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Lonio Kröger blickte von Einem zum Andern und verlegte sich aufs Warten.

,,Sie kommen von München?" fragte endlich der Polizist mit einer gutmütigen und schwerfälligen Stimme.

Lonio Kröger bejahte dies.

,,Sie reisen nach Kopenhagen?"

„Ja, ich bin auf der Reise in ein dänisches Seebad."

,,Seebad?

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Ja, Sie müssen mal Ihre Papiere vorweisen," sagte der Polizist, indem er das legte Wort mit besonderer Genugtuung aussprach. Papiere..." Er hatte keine Papiere. Er zog seine Brieftasche hervor und blickte hinein; aber es befand sich außer einigen Geldscheinen nichts darin als die Korrektur einer Novelle, die er an seinem Reiseziel zu erledigen gedachte. Er verkehrte nicht gern mit Beamten und hatte sich noch niemals einen Paß ausstellen lassen . . .

...

,,Es tut mir leid," sagte er, aber ich führe keine Papiere bei mir.“

,,So?" sagte der Polizist...",,Gar keine? Wie ist Ihr Name?"

Lonio Kröger antwortete ihm.

Ist das auch wahr?!" fragte der Polizist, reckte sich auf und öffnete plöglich seine Nasens löcher, so weit er konnte . .

,,Vollkommen wahr," antwortete Tonio Kröger. ,,Was sind Sie denn?"

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haase hob den Kopf
und sah neugierig in
sein Gesicht empor.
,,Hm!" sagte der
Polizist.,,Und Sie ge-
ben an, nicht identisch
zu sein mit einem In-
dividium namens
Er sagte,,Individium"
und buchstabierte dann
aus dem buntbeschrie
benen Papier einen ganz

SPOKEN

GRAN

verzwickten und romantischen Namen zusammen, der aus den Lauten verschiedener Rassen abenteuerlich gemischt erschien und den Lonio Kröger im nächsten Augenblick wieder vergessen hatte. - Welcher," fuhr er fort,,,von unbekannten Eltern und unbestimmter Zuständigkeit wegen vers schiedener Betrügereien und anderer Vergehen von der Münchener Polizei verfolgt wird und sich wahrscheinlich auf der Flucht nach Dänemark befindet?"

Ich gebe das nicht nur an," sagte Tonio Kröger und machte eine nervöse Bewegung mit Dies rief einen gewissen Eins

den Schultern.

druck hervor.

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,,Wie? Uch so, na gewiß!" sagte der Polizist. ,,Aber daß Sie auch gar nichts vorweisen können!" Auch Herr Seehaase legte sich beschwichtigend ins Mittel.

,,Das Ganze ist eine Formalität,“ sagte er, ,,nichts weiter! Sie müssen bedenken, daß der Beamte nur seine Schuldigkeit tut. Wenn Sie fich irgendwie legitimieren könnten. . . Ein

Papier..."

Alle schwiegen. Sollte er der Sache ein Ende machen, indem er sich zu erkennen gab, indem er Herrn Seehaase eröffnete, daß er kein Hochstapler von unbestimmter Zuständigkeit sei, von Geburt kein Zigeuner im grünen Wagen, sondern der Sohn Konsul Krögers, aus der Familie der Kröger? Nein, er hatte keine Lust dazu. Und waren diese Männer der bürgerlichen Ordnung nicht im Grunde ein wenig im Recht? Gervisser maßen war er ganz einverstanden mit ihnen.. Er zuckte die Achseln und blieb stumm.

,,Was haben Sie denn da?" fragte der Polizist. Da, in dem Porteföhch?"

,,Hier? Nichts. Es ist eine Korrektur," ants wortete Tonio Kröger.

,,Korrektur? Wieso? Lassen Sie mal sehen." Und Tonio Kröger überreichte ihm seine Ar beit. Der Polizist breitete sie auf der Pultplatte aus und begann darin zu lesen. Auch Herr Seehaase trat näher herzu und beteiligte sich an

der Lektüre. Lonio Kröger blickte ihnen über die Schultern und beobachtete, bei welcher Stelle Se seien. Es war ein guter Moment, eine Pointe und Wirkung, die er vortrefflich herausgearbeitet hatte. Er war zufrieden mit sich.

„Sehen Sie!" sagte er. „Da steht mein Name. Ich habe dies geschrieben, und nun wird es veröffentlicht, verstehen Sie."

,,Nun, das genügt!" sagte Herr Seehaase mit Entschluß, raffte die Blätter zusammen, faltete sie und gab sie ihm zurück. „Das muß genügen, Petersen!" wiederholte er kurz, indem er verstohlen die Augen schloß und abwinkend den Kopf schüttelte. Wir dürfen den Herrn nicht länger aufhalten. Der Wagen wartet. Ich bitte sehr, die kleine Störung zu entschuldigen,

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mein Herr. Der Beamte hat ja nur seine Pflicht getan, aber ich sagte ihm sofort, daß er auf falscher Fährte sei..."

So? dachte Lonio Kröger.

Der Polizist schien nicht ganz einverstanden; er wandte noch etwas ein von ‚Individium' und ,vorweisen. Aber Herr Seehaase führte seinen Gast unter wiederholten Ausdrücken des Bedauerns durch das Vestibül zurück, geleitete ihn zwischen den beiden Löwen hindurch zum Wagen und schloß selbst unter Uchtungsbezeugungen den Schlag hinter ihm. Und dann rollte die lächer lich hohe und breite Droschke stolpernd, klirrend und lärmend die steilen Gassen hinab zum Hafen

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Dies war Lonio Krögers seltsamer Aufenthalt in seiner Vaterstadt.

7.

Die Nacht fiel ein, und mit einem schwim menden Silberglanz stieg schon der Mond empor, als Lonio Krögers Schiff die offene See gewann. Er stand am Bugspriet, in seinen Mantel gehüllt vor dem Winde, der mehr und mehr erstarkte, und blickte hinab in das dunkle Wandern und Treiben der starken, glatten Wellenleiber dort unten, die umeinander schwankten, sich klatschend begegneten, in unerwarteten Richtungen auseinanderschossen und plößlich schaumig aufleuchteten. ..

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