Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

überhaupt nur 77 Zahlung, dagegen wurden 366 auf Grund ärztlicher Krankheitsbescheinigungen, 686 mit Zustimmung des Gläubigers wegen Fristertheilung und 176 wegen Mangels genügenden Alimentenvorschusses aus der Haft entlassen. Die Haftdauer war eine sehr verschiedene; mehr als die Hälfte der Verhafteten verliessen das Gefängniss bereits in den ersten 10 Tagen; bei 1147 Personen erfolgte die Entlassung vor Ablauf des ersten Monats, bei 106 während des zweiten Monats, bei 35 während des dritten Monats und nur 17 blieben über drei Monate in Haft. Die längste Haftdauer betrug in einem Falle 189 Tage. Von den 77 Schuldgefangenen, welche die Schuld bezahlten, haben 75 im Laufe des ersten und 2 im Laufe des zweiten Monats Zahlung geleistet; bei längerer Haftdauer kam es in keinem Falle zur Zahlung.

Sehr ähnlich waren die Resultate des Jahres 1867. Die Zahl der Schuldgefangenen, welche wegen Schulden in Haft waren, betrug in diesem Jahre 1387. Bereits am ersten Tage wurden 339 aus der Haft entlassen und zwar 54, weil die Schuld bezahlt wurde, 210 mit Zustimmung des Gläubigers wegen Befristung und 75 auf Grund ärztlicher Krankheitsbescheinigungen. Im Jahre 1867 wurde überhaupt von 102 Schuldgefangenen Zahlung geleistet, nämlich in den ersten 10 Tagen der Haft von SS, im ersten Monat von 99, im zweiten Monat von 2 und im dritten Monat von 1 Gefangenen. Von den übrigen Verhafteten wurden 423 wegen bescheinigter Krankheit, 668 mit Zustimmung des Gläubigers wegen Fristbewilligung und 194 wegen nicht ausreichenden Alimentenvorschusses aus der Haft entlassen.

Von der Gesammtzahl von 1387 verliessen 820 schon in den ersten 10 Tagen das Gefängniss, 1201 im ersten Monat, 143 im zweiten Monat, 28 im dritten Monat und 15 in späterer Zeit. Die längste Haftdauer betrug in einem Falle 172 Tage. Der Betrag der Schulden, welche im Jahre 1867 die Verhaftung herbeiführten, belief sich in 1005 Fällen unter 100 Thlr. und in 382 Fällen über 100 Thlr., nämlich in 150 unter 10 Thlr., in 232 von 10 bis 20 Thlr., in 402 von 20 bis 50 Thlr., in 221 von 50 bis 100 Thlr., in 312 von 100 bis 500 Thlr., in 39 von 500 bis 1000 Thlr. und in 31 Fällen über 1000 Thlr. Die Minimalbeträge, wegen deren das Stadtgericht im Jahre 1867 Personalarrest-Mandate erliess, betrugen 8 Sgr. 4 Pf. und 12 Sgr. 9 Pf.; die Maximalbeträge aber 1440, 1917, 5311 und 8000 Thlr

In den überwiegend meisten Fällen, in denen die Haft zur Vollstreckung gelangte, war dieselbe wgen Wechselschulden erkannt worden; von sämmtlichen Arrestfällen sind nämlich mindestens 80 Procent Fälle des Wechselarrestes.

Die Mehrzahl aller Schuldgefangenen gehörte zum Stande der Handwerker und kleinen Gewerbtreibenden. Von der Gesammtzahl waren etwa 3 Procent Frauen und von diesen etwa Prostituirte.

Diese statistischen Mittheilungen sind nur geeignet, die Besorguisse, zu welchen die Aufhebung des Personalarrestes Anlass geben kann, zu zerstreuen. Sie ergeben zunächst, in wie wenigen Fällen der Personalarrest zur wirklichen und vollständigen Be

