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§. 5.

Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu bestimmen, dass die im §. 2. dieses Gesetzes eingeräumte Kündigungsbefugniss des Schuldners gänzlich wegfalle, oder dass ein höherer Zinssatz, als sechs Procent, oder eine längere Kündigungsfrist, als sechs Monate, für die bezeichnete Befugniss maassgebend sei.

So weit einzelne Landesgesetze Bestimmungen enthalten, welche die erwähnte Kündigungsbefugniss des Schuldners ausschliessen, oder in der bezeichneten Weise beschränken, bleiben dieselben in Gültigkeit, bis sie auf dem verfassungsmässigen Wege des betreffenden Landes, oder durch ein Bundesgesetz abgeändert werden.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes - Insiegel. Gegeben Berlin, den 14. November 1867.

(L. S.) Wilhelm.

Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

Erläuterungen.

Der Entwurf zu dem vorstehenden Gesetze wurde vom Abgeordneten Lasker und Genossen eingebracht und der Schlussberathung in Plenum des Reichstags überwiesen. Zu Referenten wurden die Abgeordneten v. Saltzwedell und Dr. BraunWiesbaden ernannt, von denen in der Sitzung vom 10. October 1867 der letztere die Annahme des Lasker'schen Antrages, der erstere die Aussetzung der Beschlussnahme über den Entwurf bis zur Abstimmung des Reichstags und Erklärung des Bundesraths über die Errichtung von Hypothekenbanken beantragte. Aus dem Referate des Dr. Braun geben wir einige historische Mittheilungen über die Aufhebung der Zinsbeschränkungen:

Zur Begründung meiner Ansicht, die dahin geht, dass der Laskersche Antrag anzunehmen sei, erlaube ich mir nur auf die Erfahrungen der letzten Vergangenheit in den verschiedenen Europäischen Ländern hinzuweisen. Diejenigen Herren, die Anhänger der Zinsbeschränkungen sind, und dieselben auch fernerhin aufrecht erhalten sehen wollen in dem ganzen oder wenigstens in dem theilweisen bisherigen Umfange, berufen sich in der Regel darauf, dass man in verschiedenen Ländern den Versuch mit Aufhebung der Zinsbeschränkungen gemacht, man habe aber so nachtheilige Folgen gespürt, dass man sich beeilt habe, die Zinsbeschränkungen wieder einzuführen. Es wird namentlich auf die Gesetzgebung für Norwegen Bezug genommen; dann auf das Josephinische Patent von 1787, das für Oeterreich die Zinsbeschränkungen aufhob, und auf die Gesetzgebung des Jahres 1804, die sie für Frankreich aufhob. Es wird hervorgehoben, dass man in allen diesen Ländern die Zinsbeschränkungen, unter Berufung auf die nachtheiligen Wirkungen ihrer Aufhebung, wieder hergestellt habe. Um diese Thatsache zu verstehen, muss man sich jedoch erinnern, dass sowohl das Gesetz des Kaisers Joseph von Oesterreich, als auch das Französische Gesetz vom Jahre 1804 die Eigenthümlichkeit hatten, dass beide denjenigen Darlehnsgeschäften, die

Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc

einen höheren Zinsfuss als fünf Procent bedungen hatten, die gerichtliche Klagbarkeit absprachen. In diesem Umstande finde ich die Ursache der schädlichen Wirkungen der betreffenden Gesetze; denn jeder vorsichtige Capitalist hütete sich natürlich, sein Geld in Darlehen zu stecken, die nicht gerichtlich klagbar waren, und auf der andern Seite machten sich die leichtsinnigen Schuldner nicht das allergeringste Gewissen daraus, sehr hohe Zinsen zu versprechen, weil sie wussten, dass im äussersten Fall gegen sie kein gerichtlicher Zwang werde angewendet werden können. In Norwegen, will ich beiläufig bemerken, ist das Gesetz, das die Zinsbeschränkungen wieder herstellte, inzwischen auch wieder beseitigt worden, und es herrscht dort im Wesentlichen Freiheit des Zinsfusses. Man hat sich auch auf England berufen. In England ist die Gesetzgebung auf diesem Gebiete, wie auf allen Gebieten, nur mit ganz langsamem, abgemessenem Schritt vorwärts gegangen; man hat die Zinsbeschränkungen nicht auf einmal abgeschafft, sondern für einige verschiedene Kategorieen zuerst, und für andere später; man hat sie namentlich zuerst abgeschafft für die höheren Darlehns-Summen und später, füge ich hinzu, auch für die geringeren. In dieser Beziehung halte ich die Angaben des Herrn Referenten für irrig. Es sind namentlich für Darlehen auf Hypotheken, und zwar gerade auf Antrag der Grundbesitzer, in England in neuester Zeit die Zinsbeschränkungen aufgehoben worden. Das einzige Gebiet, worauf sie noch bestehen, ist das der Pfandleiher. Die Personen, welche auf Pfänder leihen, die sogenannten pawn-brokers sind noch an Zinsbeschränkungen gebunden, sonst sind dieselben in England aufgehoben.

