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aus dem Orte ihres dauernden oder vorübergehenden Aufenthalts in anderen, als in den durch dieses Gesetz vorgesehenen Fällen, ist unzulässig.

Im Uebrigen werden die Bestimmungen über die Fremdenpolizei durch dieses Gesetz nicht berührt. §. 13.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1868 in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel. Gegeben Schloss Blankenburg, den 1. November 1867. (L. S.) Wilhelm.

Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

III. Zusätze und Erläuterungen zum Gesetz vom 1. November 1867.

Der von dem Präsidium vorgelegte Entwurf des Gesetzes wurde in der 14. Sitzung des Reichstags, 4. October 1867, einer besonderen Commission von 21 Mitgliedern überwiesen, deren Bericht vom 17. October (Berichterstatter Dr. Braun) sich über die geltend gemachten allgemeinen Erwägungen folgendermassen ausspricht:

Der Artikel 3 der Bundesverfassung stellt den Begriff eines gemeinsamen Indigenats für den ganzen Umfang des Bundesgebiets fest, vorerst nur mit der Wirkung, dass Angehörige eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaat als Inländer zu behandeln und demgemäss zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genuss aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen, wie der Einheimische, zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes dem Inländer gleich zu behandeln sind. In der Ausübung dieser Befugniss darf, nach Vorschrift des gedachten Art. 3., der Bundesangehörige weder durch die Obrigkeit seiner Heimath, noch durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt werden, jedoch sollen diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in den localen Gemeindeverband regeln, durch das in Art. 3., constituirte Indigenat nicht tangirt werden.

Der Artikel 4 der Bundesverfassung bestimmt, dass die Gesetzgebung über die Freizügigkeit, Heimaths- und Niederlassungs-Verhältnisse, Staatsbürgerrecht, Passwesen, Fremdenpolizei und Gewerbebetrieb zur Competenz des Bundes gehören

Der gegenwärtige Gesetz-Entwurf ist bestimmt, auf Grundlage des gemeinsamen Bundes-Indigenats nach Maassgabe der durch den Art. 4 geregelten Competenz die in einzelnen Theilen des Bundesgebietes noch bestehenden Beschränkungen des Niederlassungsrechts aufzuheben und in sämmtlichen Bundesterritorien die Freizügigkeit in gleichem Umfang einzuführen. Der Entwurf erstreckt sich nicht auf Regelung des Staatsbürgerrechts, des Gemeindebürgerrechts und der Heimathsberechtigung; ebenso werden die Armenunterstützungsvorschriften nur wenig berührt; diejenigen Beschränkungen der wirthschaftlichen Freizügigkeit, welche ihren

