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Die Infanterie wird somit immer die Hauptwaffe, die Masse der Volksheere bilden. Ueberall dort in der Geschichte, wo Kultur und ein gewisser Grad von Kriegskunst sich finden, ist dies der Fall.

Die Infanterie ist für die heutigen Heere die wichtigste Waffe des Gefechtsfeldes, wenn sie auch von der Artillerie im Feuergefecht an Wirkungsweite und Geschoßkraft, von der Kavallerie beim Angriff an Schnelligkeit und Stoßkraft übertroffen wird. Das Gelände ist der natürliche Bundesgenosse der Fußtruppe. In bedeckter, hindernißreicher Gegend, bei Nacht und Nebel fällt die Last des Kampfes dieser Waffe fast ausschließlich zu. Bei der Zufallsschlacht in wechselndem Gelände ist ihr der Haupttheil der Kampfarbeit beschieden. Nur in der vorbedachten Schlacht in übersichtlicher Gegend, sowie beim Kampf um befestigte Stellungen überläßt sie der Artillerie nicht nur eine wesentliche Mitwirkung, sondern auch einen Theil der Vorbedingungen des Erfolges. Aber auch hier wie überall entscheidet der Infanteriekampf allein über den dauernden Besitz des Geländes.

Durch die Vervollkommnung der Schußwaffen hat das Feuergefecht in hohem Grade an Gewalt und Bedeutung gewonnen. Noch zur Zeit Napoleons war der Bajonettangriff geschlossener Kolonnen die eigentliche Kampfesthat der Infanterie. Das Feuergefecht der Tirailleurs hatte nur eine vorbereitende, unterstüßende Bedeutung. Heute hat der Bajonettangriff aufgehört, ein selbstständiger Gefechtsakt zu sein; er ist nicht mehr im Stande, aus eigener Kraftäußerung das Feuer zu überwinden, er kann nur ausbeuten. Der Erfolg des Bajonettangriffs hängt von dem vorhergegangenen Erfolge des Feuergefechts, von der Ausnutzung des Augenblicks ab.

Das Feuergefecht nimmt den weitaus größten Theil der Zeit und Kraft in Anspruch und macht die höchsten Ansprüche an die Eigenschaft der Truppe. Seine vernichtende Gewalt straft jeden voreiligen Gebrauch der blanken Waffe auf das Empfindlichste. Dennoch kann die Nothwendigkeit des Bajonettangriffs für die Entscheidung des Gefechts dadurch nicht aufgehoben werden, auch nicht für die Vertheidigung, sofern sie eine gänzliche Niederwerfung des Gegners beabsichtigt. Zwar kommt es zum wirklichen Gebrauch des Bajonetts im Kampfe Mann an Mann nur selten, und wo dies, bei unerwartetem Anprall auf nahe Entfernung, in Wäldern, Dörfern u. s. w., sich ereignen sollte, tritt erfahrungsmäßig die Feuerwaffe keineswegs außer Thätigkeit; dennoch ist das Drohen mit dem Bajonett im Anlauf immer eine Nothwendigkeit, wo es gilt, einen Gegner zu vertreiben und von seiner Stellung Besitz zu nehmen. Und so kann man sagen, daß auch heute, zur Zeit der Hinter=

lader und der Magazingewehre, nach wie vor der Lorbeer des Sieges vor der Spitze des Bajonetts schwebt.

Die Gewalt des Feuers nöthigt zur Deckung. Dörfer, Gehöfte und Wälder sind die Brennpunkte des heutigen Gefechts.

Das heutige Infanteriegefecht kennzeichnet sich durch langdauernden Kampf der in Deckungen eingenisteten Feuerlinie, welche, gestärkt durch zurückgehaltene Kräfte, den Gegner im zähen Feuergefecht zu überbieten sucht, damit der Ausgang für einen Bajonettstoß gewonnen werde. Es kennzeichnet sich durch das ununterbrochene, betäubende Rollen des Kleingewehrfeuers, dann und wann begleitet von dem Hurrah eines Anlaufes und nur für kurze Zeit unterbrochen oder übertönt von dem schlagenden Tambour geschlossen angreifender Kolonnen.

Die heute noch bestehenden verschiedenen Gattungen des Fußvolks haben ihre Begründung in der Geschichte. Wenn eine für bestimmten Zweck geschaffene Sondertruppe sich bewährt, eine ruhmvolle Vergangenheit gewonnen hat, so hat sie ein Anrecht auf Eigenart, Namen und Ueberlieferung auch dann, wenn der Grund und Zweck ihres Entstehens nicht mehr vorhanden ist.