Wenn man nun sagt: das kann man in England riskiren, denn dieses Land hat einen ausserordentlichen Reichthum an Capital, so halte ich dem entgegen, dass es auch eine ganz ausserordentliche Verwendung für Capital hat, die noch ausserordentlicher ist, als der Reichthum an Capital selbst: dass aber in England auch manchmal sehr cmpfindliche Geldklemmen sind, wie z. B. in allerneuester Zeit, das wird wohl Niemand bestreiten wollen. In Frankreich bestehen allerdings die Zinsbeschränkungen noch, aber es wird von allen Seiten Sturm gegen dieselben gelaufen. Ich habe dieser Tage noch die Ehre gehabt, mit Herrn Parieu, dem Vice-Präsidenten des Französischen Staatsraths, einer anerkannten Autorität auf diesem Gebiete, mich über diese, Frage zu unterhalten. Er hat mir mitgetheilt, dass eine Commission des Staatsrathes unter seinem Vorsitz eine umfassende Enquête über die Wirkungen der Ziusbeschränkungen in neuester Zeit vorgenommen hat, und dass diese Commission auf Grund der genauesten statistischen Ermittelungen und sonstiger Thatsachen die Ueberzeugung gewonnen hat, dass die Zinsbeschränkungen auch in Frankreich eine schädliche Wirkung haben, und dass die Stunde ihres Endes in nächster Zukunft schlagen werde. Wenn man dem gegenüber, wie, wenn ich richtig verstanden habe, es der Herr Referent gethan hat, sich darauf beruft, dass die Landwirthschaft in Frankreich sich in einem enorm blühenden Zustande, in einem grossartigen Auf