Grund in der Gewerbegesetzgebung haben, bleiben vorerst bestehen. Es wurde in der Commission von der einen Seite ausgeführt: Der Entwurf gewähre leider nur die persönliche Zugfreiheit, nicht aber auch die wirthschaftliche, für welche letztere vor wie nach die Gesetzgebung der einzelnen Territorien mit ihren mehr oder minder grossen Beschränkungen maassgebend bleibe; die Königl. Sächsische Regierung habe bereits, wie die Motive ausweisen, in dem Bundesrath auf diesen Mangel hingewiesen und die Nothwendigkeit einer einheitlichen Bundes - Gewerbe - Gesetzgebung betont, wenigstens in der Art, dass sie die Aufmerksamkeit der einzelnen Bundes-Regierungen auf den Umstand, dass eine dem Sinn und Geist der Bundesverfassung entsprechende Ausführung von Art. 3 die Herstellung einer möglichsten Gleichmässigkeit auch in Bezug auf die Berechtigung zum Gewerbebetriebe in den einzelnen Staaten nothwendig voraussetze, hingelenkt und den Regierungen die Regelung der Frage angerathen haben will, ob und welche Modificationen ihrer innern Gesetzgebung zu diesem Zweck etwa nothwendig sein möchten, und hiermit das Ersuchen verbunden, dem Bundesrath noch vor seiner nächsten ordentlichen Session über den dermaligen Stand der Gesetzgebungen hinsichtlich des Gewerbewesens in den einzelnen Staaten, so wie über die nach Maassgabe vorstehender Gesichtspunkte an denselben etwa bereits vorgenommenen oder noch beabsichtigten Modificationen, eine Mittheilung zukommen zu lassen, damit der Bundesrath alsdann beurtheilen könne, ob die Erlassung eines allgemeinen Bundesgesetzes auf Grund des Art. 4 noch wünschenswerth oder nöthig sei. Es werfe sich nun die Frage auf, ob die bloss persönliche Freizügigkeit, wenn mit derselben nicht zugleich auch die wirthschaftliche Zugfreiheit verbunden sei, dem Bedürfniss der wirthschaftlichen Entwickelung der Nation entspreche, und ob nicht in dem gegenwärtigen Augenblick schon die Möglichkeit gegeben sei, die von der Zunftverfassung und andern veralteten Institutionen gezogenen Schranken zu durchbrechen. Dies könne auf zweierlei Art geschehen: Entweder in der Art, dass man in den GesetzEntwurf den Grundsatz aufnehme, dass keinem Angehörigen des Norddeutschen Bundes an irgend einem Orte innerhalb des Bundesgebietes von irgend einer Staats- oder Gemeinde-Behörde, von der Gutsherrschaft, von der Zunft, oder einer Corporation oder sonst irgend einem bisher Berechtigten weder die Niederlassung, noch auch der Geschäftsbetrieb, oder die Erwerbung von Grundeigenthum verweigert werden dürfe, und dass alle entgegenstehenden Vorschriften der Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten ausser Kraft gesetzt werden; wenn man von der sofortigen Ausführung dieses Grundsatzes Störungen in der Verwaltung und Gesetzgebung und Ungewissheit darüber, was Rechtens sei für die einzelnen Bundesterritorien, befürchte, so lasse sich solchen Unzuträglichkeiten dadurch vorbeugen, dass man diese Vorschrift erst mit dem 1. Januar 1869 in Kraft treten lasse; dadurch werde der Gesetzgebung der Einzelstaaten der nöthige Spielraum gewährt, in der Zwischenperiode sich in Ge

mässheit des durch das gegenwärtige Bundesgesetz auszusprechenden Grundsatzes einzurichten, die noch bestehenden Beschränkungen zu beseitigen und wegen Ablösung wohl erworbener Privatrechte Vorsorge zu treffen. Sollte man diese durchgreifende Maassregel bei der gegenwärtigen Lage der Dinge noch bedenklich finden, so sei es doch ungefährlich, schon jetzt wenigstens diejenigen Beschränkungen aufzuheben, welche gegenwärtig noch vorzugsweise geeignet sind, die interterritoriale wirthschaftliche Zugfreiheit zu hemmen; als solche seien zu betrachten: 1. die Vorschriften über die Gesellen- und Meisterprüfungen, sowie das von den Zünften in Anspruch genommene Recht, die Handwerke gegeneinander abzugrenzen und den Nichtzunftangehörigen das Arbeiten zu verbieten; 2. die Beschränkungen und Verbote des Erwerbs Grundeigenthum; 3. die aus dem religiösen Bekenntnisse und aus dem Mangel der GemeindeAngehörigkeit abgeleiteten Verbote.

von

Auf Grund dieser Ausführungen wurde vorgeschlagen, dem §. 1 noch zuzusetzen:

"

Das den Zünften oder sonstigen Corporationen zustehende Recht, Andere von dem Betriebe eines Gewerbes auszuschliessen, wird aufgehoben; desgleichen das Verbot, Gewerbe und Handel auf dem Lande zu treiben; jeder Gewerbtreibende darf Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge und Arbeiter jeder Art und in beliebiger Zahl halten; Gesellen sind in der Wahl ihrer Meister unbeschränkt; die Gesellen- und Meisterprüfungen bilden nicht mehr ein Erforderniss zur Ausübung der Handwerke."

