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Bundesbaushaltsetat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.

[Vorl. Art. 65. Sp.-Disc. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 30, S. 639-657].

Cf. Gesetz vom 30. October 1967, betreffend die Feststellung des Haushalts- Etats des Nordd. Bundes für das Jahr 1868 und Verordnung vom 21. November 1867, betr. die Feststellung des Etats der Militair-Verwaltung des Nordd. Bundes für das Jahr 1867 (B.-G.-BI 1867. S. 161-175 und S. 176-184) und Gesetz vom 29. Juni 1868, betr. die Feststellung des Haushalts - Etats des Nordd. Bundes für das Jahr 1869 nebst Verordnung von demselben Tage, betr. die Feststellung des Etats der Militair-Verwaltung des Nordd. Bundes für das Jahr 1869 (B.-G.-Bl. 1868, Seite 437-452 und 453-463). *)

Artikel 70.

Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst die etwaigen Ueberschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen fliessenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, so lange Bundessteuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maassgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmässigen Betrages durch das Präsidium ausgeschrieben werden.

[Vorl. Art. 66. Sp.-Disc. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 30, S. 639-658 u. Sitz. 34, S. 725].

Artikel 71.

Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr bewilligt, können jedoch in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden.

Während der im Art. 60 normirten Uebergangszeit ist der nach Titeln geordnete Etat über die Ausgaben für das Bundesheer dem Bundesrathe und dem Reichstage nur zur Kenntnissnahme und zur Erinnerung vorzulegen.

[Zusatz-Art. Sp.-Disc. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 34, S. 725].

Artikel 72.

Ueber die Verwendung aller Einnahmen des Bundes ist von dem Präsidium dem Bundesrathe und dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.

[Vorl. Art. 67. Sp.-Disc. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 30, S. 639-658].

Cf. Gesetz, betr. die Controle des Bundeshaushalts-Etats für die Jahre 1867 bis 1869 v. 4. Juli 1868 (B.-G.-Bl. S. 433, 434).

*) Die ersten Hefte des folgenden Jahrgangs der ,,Annalen" werden u. a. eine eingehende Darstellung des Finanzwesens des Norddeutschen Bundes enthalten. Der Herausgeber.

Artikel 73.

In Fällen eines ausserordentlichen Bedürfnisses können im Wege der Bundesgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Uebernahme einer Garantie zu Lasten des Bundes erfolgen.

[Zusatz-Art. Spec.-Disc. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 30, S. 639-658].

Cf. Gesetz, betr. den ausserordentlichen Geldbedarf des Nordd. Bundes zum Zwecke der Erweiterung der Bundeskriegsmarine und der Herstellung der Küstenvertheidigung vom 9. November 1867 (B.-G.-Bl. S. 157-159) und Gesetz, betr. die Verwaltung der nach Maassgabe des Gesetzes vom 9. November 1867 aufzunehmenden Bundesanleihe vom 19. Juni 1868 (B.-G.-BI. S. 39, 340).

Das dem Reichstage vorgelegte und von diesem angenommene Gesetz, betr. die antheilige Uebernahme einer Garantie des Nordd. Bundes für eine zur Herstellung der dauernden Fahrbarkeit des Sulina-Canals der Donaumündungen von der Europäischen Donau-Schifffahrts-Commission aufzunehmende Anleihe - ist am 1. November 1868 noch nicht publicirt.

XIII. Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen.

[General-Disc. über Abschnitt XIII. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 30, S. 659-666 und Sitz. 34, S. 726].

Artikel 74.

Jedes Unternehmen gegen die Existenz, die Integrität, die Sicherheit oder die Verfassung des Norddeutschen Bundes, endlich die Beleidigung des Bundesrathes oder des Reichstages, einer Behörde oder eines öffentlichen Beamten des Bundes, während dieselben in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind oder in Beziehung auf ihren Beruf, durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung, werden in den einzelnen Bundesstaaten beurtheilt und bestraft nach Maassgabe der in den letzteren bestehenden oder künftig in Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach welchen eine gleiche gegen den einzelnen Bundesstaat, seine Verfassung, seine Kammern oder Stände, seine Kammer- oder Ständemitglieder, seine Behörden und Beamten begangene Handlung zu richten wäre. [Vorl. Art. 68. Sp.-Disc. Constit. Reichstag: St. Ber. Sitz. 31, S. 666-668].

Artikel 75.