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schwunge befinde, so ist das ein Irrthum. Ich erinnere an die Rede, mit welcher der Kaiser im Februar 1864 die Französischen Kammern eröffnet hat. Darin wird mit dürren Worten gesagt, die Französische Landwirthschaft leidet." Ein Grund dieser Leiden der Französischen Landwirthschaft ist aber offenbar in der schlechten HypothekarGesetzgebung und in der Zinsbeschränkung für den landwirthschaftlichen Credit zu suchen. Eine ganze Reihe Europäischer Staaten ist uns mit der Aufhebung der Zinsbeschränkungen vorausgegangen. Spanien hat die Zinsfreiheit hergestellt durch das Gesetz vom 14. März 1856 und das Gesetz vom 21. Juni 1864, es hat für nöthig befunden, zu verordnen, dass bei Zinsversprechen, die über fünf Procent hinausgehen, eine schriftliche Beurkundung nothwendig ist, welche das Verhältniss zwischen Zinsen und Capital evident hält, eine Vorschrift, die meiner Meinung nach sich, sehr empfiehlt, wenigstens für die Zeit des Uebergangsstadiums. In Italien ist die Zinsfreiheit verordnet durch das Gesetz v. 15. Jan. 1857; es ist ebenfalls schriftliche Zinsabrede erforderlich, und nach fünf Jahren ist 6-monatliche Kündbarkeit solcher Darlehen zugestanden, bei denen höhere als fünfprocentige Zinsen stipulirt sind. Die Niederlande haben durch das Gesetz vom 29. November 1857 den Zinssatz freigegeben, nachdem er vorher längere Zeit versuchsweise freigemacht war, und nachdem die Erfahrungen, die während dieser Zeit gemacht worden, festgestellt hatten, wie dies in officiellen Ermittelungen der Königlich Niederländischen Regierung niedergelegt ist dass während dieser Zeit der Zinsfuss statt zu steigen, sogar auf zwei Procent gefallen war. In Belgien hat man die Zinsbeschränkungen aufgehoben durch das Gesetz vom 5. Mai 1865 In der Schweiz sind die Zinsbeschränkungen von verschiedenen Cantonen aufgehoben, wie z. B. in Neuenburg im Jahre 1855, in Genf durch das Gesetz vom 7. Februar 1855, in Graubündten durch das Civilgesetz von 1862, in Basel (Stadt) durch das Gesetz vom 23. Mai 1864, und in Genf hat man ebenfalls seit Aufhebung der Zinsbeschränkungen durch statistische Erhebungen festgestellt, dass trotzdem, dass der Zinsfuss frei war, die HypothekarDarlehen beinahe ausnahmelos zu 5 pCt. contrahirt worden sind. In Dänemark ist durch das Gesetz vom 6. April 1856 die Aufhebung der Zinsbeschränkungen erfolgt, allerdings mit Ausnahme der Hypothekar - Darlehen, für diese ist seltsamerweise verordnet, dass auf besonderes Nachsuchen das Ministerium einen höheren Zinsfuss solle gestatten können. In Schweden und Norwegen sind die Zinsbeschränkungen ebenfalls theilweise aufgehoben; und ebenso in einer ganzen Reihe Deutscher Staaten.

Die Preussische Gesetzgebung *) ist der Mehrzahl der Mitglieder des Reichstags auf's Genaueste bekannt; und ich unterlasse es daher, weitere Ausführungen über dieselbe zu machen. Im Königreiche Sachsen hat das Gesetz vom 25. October 1864 die Verbote der Ueberschreitung eines bestimmten Zinsfusses, sowohl die civilrechtlichen, als die straf

*) Das Gesetz vom 12. Mai 1866 hat die Aufhebung der ZinsBeschränkungen für chirographorische Darlehen angeordnet.

rechtlichen, aufgehoben und nur verordnet, dass bei Darlehen mit einem höheren als dem gesetzlichen Zinsfusse nach einem halben Jahre halbjährige Kündigung zulässig sei, was jedoch auf Schuldverschreibungen au porteur und Darlehen und Schulden eines Kaufmanns keine Anwendung finden soll. Baiern hat im J. 1861 wenigstens die strafrechtlichen Bestimmungen gegen die Ueberschreitung des Zinsfusses aufgehoben; wie mir im Beginne der Sitzung heute brieflich mitgetheilt wurde, hat die Bairische Regie rung dem Landtage dieser Tage einen Gesetzentwurt vorgelegt, wonach auch die civilrechtlichen Beschränkungen aufgehoben werden sollen. Es schliessf sich weiter an: Württemberg, wo die Zinsbeschränkungen seit dem Jahre 1849 in Folge eines höchst eigenthümlichen Herganges aufgehoben worden sind. In Württemberg war nämlich vor dem Jahre 1849 die Zinsbeschränkung auch aufgehoben für alle diejenigen Personen, die wechselfähig waren. Nun wurde im Jahre 1849 die allgemeine Deutsche Wechsel-Ordnung publicirt, und da nach dieser alle Personen wechselfähig sind, so waren eines schönen Morgens, ohne dass irgend ein Mensch daran gedacht hatte und ohne dass die Württembergische Gesetzgebung irgend eine Anstrengung hätte zu machen brauchen, für alle Schwaben alle diese Beschränkungen aufgehoben, und zwar hatten sie es noch nicht einmal gemerkt: ein Beweis, dass die Operation doch offenbar nicht sehr weh thut, sie merkten es erst Jahr und Tag später.