Seitens der Vertreter der Bundesgewalt wurde hierauf entgegnet: Die Freigebung der Befugniss, Grundeigenthum zu erwerben, sei bisher in dem Bundesrath nicht zur Sprache gekommen; für Preussen dürfte einer solchen Vorschrift kein Bedenken entgegen stehen. Im Uebrigen müsse auch in Bezug auf diesen Punkt die Lage der Gesetzgebung in den verschiedenen Bundes-Staaten geprüft werden. Was aber die sogenannte gewerbliche Freiheit anlange, so sei dieselbe nicht nur im Bundesrathe, sondern auch in den Vorstadien reiflich erwogen worden: man habe sich nicht verhehlt, dass sie ein ausserordentlich wünschenswerthes Complement der Vorlage darstelle, jedoch sich bei eingehender Prüfung nicht verhehlen können, dass im gegenwärtigen Augenblick deren Durchführung noch nicht möglich. sei; der principale Antrag, jeder Bundesangehörige solle an jedem Ort jedes Gewerbe treiben können, ohne Rücksicht auf die Zunft- und Prüfungsgesetzgebung u. s. w. scheine aus dem Rahmen des Freizügigkeitsgesetzes herauszufallen und der Gewerbegesetzgebung anzugehören. Gegenwärtig aber seien die Gewerbegesetzgebungen der einzelnen Staaten untereinander noch ausserordentlich verschieden; dieselben beruhten theils auf legislativen Erwägungen, theils auf Herkommen, theils auf allerlei privatrechtlichen Titeln; dazu komme noch das Concessionswesen in Bezug auf diejenigen Gewerbe, welche nach der gegenwärtigen Ansicht einer besonderen staatlichen Beaufsichtigung bedürfen; nehme man den Grundsatz der unbedingten Gewerbefreiheit, wie es principaliter vorgeschlagen worden sei,

Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc.

in den gegenwärtigen Gesetz-Entwurf auf, so fielen nicht allein die durch das Zunftwesen und die Prüfungen herbeigeführten Beschränkungen, sondern es würden gleichzeitig auch die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten, welche das Concessionswesen und die Polizei-Beaufsichtigung gewisser Gewerbe und die zur Ausübung der sogenannten gelehrten Berufsstände erforderlichen Voraussetzungen regeln, aufgehoben; desgleichen die auf Privatrechtstiteln beruhenden Zwangs- und Bannrechte, Monopole und Privilegien, letztere vorerst ohne Entschädigung, was sich von dem Standpunkt der Gerechtigkeit und Billigkeit aus nicht rechtfertigen lasse. Ausserdem haben sich bei Erörterung dieser Frage im Bundesrath aus der Mannichfaltigkeit der bestehenden Einrichtungen Schwierigkeiten ergeben, die man wohl in Zukunft, nicht aber während der gegenwärtigen Session schon bewältigen könne. Freier Gewerbebetrieb bestehe in dem Königreiche Sachsen, in dem Grossherzogthum Hessen, in den Sächsischen Fürstenthümern (mit Ausschluss von Reuss älterer Linie) und in dem Regierungs-Bezirke Wiesbaden; in letzterem finde man ausnahmsweise nur noch den Mühlenzwang, der indessen auch seiner Beseitigung durch Ablösung entgegengehe. In Kurhessen, Hannover und Schleswig-Holstein herrsche gegenwärtig dem Staat gegenüber ebenfalls Gewerbefreiheit, die nur noch beschränkt sei durch verschiedene auf Privatrechtstiteln beruhende Privilegien und Bannrechte; das Preussen vor 1866 habe zwar keinen Zunftzwang, aber es statuirte Prüfungen als nothwendige Voraussetzung zur Ausübung der Handwerke; in Mecklenburg, Lauenburg und Anhalt dagegen bestehe nicht allein der Zunftzwang, sondern auch Bannrechte und sonstige Beschränkungen der mannichfaltigsten Art; die volle Gewerbefreiheit sei erst nach Beseitigung des Zunftzwanges, sowie der Bann- und Exclusivrechte möglich; soweit letztere auf Privatrechtstiteln beruhten, könnten dieselben nur gegen Entschädigung abgeschafft werden. Diese Ablösung sei Sache der einzelnen Staaten, welche mit ihrer Landesgesetzgebung vorangehen müssten. Um jedoch einer allzu langen Verzögerung dieses Vorangehens vorzubeugen, sei der Sächsische Antrag angenommen worden, welcher die Einzel-Regierungen in Kenntniss setze, dass die Frage im Sinne der Gewerbefreiheit geregelt werden müsse, und welcher darauf hindeute, dass, wenn dies nicht alsbald geschehe, die Bundesregierung die Sache in die Hand nehmen müsse. Dieses Verfahren entspreche den realen Verhältnissen; man müsse dessen Ergebniss abwarten, und die Bundesgewalt müsse daher auf das Entschiedenste abrathen, die Frage der Gewerbefreiheit mit der gegenwärtigen Vorlage in Verbindung zu bringen.

