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gefangen. Wie überall erregte diese Mitteilung auch hier vor Mezz in der Vorpostenlinie und im Lager lebhaften Jubel und nicht endenwollendes Hurrageschrei. Es entwickelte sich eine, man möchte sagen, tomische Scene. Rings umher, so weit das Auge reichte, sah man lauter Hurra rufende Bataillone, die Feldwachen riefen, die Posten riefen; aus den Weingeländen vor der Front tauchten Patrouillen auf und schwenkten die Helme, wohl ahnend, daß etwas Großes vor sich gehe. Plappeville und St. Quentin bevölferten sich mit Franzosen, die nicht wußten, was der Jubel bedeuten sollte.

Die Bewohner der Ortschaften, welchen die Nachricht mitgeteilt wurde, glaubten wohl die Neuigkeit von Napoleon, daß sich Mac Mahon aber und seine Heere gefangen gegeben hätten, hielt niemand für möglich.

Die Musikkorps aller Regimenter spielten das Preußenlied und „Heil Dir im Siegerkranz"; - ein baldiger Friede schien ja sicher zu sein. Aber man täuschte sich; noch manches Mal sollten die deutschen Truppen, auch unser Regiment, in heißen Kämpfen den Feinden entgegentreten.

Am 4. September des Vormittags wurde bei St. Hubert ein Feldgottesdienst abgehalten. Der Divisionsprediger sprach wie gewöhnlich von Herzen kommende, zum Herzen gehende, kernige, be= geisterte Worte.

Still gingen die Truppen auseinander. Hier, wo der Tod vor kurzem seine grausame Ernte gehalten, wo niemand ahnen konnte, wie lange ihm selber noch zu leben vergönnt sei, da packt des Herrn Wort mächtiger als sonst.

Mittags 11⁄2 Uhr desselben Tages trafen die Ersagmannschaften für das Regiment in der Stärke von 5 Offizieren (Hauptleute Cludius und Meyrick, Premierlieutenants von den Brinken und Hüneke, Sekondlieutenant v. Sommerlatt), 1 Portepeefähnrich (v. Brauchitsch), 21 Unteroffiziere, 4 Spielleute, 365 Mann ein. Die gelichteten Reihen des Regiments wurden wieder gefüllt. Von diesen Mannschaften erhielt:

das I. Bataillon 8 Unteroffiziere, 2 Spielleute, 122 Mann,

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1 Unteroffizier, 1 Spielmann, 45 12 Unteroffiziere, 1

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das Füsilier zugewiesen. Auch die Bekleidung und Ausrüstung wurde, was sehr nötig geworden war, wieder vollständig ergänzt, namentlich auch die Fußbekleidung wieder in gehörige Ordnung gebracht.

Während dieser Zeit hatten von den Offizieren der Premierlieutenant v. Trotha, Lieutenant Franke und Vizefeldwebel Theune krank in das Lazarett geschafft werden müssen; auch Premierlieutenant Rozenberg war einige Zeit lang nicht imstande, Dienst thun zu können, dagegen war Lieutenant Fischer als gesund, Lieutenant Frhr. v. Forstner von seinem Kommando als Adjutant des Bezirkskommandos Bitterfeld zurückgekehrt, Lieutenant der Landwehr v. Wilczed dem Regiment überwiesen und der Vizefeldwebel Münscher in eine Offizierstelle eingerückt. Nunmehr erst war es möglich, die Offiziere wieder regelrecht an die Kompagnien zu verteilen, und geschah dies folgendermaßen:

Regimentskommandeur: Oberst v. Zglinicki,
Adjutant: Lieutenant Frhr. v. Roeder.

I. Bataillon:

Führer: Hauptmann Frhr. v. Nauendorf,
Adjutant: Lieutenant Grunau.

1. Kompagnie: Hauptmann Günther,

Lieutenant Frhr. v. Manteuffel,

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2. Kompagnie: Premierlieutenant Vollard,
Lieutenant Schmidt,

Vizefeldwebel Brandtner,

Portepeefähnrich v. Brauchitsch.

3. Kompagnie: Premierlieutenant Steinbeck,

Lieutenant v. Zimmermann,
Vizefeldwebel Littmann,

=

Schlegel.

4. Kompagnie: Premierlieutenant v. Kloeber,

Lieutenant Fischer,
Vizefeldwebel Gutbier.

II. Bataillon:

Kommandeur: Major Schramm,

Adjutant: Lieutenant v. Byern.

5. Kompagnie: Hauptmann Meyrick,

Lieutenant Jhlefeld,

Vizefeldwebel Kaempf.

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8. Kompagnie: Hauptmann Güssow,

Lieutenant Frhr. v. Forstner,

Placke,

Fähnrich Kühner,
Vizefeldwebel Linke.

Füsilier-Bataillon:

Führer: Hauptmann Cludius,
Adjutant: Lieutenant Tollkühn.
9. Kompagnie: Premierlieutenant Möller,

Lieutenant Burckhardt,

Fähnrich Dommerich.

10. Kompagnie: Premierlieutenant von den Brinken,
Lieutenant Schlichting,

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Am 5. September, Nachmittags 512 Uhr, wurde das Regiment durch Truppen des IX. Armeekorps, und zwar durch das 36. Jnfanterie-Regiment von Vorposten abgelöst. Nachdem die Feldwachen übergeben waren, sammelte sich das Regiment hinter Moscou und marschierte dann um 612 Uhr über St. Hubert, woselbst sich die Brigade vereinigte, nach Ars sur Moselle. Da unterwegs durch auf der Straße haltende Kolonnen viel Aufenthalt entstand, traf das Regiment erst Nachts 11 Uhr an seinem Bestimmungsorte ein.

