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sei, für König und Vaterland zu streiten, wenn es auch vielleicht galt, das Leben zu lassen.

Der Sonderzug des 1. Bataillons dampfte um 6 Uhr 37 Minuten Abends des 25. Juli von Halberstadt ab, der Train des II. Bataillons um 914 Uhr Abends aus Nordhausen, und der Zug des Füsilier-Bataillons verließ um 814 Uhr Abends Quedlinburg.

Die Fahrt aller drei Bataillone ging durch Westfalen, dann südwärts abbiegend durch das Lahn-Thal; in Paderborn wurde den Mannschaften des Morgens am 26. Juli Kaffee, in Letmathe des Mittags ein kräftiges, aus Reissuppe und Rindfleisch bestehendes Essen, und des Abends spät in Weylar noch einmal Kaffee gereicht.

Wo die Züge anhielten, an jedem Bahnhofe, den sie berührten, überall wurden die Bataillone mit begeisterten Zurufen empfangen, überall waren die Zurückbleibenden bemüht, die in den heiligen Kampf ziehenden Soldaten zu erquicken, ihnen zu beweisen, welch lebhaften Anteil man an ihnen nehme, von welchem Mitgefühl sie begleitet würden.

Im ganzen deutschen Vaterlande war ja nur ein Geist und ein Gedanke, der, die Beleidigung zu rächen, welche der freche Nachbar dem allverehrten Könige und mit ihm dem ganzen Volke angethan hatte. Dafür wollte ein jeder opfern, was er vermochte. Wer nicht selbst mit in den Kampf ziehen konnte, nütte dem Vaterlande auf andere Weise, und Gelegenheit hierzu bot sich auf die verschiedenste Art. Es war die Begeisterung von 1813, von der uns unsere Väter oft mit Ehrfurcht erzählt hatten, von neuem über uns, das deutsche Volk, gekommen: das echtdeutsche Lied von der Wacht am Rhein wurde immer und immer wieder und überall gesungen.

Endlich, am 27. Juli, früh zwischen 5 und 6 Uhr, erreichten die Bataillone das erste Ziel, Coblenz. Nachdem dieselben die Eisenbahnabteils nach der langen Fahrt nur zu gern verlassen hatten, rückten sie durch die Stadt, wobei sie die Ehre hatten, vor dem General v. Ollech vorbei zu marschieren, und bezogen ihr erstes Biwak auf dem Petersberge, dem Glacis der Feste Franz. Schon das erste Verweilen im Freien sollte dem Regiment einen kleinen Vorgenuß des Lebens im Felde bringen, einen Hinweis auf späteres Ungemach, welches es durch die ungünstige Witterung in so reichem Maße ertragen sollte. Ein plötzlicher, heftiger, lang andauernder Gewitterregen durchnäßte die biwakierenden Soldaten, welche unter den im Umkreise des Lagers stehenden hohen Bäumen Schuß suchten. Aber

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Der Auszug der 67 er aus Quedlinburg am 25. Juli 1870.

(Relief am Quedlinburger Kriegerdenkmal.)

vergeblich war dies Bemühen, und erst als Abends an die Mannschaften Rum ausgegeben wurde, vermochten diese, welche in völlig durchnäßten Kleidern frierend umherstanden, durch einen kräftigen Schluckt sich wieder zu erwärmen.

Das Regiment erhielt hier den Befehl, unverzüglich weiter in der Richtung nach Trier zu marschieren, da die übrigen Teile der Division schon voraus waren.

Das VIII. Korps hatte den Befehl erhalten, sich bei Wadern zusammenzuziehen.

