Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

B. Alte Landestheile.

Während für die neuen Landestheile durch die vorstehenden Verordnungen der Prüfungszwang und andere Einschränkungen des Gewerbebetriebs, deren Beseitigung im ganzen Gebiet des Norddeutschen Bundes nunmehr Thatsache ist, aufgehoben waren, bestanden für die älteren Provinzen noch

1) die Allgemeine Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845, ferner

2) die Verordnung, die Errichtung von Gewerberäthen und verschiedene Abänderungen der Allg. G.-O. betreffend, vom 9. Februar 1849,

3) das Gesetz, betr. die gewerblichen Unterstützungskassen, vom 3. April 1854,

4) das Gesetz, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Allg. G.-O., vom 22 Juni 1861, und

5) das Gesetz, betr. die Errichtung gewerblicher Anlagen, vom 1. Juli 1861, als ausschliessliche Grundlagen der Gewerbegesetzgebung fort. Die Modificationen, welche diese Gesetze durch die neue Bundes-Gesetzgebung erleiden, sind vom Herrn Minister für Handel, Gewerb- und öffentliche Arbeiten dargelegt in folgender Circular-Verfügung an sämmtliche Königliche Regierungen in den alten Provinzen [excl. Sigmamaringen] und an das Königliche Polizei-Präsidium zu Berlin, die Anwendung des Bundes-Gesetzes über den Betrieb stehender Gewerbe betreffend, vom 24. Juli 1868.

Das in Nr. 23. des Bundesgesetz-Blattes erschienene Gesetz vom 8. Juli d. J., betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, leitet für die Staaten des Norddeutschen Bundes die der Bundesgewalt vorbehaltene gesetzliche Regelung des Gewerbewesens ein. Das Gesetz, welches am 27. Juli d. J. in Kraft tritt, beschränkt sich darauf, einzelne grundsätzliche Bestimmungen für gewisse Theile des Gewerbelebens zu treffen, um aus den in den verschiedenen Staaten bestehenden Einrichtungen, resp. Gesetzen, vorerst diejenigen Beschränkungen zu entfernen, welche der Durchführbarkeit der gewerblichen Freizügigkeit und der dadurch bedingten freieren Entwickelung des gewerblichen Lebens vornehmlich im Wege gestanden haben. Im Uebrigen hat es das bestehende Gewerbe-Recht der einzelnen Staaten unberührt gelassen.

Während es somit für einen Theil des GewerbeRechts die bisherigen Grundlagen ändert, andere Theile desselben aber in der bestehenden Verfassung lässt, löst es mehr oder minder den Zusammenhang, in welchem nach der bisherigen Gesetzgebung diese Theile gestanden haben. Der dadurch herbeigeführte Zustand ist für die Handhabung des Gesetzes während der Uebergangszeit bis zu einer umfassenden Ordnung der Verhältnisse im Wege der Gesetzgebung nicht ohne Schwierigkeit. Es wird dazu beigetragen, diese Schwierigkeit zu mindern und Ungleichheiten in der Ausführung zu verhüten, wenn von vorn herein die Tragweite des neuen Gesetzes mit Sorgfalt geprüft wird.

