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Zusätze und Erläuterungen.

Das Preussische Genossenschaftsgesetz vom 27. März 1867, welches dem vorstehenden Bundesgesetz im Wesentlichen als Vorbild gedient hat, kam im Herbst 1866 auf Grund eines vom Abg. Schulze-Delitzsch bereits seit 1863 wiederholt eingebrachten Entwurfs zu Stande.

Unter'm 16. April 1868 brachte derselbe Antragsteller das ganze Gesetz mit wenigen, durch den erweiterten Geltungsbereich gebotenen und aus der bisherigen, wenn auch kurzen Praxis resultirenden Aenderungen als Gesetzentwurf an den Reichstag. In den beigegebenen „Motiven" heisst es: „Hier einzutreten, gehört recht eigentlich zu den Aufgaben des Norddeutschen Bundes. Wie seine Competenz dazu nach Art. 4. Nr. 1., 2. u. 4. der Bundes-Verfassung unzweifelhaft feststeht, da die bezeichneten Genossenschaften in die dort aufgeführten Materien, den Gewerbebetrieb, die Handelsgesetzgebung, das Bankwesen gleichmässig einschlagen, kann der Bund die Sache am wenigsten in einem Augenblicke von sich weisen, oder auch nur vertagen, wo er es unternimmt, das ganze grosse Gebiet, dem auch die Genossenschaften angehören, den Forderungen der Neuzeit gemäss zu gestalten. Die Einführung der Gewerbefreiheit ist gerade das Moment, welches unsere Handwerker und Arbeiter mehr und mehr dahin drängt, sich in freien Genossenschaften zusammen zu schaaren, um sich der Bedingungen der modernen Production zu versichern, ohne welche das Aufkommen gegen die Grossindustrie, die Erhaltung beziehungsweise die Erringung der wirthschaftlichen und gewerblichen Selbstständigkeit immer unmöglicher wird. In dem Augenblicke, wo die Zünfte in ihrer alten Bedeutung aufhören, fangen die freien Genossenschaften an, und wenn die Bundes-Regierungen in ihrer Gewerbeordnungs-Vorlage jenen

abgestorbenen Instituten eine Art harmloser Existenz zu retten suchen, so ist es gewiss um so mehr geboten, den lebensvollen Gestaltungen die gesetzliche Sanction zu ertheilen, zu welchen wir die Handwerker und Arbeiter in allen civilisirten Ländern aus ureignem Drange und im sicheren Gefühle dessen, was ihnen Noth thut, zusammentreten sehen, und welche in die sociale Entwickelung der nächsten Zukunft eben so machtvoll einzugreifen bestimmt sind, wie die alten Zünfte zu ihrer Zeit."

Der Schulze'sche Entwurf wurde einer besonderen Commission überwiesen, welche schriftlich Bericht erstattete und die Annahme empfahl; der Bundesrath erklärte sich mit der Ausdehnung des Preussischen Gesetzes auf den Norddeutschen Bund nicht nur einverstanden, sondern brachte auch seinerseits eine Reihe von Zusätzen als Amendements ein, welche die Civilprozess-Commission empfohlen hatte und welche vom Antragsteller selbst als Verbesserungen anerkannt wurden. Die definitive Annahme des ganzen Gesetzes erfolgte am 20. Juni 1868.

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In dem Jahresbericht der Deutschen Genossenschaften für 1867 bezeichnet Herr Schulze-Delitzsch als die wichtigste Verbesserung die Minderung der Gefahren der Solidarhaft. Wenn schon nach dem Preuss. Gesetze die solidare Verhaftung der einzelnen Genossenschafter für die Genossenschaftschulden insofern einen blos bürgschaftlichen Charakter annimmt, als die Genossenschaftsgläubiger erst nach Endigung des Concurses über das Genossenschaftsvermögen mit welchem die Concurseröffnung über das Privatvermögen der Mitglieder nicht verknüpft ist wegen der dabei erlittenen Ausfälle sich an die Genossenschafter halten können: so geht das Bundesgesetz in der Rücksichtnahme hierbei so weit, als es mit Aufin rechthaltung des Princips der Solidarhaft welchem man die wirksamste Creditbasis der Genossenschaften antasten würde sich irgend verträgt. Sobald nämlich der Concurs über das Genossenschaftsvermögen zum Schlussverfahren gediehen und der Stand der Activ- und Passivmasse zur Uebersicht gebracht ist, wird der darnach zur vollständigen Deckung der Gläubiger erforderliche Betrag mittelst einer executorischen Zwangsumlage unter den Genossenschaftern aufgebracht und so den vielen prozessualischen Weiterungen vorgebeugt, welche durch Ausklagung solcher Forderungsreste gegen einzelne Genossenschafter und die von diesen gegen die Uebrigen, bebufs Wiedererlangung der für letztere vorgeschossenen Summen, anzustellenden Rückgriffsprozesse unausbleiblich entstehen müssten."