In Baden besteht im Wesentlichen auch Zinsfreiheit mit einigen geringen Beschränkungen; die Badische Regierung hat über ihre Erfahrungen, die sie gemacht hat in Betreff des Zinsfusses, im Jahre 1865 eine Darstellung veröffentlicht. Sie bemerkt darin, dass der Zinsfuss der Hypothekar-Darlehen trotz der Zinsfreiheit auf 4 bis 4stehen geblieben sei, dass demnach alle Befürchtungen, das Gesetz werde auf die Hypothekar-Darlehen nachtheilig ein wirken, sich als irrig erwiesen hätten. In Oldenburg sind die Zinstaxen durch das Gesetz vom 18. Januar 1858 aufgehoben, unter Beibehaltung nur des Verbots von Zinseszinsen und von Zinsen über das alterum tantum hinaus; auch hier sind die günstigen Erfahrungen dieser Maassregel durch die Regierung amtlich constatirt. Sachsen-Coburg hat durch das Gesetz vom 10. Februar 1860 ebenfalls die Zinsbeschränkungen aufgehoben, und das Sächsische Ministerium erklärte unterm 8. Februar 1865, dass sich eine nennenswerthe oder gar bedenkliche Neigung zur Erhöhung des Zinsfusses in Folge dieser Maassregel nirgends gezeigt habe.

Sachsen-Weimar-Eisenach hat die ZinswucherGesetze im Jahre 1858 suspendirt, das Grossherzoglich Sächsische Staatsministerium hat im Februar 1855 ebenfalls die günstigen Wirkungen dieser Massregel öffentlich constatirt. In Bremen ist die Zinstaxe durch das Gesetz vom 27. December 1858 aufgehoben; die Bremer Notare constatiren, dass die Aufhebung der Wuchergetze sich in Bezug auf die Zinsen für den Immobiliar-Credit als indifferent bewiesen habe. Lübeck und Frankfurt haben in den Jahren 1862 und 1864 die Zinsbeschränkungen aufgehoben. Hamburg ist daran, es zu thun. Was die übrigen Deutschen Staaten anlangt, die

ich hier nicht erwähnt habe, so gilt dort das allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch, das auch eine ganz grosse Bresche in die Zinsbeschränkungen schiesst.

Sie schen also, dass das Werk der Zerstörung der Zinsbeschränkungen überall bereits begonnen ist, und dass demselben kein Einhalt zu gebieten ist, selbst wenn man es wollte. Von den aussereuropäischen Staaten will ich gar nicht reden, sonst könnte ich ihnen auch noch eine ganze Reihe von Staaten und Territorien der Amerikanischen Union aufzählen, könnte Ihnen Brasilien, Ecuador, Neugranada, Uruguay, Buenos Ayres und wer weiss, was sonst noch, nennen."

Im Verlaufe der Debatte äusserte sich der Bundeskanzler Graf v. Bismarck folgendermaassen:

„Es wird sich im Bundesrathe zunächst darum handeln, die Schwierigkeiten zu discutiren, die in einzelnen Ländern, welche bisher nicht die Preussische Gesetzgebung in dieser Frage haben, einer sofortigen Durchführung des Princips des Laskerschen Antrages entgegenstehen können. Soviel mir gegenwärtig ist, ist auf dem Preussichen Gebietealten und neuen Styls-sowie auf dem Königlich Sächsischen Gebiete die Freiheit des Zinssatzes bereits in einer Ausdehnung vorhanden, dass die Annahme des von dem Herrn Vorredner vertretenen Amendements*) in der grösseren Ausdehnung des Bundesgebietes eine theilweise Wiederaufhebung dieser Befreiung zur Folge haben müsste, da es sich in diesem grösseren Theile des Bundesgebietes nur noch um die hypothekarischen Darlehen handelt. Die Stellung der Preussischen Regierung, welche sie auch im Bundesrathe zu vertreten haben wird, ist durch die Antecedentien der Königlichen Regierung gebunden.

„Ich würde als Vertreter der Preussischen Regierung dem Principe, welches dem Laskerschen Antrage zum Grunde liegt, nicht entgegentreten können, auch wenn es nicht gelänge, die Verbindung mit der Reform der Hypotheken-Gesetzgebung, welche hier von dieser Seite des Hauses (rechts) angestrebt wird, herbeizuführen.