Hiergegen wurde von der andern Seite erwidert, es sei factisch unmöglich, die persönliche und gewerbliche Zugfreiheit zu trennen; ohne die letztere habe die erstere keinen Werth. Wie das Gesetz gegenwärtig im Entwurf vorliege, könne dasselbe keinen nennenswerthen Einfluss ausüben; und wenn die Bundesgewalt sich weigere, jetzt schon die Gewerbefreiheit einzuführen, so empfehle es sich vielleicht, auch mit der Freizügigkeit so lange zu warten, bis beides auf ein Mal realisirbar sei; eine solche 31

Abschlagszahlung, wie die hier beabsichtigte, sei zu mager; sie entspreche nicht den berechtigten Erwartungen und werde eine allgemeine Enttäuschung zur Folge haben.

Gegen diese Auffassung wurde jedoch geltend gemacht, dass der Entwurf eine gleichmässige interterritoriale Freizügigkeit für das ganze Bundesgebiet statuire und dadurch die Ungleichheiten beseitige, welche selbst gegenwärtig noch innerhalb der Preussischen Monarchie bestehen, namentlich zwischen den älteren und neueren Provinzen, und zwischen den letzteren untereinander: in SchleswigHolstein herrsche absolute persönliche Zugfreiheit, welche sich mit einigen Modificationen auch auf Ausländer erstrecke. Die Hannover'sche Domicilordnung von 1827 dagegen erfordere zur Erwerbung des Wohnrechts entweder Reception oder Ansässigmachung, oder angeborenes Wohnrecht, oder endlich ein Decret der Staatsregierung und statuire dafür eine Reihe schwieriger Bedingungen und Voraussetzungen. Die Härte der Gesetzgebung sei zwar durch eine liberale Praxis einigermassen ausgeglichen worden, jedoch sei im Wesentlichen die Entscheidung in jedem gegebenen Falle dem Ermessen der Behörden anheimgestellt. In Kurhessen bestehe nach der Gemeinde-Ordnung von 1834 die Vorschrift, dass keine Gemeinde gezwungen werden könne, dauernden Aufenthalt zu gestatten, wenn der Zuziehende nicht vorher Gemeindebürger werde, zu welchem Zwecke er den gesetzlichen Vermögensnachweis zu liefern habe; vorübergehender Aufenthalt könne nur auf Zeit und nur zum unselbstständigen Gewerbebetrieb gestattet werden. Auch in Nassau sei der dauernde Aufenthalt an das Erforderriss der Gemeindeangehörigkeit geknüpft, für deren Erwerb jedoch leichtere Bedingungen gestellt seien; die Entscheidung über vorübergehenden Aufenthalt sei ebenfalls im Wesentlichen der discretionairen Gewalt der Behörden überlassen, namentlich für sogenannte Ausländer. In Frankfurt herrsche das directe Gegentheil der persönlichen Zugfreiheit: der Nichtfrankfurter habe dort überall nicht die geringste Niederlassungsbefugniss.

Alle diese die persönliche Freiheit und die Verwerthung der wirthschaftlichen Kraft auf's Aeusserste beschränkenden und erschwerenden Ungleichheiten, wie sie nicht allein in den genannten Preussischen Territorien, sondern auch in vielen der übrigen Bundesstaaten bis jetzt noch beständen, würden durch den vorliegenden Entwurf beseitigt und das Ganze in einheitlichem Sinne geregelt, so dass nun für das gesammte Gebiet des Bundes und sämmtliche Angehörige desselben ein gleichförmiges und einheitliches Niederlassungsrecht bestehe. Für alle diejenigen Personen, welche nicht mit ihrem Geschäftsbetrieb innerhalb der durch das Concessionswesen, durch die Zunft, oder durch privatrechtliche Bann- oder Zwangsrechte gezogenen Schranken fallen, schliesse die persönliche auch zugleich die wirthschaftliche Zugfreiheit eo ipso in sich: so namentlich für alle diejenigen, welche ihre Kräfte in Handel oder Industrie, in Bergbau oder Landwirthschaft u. s. w. verwerthen; und dieser Bruchtheil bilde bei Weitem die Mehrzahl der fluctuirenden Bevölkerung. Dazu komme nun noch als Hauptvorzug, dass die Bun

