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vor und unterwarfen die umwohnenden slavischen Stämme ihrer Herrschaft, aber nicht um ihre Krieger in den eroberten Besitzungen ein bequemes Wohlleben führen zu lassen, sondern um zu kolonisiren; daher riefen fic sofort Anbauer ins Land, welche Städte und Dörfer gründeten und mit ihrem Wohlstand und ihrer Bildung die neue Herrschaft befestigten und stärkten; daher suchten sie die bisherigen Bewohner nicht prinzipiell auszurotten, sondern dem deutschen Element zu afsimiliren, wenn schon der lange und furchtbare, gegenseitig mit der äußersten Erbitterung geführte Kampf die Ureinwohner, namentlich im Ordensland, zum großen Theil aufgerieben hatte. Der deutsche Krieger in Brandenburg und der Ritter in Preußen aber blieben Soldaten, denn ihre exponirte, stets tampfgewärtige Lage zwang sie dazu; die Kolonisten in den städtischen und ländlichen Niederlassungen mußten ebenso jederzeit bereit sein, ihre durch die Künste des Friedens erworbene Habe mit dem Schwert in der Hand zu schirmen, so daß auch bei ihnen die kriegerische Seite des deutschen Volkscharakters in steter Spannung erhalten blieb; in diesen beiden Elementen aber gingen die Reste der früheren Bevölkerung auf, indem sie die militairischen Eigenthümlichkeiten ihrer Ueberwinder annahmen und ebenfalls Soldaten wurden. Da jedoch das Land nur in gewissen Fällen der gesammten Wehrkraft seiner Bewohner bedurfte, so konnten dieselben sonst ihren friedlichen Beschäftigungen nachgehen und die Kultur zu höherer Entwickelung bringen. Man ging hierbei von Anfang an von dem richtigen Prinzip aus, daß durch den blühenden Zustand des Landes zugleich dessen kriegerische Leistungsfähigkeit erhöht werde. Darum war die Mark unter dem großen Waldemar und das Ordensland unter einem Kniprode nicht nur das am meisten militairische, sondern auch zugleich das am besten regierte und verwaltete Land im ganzen Nordosten von Europa. Denn unter dem sicheren Schuß der Wehrhaftigkeit erblühten unter der weisen Leitung der Regenten Wohlstand und Kultur. Dieser Grundsaß ist auch in der ferneren Geschichte unseres Vaterlandes stets festgehalten worden. Deshalb sorgte der große Kurfürst mit demselben Eifer für die Beförderung der inneren Verhältnisse, wie er auf die Stärkung der Wehrkraft und die Begründung eines starken Heerwesens bedacht war, und in gleicher Weise bestrebte fich Friedrich der Große, durch die staatliche Organisation der Monarchie Wohlstand und Kultur zu erhöhen, damit ihm hierdurch hülfreiche Kräfte für die militairische Machtentfaltung geschaffen würden. Fast alle Regenten, welche die Geschicke unseres Vaterlandes in alter

und neuer Zeit gelenkt, haben mit weißem Scharfblick erkannt, daß die Machtstellung ihres Staates auf dem militairischen Charakter desselben beruhe und dieser wieder mit der inneren Wohlfahrt Hand in Hand gehen müsse, während die Wehrkraft in der Wehrhaftigkeit des ganzen Voltes am sichersten begründet sei.

Bei allen, diese geschilderte Richtung festhaltenden Maßregeln kamen aber zwei Umstände zu statten. Einerseits fehlten in Brandenburg sowohl, als in Preußen jene Bestandtheile, welche die feste militairische und innere Organisation der anderen deutschen Staaten so sehr gehemmt haben, nämlich: die unmittelbare Reichsritterschaft und die freien Städte. In Brandenburg sowie im Ordensland war die Herrschaft des Landesherrn daher eine über alle Unterthanen gleichmäßige und die dadurch begründete innige Verbindung zwischen beiden durch keine exzeptionellen Verhältnisse gestört. Andrerseits hatte sich durch das Vorhandensein der beiden erstgeschilderten Faktoren eines Militairstaates und durch die übrigen Verhältnisse auch der dritte Faktor mit ungewöhnlicher Kraft entwickelt. Die eroberten Gebiete boten wenig zur Berweichlichung und zum Wohlleben Berlockendes dar; sowie das Land den bisherigen Besizern mit dem Schwert entrissen werden mußte, ebenso mußte dem Boden das zur Existenz Nothwendige abgerungen werden. Die äußere Lage, das Klima und die örtlichen Verhältnisse wirkten also zusammen und erforderten ein starkes, kräftiges Geschlecht, um ihnen nicht zu erliegen. Hineingeschoben unter feindliche Völker, deren stete Be= kämpfung zur eigenen Sicherheit nothwendig war und deren Unterwerfung für den ferneren Aufbau des Staates unbedingt erforderlich werden mußte, waren unsere tapferen Vorfahren gezwungen, stets in der einen Hand das Schwert zu führen, während sie mit der anderen für Urbarmachung des Bodens, für Handel und Gewerbe sorgten. Durch diesen doppelten Kampf mit dem Feinde und mit der Natur, zu dessen Durchführung eine außerordentliche Willenskraft gehörte, entwickelten sich aber jene eiserne Stärke, jene zähe, unbeugsame Festigkeit, welche vereint mit der Liebe zum Vaterland und zu dessen Beherrscher die hervorragenden Merkmale des altpreußischen Volkscharakters bilden. Ihn haben auch die Kurfürsten und Könige richtig erkannt und weislich gepflegt, und auf ihn als Fundament hat Friedrich Wilhelm der Große die Grundmauern jenes wunderbaren Staatsgebäudes aufgeführt, welches nach seinem Vollender die Monarchie des großen Friedrich genannt wird.