Gleich die ersten Märsche waren sehr anstrengend und gaben Veranlassung, daß alle die, welche sich den Anstrengungen nicht gewachsen zeigten, aus den Reihen der Bataillone ausgesondert wurden. Besonders beschwerlich war der erste Marsch nach dem von Coblenz etwa sechs Meilen entfernten Städtchen Treiß im Mosel-Thale. Die Sonne brannte am 28. Juli in wahrer Hundstagsweise, die Hiße machte sich in dem engen Thale um so fühlbarer; das neue Schuhwerk und das besonders den eingezogenen Reservisten ungewohnte schwere Gepäck trug zur schnellen Ermüdung bei. Obwohl die Bewohner der am Wege liegenden Ortschaften reichlich für Trinkwasser, welches vielfach mit Wein gemischt war, sorgten, konnte doch der brennende Durst nicht gelöscht werden. Die Anstrengung war eine zu große, und es gab sehr viele Marode; sie mit fortzubringen, was anfangs durch Abnehmen der Gewehre oder des Gepäcks versucht wurde, war bald, da die Zahl sehr schnell zunahm, nicht mehr möglich. Unter Mittag mußten längere Rendezvous gemacht werden, und kamen die Bataillone, obwohl sie Morgens schon um 5 Uhr ausmarschiert waren, erst gegen Abend in die Quartiere. Doch ehe dieselben erreicht wurden, gab es, wie am Tage vorher, ein heftiges Gewitter, das einen jeden bis auf die Haut durchnäßte. Aber wie jegliches zu verschiedenen Zeiten verschieden wirkt, so auch hier. Gestern klagte ein jeder über die nassen Kleider und stand frierend umber, heute freute man sich über die angenehme Erfrischung, die der Regen brachte, über die Abkühlung der schwülen und heißen Luft, über das Löschen des in dichten Wolken aufsteigenden Staubes.

Die nächsten Märsche führten durch den wenig fruchtbaren Hunsrück und den Jdar-Wald. Die Quartiere waren dementsprechend eben nicht schön, die Märsche aber nicht mehr ganz so anstrengend, da das Wetter sich abgekühlt hatte. Die Verpflegung wurde überall von den Wirten geliefert und in freundlichster Weise gegeben, und

trug dies viel dazu bei, vergessen zu machen, daß bessere Quartiere erwünscht seien.

Am 31. Juli traf das Regiment mit einzelnen Teilen der Division am sogenannten stumpfen Turme, einem alten Römerbauwerk bei Wederath zusammen; die hohen Vorgesezten begrüßten die Bataillone und hießen sie mit warmen Worten in dem neuen Verbande willkommen, und die Rheinländer riefen den neuen Kameraden den Schlachtruf des VIII. Korps, das so bekannt gewordene „Lehm up" zu. Bis hierher hatten die Bataillone noch wenig von kriegerischem Treiben gesehen, von jezt ab wurde dies anders; sie marschierten nicht mehr allein, alle möglichen Truppengattungen zogen mit ihnen dieselbe Straße, der französischen Grenze zu. Der Weg wurde, be= sonders wenn Kavallerie oder Artillerie zuvorkommen wollte, oft eng genug.

Am 31. Juli quartierte das ganze Regiment in Malborn, am 1. August in Wadern, nur das Füsilier-Bataillon in Morschholz.

Am 2. August, eines Dienstags, hatte das Regiment in den genannten Quartieren Ruhetag; es war die legte wirkliche Ruhe für lange Zeit hinaus, und sollten sich dieser viele der Leute heute zum legten Mal für die nächsten Wochen in einem Bette oder wenigstens in einem geschützten Obdache hingeben können. Später hieß es, im Freien die Ruhezeit, die noch dazu kurz genug bemessen war, zuzubringen. Am Nachmittage dieses Tages fand durch den Divisionsprediger vor Wadern und Morschholz ein Feldgottesdienst und Kommunion statt. Es war ein erhebender Akt. Der Altar, mit Reisern geschmückt, stand auf einem kleinen Hügel; die Bataillone in Kolonne bildeten die drei anderen Seiten eines Vierecks. Mit einfachen, aber zum Herzen gehenden Worten sprach der Prediger zu den Mannschaften, und es war wohl keiner unter diesen, welcher den Worten nicht mit stiller Andacht lauschte; die Gedanken kehrten heimwärts zu den zurückgelassenen Lieben, sie gingen vorwärts mit dem festen Entschlusse, auch im Ernstfalle zu halten, was sie durch ihren Fahneneid gelobt hatten; und sie richteten sich aufwärts, zu dem Herrscher aller Welten.

An diesem Tage trat das Regiment zu der vom Generalmajor v. Strubberg kommandierten 30. Infanterie-Brigade über und wurde durch folgenden Parolebefehl begrüßt:

„Nachdem das 4. Magdeburgische Infanterie-Regiment Nr. 67 zur diesseitigen Brigade getreten ist, heiße ich dasselbe

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