desgewalt zur Hüterin dieses nationalen Grundrechtes bestellt werde und dessen Vollzug durch die einzelnen Staaten zu überwachen habe, so dass, wenn ein Bundesangehöriger in Sachen des Niederlassungsrechtes bei den Behörden des Einzelstaates kein Recht glaubt finden zu können, ihm der Recurs an die Bundesgewalt und das Recht der Bitte und Beschwerde an den Reichstag zustehe. Aus diesen Gründen wurde schliesslich allerseits von einer Beanstandung der sofortigen Erlassung eines Zugfreiheits-Gesetzes abgesehen und der Gesetzentwurf einstimmig zur Annahme empfohlen.

Neben dem principalen Antrag auf sofortige Proclamirung der vollständigen Gewerbefreiheit durch den gegenwärtigen Entwurf und der Vorbezielung einer Frist, innerhalb deren die Einzelstaaten sich diesem Grundsatze conform einzurichten hätten, und dem eventuellen Antrag, vorerst wenigstens das Verbietungsrecht der Zünfte und die Prüfungen abzuschaffen, wurde ausserdem noch der Vorschlag erörtert, einem jeden Bundesangehörigen in jedem Bundes-Territorium den Betrieb desjenigen Gewerbes zu gestatten, zu welchem er in seinem Heimathslande nach der dort herrschenden Gesetzgebung oder den von ihm gelieferten Nachweisungen befähigt sei. Hiergegen wurde jedoch hauptsächlich geltend gemacht, dass in diesem Falle der Zuziehende häufig grössere Rechte haben werde, als der Einheimische, und dass durch eine solche Einrichtung eine zu grosse Erschütterung des Rechtszustandes in den einzelnen Bundesländern zu befürchten sei. Aus diesem Grunde glaubte man, von einer derartigen Einrichtung absehen zu müssen.

Zu §. 1.

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Bundesangehörigkeit. Definition des Präsidenten des Bundeskanzler-Amtes in der Reichstagssitzung vom 21. October 1867: Wie augenblicklich die Bestimmungen der Verfassung liegen, ist die Bundesangehörigkeit unzweifelhaft bedingt lediglich durch die Staatsangehörigkeit in dem einzelnen Bundesstaate. Deshalb seien solche Personen nicht als Bundesangehörige zu betrachten, welche zwar ein Staat, weil sie sich eine Zeit lang bei ihm aufgehalten haben, wenn sie ihm von einem anderen Staate wegen Verarmung oder aus sonstigen Gründen wieder zugewiesen werden, übernehmen muss, die er aber seinerseits nicht als seine Staatsangehörigen anerkennt.

Unter Einheimischen sind sowohl Staats- als Gemeindeangehörige eines Staates zu verstehen. (Abg. Lasker in der Sitzung vom 21. October 1867, Sten. Ber. S. 553.)

Alinea 3. Der letzte Absatz des §. 1 war in der Regierungsvorlage nicht enthalten. In der Sitzung vom 21. October 1867 hielt der Berichterstatter durch No. 1 und 2 nur die „interna. tionalen", nicht aber die „interconfessionalen und „intercommunalen“ Beschränkungen für aufgehoben, also z. B. für nicht beseitigt die Territorialgesetze, wonach in gewissen Städten Juden nicht wohnen dürfen, Grundstücke nur von Gemeindeangehörigen und Wohnhäuser nur von Vollbürgern erworben werden können. Der Präsident des BundeskanzlerAmtes erwiderte: „Ich kann dem Herrn Referenten