Für diejenigen in Art. 74. bezeichneten Unternehmungen gegen den Norddeutschen Bund, welche, wenn gegen einen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrath oder Landesverrath zu qualificiren wären, ist das gemeinschaftliche OberAppellationsgericht der drei freien und Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz.

Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren des Ober- Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Bundesgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.

[Vorlage Art. 69. Spec.-Disc. Const. Reichstag: St. Ber. Sitz. 31, S. 668–670].

Artikel 76.

Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den competenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Theils von dem Bundesrathe erledigt.

Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines Theiles der Bundesrath gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Bundesgesetzgebung zur Erledigung zu bringen.

[Vorlage Art. 70. Spec.-Disc. Const. Reichstag: St. Ber. Sitz. 31, S. 670–675].

Artikel 77.

Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe ob, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Ge

setzen des betreffenden Bundesstaates zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlass gegeben hat, zu bewirken.

[Zusatz-Art. Spec.-Disc. Const. Reichstag: St. Ber. Sitz. 31, S. 670-675].

XIV. Allgemeine Bestimmung.

Artikel 78.

Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung, jedoch ist zu denselben im Bundesrathe eine Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen erforderlich.

[Vorlage Art. 7. Spec.-Disc. Const. Reichstag: St. Ber. Sitz. 19, S. 351-353, cf. auch Sitz. 31, S. 728].

XV. Verhältniss zu den Süddeutschen Staaten.

[General- und Spec.-Disc. Const. Reichstag: St. Ber. Sitz. 32, S. 677-690 u. Sitz. 34, S. 728]. Artikel 79.

Die Beziehungen des Bundes zu den Süddeutschen Staaten werden sofort nach Feststellung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, durch besondere dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegende Verträge, geregelt werden.

Der Eintritt der Süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt auf den Vorschlag des Bundes-Präsidiums im Wege der BundesGesetzgebung.

(Cf. den o. S. 1019 a. Vertrag v. 8. Juli 1867).

Zu Art. 20 der Bundes-Verfassung.

Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes.

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Verbüsste oder durch Begnadigung erlassene Strafen wegen politischer Verbrechen schliessen von der Wahl nicht aus.

§. 6.

Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden, bedürfen zum Eintritt in den Reichstag keines Urlaubs.

§. 7.

Auf durchschnittlich 100,000 Seelen der nach der letzten Volkszählung vorhandenen Bevölkerung ist Ein Abgeordneter zu wählen. Ein Ueberschuss von wenigstens 50,000 Seelen der Gesammtbevölkerung des Staates wird vollen 100,000 Seelen gleich gerechnet.

Jeder Abgeordnete ist in einem besonderen Wallkreise zu wählen.

§. 8.

Die Wahlkreise werden zum Zwecke des Stimmabgebens in kleinere Bezirke eingetheilt.

§. 9.

Wer das Wahlrecht in einem Wahlbezirke ausüben will, muss in demselben zur Zeit der Wahl seinen Wohnsitz haben.

Jeder darf nur an Einem Orte wählen.

§. 10.

In jedem Bezirke sind zum Zwecke der Wahlen Listen anzulegen, in welche die zum Wählen Berechtigten nach Zu- und Vornamen, Alter, Gewerbe und Wohnort eingetragen werden. Diese Listen sind spätestens vier Wochen vor dem zur ordentlichen Wahl bestimmten Tage zu Jedermanns Einsicht auszulegen, und ist dies öffentlich bekannt zu machen. Einsprachen gegen die Listen sind binnen acht Tagen nach öffentlicher Bekanntmachung bei der Behörde, welche die Bekanntmachung erlassen hat, anzubringen, und innerhalb der nächsten vierzehn Tage zu erledigen, worauf die Listen geschlossen werden. Nur diejenigen sind zur Theilnahme an der Wahl berechtigt, welche in die Listen aufgenommen sind.

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Zu Art. 68 der Bundes-Verfassung.

Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851.

(Vergl. Art. 111 der Preuss. Verfassungs-Urkunde).

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc. etc. verordnen mit Zustimmung der Kammern, was folgt:

§. 1. Für den Fall eines Krieges ist in den von dem Feinde bedrohten oder theilweise schon besetzten Provinzen jeder Festungscommandant befugt, die ihm anvertraute Festung mit ihrem Rayonbezirke, der commandirende General aber den Bezirk des Armeecorps oder einzelne Theile desselben zum Zweck der Vertheidigung in Belagerungszustand zu erklären.