friedigung des Gläubigers geführt hat. Weiter bestätigen sie, dass hauptsächlich die Personen des geringeren Handel- und Gewerbestandes die Schuldhaft zu erleiden hatten, die letztere also dazu dient, jene ungesunden und misslichen Creditverhältnisse zu fördern und zu erhalten, von welchen oben die Rede war. Sodann lassen sie erkennen, wie gross die Zahl der Personen ist, welche sich wegen Krankheit der Schuldhaft entziehen. Es liegt die durch anderweite amtliche Nachrichten bestätigte Vermuthung nahe, dass in vielen Fällen die Krankheit eine simulirte war. Gerade in der Möglichkeit, durch Simulation einer Krankheit sich von dem Personalarrest zu befreien, liegt ein neuer Grund, die Zweckmässigkeit dieses Executionsmittels zu bestreiten. Es beleidigt das Rechtsgefühl, ein Executionsmittel zu sanctioniren, welches der listige und lügenhafte Schuldner zu vereiteln vermag und erfahrungsmässig häufig vereitelt.

Freilich sind die Nachrichten insoweit unvollständig, als sie unaufgeklärt lassen, welche Wirkungen der drohende Personalarrest erzeuge, ein Mangel, welcher nach der Natur der Dinge sich durch die umfassendsten Ermittelungen nicht heben lässt, obschon gerade jene Wirkungen den praktischen Werth des Executionsmittels nach der gewöhnlichen Ansicht mancher Kreise bedingen. Allein die vorliegenden Ermittelungen behalten doch insofern ihre hohe Bedeutung, als sie den Beweis liefern, dass dasjenige, was überhaupt ermittelt werden kann, im Ganzen mehr für als gegen die Aufhebung des Personalarrestes streitet.

Bei der Entscheidung der zweiten Frage, ob die Aufhebung des Personalarrestes sofort und noch vor Einführung der gemeinsamen Civilprocess-Ordnung durch ein besonderes Bundesgesetz sich empfehle, glaubte die Commission auf zwei Thatsachen das entscheidende Gewicht legen zu müssen.

[ocr errors]

Der Beschluss des Reichstages vom 12. October 1867 ist im Anschluss an die Debatten über die Aufhebung der Wuchergesetze gefasst, steht also in engem Zusammenhange mit dem Bungesgesetze über die vertragsmässigen Zinsen vom 14. November 1867 (vergl. oben S. 800). Aufhebung der Wuchergesetze unter Freigebung des Zinsversprechens und Fortdauer des Personalarrestes als Mittels der Zwangsvollstreckung so ist sichtlich von Vielen angenommen sind mit einander unverträglich. Und in der That wird, wenn einmal der Personalarrest als Executionsmittel für unzulässig zu erachten ist und seine Abschaffung erforderlich erscheint, seine auch nur vorläufige Beibehaltung doppelt bedenklich, nachdem die Wuchergesetze bereits aufgehoben sind und die Höhe der Zinsen der freien Vereinbarung überlassen ist. Darf angenommen werden, Freigebung des Zinsversprechens werde eine grosse Zahl von mehr oder weniger vermögensloser Creditbedürftigen in den Fall bringen, den Credit durch das Versprechen unverhältnissmässig hoher, bisher verpönter Zinsen, im Vertrauen auf die Zukunft zu erkaufen, so liegt eine grosse Härte darin, den Schuldner in Bezug auf die hieraus entspringenden Verpflichtungen einem schwer treffenden Executionsmittel zu unterwerfen, dessen Aufhebung bereits als nothwendig erkannt worden ist.

die

Kaum minder wichtig ist, dass, wie erwähnt, in der Mehrzahl der grossen Nachbarstaaten der Personalarrest bereits aufgehoben ist oder seine Aufhebung doch in der nächsten Zeit erwartet werden kann. Der internationale Verkehr, vorzugsweise in Ansehung der wechselrechtlichen Verhältnisse, muss nothwendig grössere oder geringere Störungen erleiden und mancherlei Verwickelungen werden unvermeidlich sein, wenn im Gebiete des Norddeutschen Bundes der bisherige Rechtszustand noch länger unverändert aufrecht erhalten wird.

Es bleibt aber auch in hohem Grade misslich, eine von der öffentlichen Meinung sichtbar gewünschte Neuerung, sobald sie für sachgemäss erachtet ist, noch länger zu verzögern. Nicht unerwogen ist allerdings geblieben, dass es in mancher Hinsicht erhebliche Vortheile bieten würde, die neue Maassregel der in der Berathung begriffenen Civilprocess-Ordnung vorzubehalten, weil dieselbe auf das gesammte Executionsrecht einen beträchtlichen Einfluss ausübt. Indessen die hieraus zu entnehmenden Bedenken lassen sich durch eine angemessene Gestaltung des neuen Gesetzes bis auf ein geringstes Maass erledigen.

