicht in tantum als Mitglieder dieses Bundes betrachten. Vielmehr sind für den zwischen dem Bunde und den vier Süddeutschen Staaten neu

begründeten Zollverein neue Organe auf vertragsmässigem Wege geschaffen. Die Süddeutschen Staaten stehen mit dem Norddeutschen Bunde nur durch den Vertrag als Mitcontrahenten im Zusammenhange: die neuen Organe begründen einen weitern Žusammenhang, eine Theilnahme am Bunde selbst noch nicht, sondern es ist nur ein factischer Zusammenhang oder wenn man will, der Schein eines solchen durch Gleichheit der Benennungen und theilweise Verwendung derselben Personen vorhanden. Für die Südstaaten ist das ganze Verhältniss keine bleibende Institution, sondern nur Consequenz eines auf Zeit und Kündigung geschlossenen Vertrages; es steht auf dem völkerrechtlichen und nicht auf dem staatsrechtlichen Boden.

Für den Norddeutschen Bund ist zwar das Verhältniss zu den Südstaaten ebensowenig Theil seiner Verfassung, sondern beruht in gleicher Weise auf einem Vertrage. Mit diesem Vertrage sind dann aber die Bestimmungen seiner Verfassung keineswegs beseitigt. Sie bestehen neben dem Vertrage fort, mit der Massgabe, dass seine Organe durch den Zutritt von Mitgliedern aus den Südstaaten vergrössert und die Action derselben auf die Südstaaten ausgedehnt wird beides indess nicht auf Grund von Gesetz und Verfassung, sondern zeitweise und in Folge eines Vertrages. Liegt in dieser für den Norddeutschen Bund zulässigen Auffassung eine Verschiedenheit von der für die Süddeutschen Staaten gegebenen, so folgt diese Verschiedenheit aus dem Umstande, dass für letztere Staaten nur ein Vertrag, für den Norddeutschen Bund aber ausserdem eine Verfassung vorliegt, deren Bestimmungen durch einen auf Zeit und Kündigung geschlossenen Vertrag nicht aufgehoben, sondern nur in ihrer Anwendung erweitert werden sollten.

Die praktischen Folgen, an denen sich zugleich die Richtigkeit des Gesagten erweiset, sind dann darin zu erkennen, dass

1. für diejenigen Gegenstände der Zoll- und Steuerverwaltung, welche im Norddeutschen Bunde gemeinsam sind, die aber nicht in die Gemeinschaft mit den Süddeutschen Stuaten fallen, namentlich also für Bier und Branntwein (cfr. Artikel 3., §§. 1., 3., 4. und Artikel 10. des Vertrages vom 8. Juli c. mit Artikel 35. der Verfassung des Norddeutschen Bundes), die Anwendung der Verfassung des Norddeutschen Bundes keine Aenderung erleidet. Hier hat der Bundesrath des Norddeutschen Bundes und dessen Ausschuss seine Functionen zu üben, während für das Zollwesen und die übrigen gemeinschaftlichen Steuern künftig der Bundesrath des Zollvereins in Thätigkeit tritt. Nach Art. S. §. 3. des Vertrages vom 8. Juli c. wird dieser Bundesrath auch neue Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen zu wählen haben. Es wird alsdann allerdings noch über die Zusammensetzung dieser Ausschüsse und die Beschränkung der Mitwirkung der Mitglieder für Fälle, in welchen nicht in die Gemeinschaft mit den Südstaaten fallende Gegenstände zu erörtern sind, eine Bestimmung zu treffen sein. Jetzt, im Gremium des Norddeutschen Bundes, wird man eine solche freilich nicht treffen können, sondern es auf die Bestimmung des Bundesraths des Zollvereins ankommen lassen müssen.

2. Ferner wird, nach einer doch wenigstens möglichen Kündigung des Vertrages vom 8. Juli c., die Norddeutsche Bundesverfassung wieder zu unveränderter Anwendung kommen: die in ihr gegebenen Organe werden alsdann ihre Functionen mit keiner andern Modification als derjenigen, welche aus dem Ausscheiden der Südstaaten folgt, fortsetzen.

Weil aber durch den Vertrag vom 8. Juli c. die Verfassung des Norddeutschen Bundes keineswegs theilweise aufgehoben, sondern nur temporär in ihrer Anwendung modificirt wird, bedarf es auch keiner besonderen Vorlage über Abänderung der Verfassung. Allerdings erstreckt sich jene Modification der Anwendung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, wenn man deren einzelne Artikel mit dem Vertrage vom 8. Juli c. vergleicht, ziemlich weit.

In Bezug auf die nach Art. 4. Nr. 2. der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Bundes unterstellten Zölle und für Bundeszwecke zu verwendenden Steuern, wird die Thätigkeit des Bundesraths des Norddeutschen Bundes, also die unveränderte Anwendung der Art. 6-9. so weit diese Zölle und Steuern mit den Süddeutshen Staaten gemeinschaftlich werden suspendirt. Die Thätigkeit des Präsidii wird auf den neu begründeten Zollverein ausgedehnt. Der Reichstag verliert für die Gegenstände, welche den Inhalt des Vertrages vom 8. Juli c. ausmachen, seine Befugnisse zu Gunsten eines Zollparlaments, welches nicht periodisch, sondern nur nach Bedürfniss berufen wird, und damit ändert sich die Anwendung des Abschn. V. der Verfassung. Von dem VI. Abschnitte der Verfassung modificirt sich der Art. 33., nach welchem der Norddeutsche Bund für sich ein Zoll- und Handelsgebiet bildet; Art. 35. modificirt sich bezüglich der künftig in die Gemeinschaft mit den Südstaaten fallenden Gegenstände, Art. 36. und 37. modificiren sich, insofern die Functionen der Aufsichtsbeamten und des Bundesraths von den für den Zollverein ernannten Beamten und dem Bundesrathe des Zollvereins für den ganzen Verein wahrgenommen werden, und Artikel 39. (vergl. mit Art. 17. des Vertrages vom 8. Juli c.) wird sich in der Anwendung so gestalten, dass der erweiterte Rechnungsausschuss die Abrechnungen zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Süddeutschen Staaten, der engere Rechnungsausschuss aber die Einkassirungen für die Kasse des Norddeutschen Bundes besorgt.