Das Füsilier-Bataillon verblieb in Ars sur Moselle, um für das dort liegende Generalkommando und die Division Wachen zu stellen,

und bezog Alarmquartiere. Hauptmann Cludius wurde als Kommandant dieses Orts, Lieutenant Schlichting als Plazmajor bestimmt. Die beiden anderen Bataillone bezogen zwischen Ars sur Moselle und Ancy an der Römischen Wasserleitung Biwaks. Es war eine wundervolle Nacht, so schön, wie sie lange nicht gewesen. Am nächsten Morgen, als kaum der Tag graute, entstand im Lager plöglich ungewöhnliches Leben. Alles drängte nach der Chaussee zu, — und was für ein Wunder wurde angestaunt? Ein Eisenbahnzug kommt! Die Mannschaften hatten lange einen solchen nicht gesehen und freuten sich wie die Kinder, die zum ersten Mal einen Zug schauen. Am 6. September wurde das I. und II. Bataillon in Rongeville einquartiert und sicherten sich durch starke Kantonnementswachen, welche auch einen lebhaften Patrouillengang nach den nordöstlich des Ortes gelegenen Höhen und nach Ars sur Moselle zu unterhalten hatten.

Das I. Bataillon quartierte am folgenden Tage nach Ancy sur Moselle, und das ganze Regiment vereinigte sich am 8. September wieder in Ars sur Moselle, woselbst Unterkunft bezogen wurde.

Das Regiment stand jetzt in der Reserve und hatte die 29. Jnfanterie-Brigade als Vorposten vor sich.

Seit dem 7. August hatten die Bataillone ununterbrochen biwakiert, jezt kamen sie zum ersten Male wieder unter Dach und Fach, aber die Quartiere waren so mangelhaft und überfüllt, daß man sich nicht viel besser stand als im Biwak.

Am 7. September trafen die von Seiner Majestät dem Könige der 15. Division verliehenen ersten 17 Eisernen Kreuze ein, und empfing das Regiment hiervon zwei Dekorationen, die für ihr braves Verhalten am 18. August bei Erstürmung und Verteidigung des Gehöfts St. Hubert dem Premierlieutenant v. Trotha und dem Unteroffizier Hentschel der 1. Kompagnie zugeteilt wurden. Die Kreuze wurden vom Brigadekommandeur Generalmajor v. Strubberg persönlich den Betreffenden übergeben, und der Divisionskommandeur sprach in einem Tagesbefehle den Ausgezeichneten seine Glückwünsche aus und fuhr dann fort, daß in diesen Kreuzen neben der Allerhöchsten Anerkennung, welche dadurch den hervorragenden Leistungen der einzelnen Kameraden zu teil geworden sei, die ganze Division die Königliche Zufriedenheit für den rühmlichen Anteil an der Schlacht zu erblicken habe. An der Spitze des VIII. Armeekorps habe die Division die Schlacht damit eröffnet, daß sie durch kühnen Anlauf im Granat-, Schrapnel-, Mitrailleusen- und Chassepot-Feuer das Gehölz

östlich Gravelotte und dann das Gehöft St. Hubert erobert habe. In neunstündigem heißen Kampfe mit den verschanzten Feinden habe fie blutig gerungen und in zäher Ausdauer die einmal gewonnene Stellung gegen die mehrfachen Angriffe bis zur endlichen, glücklichen Entscheidung der Schlacht behauptet. Der heldenmütige Versuch, die befestigten Höhen von Point du Jour und Moscou zu erstürmen, habe die Kräfte der Division überstiegen; viele teure Opfer seien dabei für König und Vaterland gefallen, doch hätten die Truppen bewiesen, daß ihnen keine Aufgabe zu schwierig sei.

Ein kleineres Kommando, welches in den nächsten Tagen das Regiment zu stellen hatte, sei hier noch erwähnt. Das II. Bataillon fommandierte den Lieutenant Kretschmar und den Portepeefähnrich Kühner mit 6 Unteroffizieren, 1 Spielmann, 93 Mann, welche gemeinschaftlich mit 1 Schwadron 7. Husaren unter Befehl des Rittmeisters v. Niesewand am 8. September nach Lorry und Bouxières zu marschieren und dort für das VIII. Armeekorps zu requirieren hatten. Das Kommando traf am 12. September in Pontoy beim Regiment wieder ein.

Die Offiziere versammelten sich in diesen Tagen Abends in der Regel in einer Wirtschaft, in der es Bier gab und auch Gas brannte, was lange nicht gesehen war. Sie sprachen dort über die nächste Zukunft, d. h. die Hoffnung, auf Paris zu gehen. Doch Träume sind süß, das Erwachen oft bitter.

Am 10. September traf die Nachricht von der Allerhöchsten Kabinets-Ordre vom 24. August ein, nach welcher die beim Ausbruch des Krieges in den heimatlichen Festungen zurückgebliebenen Regimenter 70, 68 und 65 wieder zum VIII. Armeekorps stoßen und dafür die Regimenter 60, 72 und 67 aus dem Verbande des genannten Korps scheiden sollten. Regiment 67 war zur Besaßungstruppe von Mainz bestimmt. Die unmittelbaren Vorgesetzten richteten an die drei scheidenden Infanterie-Regimenter ehrenvolle Scheidegrüße, die wohl geeignet sind, hier eine Stelle zu finden:

1. Korpsbefehl vom 9. September 1870:

..Den aus dem Korpsverbande scheidenden Regimentern Nr. 72, 67 und 60 spreche ich meinen Dank und meine Anerkennung für ihre rühmlichen Leistungen im bisherigen Verlaufe des Feldzuges aus, zugleich mit der Hoffnung, daß den diesen

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