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Erste Frage.

Kann man sich auf den Fall der Schelde zu Gunsten der von Oesterreich - Ungarn auf der unteren Donau beanspruchten Ausnahmestellung berufen?

Diese Frage dürfte durch einen Passus in der Depesche des englischen Staatssecretärs des Auswärtigen vom 14. März 1883 veranlasst sein 1). Zwischen

1) Despatch to Her Majesty's representatives abroad, respecting the Navigation of the Danube and the Conferences relating thereto held in London 1883. (In den Parliam. Papers 1883. Danube Nr. 3).

Auf S. 4 heisst es: It would have seemed difficult to make any valid objection to the presence of Austria in such a commission, bearing in mind the great commercial interest, which she had at stake. There was moreover, a precedent in point in the case of the Scheldt, where the Powers had laid down in the Conference held in London in the years 1830 to 1832, that Belgium in view of the commercial interest of Antwerp must be allowed an equal voice with Holland in the management of the mouth of that river, although the said mouths were entirely comprised within Dutch territory. This was asserted as a prin

dem Verhalten der Mächte gegen Holland im Jahre 1830 und 1831 einerseits und ihrem Verhalten gegen Rumänien andererseits scheint mir keinerlei auf den vorliegenden Fall anwendbare Aehnlichkeit zu bestehen 1).

Der Westphälische Friede hatte die endgültige Trennung der niederländischen Generalstaaten und der belgisch-spanischen Provinzen besiegelt und in Widerspruch zu den von Grotius verfochtenen Völkerrechtsprincipien bestimmt, dass die Ufer der Schelde, sowie die Kanäle von Zas und Zwyn von Seiten der Generalstaaten gesperrt bleiben würden, eine Bestimmung, die bekanntlich darauf abzielte, den Handel der holländischen Seestädte auf Kosten von Antwerpen zu begünstigen.

ciple, from which the Powers would not depart and Holland after much resistance, finally acknowledged it.

According to this principle Austria must be considered to have an undoubted claim to a voice in the management of this section of the river, although she is not actually riparian.

1) Ueber die Geschichte der Sperrung und die späteren Scheldezölle s. insbesondere:

Exposé des motifs du projet de loi approuvant le traité du 12. Mai 1863. Edm. Grandgaignage, Histoire du péage de l'Escaut. Anvers 1868. Ernest van Bruyssel, Histoire politique de l'Escaut. Paris 1864.Pety de Thozée, La fermeture, le péage et l'affranchissement de l'Escaut. Bruxelles 1874. De Garcia de la Vega, Recueil des traités et conventions, concernant le Royaume de Belgique, t. V, pag. 302. Victor Jacobs, L'Escaut, son passé, son présent, son avenir (Revue générale, Septembre 1866 pag. 272). Vreede, Examen de la question du barrage de l'Escaut oriental (Utrecht 1867).

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Dieser Zweck ward auch vollkommen erreicht. Antwerpen gerieth in den traurigsten Verfall.

In Folge des spanischen Erbfolgekrieges kamen die ehemals spanischen Niederlande an das Haus Oesterreich. Die Vertragsschliessungen des XVIII. Jahrhunderts änderten an dem alten Zustande der Dinge nichts. Vergebens versuchte Joseph II. die der Schelde auferlegten Fesseln zu sprengen. Die Clauseln des Westphälischen Friedens wurden mehrmals erneuert, zuletzt im Frieden von Fontainebleau (1785). Linguet, der in seiner Dissertation sur la liberté de l'Escaut die Freiheit der Schelde vertheidigte, fand keinen geringeren Gegner als Mirabeau (Doutes sur la liberté de l'Escaut).