Zur Rechtfertigung der einzelnen Bestimmungen des die sofortige Aufhebung des Personalarrestes bezweckenden Gesetz-Entwurfs wird noch Folgendes bemerkt.

Zu §. 1.

1. Es war oben schon die Rede davon, dass der Personalarrest seine hauptsächliche Bedeutung für die executivische Beitreibung von Geldschulden behauptet. Der §. 1. hebt ihn in dieser Beziehung ausnahmslos und unbedingt, also auch in Ansehung der Wechselverpflichtungen auf. Es folgt daraus eine Aenderung des Artikel 2. der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, eine Aenderung, welche zwar auf die übrigen Vorschriften der letzteren keinen störenden Einfluss übt, dagegen Veranlassung gegeben hat, den Regierungen der Süddeutschen Staaten anheim zu geben, ob nicht zur Erhaltung der Einheit des Deutschen Wechselrechts, die gleiche Abänderung der Wechselordnung auch dort herbeizuführen sein möchte. Andererseits wird in Gemässheit des §. 1. der Personalarrest in so weit vorläufig und bis zur Emanation der gemeinsamen Civilprocess - Ordnung bestehen bleiben, als er landesgesetzlich noch bei anderen Executionen statthaft ist. Den Landesgesetzen ist er, von den auf Zahlung einer Geldsumme gerichteten Executionen abgesehen, in grösserem oder geringerem Umfange noch bekannt bei den Executionen zur Erzwingung einer Handlung, einer Unterlassung, der Herstellung oder Aenderung eines Zustandes, der Herausgabe einer beweglichen Sache und der Abtretung einer unbeweglichen Sache. Im Allgemeinen, und einen gleich zu erwähnenden Fall ausgenommen, ist er in allen diesen Fällen von nur untergeordnetem practischen Belange, so dass seine Beibehaltung für dieselben die Wirksamkeit des neuen Gesetzes nur wenig zu beeinträchtigen vermag. Dessenungeachtet bleibt es im hohen Grade bedenklich, ihn auch für die gedachten Fälle schon jetzt zu beseitigen. Denn seine Abschaffung würde in den einzelnen Particularrechten grössere

oder kleinere Lücken erzeugen, deren Ausfüllung bei der überaus grossen Zahl dieser Rechte und der erheblichen Abweichung der einschlagenden Vorschriften einem Bundesgesetze in sachgemässer Weise kaum gelingen dürfte. Diese Schwierigkeiten werden sich natürlich erledigen, wenn die Begründung eines einheitlichen Civilprocessrechts erfolgt. Die gemeinsame Civilprocess-Ordnung ist also erst der Ort, wo die Frage, ob der Personalarrest vollständig und für alle Executionsfälle abzuschaffen sei, ihre endgültige Erledigung finden kann. Die Bundesgesetzgebung befindet sich in dieser Beziehung in einer ganz anderen Lage, als die Französische, Oesterreichische und Englische Gesetzgebung. Die Letzteren haben den grossen Vortheil voraus, dass sie bei der wichtigen, tief eingreifenden Reform nur Ein Processrecht zu berücksichtigen brauchen und die Folgen derselben für das gesammte Executionsrecht leicht zu übersehen ver mögen.