In Folge deffen ist die Geschichte des preußischen Heerwesens zu= gleich auch die unserer staatlichen Entwickelung; denn beide sind unzer= trennlich, weil das gesammte preußische Volk durch das Zusammenwirken der geschilderten Verhältnisse ein Volk von Soldaten geworden ist. Heer und Volk sind daher so innig mit einander verwachsen, daß sie ein einziges, untrennbares Ganzes bilden. Darum ist auch noch heut zu Tage der Soldat die populärste Figur, auf welcher der Blick des Volkes am liebsten ruht; darum finden das Wirbeln der Trommeln und das Schmettern der Trompeten ihr helltönendes Echo in jeder preußischen Brust und ziehen durch ihre Klänge mit magischer Gewalt Alt und Jung herbei, um das Auge an kriegerischem Schaugepränge zu ergeßen; und darum ist jede militairische Feier zugleich ein Festtag für die gesammte Bevölkerung, welche sich zu Tausenden von weit und breit her versammelt. In der Hütte des Landmannes, im Hause des Bauern und Bürgers findet man die Wände geschmückt mit den Bildern berühmter vaterländischer Heerführer, oder mit Abbildungen von Truppentheilen der Armee. Noch ist es Sitte, daß der junge Mann vom Lande, aus seiner Soldatenzeit ein Bild mit nach Hause bringt, auf welchem er, türlich nicht von Künstlerhand, sondern für wenige Groschen, im vollen Waffenschmuck abkonterfeit ist, und noch bilden militairische Kleidungsstücke den Sonntagsstaat des Landvolkes; alles unbestreitbare Beweise, daß es sich durch Alles, was auf seine militairische Stellung Bezug hat, ausgezeichnet fühlt.

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Sowie aber unser Vaterland seine Entstehung und Entwickelung nur seinem militairischen Charakter verdankt, ebenso ist seine ganze Stellung dem Ausland gegenüber stets nur auf seine Wehrkraft begründet gewesen. Als der brandenburgisch-preußische Staat unter dem großen Kurfürsten zuerst wieder nach der Zeit, in welcher seine Wehrkraft in Verfall gewesen war, die Augen Europas auf sich zu ziehen begann, da war dies nur durch die ungewöhnliche militairische Kraft veranlaßt, welche er zeigte und mit dem inneren Wohlstand als der sichersten Stüße zu verbinden strebte. Ihr verdankte das Kurfürstenthum auch lediglich die spätere Erhebung zum Königreich, weil die militairische Unterstüßung Brandenburgs durch ihre Vortheile für den Augenblick die damals schon in reichem Maß vorhandene Mißgunst, die der kaiserliche Hof gegen das neuemporblühende Reich der Wenden" hegte, überwog. Nur durch die fortwährend sich steigernde Entwickelung der Wehrkraft war es ferner möglich, den jungen Staat gegen die