nicht zugeben, dass, es mag nun dieser Satz eingeleitet werden durch ein Wort, welches er will, in Beziehung auf die von ihm sogenannte intercommunale Freizügigkeit noch irgend etwas ausser demjenigen zu sagen ist, was in dem ersten Alinea steht: ich kann das erste Alinea in der That nicht dahin verstehen, dass es sich blos auf das Verhältniss der einzelnen Bundesstaaten zu einander beziehen soll, sondern dass es sich auch ganz unbedingt bezieht auf die Verhältnisse jeder einzelnen Commune in jedem einzelnen Bundesstaate, mit anderen Worten, dass in keinem Bundesstaate es schon auf Grund des ersten Alinea irgend Jemand versagt werden darf, sich niederzulassen oder ein Grundstück zu erwerben oder ein Gewerbe zu betreiben deshalb, weil er nicht Heimaths- oder nicht Landesangehöriger ist. Ich bin ferner der Meinung, dass, was die interconfessionelle Freizügigkeit anlangt, die No. 1 und 2 des ersten Alinea vollkommen klar sind, dass also auf Grund des ersten und zweiten Alinea ein jeder Bundesangehörige, mag er einem Glaubensbekenntnisse angehören, welchem er will, an jedem Orte ohne Unterschied sich niederlassen darf und Grundeigenthum erwerben darf, die Landesgesetzgebung mag lauten, wie sie will. Dagegen gebe ich dem Herrn Referenten zu, dass das eben Bemerkte nicht trifft für die dritte Nummer, dass also, wenn das letzte Alinea des Paragraphen gestrichen wird, alsdann in einem Lande, wo beispielsweise den Juden der Betrieb eines Gewerbes untersagt ist, auch es dabei bewende. Ich würde glauben, dass Alles, was überhaupt durch das letzte Alinea hat gesagt werden sollen, so weit es nöthig ist, einfach gesagt werden könnte, wenn man der No. 3 ganz am Schluss hinter gesetzliche Bestimmungen" hinzufügte: jedoch ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses". Der Grossherzoglich Hessische Bundesbevollmächtigte schloss sich dieser Ausführung an. (Vgl. Art. 3 der Bundesverfassung, dessen Bestimmungen in Betreff des Indigenats durch den §. 1 des Gesetzes wesentlich alterirt sind.)

Zu §. 2.

Es kann die Frage aufgeworfen werden, ob auf alle Fälle die Evidenz der Bundesangehörigkeit überhaupt genügt, um die aus ihr folgenden Befugnisse in Anspruch zu nehmen, oder ob der Nachweis der Angehörigkeit an einen bestimmten Bundesstaat erfordert werden kann? - In der Reichstagssitzung vom 16. April 1868 berührte der Referent über den Gesetzentwurf wegen Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Befugniss zur Eheschliessung, Dr. Braun, diese Frage und führte ein Beispiel an, wo der Aufenthalt einem Manne nicht gestattet worden, dessen Bundesangehörigkeit zwar anerkannt, der aber augenblicklich nicht in der Lage war, durch Heimathschein etc. denjenigen von zwei verschiedenen Bundesstaaten zu bezeichnen, welchem er factisch angehörte. (Sten. Ber. vom 16. April 1868, S. 104.)

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Gemeinden zu beschränken," wurde in der Commission angefochten mit dem Bemerken, dass ein Rückgreifen auf die Landesgesetzgebung unzulässig sei, dagegen aber von anderer Seite bemerkt, dass ein einzelner Bundesstaat, nämlich das Königreich Sachsen, die Beschränkungs-Befugnisse der Gemeinde bereits im weiteren Umfange beseitigt habe, und es nicht am Platze sei, bessere Institutionen eines Einzelstaates durch die Bundesgesetzgebung verhindern zu wollen.

Zu §. 7.

Es folgt hier der Wortlaut des Gothaer Vertrags nebst den späteren zur Ausführung desselben getroffenen Verabredungen:

1. Vertrag vom 15. Juli 1851 wegen gegenseitiger Vergflichtung zur Uebernahme der Auszuweisenden. §. 1. Jede der contrahirenden Regierungen verpflichtet sich:

a) diejenigen Individuen, welche noch fortdauernd ihre Angehörigen (Unterthanen) sind, und b) ihre vormaligen Angehörigen (Unterthanen), auch wenn sie die Unterthanschaft nach der inländischen Gesetzgebung bereits verloren haben, so lange, als sie nicht dem andern Staate nach dessen eigener Gesetzgebung angehörig geworden sind,

auf Verlangen des andern Staates wieder zu übernehmen.