Wenn dem Personalarrest, soweit er vorläufig bestehen bleiben soll, eine nur untergeordnete praktische Bedeutung beizumessen ist, so muss doch ein Fall der executio ad faciendum ausgenommen werden. Particularrechtlich ist zwar der Personalarrest zur Erzwingung einer Handlung regelmässig nur zulässig, wenn die Leistung oder Handlung ausschliesslich von dem Willen des Schuldners abhängt und es nur darauf ankommt, dessen bösen Willen zu beugen. So selten und unerheblich auch in dieser Beziehung im Allgemeinen seine Anwendbarkeit erscheint, so lässt sich dies doch von einem Falle derselben keineswegs behaupten. Nach einigen Particularrechten, insonderheit nach den Vorschriften des Preussischen Rechts, ist der Gläubiger bei der Execution auf Zahlung einer Geldschuld, sobald die Execution in das Vermögen sich als fruchtlos erweist, berechtigt, den Schuldner zur Ableistung des Manifestationseides durch Personalarrest zu nöthigen. Das sogenannte Manifestationsverfahren wird, wo es zulässig ist, von den Gläubigern in zahlreichen Fällen benutzt. Es leuchtet ein, dass dessen Abschaffung ausgesprochen wäre, wenn die Erzwingung des Manifestationseides durch Körperhaft untersagt würde. Unläugbar kann aber dem Gläubiger das Recht auf das Manifestationsverfahren ohne grosse Gefahr gegenwärtig noch nicht entzogen werden. Dasselbe bildet nach den betreffenden Particularrechten ein wesentliches Glied des Systems der Execution in das Vermögen. Es kann aus diesem Systeme nicht entfernt werden, ohne eine anderweite Regelung der Execution in das Vermögen erforderlich zu machen, indem sachgemässe Vorschriften vorzugsweise zu dem Zwecke nöthig werden, um die schleunige und energische Execution in das Vermögen, sowie die Herbeischaffung verborgener und beseitigter Vermögensstücke zu erleichtern. Wenn auch das Manifestationsverfahren nicht ohne Bedenken, auch in manchen Gebieten, z. B. in dem des Rheinischen Rechts, wenigstens nicht ausdrücklich zugelassen und nicht in practischer Uebung ist, so würde doch jedenfalls seine allgemeine Abschaffung erst durch die gemeinsame Civilprocess - Ordnung in Verbindung mit sachdienlichen, einen genügenden Ersatz gewährenden

Vorschriften über die Execution in das Vermögen erfolgen dürfen. Die Gefahr, schwere Uebelstände hervorzurufen, wenn bereits in dem vorliegenden Gesetze die Aufhebung verordnet würde, ist um so grösser, je zahlreicher von Tag zu Tag die Fälle werden, in welchen böswillige Schuldner ihr Vermögen den Angriffen der Gläubiger mit Erfolg zu entziehen wissen.

2. Der §. 1. erwähnt neben der Zahlung einer Geldsumme die Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere. Die Gleichstellung hat zur Folge, dass der Personalarrest, so weit er landesgesetzlich bei der executio ad faciendum zulässig ist, ausgeschlossen bleibt, wenn die Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere erzwungen werden soll. Sic empfiehlt sich, um eine Vereitelung des Zweckes des Gesetzes zu verhüten. Der §. 1. greift in dieser Hinsicht weiter, als das Oesterreichische Gesetz, welches nur der Geldschulden gedenkt. In Ansehung der Bezeichnung der in Frage kommenden Verpflichtungen hat der Artikel 301. des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs zum Vorbild gedient.

3. Der Ausdruck: „in bürgerlichen Rechtssachen" bezweckt die Abgrenzung der Tragweite des Gesetzes in einer anderen wesentlichen Beziehung. Durch den Ausdruck sind zunächst alle privatrechtlichen Verpflichtungen getroffen, gleichviel ob im Falle des Streits die gerichtliche Zuständigkeit oder die Zuständigkeit der Administrativbehörden begründet ist, ob die Verpflichtung auf einer den Schuldner verurtheilenden Entscheidung beruht, oder ob ohne eine solche aus einem andern executionsfähigen Titel die Zwangsvollstreckung zur Einleitung gelangen kann. Dagegen findet das Gesetz auf diejenigen Verpflichtungen keine Anwendung, welche nicht nur im Falle des Streits der gerichtlichen Cognition nicht unterliegen, sondern auch nicht zu den privatrechtlichen Verpflichtungen gehören, vielmehr ausschliesslich in das Gebiet des öffentlichen Rechts fallen. Die Beibehaltung des Personalarrestes, um die Erfüllung solcher Verpflichtungen zu erzwingen, wird, so viel sich übersehen lässt, schwerlich einen nennenswerthen practischen Erfolg haben. Indess wäre die Ausdehnung des Gesetzes auf dieselben schon deshalb bedenklich, weil die Competenz der Bundesgesetzgebung, die Erzwingung der Erfüllung jener Verpflichtungen mittelst Personalarrestes zu untersagen, sich in Zweifel ziehen lässt. Ausgeschlossen sind ferner die in der Zahlung einer Geldstrafe bestehenden Verpflichtungen, ohne Unterschied, ob der Strafrichter oder der bürgerliche Richter oder eine Administrativbehörde die Strafe verhängt hat. Diese Ausnahme verliert dadurch beinahe jede Bedeutung, dass im Gebiete des Norddeutschen Bundes fast überall der Grundsatz besteht, die Geldstrafen, sobald das Unvermögen des Verurtheilten feststeht, in verhältnissmässige Gefängnissstrafen zu verwandeln und dass somit eine Beitreibung der Geldbassen durch Personalarrest nicht stattfindet.