Die Bestimmungen des Gesetzes sind für Preussen

nicht durchweg neu, vielmehr hat ein Theil derselben bereits früher in der Preussischen Gesetzgebung Aufnahme gefunden. Abänderungen des bestehenden Gewerbe-Rechts von durchgreifender Bedeutung sind nur in den §§. 2, 3 u. 4 enthalten, von welchen die ersteren das gewerbliche Prüfungswesen und damit zusammenhängende Beschränkungen in der Ausübung der gewerblichen Befugnisse, der §. 4 das Gesellen- und Lehrlings-Verhältniss in wesentlichen Beziehungen treffen. Der vorwiegend negative Charakter der in diesen Paragraphen des Gesetzes aufgestellten Regeln weist vor Allem auf eine sorgfältige Untersuchung der Frage hin, welche Vorschriften der bisherigen Gewerbegesetzgebung dadurch nunmehr ausser Geltung treten, auf dass mit der Anwendung der Grundsätze desselben nicht in solche Gebiete der bestehenden Gesetzgebung hinübergegriffen werde, deren Umgestaltung nach der Absicht des gegenwärtigen Gesetzes vorbehalten bleiben soll, anderer Seits aber Einrichtungen nicht erhalten bleiben, welche mit der Absicht des neuen Gesetzes nicht verträglich sein würden. Aus Nachfolgendem wolle die Königliche Regierung die Gesichtspunkte entnehmen, welche hierbei vorzugsweise in Betracht kommen werden.

1) Es ist zunächst davon auszugehen, dass das Innungswesen durch das Gesetz im Allgemeinen nicht hat betroffen werden sollen. Von der einzigen, in Preussen überdies schon lange zu Recht bestehenden Bestimmung des §. 1 abgesehen, geht das Gesetz überall von der Voraussetzung aus, dass für das Innungswesen der bisherige Rechtszustand einstweilen erhalten bleiben wird. Die Vorschriften der Allgemeinen Gewerbe-Ordnung über die Bildung, Verfassung und Auflösung der Innungen sind daher auch ferner noch in Anwendung zu bringen. Soweit insbesondere für die Aufnahme in eine Innung der Nachweis der Befähigung zum Betriebe des Gewerbes gesetzliche Bedingung ist (§. 108), soweit das Stimmrecht innerhalb der Innungen und die Betheiligung an der Verwaltung der Innungs-Angelegenheiten von einem gleichen Nachweis abhängt (§. 119), kann von diesem Nachweis auch in Zukunft nicht abgesehen werden.

2) Das Gesellen- und Lehrlings-Verhältniss ist insofern auf veränderte Grundlagen gestellt, als in Zukunft die Befugniss, Lehrlinge zu halten, den Gewerbtreibenden nur noch dann abzusprechen ist, wenn entweder in Folge eines von ehrloser Gesinnung zeugenden Verbrechens ein Strafurtheil gegen sie ergangen ist, oder wenn ihnen die Befugniss zum Gewerbebetriebe durch Richterspruch eine Zeitlang entzogen war (A. G. O. §. 127. 1. 3.). An den Nachweis einer Befähigung (A. G. O. §. 131.) ist diese Befugniss überhaupt nicht mehr geknüpft. Sodann sind die Beziehungen zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern von den Beschränkungen befreit worden, welchen Baumeister (Verordn. vom 9. Februar 1849 §. 25.), Handwerksmeister (a. a. O. §. 47) und Fabrikinhaber (a. a. O. §§. 31, 32.) in der Annahme von Gesellen, Gehülfen und Lehrlingen bisher unterlagen; solche Beschränkungen bestehen fortan nicht mehr. Dem entsprechend sind auch die Gesellen und Gehülfen

in der Wahl ihrer Arbeitgeber auf Meister ihres Handwerkes (a. a. O. §. 48) in Zukunft nicht mehr angewiesen. Andererseits ist festzuhalten, dass das Gesetz nur die freie Wahl der Arbeitsstelle und der Arbeitskraft gesichert, dass es dagegen die Unterscheidung der Gesellen, Gehülfen und Lehrlinge nicht schlechthin aufgegeben, und daher auch diejenigen gesetzlichen Bestimmungen nicht beseitigt hat, welche das Gesellen- und LehrlingsVerhältniss, abgesehen von den obenerwähnten Beschränkungen betreffen. Was insbesondere bezüglich des Antritts und der Beendigung des Gesellen-Verhältnisses (A. G. O. §. 138 ff.), sowie des Lehrlings-Verhältnisses (§. 44 der Verordnung vom 9. Februar 1849, §§. 147 ff. A. G. O.) in Betreff der Aufnahme und Entlassung der Lehrlinge (A. G. O. §. 158 ff.), in Betreff der Beaufsichtigung des Gesellen- und Lehrlingswesens durch die Orts-Polizei (A. G. O. §. 136) oder durch die Innungen bisher Rechtens war, bleibt auch jetzt noch zu Recht bestehen Die Gesichtspunkte, welche in der Circular-Verfügung vom 15. März 1847 (Minist. Bl. S. 59) über die Behandlung der Streitigkeiten zwischen Lehrherrn und Lehrlingen gegeben worden sind, haben daher ebenfalls noch als Richtschnur zu dienen.