Eine Wendung dieser Dinge ward erst durch die französische Revolution eingeleitet. Der General Labourdonnaye, der sich Antwerpens bemächtigt hatte, verkündigte die bekannte, Epoche machende Erklärung des Convents vom 16. November 1792, betreffend die Freiheit der Flussschiffahrt. Der zwischen der französischen Republik und der Republik der Vereinigten Provinzen am 16. Mai 1795 abgeschlossene Vertrag stipulirte in seinem 18. Artikel die Freiheit des Schiffsverkehrs auf dem Rhein, der Maas, der Schelde und dem Hondt, sowie allen ihren Armen bis in das Meer für die Schiffe Frankreichs und der Bataver nach den Principien der Gleichberechtigung. Trotzdem wurden noch 1814 Flusszölle auf der Schelde erhoben. Durch die Wiener Congressakte wurde die Freiheit der Schelde bestätigt (Art. 117). Nachdem am 25. August

1830 die belgische Revolution ausgebrochen war, glaubte sich der König von Holland berechtigt, unter gleichzeitiger Anrufung des Westphälischen Friedens die Schelde in Blokadezustand zu erklären, während die Londoner Conferenz, die die holländisch - belgischen Streitigkeiten beizulegen suchte, bei den Bestimmungen der Wiener Congressakte stehen blieb und im Protokoll vom 20. Januar 1831 (Art. 3) erklärte, dass dieselben auf die Flüsse Anwendung finden sollten, die das holländische und belgische Territorium durchschneiden. Der König von Holland widersetzte sich den Vorschlägen der Mächte. Am 15. November 1832 überschritt die französische Interventionsarmee die belgischfranzösische Gränze und erreichte nach wenigen Tagen Antwerpen, dessen Citadelle am 23. December capitulirte. Die Schelde ward wiederum freigegeben. In dem holländisch-belgischen Trennungsvertrage vom 19. April 1839 1) nahm König Wilhelm, von einigen Modificationen abgesehen, die von den Mächten zu London am 15. November 1831 festgestellten sog. vier und zwanzig Artikel an. Eine dieser Modificationen betraf die Schelde. Trotz der ihr zuerkannten Freiheit stipulirte Art. 9 § 3 für Holland einen Zoll bezüglich der aus offener See in die Schelde oder den Kanal von Terneuze in Belgien einlaufenden und der aus Belgien auf der Schelde oder dem bezeichneten Kanal in See gehenden Schiffe. Dieser Scheldezoll ist durch den Vertrag Belgiens mit

1) Martens, N. R. XVI, 7731.

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den meisten seefahrenden Nationen vom 12. Mai 1863, dem sich nachträglich andere Staaten angeschlossen haben, endgültig beseitigt worden. Der gegenwärtige Zustand der Schelde beruht auf commun accord von Holland und Belgien. Das ist in aller Kürze der Verlauf der Scheldeangelegenheit. Welche Aehnlichkeit mit den durch den Berliner Vertrag geschaffenen Verhältnissen der Donau oder gar mit der Einrichtung einer gemischten Commission für die Strecke Galatz bis zum Eisernen Thor vorliegen soll, vermag ich nicht zu erkennen.

Sucht man eine Parallele, so kann man sagen: die alte Sperrung der Schelde fand keinerlei Analogon auf der Donau, die sogar, wie der türkische Vertreter in der europäischen Donaucommission hervorhob, thatsächlich auch vor 1856 keinerlei rechtliche Hemmungen der Flussschiffahrtsfreiheit kannte.

Die späteren Zölle in Gemässheit des Vertrages von 1839 beziehen sich auf das Mündungsgebiet der Schelde und sollten die Seeschiffahrt von und nach Antwerpen treffen. Es handelte sich dabei um die widerwillig von den Mächten im Widerspruch zur Wiener Congressakte zugelassene Berechtigung eines tiefer gelegenen Uferstaates gegenüber der Seeschifffahrt eines höher gelegenen. Von einem Einmischungsrecht der Holländer in die belgische Strompolizei oder umgekehrt ist nirgends die Rede, die von den betheiligten beiden Uferstaaten vereinbarte Ueberwachung durch Commissare gewährt keinem Commissarius Executivrechte

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