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lichen Kredit-Institute, da nur wenige und selbst diese nicht ohne Unterbrechung die Zinsen von ihren Pfandbriefen aufzubringen vermochten. Die ländlichen Grundbesizer sahen den Werth ihrer Grundstücke beinahe täglich fallen; alle die, welche nach den vielleicht künstlich gesteigerten Preisen vor dem Jahre 1806 gekauft und den Kaufpreis nur theilweise entrichtet hatten, oder überhaupt alle die, auf deren Eigenthum erhebliche Schulden hafteten, konnten beinahe den Tag berechnen, an welchem sie aus dem Besiz vertrieben werden würden, ungeachtet die Regierung, bei der stattfindenden gänzlichen Kreditlosigkeit dieser Klasse, durch einstweilen schüßende Geseße zu Hülfe zu kommen, ihnen wenigstens Zeit zu gewähren suchte. In den Städten vermochte ein Theil der Bürger die Last der Einquartierung nicht mehr zu tragen, die Beispiele von verlassenen Häufern waren nicht selten. Dazu kam noch, daß die neue Gesetzgebung der eigenen Regierung viele gewohnte Verhältnisse aufhob, Neues an die Stelle sezte und dadurch für den Augenblick wohl Opfer erheischte, während die wohlthätigen Folgen erst später sichtbar werden konnten.

Unter diesen Umständen hatte sich in dem ganzen denkenden Theil der Nation die Ueberzeugung herausgestellt, daß die Lage der Dinge so nicht bleiben könne und daß man mit der leßten Kraft einen besseren Zustand erkämpfen oder zu Grunde gehen müsse. Vor allen Provinzen waren es jedoch besonders die Mark und Ostpreußen, welche wieder furchtbar zu leiden hatten, als die unermeßlichen französischen Kolonnen 1812 durch sie marschirten, und in den jeßigen Bundesgenossen nur die übermüthigen Sieger von 1806 zurückkehrten, welche sich nicht begnügten, das zu ihrer Existenz Nöthige zu fordern, sondern mit bitterem Hohn die Reste der Habe ihrer Quartiergeber systematisch vernichteten.

Ueber die Lage Ostpreußens entnehmen wir dem Militair-Wochenblatt nachfolgende spezielle Schilderung.

Im Jahre 1809 fand man noch im Ermelande, an der Alle und Basfarge Ortschaften, wo nicht ein einziges Gebäude wieder aufgeführt, die Dorfstellen mit hohem Grase bewachsen, die ganze Feldmark seit drei Jahren unbestellt, und mehr als drei Viertel der Einwohner ausgestorben, oder wegen Hungersnoth aus ihren Hütten fortgezogen waren. Die Aemter Allenstein, Heilsberg und Wormditt hatten z. B. noch damals resp. 81, 200 und 300 wüste Erben, und nur wenige Aemter erfreuten sich eines besseren Zustandes. Drei Viertel der Güter erlagen im Jahre 1810 der erfolglosen Sequestration der Landschaft. Die Landstädte endlich waren großentheils entweder in derselben Lage oder eingeäschert.

Der Schadenstand der Provinz Ostpreußen allein wird auf 65 Millionen Thaler verwerthet und z. B. ein Verlust von 168,663 Pferden angegeben.

Diese arme, verödete und noch dazu durch eine allgemeine Mißernte im Jahre 1811 heimgesuchte Provinz durchzogen nun im Jahre 1812 vom Anfange des Monats Mai ab ungefähr 330,000 Mann, von denen die größere Hälfte nebst einem Theil des nachrückenden Erfaßes vier oder fünf Wochen lang in dem Raum von der Weichsel bis zur Memel kantonnirte. Sowohl aus den vertragsmäßigen Lieferungen als auch durch willkürliche Requisitionen wurden große Reserve-Magazine und Lazarethe angelegt. Dabei mußten alle Truppen von den Wirthen beköstigt, und diesem mächtigen Heere beim Aufbruch nach Rußland noch für 21 Tage Verpflegung und Fourage beschafft werden, jo daß manche Brigade 1000 bis 1500 Ochsen selbst requirirte und forttrieb, und 37,714 Pferde zur Fortschaffung der Requisitionen und für andere Zwecke über die Grenze mitgenommen wurden.