§. 2. Auch für den Fall eines Aufruhrs kaun, bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit,

der Belagerungszustand sowohl in Kriegs- als in Friedenszeiten erklärt werden.

Die Erklärung des Belagerungszustandes geht alsdann vom Staatsministerium aus, kann aber provisorisch und vorbehaltlich der sofortigen Bestätigung oder Beseitigung durch dasselbe, in dringenden Fällen, rücksichtlich einzelner Orte und Districte, durch den obersten Militairbefehlshaber in densel ben, auf den Antrag des Verwaltungschefs des Regierungsbezirks, wenn aber Gefahr im Verzuge ist, auch ohne diesen Antrag erfolgen.

In Festungen geht die provisorische Erklärung des Belagerungszustandes von dem Festungscommandanten aus.

§. 3. Die Erklärung des Belagerungszustandes ist bei Trommelschlag oder Trompetenschall zu verkünden, und ausserdem durch Mittheilung an die Gemeindebehörde, durch Anschlag an öffentlichen Plätzen und durch öffentliche Blätter ohne Verzug zur allgemeinen Kenntniss zu bringen. Die Aufhebung des Belagerungszustandes wird durch Anzeige an die Gemeindebehörde und durch die öffentlichen Blätter zur allgemeinen Kenntniss gebracht.

§. 4. Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes geht die vollziehende Gewalt an die Militairbefehlshaber über. Die Civilverwaltungs- und Gemeindebehörden haben den Anordnungen und Aufträgen der Militairbefehlshaber Folge zu leisten.

Für ihre Anordnungen sind die betreffenden Militairbefehlshaber persönlich verantwortlich.

§. 5. Wird bei Erklärung des Belagerungszustandes. für erforderlich erachtet, die Artikel 5, 6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungs-Urkunde oder einzelne derselben zeit- und districtweise ausser Kraft zu setzen, so müssen die Bestimmungen darüber ausdrücklich in die Bekanntmachung über die Erklärung des Belagerungszustandes aufgenommen, oder in einer besondern, unter der nämlichen Form (§. 3) bekannt zu machenden Verordnung verkündet werden.

Die Suspension der erwähnten Artikel oder eines derselben ist nur für den Bezirk zulässig, der in Belagerungszustand erklärt ist und nur für die Dauer des Belagerungszustandes.

§. 6. Die Militairpersonen stehen während des Belagerungszustandes unter den Gesetzen, welche für den Kriegszustand ertheilt sind. Auch finden auf dieselben die §§. 8 und 9 dieser Verordnung Anwendung.

§. 7. In den in Belagerungszustand erklärten Orten oder Districten hat der Befehlshaber der Besatzung (in den Festungen der Commandant) die höhere Mililitairgerichtsbarkeit über sämmtliche zur Besatzung gehörende Militairpersonen.

Auch steht ihm das Recht zu, die wider diese Personen ergehenden kriegsrechtlichen Erkenntnisse zu bestätigen. Ausgenommen hiervon sind nur in Friedenszeiten die Todesurtheile; diese unterliegen der Bestätigung des commandirenden Generals der Provinz.

Hinsichtlich der Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit verbleibt es bei den Vorschriften des Militair-Strafgesetzbuchs.

§. 8. Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Districte der vorsätzlichen Brandstiftung, der vorsätzlichen Verursachung einer Ueberschwemmung, oder des Angriffs oder des Widerstandes gegen die bewaffnete Macht oder Abgeordnete der Civil- oder Militairbehörde in offener Gewalt und mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen versehen sich schuldig macht, wird mit dem Tode bestraft.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann statt der Todesstrafe auf zehn- bis zwanzigjährige Zuchthausstrafe erkannt werden.

Staatshandbuch des Nordd. Bundes etc.

§. 9. Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Districte

a) in Beziehung auf die Zahl, die Marschrichtung oder angeblichen Siege der Feinde oder Aufrührer wissentlich falsche Gerüchte ausstreut oder verbreitet, welche geeignet sind, die Civiloder Militairbehörden hinsichtlich ihrer Maassregeln irre zu führen, oder

b) ein bei Erklärung des Belagerungszustandes oder während desselben vom Militairbefehlshaber im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenes Verbot übertritt, oder zu solcher Uebertretung auffordert oder anreizt, oder

c) zu dem Verbrechen des Aufruhrs, der thätlichen Widersetzlichkeit, der Befreiung eines Gefangenen, oder zu anderen, §. 8 vorgesehenen Verbrechen, wenn auch ohne Erfolg, auffordert oder anreizt, oder

d) Personen des Soldatenstandes zu Verbrechen gegen die Subordination oder Vergehungen gegen die militairische Zucht und Ordnung zu verleiten sucht,

soll, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängniss bis zu Einem Jahre bestraft werden.