3) Sehr eingreifende Aenderungen hat das gewerbliche Prüfungswesen erfahren. Durch den §. 2 des neuen Gesetzes sind alle bisherigen gewerblichen Prüfungen beseitigt, soweit sie die selbstständige und unmittelbare Voraussetzung für den Beginn eines Gewerbebetriebes gebildet haben. Damit hat zunächst der §. 47 der Allgem. GewerbeOrdnung vollständig seine Anwendung verloren, während die §§. 45, 46 nur in Betreff der Seeschiffer und Steuerleute, der Vorsteher öffentlicher Fähren (Fährmeister), der Abdecker und ausserdem in Betreff der lebeammen ihre frühere Geltung behalten. Damit sind ferner die in der Verordnung vom 9. Februar 1849 vorgeschriebenen Befähigungs-Nachweise und dem entsprechend die bisher von den Kreis-Prüfungs-Commissionen nach §. 40 ff. abgehaltenen Prüfungen, von deren Ablegung der Betrieb der Gewerbe, sei es als Meister (§§. 23, 24), sei es als Geselle (§§. 35, 2, 36.) abhängig war, aufgehoben. Die Kreis-Prüfungs-Commissionen (§§. 39. a. a. O. und §. 5. des Gesetzes vom 15. Mai 1854) reten in Folge dessen ausser Thätigkeit, so weit die Abnahme der vorbezeichneten Zwangs-Prüfungen ihre Aufgabe war.

Das Gesetz vom 8. Juli d. J. hat das gewerbliche Prüfungswesen indessen noch nicht gänzlich beseitigt; vielmehr werden nach wie vor alle diejenigen Prüfungen bestehen bleiben müssen, welche nicht lediglich die oben hervorgehobene Bedeutung haben und auf Grund der vorstehend angeführten Gesetz-Vorschriften gefordert werden. Nach diesem Gesichtspunkt wird der Befähigungs-Nachweis in allen solchen Fällen nach wie vor ein Erforderniss bleiben, in welchen derselbe nach gesetzlicher Bestimmung oder nach Herkommen die Voraussetzung für die Ertheilung einer polizeilichen Approbation, Bestallung oder Concession von Seiten des Staates, einer Gemeinde oder einer Corporation bildet. Sodann si die gewerblichen Prüfungen

insoweit durch das Gesetz nicht betroffen worden, als sie, in der Form der Meister-Prüfung oder der Gesellen-Prüfung einen Bestandtheil der InnungsVerfassung bilden. Für diese Prüfungen bleiben unverändert die bisher geltenden Vorschriften resp. statutarischen Bestimmungen massgebend.