§. 2. Ist die Person, deren sich der eine der contrahirenden Staaten entledigen will, zu keiner Zeit einem der contrahirenden Staaten als Unterthan angehörig gewesen (§. 1), so ist unter ihnen derjenige zur Uebernahme verpflichtet, in dessen Gebiet der Auszuweisende

a) nach zurückgelegtem 21. Lebensjahre sich zuletzt 5 Jahre hindurch aufgehalten, oder

b) sich verheirathet und mit seiner Ehefrau unmittelbar nach der Eheschliessung eine gemeinschaftliche Wohnung mindestens 6 Wochen inne gehabt hat, oder

c) geboren ist.

Die Geburt (c) begründet eine Verpflichtung zur Uebernahme nur dann, wenn keiner der beiden andern Fälle (a und b) vorliegt. Treffen diese zusammen, so ist das neuere Verhältniss entscheidend.

§. 3. Ehefrauen sind in den Fällen des §. 1 und 2, ihre Uebernahme möge gleichzeitig mit derjenigen ihres Ehegatten oder ohne diese in Frage kommen, von demjenigen Staate zu übernehmen, welchem der Ehemann nach §. 1 oder 2 zugehört.

Bei Wittwen und geschiedenen Ehefrauen ist, jedoch nur bis zu einer in ihrer Person eintretenden, die Uebernahme-Verbindlichkeit begründenden Veränderung, das Verhältniss des Ehemannes zur Zeit seines Todes und beziehungsweise der Ehescheidung maassgebend.

Die Frage, ob eine Ehe vorhanden sei, wird im Falle des §. 1 nach dem Gesetze desjenigen Staats beurtheilt, welchem der Ehemann angehört; im Falle des §. 2 aber nach den Gesetzen desjenigen Staats, wo die Eheschliessung erfolgt ist.

§. 4. Eheliche Kinder sind, wenn es sich um deren Uebernahme vor vollendetem 21. Lebensjahre

handelt, in den Fällen des §. 1 und 2 nicht nach ihrem eigenen Verhältniss, sondern nach dem des Vaters zu beurtheilen.

Kinder, welche durch nachfolgende Ehe der Eltern legitimirt sind, werden den ehelich geborenen gleich geachtet.

§. 5. Uneheliche Kinder sind nach demjenigen Unterthans-Verhältnisse zu beurtheilen, in welchem zur Zeit der Geburt derselben deren Mutter stand, auch wenn sich später eine Veränderung in diesem Verhältnisse der Mutter zugetragen hat.

Gehörte die Mutter zur Zeit der Geburt ihres unehelichen Kindes keinem der contrahirenden Staaten als Unterthanin an, so entscheiden über die Verpflichtung zu seiner Uebernahme die Bestimmungen des §. 2.

Auch auf uneheliche Kinder findet die Vorschrift des zweiten Absatzes des §. 6 Anwendung.

§. 6. Ist keiner der im §. 2 gedachten Fälle vorhanden, so muss der Staat, in welchem der Heimathslose sich aufhält, denselben behalten.

Doch sollen weder Ehefrauen noch Kinder unter 16 Jahren, falls sie einem andern Staate nach §. 1 und 2 zugewiesen werden könnten, von ihren Ehemännern und beziehungsweise Eltern getrennt werden.

§. 7. Wenn diejenige Regierung, welche sich einer lästigen Person entledigen will, die Uebernahme derselben von mehreren Deutschen Bundesstaaten aus der gegenwärtigen oder einer anderen Uebereinkunft zu fordern berechtigt ist, so hat sie denjenigen Staat zunächst in Anspruch zu nehmen, welcher in Beziehung auf den Verpflichtungsgrund oder die Zeitfolge näher verpflichtet ist.

Hat dieser Staat, auch nach vorgängigem Schriftwechsel der obersten Landesbehörden, die Uebernahme verweigert, so kann die ausweisende Regierung auch von demjenigen Staate, welcher nach gegenwärtiger Uebereiukunft hiernächst verpflichtet ist, die Uebernahme fordern und demselben die Geltendmachung seines Rechts gegen den vermeintlich näher verpflichteten Staat überlassen.

§. 8. Ohne Zustimmung der Behörde des zur Uebernahme verpflichteten Staats darf diesem kein aus dem andern Staate ausgewiesenes Individuum zugeführt werden, es sei denn, dass

a) der Rückkehrende sich im Besitze eines von den Behörden seines Wohnortes ausgestellten Passes (Wanderbuchs, Passkarte), seit dessen Ablauf noch nicht ein Jahr verstrichen ist, befindet, oder

b) dass der Ausgewiesene einem in gerader Linie rückwärts liegenden Staate zugehört, welchem er nicht wohl anders als durch das Gebiet des andern contrahirenden Staates zugeführt werden kann.