§. 10. Wird unter Suspension des Artikels 7 der Verfassungs- Urkunde zur Anordnung von Kriegsgerichten geschritten, so gehört vor dieselben die Untersuchung und Aburtheilung der Verbrechen des Hochverraths, des Landesverraths, des Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widersetzung, der Zerstörung von Eisenbahnen und Telegraphen, der Befreiung von Gefangenen, der Meuterei, des Raubes, der Plünderung, der Erpressung, der Verleitung der Soldaten zur Untreue, und der in den §§. 8 und 9 mit Strafe bedrohten Verbrechen und Vergehen, insofern alle genannten Verbrechen und Vergehen nach der Erklärung und Bekanntmachung des Belagerungszustandes begangen oder fortgesetzte Verbrechen sind.

Als Hochverrath und Landesverrath sind, bis zur rechtlichen Geltung eines Strafgesetzbuchs für die ganze Monarchie, in dem Bezirke des Rheinischen Appellationshofes zu Cöln die Verbrechen und Vergehen wider die innere und äussere Sicherheit des Staats (Art. 75 bis 108 des Rheinischen Strafgesetzbuchs) anzusehen.

Ist die Suspension des Art. 7 der VerfassungsUrkunde nicht vom Staatsministerium erklärt, so bleibt in Friedenszeiten bei den von dem Kriegsgerichte eingeleiteten Untersuchungen die Vollstreckung des Urtheils ausgesetzt, bis die Suspension vom Staatsministerium genehmigt ist.

§. 11. Die Kriegsgerichte bestehen aus fünf Mitgliedern, unter denen zwei von dem Vorstande des Civilgerichts des Ortes zu bezeichnende richterliche Civilbeamte, und drei von dem Militairbefehlshaber, welcher am Orte den Befehl führt, zu ernennende Officiere sein müssen. Die Officiere sollen mindestens Hauptmannsrang haben; fehlt es an Officieren dieses höhern Ranges, so ist die Zahl aus Officieren des nächsten Grades zu ergänzen.

Sofern in einer vom Feinde eingeschlossenen Festung die erforderliche Zahl von richterlichen

Civilbeamten nicht vorhanden ist, soll dieselbe von dem commandirenden Militairbefehlshaber aus den Mitgliedern der Gemeindevertretung ergänzt werden. Ist kein richterlicher Civilbeamte in der Festung vorhanden, so ist stets ein Auditeur Civilmitglied des Kriegsgerichts.

Die Zahl der Kriegsgerichte richtet sich, wenn eine ganze Provinz oder ein Theil derselben in Belagerungszustand erklärt ist, nach dem Bedürfniss, und den Gerichtssprengel eines jeden dieser Gerichte bestimmt in derartigen Fällen der commandirende General.

§. 12. Den Vorsitz in den Sitzungen der Kriegsgerichte führt ein richterlicher Beamte.

Von dem Vorsitzenden werden, bevor das Gericht seine Geschäfte beginnt, die zu Mitgliedern desselben bestimmten Officiere und eintretenden Falls diejenigen Civilmitglieder, welche dem Richterstande nicht angehören, dahin vereidigt,

dass sie die Obliegenheiten des ihnen übertragenen Richteramtes mit Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit, den Gesetzen gemäss, erfüllen wollen.

Der Militairbefehlshaber, welcher die dem Officierstande angehörigen Mitglieder des Kriegsgerichts ernennt, beauftragt als Berichterstatter einen Auditeur, oder in dessen Ermangelung einen Officier. Dem Berichterstatter liegt ob, über die Anwendung und Handhabung des Gesetzes zu wachen, und durch Anträge die Ermittelung der Wahrheit zu fördern. Stimmrecht hat derselbe nicht.

Als Gerichtsschreiber wird zur Führung des Protokolls ein von dem Vorsitzenden des Kriegsgerichts zu bezeichnender und von ihm zu vereidigender Beamter der Civilverwaltung zugezogen.

§. 13. Für das Verfahren vor den Kriegsgerichten gelten folgende Bestimmungen:

1) Das Verfahren ist mündlich und öffentlich; die Oeffentlichkeit kann vom Kriegsgerichte durch öffentlich zu verkündigenden Beschluss ausgeschlossen werden, wenn es dies aus Gründen des öffentlichen Wohls für angemessen erachtet.