In Betreff der Bauhandwerker bedarf es hierbei einer besonderen Anordnung. Die Bauhandwerker haben den Befähigungs-Nachweis bisher in allen Fällen und insbesondere auch für die durch §§. 108. 119. der Allgemeinen Gewerbe-Ordnung bezeichneten Zwecke auf Grund besonderer Prüfungen durch ein Zeugniss der Regierung (§. 45 A. G. Ö.), resp. der technischen Bau-Deputation (§. 44. A. G. O.) erbracht. Da diese Prüfungen zugleich mit der Nothwendigkeit eines Befähigungs-Nachweises für den Betrieb der Bauhandwerke in Wegfall kommen werden, die Innungs-Prüfungs-Commissionen aber bisher mit den Meister-Prüfungen sich nicht haben befassen dürfen (Circular-Verfügung vom 31. März 1849 Nr. VI.), so würde den Bauhandwerkern fortan überhaupt die Gelegenheit fehlen, einen Befähigungs-Nachweis zu erbringen, und die Rechte in den Innungen, welche von diesem Nachweis auch ferner noch abhängig bleiben, zu erwerben. Sofern daher Bauhandwerker auf den Eintritt in eine Innung noch Werth legen, und durch einen Beschluss der Innung von der Beibringung eines Befähigungs-Nachweises nicht befreit werden sollten (§ 108. A. G. O.), wird es nothwendig, dass die Innungs-Prüfungs-Commissionen sich in Zukunft auch den Meister-Prüfungen unterziehen. Sie werden dabei in Betreff der an die Candidaten zu stellenden Anforderungen die in der Anweisung vom 31. März 1849 (MinisterialBlatt für die Innere Verwaltung 1849 S. 141) enthaltenen Vorschriften im Allgemeinen zum Anhalt zu nehmen haben. Es müssen endlich auch die Kreis-Prüfungs Commissionen noch soweit in Wirksamkeit bleiben, als sie eine Recurs-Instanz von den Innungs-Prüfungs-Commissionen bilden (§. 38. der Verordnung vom 9. Februar 1849) und insoweit sie Lehrlingen, welche nicht bei Innungsgenossen gelernt haben und nach Ablauf der Lehrzeit eine Prüfung verlangen (§. 157. A. G. 0.), diese Prüfung abzunehmen haben. Wenngleich die Thätigkeit der Kreis-Prüfungs-Commissionen danach nur noch eine äusserst beschränkte sein wird, so lässt sich doch von ihrer Beibehaltung nicht absehen, so lange das den Innungs-Candidaten gesetzlich zustehende Recht der Berufung von dem Urtheil der Innungs-Prüfungs-Commission im Wege der Gesetzgebung nicht aufgehoben ist und der Anspruch auf Gelegenheit zur freiwilligen Ablegung der Gesellenprüfung für Lehrlinge ausserhalb der Innung fortbesteht. Wo für Bauhandwerker KreisPrüfungs-Commissionen bestehen, werden dieselben fortan nur noch die gleichen Functionen zu üben haben.

4) Mit dem Wegfall des Befähigungs-Nachweises für den Beginn des Gewerbebetriebes sind endlich auch diejenigen Beschränkungen beseitigt, welche die Verordnung vom 9. Februar 1849 wesentlich mit Rücksicht auf die Nothwendigkeit eines solchen Nachweises, den Inhabern von Magazinen in der

Anfertigung (§. 33.) und in dem Verkaufe (§. 34.) von Handwerkerwaaren auferlegt, so wie diejenigen Bestimmungen, welche sie über die Abgrenzung der Handwerke getroffen hatte (§. 28.). Gleichmässig treten auf Grund des §. 3 des Gesetzes vom 8. Juli die gesetzlichen Bestimmungen dieser Verordnung ausser Kraft, welche bisher die Gemeinden (§. 29) und die Regierungen (§. 30) zu besonderen localen Regulirungen gewisser gewerblicher Verhältnisse im Wege statutarischer und polizeilicher Festsetzung ermächtigt hatten.

Nach den vorstehend in der Anwendung auf die wichtigsten Bestimmungen der bisherigen Gesetzgebung erläuterten Gesichtspunkten wolle die Königliche Regierung das Gesetz vom 8. Juli c. zur Ausführung bringen und die betheiligten Unterbehörden über die dabei massgebende Auffassung mit Anweisung versehen.

Berlin, den 24. Juli 1868.

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Graf v. Itzenplitz.