Wohl aber halte ich diese Verbindung in hohem Grade für wünschenswerth und würde, wenn sie hier in dieser Versammlung nicht herbeigeführt werden könnte, doch mich für verpflichtet halten, den Versuch zu machen, ob ich auf dem Gebiete der Bundes - Gesetzgebung glücklicher bin in den Bemühungen, unsere Hypotheken - Gesetzgebung von ihren Schäden zu heilen, als bisher auf dem der Landes - Gesetzgebung, auf welchem es mir, wie ich hier mit Beschämung eingestehen muss, nach fünfjährigem angestrengten Bemühen in einer doch einflussreichen Stellung im Staate nicht gelungen ist, sie auch nur um eines Haares Breite zu fördern. Ich halte mich nicht für berechtigt, diese Gelegenheit vorübergehen zu lassen, ohne diese Frage zum Anknüpfungspunkte von Bestrebungen im Sinne des Antragstellers Herrn von Blanckenburg zu benutzen und zu versuchen, ob wir einen Ausgangspunkt zu einer raschen und gründlichen Reform der Hypotheken

*) Antrag des Abg. Dr v. Schweitzer, wonach die Freiheit des Zinsfusses sich nur auf Darlehen etc. von über 100 Thlr. beziehen sollte.

Gesetzgebung auf dieser neuen Bahn zu gewinnen vermögen. Um nicht missverstanden zu werden, nicht in dem Sinne missverstanden zu werden, in welchem der Herr Abgeordnete Schulze die Wünsche dieser Seite des Hauses (rechts) auffasst, bemerke ich dabei, dass es sich nach den Ansichten der Königlichen Regierung bei Begründung von Hypothekenbanken zunächst nicht um eine Staats-Unterstützung würde handeln können - eine solche würde auch nicht von den besitzenden Klassen, sondern höchstens von denjenigen Klassen in Anspruch genommen werden können, als deren Anwalt der Herr Vorredner eben hier auftrat sondern dass es sich nur darum handeln wird, den Grundbesitz von den Fesseln zu befreien, welche ihm die Hypotheken - Gesetzgebung in einem grossen, in dem bei weitem grössten Theile des Bundesgebietes bisher auflegt, Fesseln, die meiner Meinung nach viel mehr dazu beitragen, als die Beschränkungen der Höhe des Zinsfusses, den Grundbesitzer creditlos zu machen, und unter welchen ihn noch länger leiden zu lassen, ich für eine hervorragende Ungerechtigkeit halten würde, deren sich die Bundes-Gesetzgebung gewiss nicht in dem Maasse wird schuldig machen wollen, wie diese Schuld die Landes-Gesetzgebungen bisher traf.“ Zu §. 4. des vorstehenden Gesetzes bemerkt Hier semenzel (Verfassungs- und Verwaltungsrecht den Norddeutschen Bundes etc., I. Band, S. 218), dass sich die privatrechtlichen Bestimmungen in Bettres, der Zinsen von Zinsen auf das leichteste umgeheff lassen, da die (conservirten) Gesetze über die ver tragsmässigen Zinseszinsen nur dann einen wirklichen Sinn haben, wenn gesetzliche Einschränkungen des vertragsmässigen Zinssatzes bestehen.

II.

Gesetz, betreffend die Aufhebung der Schuldhaft.

Wir

Vom 29. Mai 1868.

ir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc., verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

§. 1. Der Personalarrest ist als Executionsmittel in bürgerlichen Rechtssachen insoweit nicht mehr statthaft, als dadurch die Zahlung einer Geldsumme oder die Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere erzwungen werden soll. §. 2. Die gesetzlichen Vorschriften, welche den Personalarrest gestatten, um die Einleitung oder Fortsetzung des Prozessverfahrens, oder die gefährdete Execution in das Vermögen des Schuldners zu sichern (Sicherungsarrest), bleiben unberührt.

§. 3. Die Bestimmung des §. 1. findet auch auf die vor Erlassung dieses Gesetzes entstandenen Verbindlichkeiten Anwendung, selbst wenn auf Personalarrest rechtskräftig erkannt oder mit dessen Vollstreckung begonnen ist.