2) Der Beschuldigte kann sich eines Vertheidi

gers bedienen. Wählt er keinen Vertheidiger, so muss ihm ein solcher von Amtswegen von dem Vorsitzenden des Gerichts bestellt werden, insofern es sich um solche Verbrechen oder Vergehen handelt, bei welchen nach dem allgemeinen Strafrecht eine höhere Strafe, als Gefängniss bis zu Einem Jahre, eintritt.

3) Der Berichterstatter trägt in Anwesenheit des Beschuldigten die demselben zur Last gelegte Thatsache vor.

Der Beschuldigte wird aufgefordert, sich darüber zu erklären, demnächst wird zur Erhebung der anderweiten Beweismittel geschritten.

Sodann wird dem Berichterstatter zur Aeusserung über die Resultate der Vernehmungen und die Anwendung des Gesetzes, und zuletzt dem Beschuldigten und seinem Vertheidiger das Wort gestattet.

Das Urtheil wird bei sofortiger nicht öffentlicher Berathung des Gerichts nach Stimmenmehrheit gefasst und unmittelbar darauf dem Beschuldigten verkündigt.

4) Das Gericht erkennt auf die gesetzliche Strafe, oder auf Freisprechung, oder Verweisung an den ordentlichen Richter.

Der Freigesprochene wird sofort der Haft entlassen. Die Verweisung an den ordentlichen Richter findet statt, wenn das Kriegsgericht sich für nicht competent erachtet; es erlässt in diesem Falle über die Fortdauer oder Aufhebung der Haft im Urtheile zugleich besondere Verfügung.

5) Das Urtheil, welches den Tag der Verhandlung, die Namen der Richter, die summarische Erklärung des Beschuldigten über die ihm vorgehaltene Beschuldigung, die Erwähnung der Beweisaufnahme und die Entscheidung über die Thatfrage und den Rechtspunkt, sowie das Gesetz, auf welches das Urtheil begründet ist, enthalten muss, wird von den sämmtlichen Richtern und dem Gerichtsschreiber unterzeichnet.

6) Gegen die Urtheile der Kriegsgerichte findet kein Rechtsmittel statt. Die auf Todesstrafe lautenden Erkenntnisse unterliegen jedoch der Bestätigung des im §. 7 bezeichneten Militair - Befehlshabers, und zwar in Friedenszeiten der Bestätigung des commandirenden Generals der Provinz.

7) Alle Strafen, mit Ausnahme der Todesstrafe, werden binnen 24 Stunden nach der Verkündigung des Erkenntnisses, Todesstrafen binnen gleicher Frist, nach Bekanntmachung der erfolgten Bestätigung an den Angeschuldigten zum Vollzug gebracht.

8) Die Todesstrafe wird durch Erschiessen vollstreckt. Sind Erkenntnisse, welche auf Todesstrafe lauten, bei Aufhebung des Belagerungszustandes noch nicht vollzogen, so wird diese Strafe von den ordentlichen Gerichten in diejenige Strafe umgewandelt, welche, abgesehen von dem Belagerungszustande, die gesetzliche Folge der von dem Kriegsgerichte als erwiesen angenommenen That gewesen sein würde.

§. 14. Die Wirksamkeit der Kriegsgerichte hört mit der Beendigung des Belagerungszustandes auf.

§. 15. Nach aufgehobenem Belagerungszustande werden alle vom Kriegsgerichte erlassenen Urtheile sammt Belagstücken und dazu gehörenden Verhandlungen, sowie die noch schwebenden Untersuchungssachen an die ordentlichen Gerichte abgegeben; diese haben in den von dem Kriegsgerichte noch nicht abgeurtelten Sachen nach den ordentlichen Strafgesetzen, und nur in den Fällen des §. 9 nach den in diesem getroffenen Strafbestimmungen zu erkennen.

§. 16. Auch wenn der Belagerungszustand nicht erklärt ist, können im Falle des Krieges oder Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Artikel 5, 6, 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungs-Urkunde oder einzelne derselben vom Staats-Ministerium zeit- und districtweise ausser Kraft gesetzt werden.

§. 17. Ueber die Erklärung des Belagerungszustandes, sowie über jede, sei es neben derselben (§. 5) oder in dem Falle des §. 16 erfolgte Suspension auch nur eines der §§. 5 und 16 genannten Artikel der Verfassungs-Urkunde, muss den Kam

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