An die vorstehende Circular-Verfügung schliesst sich eine andere, an sämmtliche Königl. Regierungen und Landdrosteien, sowie an das Polizeipräsidium zu Berlin vom Herrn Minister des Innern gerichtete, betr. den Betrieb des Buchhändler- und Buchdrucker-Gewerbes:

Im §. 2 des Gesetzes, betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, vom 8. Juli d. J., Bundesgesetzblatt S. 406, ist verordnet, dass für den Betrieb eines Gewerbes ein Befähigungs-Nachweis nicht mehr erforderlich sein soll. Ich finde mich veranlasst, noch besonders darauf hinzuweisen, dass auch derjenige Befähigungs-Nachweis, welcher nach §. 1 des Gesetzes über die Presse vom 12. Mai 1851 den Buchhändlern und Buchdruckern oblag, von jener Vorschrift betroffen wird und daher nicht mehr zu verlangen ist.

Berlin, den 4. August 1868.

Der Minister des Innern. Graf zu Eulenburg.

Reuss-Gera.

Vorschriften zur Ausführung des Bundesgesetzes sind in Ermangelung eines desfallsigen Bedürfnisses vom Fürstl. Ministerium nicht für erforderlich erachtet worden.

Reuss-Greiz.

„In Anerkennung der Nothwendigkeit, den Gewerbebetrieb nach dem Vorgange der Nachbarstaaten umzugestalten," ist mit Zustimmung des Landtags unterm 27. April 1868 eine (98 §§. umiassende) Gewerbeordnung erlassen worden, welche fm Allgemeinen die Principien der Gewerbefreiheit zur Geltung bringt; gleichwohl beabsichtigt die Fürstl. Regierung, zu dem Bundesgesetze vom 8. Juli 1868 noch eine besondere Ausführungsverordnung zu geben. Wir bemerken nur, dass die Gewerbeordnung vom 27. April d. J. u. a. auf die literarische Thätigkeit, die Ausübung der schönen Künste, den Buch- und Kunsthandel noch keine Anwendung leidet.

Sachsen.

Das Bundesgesetz ändert nur wenig an der im Königreich Sachsen bereits in Geltung befindlichen Gewerbegesetzgebung. Insbesondere ist jeder Zunftzwang und das damit zusammenhängende Erforderniss eines Befähigungsnachweises für alle früher nur den Innungsmitgliedern gestatteten Gewerbe, ebenso der Unterschied zwischen Stadt und Land sowie das Verbot des Vertriebes anderer als selbstverfertigter Waaren, soweit solches früher bestand, und des Betriebs mehrerer Gewerbe oder desselben Gewerbes in mehreren Localen durch eine und dieselbe Person bereits durch das Gewerbegesetz vom 15. October 1861 aufgehoben worden. Eine Beschränkung in der Annahme von Gehülfen oder Arbeitern für die Arbeitgeber und andererseits in der Wahl der Letzteren für den Arbeitnehmer besteht seit derselben Zeit nicht mehr, und die wenigen auf das Lehrlingswesen bezüglichen Vorschriften des genannten Gesetzes hat die zu demselben neuerlich ergangene Novelle, das Gesetz vom 23. Juni 1868, gleichfalls beseitigt; danach ist der Lehrvertrag Sache der freien Vereinbarung, darf aber keine den Gesetzen und Verordnungen zuwiederlaufenden Bestimmungen enthalten." Nur die Ausübung des Hufbeschlags und die selbständige Leitung und Ausführung von Bauten waren (letztere mit gewissen im Verordnungswege bestimmten Ausnahmen) nach §. 16 des Gewerbegesetzes vom 15. Oct. 1861 von dem Nachweise besonderer Befähigung abhängig. Diese Bestimmung erleidet durch §. 2 des Bundesgesetzes eine Aenderung, und ist daher vom Königl. Ministerium des Innern mittelst Verordnung vom 22. Juli 1868 sämmtlichen Provinzial-Regierungsbehörden (Kreisdirectionen) eröffnet worden, dass auch für die genannten Gewerbe das Erforderniss einer Prüfung in Wegfall gelangt ist. Die Frage, ob und in welcher Weise denjenigen, welche sich freiwillig einer Prüfung zu unterwerfen wünschen, hierzu künftig noch Gelegenheit geboten werden könne, ward ausdrücklich vorbehalten und unterliegt noch der Erwägung. Eine weitere Verfügung zur Ausführung des Bundesgesetzes hat die Königl. Regierung nicht für erforderlich erachtet.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Durch das Bundesgesetz sind nur die im §. 18 der Herzogl. Gewerbe-Ordnung vom 21. März 1863 enthaltenen Vorschriften, wonach die selbstständige Leitung und Ausführung von Bauten von dem Nachweise ausreichender Befähigung abhängig gemacht wird, ferner die §§. 37 und 38 der Ausführungs-Verordnung vom 26. Mai 1868, insoweit sie Vorschriften für den zu erbringenden Befähigungs-Nachweis enthalten, aufgehoben worden. Das Herzogl. Staats - Ministerium hat demgemäss eine Verordnung erlassen mit der Massgabe, dass solchen Bauhandwerkern, welche in ihrem Interesse sich einer Prüfung dennoch unterziehen wollen, hierzu Gelegenheit gegeben werden soll.