4. Es ist in Erwägung gezogen, ob nicht nach Vorbild des neuen Französischen Gesetzes der Personalarrest in Ansehung der Verpflichtungen aus strafbaren Handlungen beizubehalten sei. Die Frage

ist verneint worden. Denn einmal scheint es an einem inneren Grunde zu fehlen, die aus einer strafbaren Handlung entsprungenen privatrechtlichen Verpflichtungen nach anderen Regeln zu beurtheilen, als die übrigen Verpflichtungen dieser Art. Das Französische Recht hat in der betreffenden Rücksicht, wie mitunter und vielleicht nicht ohne Grund behauptet wird, von einer, dem Deutschen Recht fremden Auffassung sich leiten lassen, indem seine Vorschriften über die Verpflichtung zum Schadensersatz aus strafbaren Handlungen mehrfach einen gewissen pönalen Charakter verrathen. Sodann würde die Ausnahme, so lange kein gemeinsames Strafrecht besteht, eine sehr ungleiche Behandlung der Schuldner innerhalb des Bundesgebietes zur Folge haben, nicht selten auch zu bedenklichen Erörterungen vor dem Civilrichter führen, ob eine Handlung als strafbar anzusehen und eine desfallsige Festsetzung des Strafrichters maassgebend oder richtig sei. Aus der Fassung des §. 1. ist übrigens zur Genüge zu erkennen, dass, wenn der Strafrichter nach Maassgabe der strafprocessrechtlichen Vorschriften auf Ersatz von Schäden und Kosten erkannt hat, der Schuldner von dem Personalarrest befreit ist, weil in Ansehung eines solchen Ersatzes eine privatrechtliche Verpflichtung, also eine bürgerliche Rechtssache vorliegt.

Zu §. 2.

Der Personalarrest kommt in bürgerlichen Rechtssachen nicht blos als Executionsmittel, sondern auch noch als eine Art des Sicherheitsarrestes zu dem

Zwecke vor, um dem Gläubiger die Rechtsverfolgung zu ermöglichen oder zu sichern. Insoweit der Sicherheitsarrest als eine anticipirte Execution sich auffassen lässt, liegt die Folgerung nahe, die Körperhaft als Sicherheitsarrest in allen Fällen auszuschliessen, in welchen sie als Executionsmittel nicht Platz greife. Die Folgerung erscheint jedoch nur unter der Voraussetzung richtig, dass die Körperhaft als Sicherheitsarrest denselben Zweck wie als Executionsmittel verfolgt.

Die Körperhaft als Sicherheitsarrest hat mitunter aber einen ganz andern Zweck, einen Zweck, welcher es verbietet, sie als eine anticipirte Execution oder als eine wirkliche Execution zu betrachten. Häufig soll sie nämlich nur dazu dienen: den Gerichtsstand des Schuldners zu begründen, den Schuldner zur Einlassung auf die Klage zu nöthigen, ihn zu verhindern, das dem Gläubiger zur Durchführung seiner Rechte nöthige Verfahren ganz oder theilweise zu vereiteln (z. B. die Realcitation zum Sühneversuch in Ehesachen), oder die Gegenstände, in welche die Vermögensexecution vollstreckt werden kann, durch rechtliche oder thatsächliche Verfügungen zu beseitigen. Ein wichtiger Fall der Körperhaft als Sicherheitsarrest ist die nach einzelnen Concursrechten den Gemeinschuldner treffende Verhaftung bei Eröffnung des Concurses. Als Zweck dieser Verhaftung nennt der §. 138. der Preussischen Concursordnung vom S. Mai 1855 in bezeichnender Weise den der Förderung und Sicherstellung des Concursverfahrens. Eine gleiche Bedeutung hat der Sicherheitsarrest, wenn der Schuldner flüchtig und der Flucht verdächtig oder zugleich zu besorgen ist, dass er durch die Flucht die Execution in das Ver