deutlich erkennbare Feindschaft aller seiner Nachbarländer zu schirmen und schließlich den glänzenden Triumph herbeizuführen, daß das kleine Preußen unter der Führung seines größten Monarchen sieben lange Jahre hindurch einer Koalition der drei größten Militairmächte des Kontinents siegreich die Spiße bieten konnte. Allerdings war ein solcher Ausgang nur dadurch erreichbar, daß die gesammte Nation vollkommen von dem Staatszweck durchdrungen war und daher alle Stände darin miteinander wetteiferten: ihre äußersten Kräfte einzuseßen, um den für die Zukunft, ja für die ganze Existenz des Vaterlandes entscheidenden Kampf zu einem glücklichen Ende zu führen. Wir wollen hier gleich erwähnen, daß im siebenjährigen Kriege, mit Ausnahme der ersten Jahre, die Armee fast ganz aus ausgehobenen Inländern bestand, weil der Abgang an geworbenen Ausländern während des Krieges nicht zu ersehen war. Es waren also keine fremden Söldner, sondern Preußen, welche unter dem großen König für ihr Vaterland kämpften, und es zeichneten sich hierbei namentlich die Bewohner Pommerns und der Marken durch ihre Tapferkeit und Opferwilligkeit aus. Die aus ihnen bestehenden Regimenter waren die ausgezeichnetsten der Armee und fochten immer unter dem speziellen Befehl des Königlichen Feldherrn da, wo die Entscheidung lag. In dankbarer Anerkennung hat daher auch Friedrich der Große seinen Nachfolgern empfohlen: „sich ganz vorzüglich auf die pommersche Nation zu verlassen, welche sie als die erste Stütze des Staates ansehen könnten und mußten!" Deshalb findet sich auch der scharfblickende Fürst de Ligne veranlaßt, die während des Krieges von den Pommern und Brandenburgern bewiesene Hingebung und Tapferkeit ganz besonders hervorzuheben.

Noch großartiger ist die Erscheinung des Jahres 1813, als es galt die beinahe zertrümmerte Monarchie des großen Friedrich im alten Glanz wieder aufzurichten. In dieser ewig denkwürdigen Epoche entfaltete der kriegerisch - patriotische Nationalcharakter des Preußenvolkes seine ganze Herrlichkeit und brachte dadurch in dem kleinen, erschöpften Lande eine militairische Kraftentwickelung hervor, wie solche die Geschichte nicht zum zweiten Mal aufzuweisen vermag. Man kann aber diese ruhmvolle Zeit nur dann in ihrer inneren, wahren Bedeutung verstehen, wenn man sich den historischen Zusammenhang klar macht, der alle Epochen unseres vaterländischen Kriegswesens miteinander verknüpft; denn alle Stadien und selbst die großartigste Epoche des Jahres 1813 stehen miteinander in der innigsten Verbindung, weil sie sich auseinander

herausbilden, indem sie sich auf die Entwickelung des kriegerischen Nationalgeistes und überhaupt auf die ganze Geschichte des preußischen Militairstaates stüßen. Man darf daher auch die im Jahr 1813 erfolgte Schöpfung der Landwehr nicht als etwas urplöglich, neu oder gar fremdartig Entstandenes ansehen; man darf darin weder eine unerklärbare höhere Inspiration der ausgezeichneten Männer, welche die Regeneration Preußens leiteten, noch ein Produkt der, durch die französische Revolution verbreiteten neuen Ideen finden; sondern wird bei richtiger Betrachtung sehr bald den rothen Faden erkennen, der sich durch unsere ganze Geschichte hinzieht und in einem solchen Augenblick zu einer Schöpfung, wie es die Landwehr war, führen mußte, wenn nur die Männer vorhanden waren, welche die Geschichte, sowie die Verhält nisse unseres Vaterlandes klar zu übersehen und dadurch die vorhandenen, des erweckenden Rufes harrenden Kräfte verwerthbar zu machen wußten.

Wer daher mit uns in vorurtheilsfreier Weise einen übersichtlichen Blick auf die Entwickelungsgeschichte unseres vaterländischen Heerwesens wirft, der wird darin seit Jahrhunderten die Wurzeln des späteren Landwehrsystems entdecken und zugleich erkennen, wie seit der ältesten Zeit eine Reihe ausgezeichneter Regenten in ihrem Wehrsystem die Ideale der allgemeinen Wehrpflicht und Wehrhaftigkeit zu erreichen strebten. Auch wird es sich zeigen, daß eine nur auf verhältnißmäßig kurze Zeit erfolgte Abweichung von dieser Richtung troß des wohlerworbenen Ruhmes schließlich zum Verderben von Armee und Staat gereichen mußte; worauf die harte Schule des Unglücks unsere Heereseinrichtungen wieder in die alte historische Bahn zurücklenkte und dadurch Preußens Erhebung und Triumph in einer unglaublich kurzen Zeit, troß scheinbar unüberwindlicher Schwierigkeiten, herbeiführte. Hierin wird aber jeder wahre Patriot zugleich die tröstende Zuversicht finden, daß jene großartige Erhebung keine sporadische und einmalige Erscheinung war, sondern daß die Kraft hierzu stets in dem preußischen Volk vorhanden gewesen ist und es auch in Zukunft sein wird, so lange es seinen ursprünglichen, naturgemäßen Charakter zu bewahren vermag.

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