Das Land war natürlich, ungeachtet des Wahlspruches des GeneralIntendanten Grafen Dariu: „Man glaubt nicht was ein Land alles aushalten kann“, außer Stande, diese Lasten zu ertragen. Schon im Mai trat der vollkommenste Futtermangel ein. Die Pferde der französischen Kavallerie konnten nur durch Stroh der abgedeckten Scheuern und hierauf durch Grafung erhalten werden, wobei in der Regel zugleich die Saaten abgemäht und grün verfüttert wurden. Als durch Ankäufe 2c. von Seiten der Regierung nicht mehr die für die Magazine unumgänglichen Vorräthe beigetrieben werden konnten, wurden sowohl vor als nach der Ernte Zwangslieferungen ausgeschrieben, die indeffen gleichfalls zu kei nem Resultat mehr führten. Zuleht machte die in vielen Gegenden ausgebrochene Hungersnoth allen Forderungen ein Ende, und es trat jetzt, wie auch schon früher, die gewaltsame Selbsthülfe der Truppen an die Stelle jeder ordentlichen Verpflegung. Die Einwohner flüchteten zum Theil in die Wälder und lebten von Wurzeln und Kräutern. werden allein 32 offiziell gewordene Thatsachen von Raub, Mord, Brand und Plünderung einzelner Soldaten und ganzer Regimenter der be= freundeten Armee aus jener Zeit angeführt. Welche Höhe dieser Zustand erreicht hatte, geht übrigens am deutlichsten daraus hervor, daß zulezt Napoleon selbst durch einen Tagesbefehl vom 22. Juni Feldkriegsgerichte in Preußen einseßte, worauf die Marodeurs zu Anfang in solchen Massen arretirt wurden, daß sie z. B. in Königsberg die ganze polnische Kirche füllten und zum Theil auch wirklich erschossen wurden.

Erster Haupt-Abschnitt.

Vom Jahre 1813 bis zur definitiven Organisation der Tandwehr nach dem zweiten Pariser Frieden.

Erste Abtheilung.

Die Errichtung der Landwehr in den Jahren

1813 und 1814.

Erstes Kapitel.

Preußens Erhebung.

So war denn der Zeitpunkt herangekommen, welcher die Entscheidung bringen sollte. Große Ereignisse pflegen ihre Schatten schon vorher zu werfen, und es war daher nothwendig, die Verhältnisse, Zustände und Stimmungen, welche jener denkwürdigen Epoche vorausgingen, zu schildern, weil nur hierdurch die richtige Würdigung aller der Faktoren, welche bei ihrem Zusammenwirken jene unglaublich erscheinende Kraftäußerung des preußischen Volkes hervorbrachten, möglich wird.

Als die französischen Heere endlich nach dem fernen Osten, ihrem furchtbaren Schicksal entgegen, weitergezogen waren, da bezeichneten noch immer Elend und Verwüstung die Spuren ihres Weges, und als dämonische Begleiter folgten ihnen auf ihrem ferneren Marsch der Fluch und Haß eines gemißhandelten, bis zum Aeußersten getriebenen Volkes. Im Herbst des Jahres 1812 war in den Marken, namentlich aber in Ostpreußen und Litthauen der von uns im vorigen Kapitel geschilderte Zustand auf den höchsten Grad gelangt, hatte aber auch zugleich die Ueberzeugung herbeigeführt, daß ein nochmaliger Aufenthalt der Franzosen nicht zu ertragen sei und also die entscheidende Stunde herannahe, in welcher Alles gewagt werden müsse, um Alles zu gewinnen.

Es ist bemerkenswerth, daß gerade die beiden Grundprovinzen des preußischen Staates diejenigen waren, die am meisten unter den Drangsalen, welche die übermüthigen, habgierigen Unterdrücker verbreiteten, zu leiden hatten.

Braeuner. Die preußische Landwehr.

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