§. 9. Sollte ein Individuum, welches von dem einen contrahirenden Staat dem andern zum Weitertransport in einen rückwärts liegenden Staat nach Maassgabe des §. 8 Littr. b. überwiesen worden ist, von dem letzteren nicht angenommen werden, so kann dasselbe in denjenigen Staat, aus welchem es ausgewiesen worden war, wieder zurückgeführt werden.

§. 10. Die Ueberweisung der Ausgewiesenen ge

schieht in der Regel mittelst Transports und Abgabe derselben an die Polizeibehörde desjenigen Orts, wo der Transport als von Seiten des ausweisenden Staats beendigt anzusehen ist. Mit dem Ausgewiesenen werden zugleich die Beweisstücke, worauf der Transport conventionsmässig gegründet wird, übergeben. In solchen Fällen, wo keine Gefahr zu besorgen ist, können einzelne Ausgewiesene auch mittelst eines Passes, in welchem ihnen die zu befolgende Route genau vorgeschrieben ist, in ihr Vaterland gewiesen werden.

§. 11. Die Kosten der Ausweisung trägt innerhalb seines Gebiets der ausweisende Staat.

Wenn der Ausgewiesene, um seiner Heimath in einem dritten Staate zugeführt zu werden, durch das Gebiet eines andern contrahirenden Theiles transportirt werden muss, so hat dem letzteren der ausweisende Staat die Hälfte der bei dem Durchtransporte entstehenden Kosten zu erstatten.

Muss der Ausgewiesene im Falle des §. 9 in den Staat, aus welchem er ausgewiesen war, wieder zurückgebracht werden, so hat dieser Staat sämmtliche Kosten des Rücktransportes zu vergüten.

§. 12. Können die betreffenden Behörden über die Verpflichtung des Staates, welchem die Uebernahme angesonnen wird, sich bei dem darüber stattfindenden Schriftwechsel nicht vereinigen und ist die Meinungsverschiedenheit auch im diplomatischen Wege nicht zu beseitigen gewesen, so wollen die betheiligten Regierungen den Streitfall zur schiedsrichterlichen Entscheidung einer dritten Deutschen Regierung stellen, welche zu den Mitcontrahenten des gegenwärtigen Vertrages gehört.

Die Wahl der um Abgabe des Schiedsspruchs zu ersuchenden Deutschen Regierungen bleibt demjenigen Staate überlassen, der zur Uebernahme des Ausgewiesenen verpflichtet werden soll.

An die dritte Regierung hat jede der betheiligten Regierungen jedesmal nur eine Darlegung der Sachlage, wovon der andern Regierung eine Abschrift nachrichtlich mitzutheilen ist, in kürzester Frist einzusenden.

Bis die schiedsrichterliche Entscheidung erfolgt, gegen welche von keinem Theile eine weitere Einwendung zulässig ist, hat derjenige Staat, in dessen Gebiet das auszuweisende Individuum beim Entstehen der Differenz sich befunden, die Verpflichtung, dasselbe in seinem Gebiete zu behalten.

§. 13. Gegenwärtige Uebereinkunft tritt vom 1. Januar 1853 an und zwar dergestalt in Wirksamkeit, dass alle Fälle zweifelhafter UebernahmeVerbindlichkeit, welche bis zu diesem Zeitpunkte zwischen den beiderseitigen Behörden noch nicht zur Erörterung gelangt oder, falls dies bereits der Fall gewesen, bis eben dahin durch ein bündiges Anerkenntniss oder durch schiedsrichterliche Entscheidung noch nicht definitiv erledigt worden sind, nach den neu vereinbarten Bestimmungen beurtheilt werden sollen.

Mit dem 1. Januar 1852 treten sämmtliche Vereinbarungen wegen der Uebernahme von Ausgewiesenen, welche bisher zwischen den contrahirenden Staaten bestanden, ausser Kraft.

§. 14. Jedem contrahirenden Theile steht das Recht zu, ein Jahr nach der von ihm ausgesproche

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