mögen vereitele, z. B. dem Manifestationsverfahren sich entziehen werde, oder wenn der Schuldner ein Ausländer und von den Gerichten seiner Heimath keine Rechtshülfe zu erwarten ist, während gewiss oder im höchsten Grade wahrscheinlich ist, dass derselbe in seiner Heimath hinreichendes Vermögen besitze, um den Gläubiger zu befriedigen. Den im §. 2. näher präcisirten Sicherheitsarrest gleichfalls aufzuheben, dazu fehlt es an einem genügenden Grunde. Da er nur zur Erreichung begrenzter Zwecke dient, also aufhören muss, sobald diese erreicht sind, oder die Unmöglichkeit der Erreichung entschieden ist, so wird seine Dauer immer nur eine kurze, der Schuldner ausserdem regelmässig im Stande sein, durch ein entsprechendes Verhalten das Ende desselben herbeizuführen. Mindestens wird der Sicherheitsarrest aber vorläufig und bis zur Begründung des gemeinsamen Civilprocessrechts aufrecht zu erhalten sein, da er mit wichtigen Vorschriften, z. B. über den Gerichtsstand zusammenhängt (forum arresti), Vorschriften, welche bestehen bleiben müssen, so lange nicht die deutschrechtlichen Grundsätze über den Gerichtsstand durch die neue Civilprocess-Ordnung angemessen erweitert sind. Auch das Oesterreichische Gesetz hat den Sicherheitsarrest und zwar in einem noch weit grösseren Umfange und keineswegs in der sehr erheblichen Beschränkung des §. 2. aufrecht erhalten.

Der §. 2. macht es auch entbehrlich, die Ausländer von den Wohlthaten des neuen Gesetzes auszuschliessen. Die Ausschliessung würde entschieden den Grundsätzen widersprechen, welche in der neueren Zeit auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts mehr und mehr zur Geltung gelangen. Zu diesen Grundsätzen gehört vor allem der der möglichst gleichen Behandlung der Ausländer und Inländer.

Ihm folgt auch die neue, auf die Aufhebung des Personalarrestes sich beziehende Französische und Oesterreichische Gesetzgebung, welche beide Gesetzgebungen zwischen Ausländern und Inländern nicht unterscheiden. Für die meisten Fälle, in welchen die Ausdehnung des Gesetzes auf die Ausländer den Inländern Gefahr zu bringen droht, wird der §. 2. einen zureichenden Schutz gewähren. Derselbe macht es möglich, gegen den Ausländer, welcher sich ohne Vermögen im Inlande betreffen lässt, durch

den Personalarrest als Sicherheitsarrest den inländischen Gerichtsstand zu begründen, ihn ferner zu nöthigen, sein in der Heimath befindliches, vor den Angriffen des Gläubigers gesichertes Vermögen im Falle der Verurtheilung zur Befriedigung des Letztern zu verwenden. Es liegt hierin keine ungleiche Behandlung der Ausländer gegenüber den Inländern. Dass der §. 2. häufiger gegen Ausländer, d. h. gegen Nichtangehörige des Norddeutschen Bundes, als gegen. Inländer seine Wirksamkeit äussern wird, ist eine zufällige Folge der Voraussetzungen, welche die Anwendbarkeit des Gesetzes gleichmässig gegen Inländer und Ausländer bedingen. Der §. 2. reicht endlich weit genug, um von dem Vorbehalt der Retorsion absehen zu dürfen und es der späteren Rechtsentwickelung überlassen zu können, ob und in wie fern es eines solchen, schon durch das Völkerrecht gerechtfertigten Vorbehalts bedürfe.

Zu §. 3.

