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wünschen war. Der lettere Fall trat auch in Pommern ein, aber er war gebieterisch durch die gänzliche Verarmung der Provinz bedingt, und ein solches Hinderniß vermochte selbst der beste Willen nicht zu überwinden. In den wieder beseßten Provinzen war nichts von dem in den alten mehr oder minder allgemein vorhandenen Enthusiasmus zu bemerken; jedoch leisteten die Elblande verhältnißmäßig sehr Anerkennenswerthes und überflügelten weit das beinahe am meisten in jeder Bezie hung zurückstehende Westphalen. Selbst Westpreußen hat mehr als dieses lettere Land geleistet, wozu noch der besondere Umstand kommt, daß zwei Drittel seiner Bewohner den preußischen Interessen abgeneigt waren und daher der nationalen Sache nur hinderlich sein konnten.

Betrachtet man aber die Landwehr selbst, so sieht man unter den schwierigsten Verhältnissen eine starke Truppenmacht wie aus dem Nichts entstehen, troß der erschöpften Mittel des Landes nach Möglichkeit ausgerüstet und durch die rastloseste Thätigkeit in einer Zeit von drei bis vier Monaten in ihrer Ausbildung soweit gebracht werden, daß sie gegen den Feind geführt werden konnten. Wenn die Errichtung der Landwehr nur durch die größte Hingebung und eisernste Willenskraft des gesammten Volkes möglich wurde, so gebührt der Ruhm für die Kriegsfähigkeit der aufopfernden Thätigkeit der Kommandeure, welche, troß mangelnden Lehrpersonals, in dem guten Willen der Mannschaft eine kräftige Stüße fanden. Der Beschaffenheit entsprechende Verwendung, energische Führung und trefflicher Geist befähigten sodann viele Landwehrabtheilungen, im Kampfe mit Erfolg aufzutreten.

Bezüglich der Beseßung der Führerstellen aber müssen wir hervor heben, daß sich unter 237 höheren und Stabsoffizieren der Landwehr nur fünf Bürgerliche befanden, auch über 90 Prozent dieser Gesammtzahl ehemalige Offiziere waren. Lettere befinden sich ebenfalls noch sehr zahlreich unter den Kapitains. Hiernach möchten wir auf zwei Punkte aufmerksam machen. Durch diese Zahlen wird unbestreitbar die gangbare Behauptung widerlegt, es hätten Adel und Armee durch ihre Feigheit im Jahre 1806 den Staat zu Grunde gerichtet und das Bürgerthum ihn durch den Kampf im Jahre 1813, dem der Adel fern geblieben, wieder hergestellt. Es ist ersichtlich, daß der Adel gerade für die Landwehr ein fast ausschließliches Kontingent zur Besetzung derjenigen Stellen geliefert hat, von deren Tüchtigkeit auch die der Landwehrtruppen abs hing. Namentlich bei einer neu errichteten Truppe ist die hervorragende Persönlichkeit des Kommandeurs von dem entscheidendsten Einfluß, wäh

rend die in der großen Masse vorhandenen Eigenschaften nur in der Gesammtheit und durch die Leitung des Kommandeurs hervortreten fönnen. Sodann zeigt es sich, daß die Ausbildung der Landwehr überhaupt nur durch die in den Kapitains- und Majorsstellen vorhandenen ehemaligen Offiziere der alten Armee von 1806 ermöglicht worden ist. Daraus geht hinreichend hervor, daß die Schuld des unglücklichen Krieges nicht auf die Schultern des Personals des damaligen Offizierkorps in seinem großen Ganzen gewälzt werden darf, da dasselbe augenscheinlich sehr tüchtige Kräfte enthielt, sondern daß die Ursache auf richtigem Wege nur in den Schäden an einzelnen Stellen und vor allem in der Brüchigkeit der ganzen Heeresorganisation gefunden werden kann. Hieraus folgt aber noch die ernste Lehre, daß ein mangelhaft und den Anforderungen der zu gewärtigenden Kriege nicht entsprechend organisirtes Heerwesen stets zum Verderben des Staates gereichen muß, selbst wenn es auch den Glanz einer ruhmvollen Vergangenheit für sich hat; in leşterem liegt vielmehr gerade die Gefahr der Verblendung, gegenüber den neuen Anforderungen, welche eine Umgestaltung ehemals erfolgreicher, jezt aber nicht mehr genügender Einrichtungen erlangen.