Sachsen-Meiningen.

Durch das Meiningische Gewerbegesetz vom 16. Juni 1862 sind bereits sowohl die Befugnisse der Zünfte und kaufmännischen Corporationen, Andere vom Betriebe eines stehenden Gewerbes auszuschliessen, als der Prüfungszwang, die aus dem Unterschiede von Stadt und Land hergeleiteten Beschränkungen, soweit sie etwa noch bestanden, solche in Beziehung auf den Verkauf von Waaren, auf den Betrieb verschiedener Gewerbe oder auf die Benutzung mehrerer Betriebs- und Verkaufslocale, sowie in Beziehung auf die Annahme von Gewerbsgehülfen und Lehrlingen aufgehoben worden. Nur für die selbstständige Ausführung und Leitung von Bauten hatte jenes Gesetz den nun in Wegfall gekommenen Befähigungsnachweis verlangt. Auch durch das angeführte Gewerbegesetz waren an sich die bestehenden Innungen in ihrer inneren Verfassung unberührt geblieben; doch hatte man soweit thunlich auch innerhalb derselben die Beseitigung der Gesellen- und Meisterprüfungen, welche sich als vollkommen nutzlos und lediglich die Betriebsmittel der Prüfungscandidaten schmälernde Formalitäten längst erwiesen hatten, sowie auf die Entfernung anderer veralteten Einrichtungen hingewirkt, so dass allerdings zur Zeit die Innungen in der Mehrzahl eine Bedeutung nicht mehr beanspruchen und nur noch durch die Gewohnheit gehalten, unbetrauert ihrem Untergange entgegen gehen. Nach alledem hat es die Herzogl. Regierung nicht für nöthig gehalten, zu dem Bundesgesetz besondere Verordnungen ergehen zu lassen.

Sachsen-Weimar.

Auch hier sind die Principien der Gewerbefreiheit vorlängst zur Ausführung gekommen. Die einzige Abänderung, welche die Gewerbeordnung für das Grossherzogthum vom 30. April 1862 durch das Bundesgesetz erfahren hat, bezieht sich auf die Ausübung des Hufbeschlags und die selbstständige Leitung und Ausführung von Bauten (§. 18. a. a. O.) Eine Bekanntmachung des Grossherzogl. Staatsministeriums, Depart. des Innern, vom 30. Juli 1868 setzt die betr. Bestimmungen von dem Befähigungsnachweise ausser Kraft. Üngeachtet dieses Wegfalls bleiben die beiden Unterrichtsanstalten für den Hufbeschlag in Jena und Eisenach bestehen, und sind die betr. Stellen angewiesen worden, den diese Anstalten in ihrem Interesse Besuchenden auf besonderes Verlangen Zeugnisse auszustellen.