Während der §. 1. durch seine Fassung als eine lex absoluta sich ankündigt, deren Abänderung durch Privatwillkür dergestalt ausgeschlossen ist, dass der Schuldner sich durch Vertrag dem Personalarrest gültig nicht unterwerfen kann, verleiht der §. 3. dem neuen Gesetze zugleich eine gewisse Art von rückwirkender Kraft. Die Aufhebung des Personalarrestes soll auch auf die vor Erlassung des Gesetzes entstandenen Verbindlichkeiten sich beziehen, selbst wenn auf Personalarrest rechtskräftig erkannt oder mit dessen Vollstreckung begonnen ist. Diese rückwirkende Kraft erscheint als eine selbstverständliche, insofern dem neuen Gesetze der Charakter eines Processgesetzes beigelegt wird. Allein auch wenn Letzteres nicht zulässig sein sollte, wird die Anordnung des §. 3. schon durch die Betrachtung gerechtfertigt, dass ein Gesetz, welches ein bisher zugelassenes Executionsmittel als der öffentlichen Ordnung zuwider für unzulässig erklärt und aufhebt, vermöge seines zwingenden und verbietenden Charakters die fernere Anwendung und Durchführung jenes Executionsmittels schlechthin verhindert, mag der Gläubiger seine Rechte auch früher erworben und die gegründetste Aussicht gehabt haben, von dem erst durch ein späteres Gesetz abgeschafften Executionsmittel Gebrauch zu machen.

Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc.

52

32

Gesetz,

betreffend

die Schliessung und Beschränkung der öffentlichen Spielbanken.

Wir

Vom 1. Juli 1868.

ir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc., verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

[blocks in formation]

Neujahrsnacht 1837/38 auf Grund eines Gesetzes vom 18. Juli 1836 die Schliessung aller öffentlichen Spielbanken. Auch in Deutschland machten verschiedene und unter diesen die bedeutendsten und einflussreichsten Regierungen wiederholte Versuche, auf dem Wege der Verhandlung am Bundestage die Aufhebung der öffentlichen Spielbanken herbeizuführen. Es ergaben jedoch weder diese Verhandlungen, noch ein Beschluss der späteren National-Versammlung vom 8. Januar 1849 und eine darauf gestützte Anordnung der provisorischen Centralgewalt vom 20. desselben Monats, wonach vom 1. Mai 1849 ab sämmtliche Spielbanken in Deutschland geschlossen und die Spielverträge aufgehoben sein sollten, ein wesentliches Resultat. Ebensowenig wurde durch die nach Wiedereröffnung der Bundesversammlung erneuerten Versuche ein grösserer Erfolg erzielt.

Der bei weitem grösste Theil der Bundes-Regierungen war von der Nothwendigkeit einer gänzlichen Beseitigung der Spielbanken überzeugt, es gelang aber nicht, den nach Lage der Bundesgesetzgebung erforderlichen einstimmigen Beschluss herbeizuführen.

So sind denn die öffentlichen Spielbanken noch mit in die durch die Errichtung des Norddeutschen Bundes inaugurirte neueste Zeit übergegangen.

Der Centralausschuss für die innere Mission der Deutschen evangelischen Kirche hat das Verdienst, die Aufhebung der öffentlichen Spielbanken unmittelbar nach erfolgter Umgestaltung unserer politischen Verhältnisse wieder in Anregung gebracht zu haben, nachdem er bereits im Jahre 1854, im Auftrage des damals in Frankfurt a. M. versammelten Kirchentages, einen gleichen Antrag für den Bundestag vorbereitet und denselben nur deshalb zurückgehalten hatte, weil Preussen zu jener Zeit die Sache von Neuem bei der Bundesversammlung anregte. Der Antrag wurde gleich bei dem ersten nur zur Berathung der Verfassung berufenen Reichstage eingebracht und, als er dort nicht zur Verhandlung gelangen konnte, bei dem im September 1867 einberufenen Reichstage in der Form einer mit angeblich 37,335 Unterschriften versehenen Petition wiederholt. Diese beantragte,

die möglichst baldige Aufhebung aller öffentlichen Spielbanken innerhalb der dem Bunde zugehörigen Staaten den betheiligten Regierungen als Erfüllung einer nationalen Ehrenpflicht dringend anzuempfehlen,

und fand eine so günstige Aufnahme, dass der

« ZurückWeiter »