§. 4. Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Vorschriften treten ausser Kraft.

§. 5. Das Gesetz tritt in Kraft an dem Tage, an welchem es durch das Bundes - Gesetzblatt verkündet wird.

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Die,, Motive" zu dem unterm 9. Mai 1868 dem Reichstage vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betr. die Aufhebung der Schuldhaft, lauten vollständig.

Der Reichstag des Norddeutschen Bundes hat in der Sitzung vom 12. October 1867 beschlossen, den Bundeskanzler zu ersuchen, bald möglichst ein Gesetz wegen Beseitigung der Schuldhaft dem Reichstage zur verfasssungsmässigen Beschlussfassung vorzulegen.

Dieser Beschluss des Reichstags, sowie eine bei dem Bundeskanzler-Amt eingereichte, gleichfalls auf die Beseitigung der Schuldhaft gerichtete Petition der Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin vom 20. November 1867 ist zufolge Bschlusses des Bundesraths vom 30. November 1867 der zur Ausarbeitung einer gemeinsamen Civilprozessordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes berufenen Commission zur Berücksichtigung und mit dem Auftrage überwiesen worden, sofern sie den Erlass cines besonderen Gesetzes über die Aufhebung der Schuldhaft für sachgemäss erachte, den Entwurf eines solchen Bundesgesetzes dem Bundeskanzler vorzulegen.

Die Commission hat alsbald nach Beginn ihrer Berathungen die in der neuern Zeit vielfach erörterte Frage: ob die Beibehaltung oder die Aufhebung des Personalarrestes, als Mittels zur executivischen Beitreibung von Schulden, sich empfehle, einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Sie ist zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Beseitigung jenes Executionsmittels geboten und dass es vorzuziehen sei, dieselbe nicht bis zur Einführung der gemeinsamen Civilprozessordnung auszusetzen, sondern ohne Zeitverlust sofort durch ein besonderes Bundesgesetz herbeizuführen.

Diese Ueberzeugung stützt sich auf die nachstehenden Erwägungen:

Der Personalarrest besteht als Mittel der Zwangsvollstreckung in allen Bundesstaaten, wiewohl sich im Einzelnen, je nach Verschiedenheit der Rechtsgebiete, sehr abweichende Vorschriften finden. Bleibt seine Zulässigkeit in den auf ein Thun, auf ein Unterlassen oder auf ein Dulden, sowie auf die Herausgabe beweglicher Sachen oder die Räumung unbeweglicher Sachen gerichteten Executionen unberücksichtigt und wird nur die in Ansehung der practischen Wirksamkeit vorzugsweise in Betracht kommende Statthaftigkeit desselben zum Zweck der Beitreibung von Geldschulden ins Auge gefasst, so ergiebt sich bei Vergleichung der einzelnen Gesetzgebungen im Wesentlichen folgender Rechtszustand.

1. Es giebt Rechtsgebiete, in welchen der Personalarrest regelmässig in allen Fällen der Execution wegen Geldschulden, sei es als principales, sei es wenigstens als subsidiäres Executionsmittel zulässig ist. Dahin gehört namentlich das grosse Gebiet des Preussischen Rechts im engeren Sinne.

2. In anderen Gebieten, wie z. B. im ehemaligen Königreich Hannover und in den Mecklenburgschen

Grossherzogthümern ist der Personalarrest nur zur Erzwingung von Wechselverbindlichkeiten zulässig. 3. In einigen Gebieten, nämlich im Geltungsbereiche des Rheinischen Rechts, ist der Personalarrest im Princip zwar nicht wegen jeder Geldschuld, wohl aber in einer grossen Zahl von Fällen mit und neben der Execution in das Vermögen zulässig, jedoch in der Art, dass in jedem einzelnen Falle auf seine Zulässigkeit erkannt werden muss.

Die Aufhebung des Personalarrestes stellt sich daher als eine legislative Maassregel von der grössten practischen Tragweite dar; sie wird im ganzen Umfange des Bundesgebiets das geltende Executionsrecht in eingreifender Weise ändern; kein Theil des Bundesgebiets wird von den Folgen der legislativen Neuerung unberührt bleiben, diese sich aber in denjenigen Rechtsgebieten am meisten fühlbar machen, in welchen der Personalarrest gegenwärtig regelmässig wegen aller Schulden statthaft ist.