Wir glaubten, diese Rechtfertigung eines mit Unrecht geschmähten Standes und einer nach einer falschen Richtung hin herabgesetzten Armee, gegenüber tendenziöser Entstellung, nicht unterlassen zu dürfen, haben uns aber auf die Anführung reiner Thatsachen, denen gegenüber jede Täuschung schwinden muß, beschränkt; facta loquuntur!

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Nunmehr wollen wir zum Schluß noch einmal die Gesammtleistung in der Landwehrerrichtung bei Ablauf des Waffenstillstandes zusammenstellen und zugleich ersehen, welche Verstärkung dadurch für den neubeginnenden Kampf herbeigeführt wurde. Es haben bis zum Beginn der Feindseligkeiten die verschiedenen Provinzen gestellt:

1. Ostpreußen, Westpreußen rechts der Weichsel und Litthauen

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*) Die Differenz gegen die Angaben des Milit.-Wochenblattes, Beiheft für das dritte und vierte Quartal 1858 S. 184, erklärt sich zunächst dadurch, daß wir hier die Sollstärke zu Grunde gelegt haben und die Iststärke später nach

Von der Pommerschen Landwehr wurden, wie wir wissen, drei Bataillons und drei Eskadrons der Kurmärkischen, ein Bataillon und eine Eskadron der Neumärkischen und zwei Bataillons und eine (später noch eine) Eskadron der Westpreußischen einverleibt.

Wenn sich hieraus die Gesammtstärke bei Ablauf des Waffenstillstandes auf 120,504 Mann herausstellt, so müssen wir doch erwähnen, daß dieser Zusammenstellung diejenigen Zahlen, welche nach der Repar tition die Provinzen aufbringen mußten, zu Grunde liegt. Diese Zahlen wurden aber theilweise gar nicht erreicht oder verringerten sich durch Krankheit und sonstigen Abgang noch sehr bedeutend, so daß die nach den Rapporten bei den einzelnen Korps 2c. wirklich vorhandenen Landwehren eine beträchtlich geringere Ziffer, als die vorstehende, ergeben werden. Was sodann die Stärke der Landwehr während des Feldzuges betrifft, so muß bemerkt werden, daß dieselbe in Folge der großen Berluste fortwährend geringer wurde, da der Nachschub in keinem bedeutenden Maße erfolgte, so daß schließlich ganze Regimenter zu Bataillons kombinirt werden mußten. Die durch die wiederbeseßten Länder erfolgte Vermehrung wurde völlig durch die Reduzirung der InfanterieRegimenter auf drei Bataillons aufgewogen.

Haben wir somit die Landwehr entstehen und schlagfertig werden sehen, so wollen wir sie jetzt auch auf den Kampfplaß begleiten und erkennen, wie sie sich in der Feuerprobe, bei welcher nur der wahre Mann etwas gilt, bewähren wird. Wir müssen jedoch erwähnen, daß wir die Epoche der Errichtung in ihren Leistungen für viel erhabener halten, als die der kriegerischen Thätigkeit. In letterer Beziehung mußten die tro der größten Anstrengung immer noch zahlreich vorhandenen Mängel in Betreff der Ausrüstung und Ausbildung die Wichtigkeit der Landwehr sehr verringern, und außerdem bedingte es die Art ihrer Bertheilung, daß sie nur auf einem der drei Kriegsschaupläße in bedeutendem Maße an den Erfolgen des Feldzuges Theil haben konnte, während sie auf den übrigen nur einen geringeren Theil der Gesammtheere ausmachte. Allein ihre Beschaffenheit mußte außerdem auch Vorfälle herbeiführen, welche in ungünstigem Lichte erscheinen. Eine unparteiische Darstellung

weisen werden. Sodann aber konnten wir die Ostpreußische Landwehr nur mit 20,000 und nicht, wie dort geschieht, mit 23,996 Mann aufnehmen, weil bei Ablauf des Waffenstillstandes nur die 20,000 Mann der ersten Errichtung vorhanden waren, und die Zahl 23,996 erst durch Formirung des Depots im September resp. deren Verdoppelung im November erreicht wurde.

darf dieselben nicht verschweigen, wird aber bestrebt sein, die jedesmaligen besonderen Ursachen nachzuweisen. Können wir aber auch keine ausschließlich oder zum größten Theil von der Landwehr gewonnenen Hauptschlachten aufzählen, so werden wir doch vielfach Gelegenheit haben, ihre kräftige Mitwirkung anzuerkennen und zahlreiche Thaten ausgezeichneter Tapferkeit zu schildern, durch welche viele Abtheilungen der Landwehr den bewährtesten Truppen ebenbürtig wurden. So wird denn also der Ehrenkranz der Landwehr immer noch ein schöner und glänzender werden, wie es ja auch nicht anders sein konnte bei Truppen, welche fast allgemein vom besten Geiste beseelt in den Kampf gegen den Unterdrücker eintraten unter dem erhabenen Wahlspruch:

Mit Gott für König und Vaterland!

