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in Lonios Augen sah, entstand etwas wie reuiges Besinnen in seinem hübschen Gesicht.

,,Übrigens werde ich nächstens,Don Carlos' lesen!" sagte er rasch.,,Das mit dem König im Kabinett muß famos sein!" Dann nahm er seine Mappe unter den Arm und lief durch den Vorgarten. Bevor er im Hause verschwand, nickte er noch einmal zurück.

Und Tonio Kröger ging ganz verklärt und beschwingt von dannen. Der Wind trug ihn von hinten, aber es war nicht darum allein, daß er so leicht von der Stelle kam.

Hans würde,Don Carlos' lesen, und dann würden sie etwas miteinander haben, worüber weder Jimmerthal noch irgend ein anderer mitreden konnte! Wie gut sie einander verstanden! Wer wußte, — vielleicht brachte er ihn noch dazu, ebenfalls Verse zu schreiben?... Nein, nein, das wollte er nicht! Hans sollte nicht werden, wie Lonio, sondern bleiben, wie er war, so hell und stark, wie alle ihn liebten und Tonio am meisten! Aber daß er,Don Carlos' las, würde trotzdem nicht schaden... Und Lonio ging durch das alte, untersetzte Tor, ging am Hafen entlang und die steile, zugige und nasse Giebelgasse hinauf zum Haus seiner Eltern. Damals lebte sein Herz; Sehns sucht war darin und schwermütiger Neid und ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit.

2.

Die blonde Inge, Ingeborg Holm, Doktor Holms Tochter, der am Markte wohnte, dort, wo hoch, spißig und vielfach der gotische Brunnen stand, sie war's, die Tonio Kröger liebte, als er sechzehn Jahre alt war.

Wie geschah das? Er hatte sie tausendmal ge= sehen; an einem Abend jedoch sah er sie in einer gewissen Beleuchtung, sah, wie sie im Gespräch mit einer Freundin auf eine gewisse übermütige Art lachend den Kopf zur Seite warf, auf eine gewisse Art ihre Hand, eine gar nicht besonders schmale, gar nicht besonders feine Klein-Mädchen. hand zum Hinterkopfe führte, wobei der weiße Gazeärmel von ihrem Ellenbogen zurückglitt, hörte, wie sie ein Wort, ein gleichgültiges Wort, auf eine gewisse Art betonte, wobei ein warmes Klingen in ihrer Stimme war, und ein Entzücken ergriff sein Herz, weit stärker als jenes, das er früher zuweilen empfunden hatte, wenn er Hans Hansen betrachtete, damals, als er noch ein kleiner, dummer Junge war.

An diesem Abend nahm er ihr Bild mit fort, mit dem dicken, blonden Zopf, den länglich ge= schnittenen, lachenden, blauen Augen und dem zart angedeuteten Sattel von Sommersprossen über der Nase, konnte nicht einschlafen, weil er das Klingen in ihrer Stimme hörte, versuchte leise, die Betonung nachzuahmen, mit der sie das gleichgültige

Wort ausgesprochen hatte und erschauerte dabei. A Die Erfahrung lehrte ihn, daß dies die Liebe sei.

Aber obgleich er genau wußte, daß die Liebe ihm viel Schmerz, Drangsal und Demütigung bringen müsse, daß sie überdies den Frieden zerstöre und das Herz mit Melodien überfülle, ohne daß man Ruhe fand, eine Sache rund zu formen und in Gelassenheit etwas Ganzes daraus zu schmieden, so nahm er sie doch mit Freuden auf, überließ sich ihr ganz und pflegte sie mit den Kräften seines Gemütes, denn er wußte, daß sie reich und lebendig mache, und er sehnte sich, reich und lebendig zu sein, statt in Gelassenheit etwas Ganzes zu schmieden..

...

Dies, daß Tonio Kröger sich an die lustige Inge Holm verlor, ereignete sich in dem ausge= räumten Salon der Konsulin Husteede, die es an jenem Abend traf, die Lanzstunde zu geben; denn es war ein Privatkursus, an dem nur Angehörige von ersten Familien teilnahmen, und man vers sammelte sich reihum in den elterlichen Häusern, um sich Unterricht in Lanz und Anstand erteilen zu lassen. Aber zu diesem Behufe kam allwöchent lich Ballettmeister Knaak eigens von Hamburg herbei.

François Knaak war sein Name, und was für ein Mann war das! J'ai l'honneur de me vous représenter," sagte er,,,mon nom est Knaak... Und dies spricht man nicht aus, während man

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sich verbeugt, sondern wenn man wieder aufrecht steht, gedämpft und dennoch deutlich. Man ist nicht täglich in der Lage, sich auf Französisch vorstellen zu müssen, aber kann man es in dieser Sprache korrekt und tadellos, so wird es einem auf Deutsch erst recht nicht fehlen." Wie wunder= bar der seidig schwarze Gehrock sich an seine fetten Hüften schmiegte! In weichen Falten fiel sein Beinkleid auf seine Lackschuhe hinab, die mit breiten Atlasschleifen geschmückt waren, und seine brau nen Augen blickten mit einem müden Glück über ihre eigene Schönheit umher

...

Jedermann ward erdrückt durch das Übermaß seiner Sicherheit und Wohlanständigkeit. Er schritt und niemand schritt wie er, elastisch, wogend, wiegend, königlich- auf die Herrin des Hauses zu, verbeugte sich und wartete, daß man ihm die Hand reiche. Erhielt er sie, so dankte er mit leiser Stimme dafür, trat federnd zurück, wandte sich auf dem linken Fuße, schnellte den rechten mit niedergedrückter Spiße seitroärts vom Boden ab und schritt mit bebenden Hüften davon.

Man ging rückwärts und unter Verbeugungen zur Tür hinaus, wenn man eine Gesellschaft verließ, man schleppte einen Stuhl nicht herbei, ins dem man ihn an einem Bein ergriff, oder am Boden entlang schleifte, sondern man trug ihn leicht an der Lehne herzu und setzte ihn geräusch los nieder. Man stand nicht da, indem man die

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