Schwarzburg-Rudolstadt.

Das Fürstl. Ministerium hat unterm 7. August 1868 folgendes Publicandum erlassen.

In Folge der Publication des Bundesgesetzes über den Betrieb der stehenden Gewerbe vom 8. Juli d. J. (Bundes - Gesetzblatt S. 406) sehen Wir Uns veranlasst, auf Folgendes aufmerksam zu machen:

1.

Nach Artikel 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundes ist in Folge des gemeinsamen Indigenats

Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc.

der Angehörige eines jeden Bundesstaats in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäss auch zum Gewerbebetriebe unter denselben Voraussetzungen, wie der Einheimische, zuzulassen.

Dieser Satz ist im §. 1 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November v. J. (BundesGesetzblatt 1867 S. 55) dahin näher präcisirt, dass jeder Bundesangehörige das Recht hat, innerhalb des Bundesgebiets, umherziehend oder an dem Orte des Aufenthalts, beziehungsweise der Niederlassung, Gewerbe aller Art zu betreiben unter den für Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

So lange nur in einzelnen Bundesstaaten Gewerbefreiheit, in andern aber Zunftverfassung mit ausschliesslichen Gewerbebetriebs-Befugnissen, oder ein ausgedehntes Prüfungswesen bestand, war trotz der Bestimmungen der Bundesverfassung und des Freizügigkeitsgesetzes eine vollständige materielle Gleichheit der Bundesangehörigen rücksichtlich des Gewerbebetriebes nicht eingetreten. Jetzt sind aber alle Hindernisse beseitigt und es ist innerhalb des ganzen Bundesgebiets eine vollständige Gleichstellung aller Bundesangehörigen rücksichtlich des Gewerbebetriebes erfolgt, nachdem durch das Bundesgesetz über den Betrieb der stehenden Gewerbe vom 8. Juli d. J. bestimmt ist: (folgen §. 1 u. 2 des Bundesgesetzes).

Hiernach sind die Ministerial-Bekanntmachungen vom 30. Septbr. 1864 (Gesetz - Samml. S. 168) und vom 18. Januar 1868 (Gesetz-Samml. S. 18), durch welche in Folge der Vorschrift in §. 19 der GewerbeOrdnung vom 8. April 1864 die Gegenseitigkeit rücksichtlich des Gewerbebetriebes auf die s. g. Thüringischen Staaten, mit Ausschluss des Fürstenthums Reuss ä. L., beschränkt worden, hinfällig geworden.

Dasselbe gilt von den mittelst Bekanntmachung vom 20. November 1865 (Ges.-Samml. S. 328) und vom 2. Juli 1866 (Ges.-Samml. S. 102) veröffentlichten Vereinbarungen mit den Königlich Preussischen Regierungen in Merseburg und Erfurt über den gewerblichen Grenzverkehr in den Königlich Preassischen landräthlichen Kreisen Sangerhausen, Eckartsberga, Erfurt, Ziegenrück, Nordhausen, Langensalza, Weissensee und in den angrenzenden diesseitigen Landestheilen.

An die Stelle der §§. 19 und 20 der GewerbeOrdnung sind die correspondirenden Bestimmungen der Bundesverfassung, des Freizügigkeits- Gesetzes und des Bundes - Gewerbegesetzes getreten.

2.

Durch §. 2 des Bundes-Gewerbegesetzes sind der §. 13 der Gewerbe-Ordnung vom 8. April 1864 und die §§. 27 und 28 der Ausführungs-Verordnung vom 8. Juli desselben Jahres aufgehoben.