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Aus dem oben bezeichneten Grunde wird aber eine besondere Vorlage wegen Abänderung der Verfassung welche eben, weil die Abänderung, obgleich nur wenige Gegenstände berührend, doch in eine zahlreiche Reihe von Artikeln eingreift, einer Umarbeitung der Verfassung gleich käme nicht nöthig sein, und die Genehmigung des Vertrages vom 8. Juli c. in seinem ganzen Umfange wird genügen, um die Ausführung derjenigen Modificationen zu legalisiren, welche einstweilen in der Anwendung der Verfassung nothwendig sind.

Was alsdann

b) den anderweiten Inhalt des neuen Vertrages, abgesehen von den erwähnten organisatorischen Bestimmungen, betrifft, so wird hier die Erörterung eine einfachere sein können.

Bei dem Ablauf der letzten Zollvereinsperiode

reconstituirte sich der Zollverein nur successiv. Am 11. Mai 1864 einigten sich Preussen und Sachsen über die Fortsetzung des Zollvereins, am 28. Juni 1864 schlossen sich Baden, Kurhessen, der Thüringische Verein und Frankfurt, am 11. Juli Hannover und Oldenburg und am 12. October 1864 Bayern, Württemberg, das Grossherzogthum Hessen und Nassau dieser Einigung an. Diese successive geschlossenen Verträge wurden dann in dem Vertrag vom 16. Mai 1865, welcher eine neue vollständige Codification der Grundbestimmungen des Zollvereins enthält, zusammengefasst. Der Inhalt dieses Vertrages, der an dem bis dahin geltenden Rechte des Zollvereins eine Reihe von Abänderungen trifft, wird hier nicht weiter zu erörtern sein: es wird nur darauf ankommen, die Abänderungen bemerklich zu machen, welche durch den jetzt vorliegenden Vertrag herbeigeführt werden.

Vergleicht man die Einzelheiten, so entspricht Artikel 1. des Vertrages vom 8. Juli c. dem Artikel 1. des Vertrages vom 16. Mai 1865. Ueber SchleswigHolstein (No. 1., 2. des Schlussprotokolls) ist zu bemerken, dass daselbst der Zollvereins-Tarif bereits angewendet wird und der völlige Anschluss in Aussicht steht, sobald der Plan der Organisation der Zollverwaltung für diese Gebietstheile festgestellt ist. Ueber die Modalitäten des Anschlusses wird alsdann eine weitere Vorlage erfolgen.

In Artikel 2. ist die Aufzählung derjenigen Staaten und Gebietstheile, welche dem Zollsystem eines der Vereinsstaaten angeschlossen sind, die sich in den früheren Verträgen fand, hinweggelassen.

In Artikel 3. (Artikel 4. des Vertrages vom 16. Mai 1865) werden diejenigen Gegenstände aufgeführt, welche Gegenstand der Gemeinschaft sind, und die Grundgesetze und Verträge des Zollvereins, welche demgemäss eine allgemeine Geltung haben. Neu ist, dass auch die Steuern von Taback und Salz in die Gemeinschaft fallen.

Hinsichtlich des Tabacks wird die Gemeinschaft eintreten, sobald die in Aussicht genommene gleiche Gesetzgebung über dessen Besteuerung erreicht ist.

In Betreff des Salzes ist bereits unterm 8. Mai d. J. von sämmtlichen Vereinsstaaten eine Convention geschlossen, nach welcher das in allen Staaten mit Ausnahme von Hannover und Oldenburg bestandene Salzmonopol beseitigt, das Salz einer gemeinsamen Productionssteuer von 2 Rthlrn. vom Centner unterworfen und der freie Verkehr mit Salz hergestellt wird. Hier genügt die Bemerkung, dass dieses Ziel schon längere Zeit im Zollverein verfolgt wurde, und dass durch seine Erreichung eine Reihe sehr lästiger undden Verkehr hemmender Massregeln beseitigt wird.

Zu Art. 3. §. 7. erwähnt das Schlussprotokoll sub No. 2. noch einer Zollbegünstigung, welche näher zu erläutern sein wird. In Rücksicht auf die ausnahmsweise Lage, in welcher sich die Oldenburgischen Eisengiessereien und Walzwerke den Bremischen gleichartigen Unternehmungen gegenüber befanden, ist Oldenburg im Schlussprotokoll vom 11. Juli 1864 und sub 3. des Schlussprotokolls vom 16. Mai 1865 die Begünstigung des zollfreien Eingangs von Roheisen, welches zu auszuführenden Waaren verarbeitet oder zum Schiffbau verwendet wird, bis zur Höhe von 25,000 Centnern im Jahre zugestanden.

Diese Begünstigung ist durch No. 3. des Schluss

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