Bei der Prüfung, ob eine solche Umgestaltung des bestehenden Rechts zulässig oder gar geboten sei, muss sich zunächst die Frage aufdrängen, ob denn das Wesen des Rechts und die Aufgabe des Staats, die Rechtsordnung zu handhaben und für die volle Verwirklichung des Rechts zu sorgen, die Schuldhaft als ein Zwangsvollstreckungsmittel in bürgerlichen Rechtssachen erfordere. Die Frage ist ohne Zweifel zu verneinen. Denn es muss nach den gegenwärtigen Rechtsanschauungen geradezu geläugnet werden, dass aus dem Wesen des Rechts die Verpflichtung des Schuldners folge, mit seiner Person für die Erfüllung der vermögensrechtlichen Verpflichtung en in der Art einzustehen, dass der Gläubiger befugt sei, ihn seiner persönlichen Freiheit zu berauben.

Zweifelhafter mag es aber erscheinen, ob nicht wichtige Gründe der practischen Zweckmässigkeit die Zulässigkeit des Personalarrestes rechtfertigen und erheischen. Nicht ohne allen Grund lässt sich geltend machen, es gebe kein angemesseneres Mittel, um den Schuldner zu vermögen, mit verborgenen Befriedigungsgegenständen hervorzutreten, und um die Vermögensexecution zu ermöglichen, als den Personalarrest. Allein es darf schon billig in Zweifel gezogen werden, ob der Zweck ein Mittel rechtfertige, für dessen innere Verwerflichkeit doch wichtige Gründe sprechen. In dieser Beziehung muss insbesondere hervorgehoben werden, dass die Schuldhaft gegen wirklich zahlungsunfähige Schuldner die Natur einer Strafe anzunehmen droht, was zu einem unleugbaren Widerspruche mit den Grundsätzen führt, auf welchen in einem geordneten Staatswesen die Strafrechtspflege zu beruhen hat. Dazu kommt, dass das Mittel überhaupt in sehr vielen Fällen statt des von dem Gesetze beabsichtigten Erfolges ein ganz anderes Ergebniss hat oder doch Zwecken dient, die auf Billigung des Gesetzgebers keinen Anspruch haben. Erfahrungsmässig wird der Personalarrest nur zu oft zum Erpressungsmittel gegen Angehörige und Freunde des Schuldners, in andern Fällen wird er von dem Gläubiger weniger zur Beitreibung der Forderung als zur Befriedigung seiner Rachsucht oder anderer unedler Leidenschaften benutzt; nicht selten vollendet er endlich nur den wirthschaftlichen Ruin des Schuld

ners und bringt dem Gläubiger selbst statt der erhofften Befriedigung durch die, jeden künftigen Erwerb ausschliessende Vernichtung der bürgerlichen Existenz des Schuldners den schwersten Nachtheil. Hieraus erklärt sich zur Genüge, weshalb in der neueren Zeit die Wissenschaft mehr und mehr dahin neigt, den Personalarrest als Mittel der Zwangsvollstreckung zu verwerfen, dass ferner die Gesetzgebungen der grossen Nachbarstaaten, Frankreich, England, Oesterreich, diesem Urtheile folgend, den Personalarrest als Executionsmittel neuerlich aufgehoben haben oder aufzuheben in Begriff sind.

Wie wenig aber auch die Besorgniss begründet sei, der Personalarrest sei, um die Gläubiger nicht schutzlos zu lassen, schwer zu entbehren, lehrt das Beispiel derjenigen Deutschen Staaten, in welchen der Personalarrest bis zur Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung, als Executionsmittel, wenn überhaupt, doch nur in wenigen Fällen bekannt war, ohne dass sich Uebelstände von Belang fühlbar gemacht hätten.

Gleichwohl ist anzuerkennen, dass mit der Aufhebung des Personalarrestes voraussichtlich eine Folge verbunden sein wird, welche die ernsteste Beachtung verdient.