Die Ausübung des Hufbeschlags, sowie die selbstständige Ausführung und Leitung von Bauten ist von dem Beweise besonderer Befähigung fortan nicht mehr abhängig.

Die in Ausführung des Prüfungs-Regulativs für Bauhandwerker vom 22. Decbr. 1865 (Ges. - Samml. 1866 S. 1) niedergesetzte Prüfungs-Commission bleibt aber in Wirksamkeit, da für die Bauhandwerker nur der Prüfungszwang aufgehoben ist und die Möglichkeit, sich einer Prüfung zu unterziehen, um so

57

mehr bestehen bleiben muss, als bei Verwendung im öffentlichen Dienste auch künftig nur,solche Bauhandwerker Berücksichtigung finden werden, die den Nachweis ihrer Befähigung dazu geführt haben.

3.

In Folge der Beseitigung des Befähigungs-Nachweises für Bauhandwerker ist die Verordnung vom 2. März 1866 über die selbstständige Ausführung und Leitung von Bauten (Ges. - Samml. S. 43) aufgehoben.

Schwarzburg-Sondershausen.

Die Gewerbegesetzgebung des Fürstenthums erleidet nur in Betreff der Baugewerbe eine Abänderung in freiheitlichem Sinne. Indessen hat die Fürstl. Regierung Anstand genommen, das bestehende Regulativ über die Prüfung der Bauhandwerker und die hierfür bestellten Prüfungscommissionen gänzlich aufzuheben; vielmehr werden dieselben bis auf weiteres für Fälle freiwilliger Anträge auf Prüfung Seitens der Interessenten fortbestehen. In diesem Sinne wird das Ministerium eine Bekanntmachung erlassen.

Waldeck.

Auch die Gewerbeordnung der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont vom 24. Juni 1862 wird durch das Bundesgesetz nur in Rücksicht auf die bisher von dem Nachweise besonderer Befähigung abhängige Erlaubniss zur selbstständigen Ausführung und Leitung von Bauten alterirt. Der Königl. Fürstl. Landes-Director hat deshalb weitergehende Reglements nicht erlassen.

Anhang.

Lauenburg.

Das Bundesgesetz ist ohne Erläuterungen im „Officiellen Wochenblatt für das Herzogthum Lauenburg unterm 29. Juli 1868 abgedruckt worden. Dagegen steht die Publication einer Verordnung, betreffend die Aufhebung und Ablösung gewerblicher Berechtigungen im Herzogthum Lauenburg, bevor; der Entwurf derselben ist vom Landtage mit geringen Abänderungen in erster Lesung angenommen worden und dürfte, wie uns ein hervorragendes Landtagsmitglied mittheilt, demnächst, wenn auch nur mit kleiner Majorität, bei der definitiven Abstimmung Annahme finden. Die 65 §§. des Entwurfs behandeln namentlich eingehend das Entschädigungsverfahren.

Lippe-Schaumburg.

Unter Bezugnahme auf das Bundesgesetz vom S. Juli d. J., betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, wird zur Beseitigung entstandener Zweifel hierdurch zur öffentlichen Kenntniss gebracht, dass es in Beziehung auf das Zunft- und Innungswesen und auf die Gewerbe, welche im Umherziehen betrieben werden, bei den bestehenden Bestimmungen verbleibt, und dass alle Diejenigen, welche, ohne in die Zunft einzutreten, selbstständig ein oder mehrere Gewerbe betreiben wollen, dazu die oberlandespolizeiliche Genehmigung der Regierung zuvor auswirken müssen. Bückeburg, den 6. August 1868. Fürstlich Schaumburg-Lippische Regierung. von Lauer, von Ulmenstein.

In Folge des vorstehenden Erlasses hat sich eine Verhandlung zwischen dem Bundeskanzleramt und der Schaumburg-Lippe'schen Regierung entsponnen, welche zur Zeit (Anfang October 1868) noch nicht zum Abschluss gelangt ist.

« ZurückWeiter »