Zweite Abtheilung.

Die Theilnahme der Landwehr am Kriege
1813 und 1814.*)

Erstes Kapitel.

Borhergegangene Kriegsereignisse und Eintheilung sowie Aufstellung der preußischen Streitkräfte bei Ablauf des Waffenstillstandes.

Der erste Akt des großen, welterschütternden Kriegs-Dramas hatte begonnen. In Gemäßheit des von den Verhältnissen klar vorgezeichne ten Planes war der Versuch gemacht worden: durch die bisher aufgestellten Streitkräfte in Verbindung mit den russischen Heeren die Reste der französischen Macht von den preußischen Grenzen zu vertreiben und den Feind niederzuwerfen, ehe er sich wieder zu einer bedeutenden Ueberlegenheit verstärkt hatte; während zugleich die Rüstungen unermüd

*) Das allgemein Historische muß natürlich als bekannt vorausgesetzt und nur der Gang der Ereignisse des Zusammenhanges wegen berührt werden, um dann an geeigneter Stelle die Darstellung der kriegerischen Thätigkeit der Landwehr einzuschalten.

lich weiter fortgeseßt und die von uns bereits in den vorhergehenden Kapiteln dargestellte Errichtung der Landwehr gefördert wurde, um sie entweder als Reserve zum Nachrücken verwenden oder sich auf sie zur neuen Aufnahme des Kampfes zurückziehen zu können.

Wir haben erwähnt, daß die bis zu Anfang April schlagfertig gewordenen preußischen Streitkräfte in runder Summe 128,000 Mann betrugen. Allein die Verhältnisse gestatteten nicht, diese Gesammtmacht für die entscheidenden Operationen zu verwenden. Ein sehr bedeutender Theil mußte zum Schuß des Landes, zur Beseßung der festen Pläge und zur Einschließung der von den Franzosen noch innegehabten Festungen zurückbleiben. Daher konnten sich nur etwa 55,000 Mann, also noch nicht die Hälfte, mit den russischen Heerestheilen vereinigen, um den Feind hinter der Elbe aufzusuchen und die entscheidenden Schlachten zu schlagen. Von diesen Truppen waren aber auch wieder noch über 20,000 Mann als besondere Korps und Detachements von der FeldArmee entsendet, so daß in Wirklichkeit auf dem Schlachtfelde nur 33,350 Preußen vorhanden waren. Mit ihnen vereint befanden sich 35,775 Russen, was eine Gesammtstärke des verbündeten Heeres von 69,125 Mann ergiebt.

Ihnen gegenüber befand sich auf französischer Seite bereits wieder die Ueberlegenheit. Der raftlosen Energie Napoleons und der umfassenden Organisationsgabe seines gewaltigen Geistes war es möglich geworden, ein neues Heer aufzustellen und mit den Trümmern des alten, welche sich hinter der Elbe vereinigt und retablirt hatten, zu verbinden. Waren es auch vielfach junge, frisch ausgehobene Truppen, und fehlte ihuen in vielen Beziehungen die hinreichende Kriegstüchtigkeit, so bot ihre Zahl doch dem gewaltigen Schlachtenmeister wieder die Mittel, sein Feldherrntalent zu zeigen, da dieses weit mehr darin bestand, durch Massenverwendung den Sieg zu erringen, als überlegenen Feinden durch geschickte Verwerthung schwächerer Truppen die Spitze zu bieten.

Am 2. Mai erfolgte der Zusammenstoß in der Schlacht von GroßGörschen oder Lüßen. Den verbündeten Heeren stand Napoleon mit 115,000 Mann gegenüber. Es war das erste Mal seit dem unheilvollen Kriege des Jahres 1806 und 1807, daß sich in entscheidender Weise die preußischen Waffen mit denen der Unterdrücker kreuzten, und jeder Krieger brannte daher vor Begierde, die Schmach der Vergangenheit zu tilgen. Ein furchtbares blutiges Ringen entstand um die Dörfer Großund Klein-Görschen, Kaja und Rahna, welche wechselsweise erstürmt

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