Der Personalarrest bildet keineswegs für die angesehenen Handel- und Gewerbetreibenden, wohl aber für gewisse Classen des geringeren Handelsund Gewerbestandes und für einen Theil der Consumenten eine nicht zu unterschätzende Basis des Credits. Namentlich hat seit Einführung der allgemeinen Wechselfähigkeit und seitdem der Wechsel sich ein weit grösseres Herrschaftsgebiet errungen hat, als zu erwarten war, die Statthaftigkeit des Wechselarrestes für den Credit des geringeren Handels- und Gewerbestandes eine grosse Bedeutung gewonnen. Es ist möglich oder sogar nicht unwahrscheinlich, dass innerhalb bestimmter Kreise, namentlich in einigen grossen Städten, mit der Aufhebung des Personalarrestes eine schwer zu übersehende Aenderung der Creditverhältnisse sich vollziehen und nicht wenige Personen des geringeren Handels- und Gewerbestandes, sowie eine gewisse Classe von Consumenten den bisher genossenen Credit mehr oder weniger verlieren werden. Bei näherer Würdigung lässt sich hierin aber schwerlich ein grosser Uebelstand erblicken. Die Es waren verhaftet:

1. wegen Schulden

2. wegen Verweigerung des Manifestations-Eides

Aufhebung des Personalarrestes wird in dieseRichtung auf die Dauer mehr wohlthätig als nachr theilig wirken, indem sie dahin führen muss, dass gesundere Creditverhältnisse als die bisherigen sich mehr und mehr Bahn brechen. Insbesondere werden die in Betracht kommenden Creditbedürftigen sich eifrigst zu bestreben haben, durch Vertrauen erweckendes Benehmen und pünktliche Erfüllung ihrer Verpflichtungen sich Credit für künftige Fälle zu verdienen. Zugegeben kann nur werden, dass in der nächsten Zeit nach der Einführung des neuen Gesetzes nicht Wenige unter seinen Folgen unverdient leiden werden. Allein solche vorübergehende Uebelstände müssen ertragen werden; sie sind einmal mit grossen Reformen auf dem Gebiete der Rechtsgesetzgebung untrennbar verbunden; jede erhebliche Reform auf diesem Gebiete wäre unmöglich, wenn die Schäden und Nachtheile, welche sich nothwendig an das Uebergangsstadium knüpfen, auf vorzugsweise Berücksichtigung Anspruch hätten. Im vorliegenden Falle werden dieselben um so cher verschwinden, je sicherer schon seit geraumer Zeit die legislative Maassregel vorauszusehen war, so dass das Uebergangsstadium gleichsam zum Theil als bereits überwunden gelten kann. Die Ansicht, die Aufhebung des Personalarrestes werde die besorgten Nachtheile nicht nach sich ziehen, wird auch durch die oben erwähnte Petition der Aeltesten der Kaufmannschaft zu Berlin unterstützt.

Wenn das bewährte Organ des Handelsstandes einer Stadt, welche die grösste und eine der handelund gewerbreichsten des Bundesgebiets ist und in welcher ausserdem der Personalarrest notorisch seit geraumer Zeit und noch gegenwärtig die grösste Rolle spielt, dessen Aufhebung aus eigenem Antriebe und dringend befürwortet, so darf vertraut werden, dass die beantragte Maassregel die Handelsund Gewerbe-Interessen in keiner Weise gefährdet. Die grosse Bedeutung, welche dem Personalarrest gerade für die Stadt Berlin beiwohnt, wird es auch rechtfertigen, einiges, auf amtlichen Mittheilungen beruhendes statistisches Material aus der Praxis des Berliner Stadtgerichts mitzutheilen.

Ueber die Zahl der im Schuldgefängniss zu Berlin befindlichen Personen und den Grund ihrer Verhaftung gewährt folgende Zusammenstellung eine Uebersicht. In jedem Jahre durchschnittlich

1,430 1,503 1,654 1,567 1,305 1,387 11,48 1,433,5

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1862

1863

1864

1865

1866

1867

Im
Ganzen

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3. Gemeinschuldner während

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