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872 Vorschuss- und Credit - Vereine, 156 Rohstoff-, Magazin- und ProductivGenossenschaften,

215 Consum - Vereiue

1243 Vereine in Summa.

Die Zahl der überhaupt bestehenden Genossenschaften im Norddeutschen Bunde kann man aber, namentlich wenn man auf die schnelle Verbreitung der Consum - Vereine in neuester Zeit Rücksicht nimmt, gewiss auf 1400 bis 1500 veranschlagen.

Die bisherigen Jahresberichte liefern ausreichendes Material, um von der Bedeutung des Deutschen Genossenschaftswesens eine Anschauung zu geben. Die dort von Genossenschaften in einzelnen Gewerken und von Consum - Vereinen mitgetheilten RechnungsAbschlüsse sind zwar nicht zahlreich genug, um von ihnen einen Schluss auf diese Branchen der Genossenschaften im Allgemeinen zuzulassen, sie geben nur ein Bild von einer Reihe zum Theil aus kleinen Anfängen heraus sich günstig entwickelnder Vereine; dagegen darf man aus der S. 847 beigefügten Uebersicht über die Geschäftsthätigkeit einer grösseren Zahl von Vorschuss-Vereinen vom Jahre 1859-1867 allerdings den Schluss ziehen, dass die gewährten Credite seitens der Genossenschaften im Jahre 1867 sicher 150 Millionen Thaler, der Kassenumsatz aber mehr als das Doppelte betragen hat. Das dazu verwendete Betriebs - Capital mag 50 Millionen Thaler erreicht haben, von welchen 12 Millionen ihnen eigenthümlich gehörten und 30-40 Millionen Thaler anlehnsweise aufgenommen waren.

Im Uebrigen verweisen wir auf den Jahresbericht für 1867 über die auf Selbsthülfe gegründeten Deutschen Erwerbs-und Wirthschaftsgenossenschaften von H. Schulze-Delitzsch (Leipzig, bei Gustav Mayer 1868).

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Vergleichende Uebersicht der Resultate von einem Theile der Vorschuss-Vereine

von 1859-1867.

1859

1862

1863

1864

1865

1866

1867

Das Noth-Gewerbegesetz

vom 8. Juli 1868.

I. Gesetz, betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe.

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II. Entstehung und Auslegung des Gesetzes vom 8. Juli 1868.

Unterm 7. April 1868 wurde dem Reichstage vom Bundes - Präsidium der Entwurf einer „GewerbeOrdnung für den Norddeutschen Bund“ nebst Motiven vorgelegt (No. 43 der Drucksachen, I. Legisl. - Periode, 1868). Dieser Entwurf, welcher unter zehn Titeln 172 Paragraphen enthielt, wurde der um vierzehn Mitglieder verstärkten Commission für Handel und Gewerbe überwiesen. Die Commission unterzog sich alsbald der Berathung des Entwurfs und setzte ihre Berathungen auch während der Session des Zollparlaments fort. Ueber die allgemeinen Principien, auf denen die Regierungsvorlage beruht, heisst es in den derselben beigefügten Motiven":

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Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc.

In den Staaten des Norddeutschen Bundes ist theils eine auf der Grundlage der Gewerbefreiheit beruhende Gewerbe-Gesetzgebung im Wesentlichen schon durchgeführt, theils befindet sich die Gewerbe-Gesetzgebung in einem Uebergangszustande zur Gewerbefreiheit, theils besteht die Zunftverfassung noch fort. Die letztbezeichneten Staaten werden durch die Einführung einer gemeinschaftlichen Gewerbe-Ordnung für den Norddeutschen Bund tiefgreifende Veränderungen ihres gesammten gewerblichen Lebens erfahren, welche auch auf andere Verhältnisse zurückwirken werden. Aber, welche Ansicht man auch von der Zuträglichkeit eines allmäligen Ueberganges hegen mag: stand

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