Begründet in der Nothwendigkeit verschiedenartiger Bewaffnung und Verwendung, geht durch die ganze Geschichte der Begriff der schweren und der leichten Infanterie. Vor Einführung der Feuerwaffen forderte der Nahkampf schwere Schutz- und Truzwaffen, geschlossene Ordnung im Ansturm. Zum Fernkampf brauchte man besondere, leichte, zerstreut fechtende Schaaren.

Bis zur Einführung des Bajonetts mußte diese Trennung des Nahund Fernkampfes in die Zeit der Feuerwaffen nachdauern. Man hatte leichtbewaffnete, anfangs zerstreut kämpfende Schüßen (Musketiere) und die geschlossenen, schweren Haufen der Spießer (Pickeniere).

Auch unsere Jäger, obgleich sie besondere Eigenthümlichkeiten und ein abweichendes Reglement sich bewahrt haben, müssen in den Rahmen. der Einheits-Infanterie eintreten. Ihre geschichtliche Berechtigung ruht in ihrer Eigenschaft als „Büchsenschützen“, in der besonderen Bewaffnung. Die Pirschbüchse, für die Masse der Infanterie wegen der langsamen Ladeweise und der Kostbarkeit des einzelnen Schusses nicht brauchbar, war eine furchtbare Kriegswaffe in der Hand des Jägers, des Forstmanns. Daher die Verquickung unseres Jägerthums mit dem Forstwesen. Zu diesem Zweck werden die Jäger einer Infanterie-Brigade zugetheilt. Man nimmt sie gerne in die Avantgarde und dorthin, wo Gewandtheit und guter Einzelschuß gefordert wird.

Die Kavallerie ist die Waffe der Schnelligkeit. Ihre höchste Bedeutung liegt im Aufklärungs- und Sicherheits-Dienst. Sie ist das Auge des Feldherrn. Die Erfolge ihrer aufklärenden Thätigkeit sind die ersten und wichtigsten Vorbedingungen für eine glückliche Kriegführung. Diese Bedeutung ist für alle Zeiten gesichert. Eine Reiterei, welche in der Verdeckung der eigenen, in der Aufklärung der feindlichen Maßregeln dem Gegner überlegen ist, macht sich dadurch allein im vollsten Maße bezahlt; die Schlachtenthätigkeit ist ein Uebriges.

In zweiter Linie ist die Kavallerie die Waffe der Verfolgung. Sie allein ist im Stande, den fliehenden Feind einzuholen, Augenblicke der Verwirrung und Unordnung auszunußen, durch das bloße Erscheinen oder durch das Feuer der sie begleitenden Artillerie, abgesessener Reiter den Schrecken zu vermehren, den in Ordnung zurückgehenden Feind in Kämpfe zu verwickeln und bis zum Eingreifen der eigenen Infanterie festzuhalten.

Die Gefechtseigenthümlichkeiten der Kavallerie beruhen auf der Natur, den Tugenden und Mängeln des Pferdes. Dieses ist besonders geeignet zum Anlauf gegen den Feind, sowohl durch die ihm eigene Schnelligkeit und Wucht der Masse, als auch durch das leicht erregbare feurige Temperament. Dadurch entsteht jener ungestüme Muth, jenes kecke, waghalsige Draufreiten, durch welches der echte Reitergeist sich offenbart, im Gegensatze zu dem zähen und nachhaltigen Kampfe des Fußvolks. Dagegen ist das Pferd wenig geeignet zu einem unthätigen Ausharren im feindlichen Feuer, und noch weniger kann es den Schuß des eigenen Reiters ertragen. Daher ist diese Waffe in keiner Weise zum Feuergefecht befähigt. Damit fehlt ihr aber auch die Begabung zu einer Vertheidigung, zur Behauptung und Festhaltung eines Gegenstandes des Geländes. In einem Gelände, in einer Gefechtslage, welche die Attacke ausschließen, ist die Kavallerie wehrlos, es sei denn, daß sie vom Pferde steigt und als Infanterie das Gefecht mit dem Karabiner führt.

Die Kavallerie ist die Waffe der Ueberraschung, des ungestümen Angriffs, und zwar in solchem Grade und in solcher Einseitigkeit, daß selbst ihre Vertheidigung im Gegenangriff besteht. Eine Reiterschaar kann bei günstigen Gefechtsverhältnissen sehr wohl in feindliche Stellungen eindringen, Bataillone niederreiten, Batterien nehmen, Schlachtfelder überfluthen (Vionville), aber diese Erfolge in nachhaltiger Vertheidigung zu behaupten, vermag sie nicht.

Diese an und für sich einseitige Kampfesfähigkeit wird für das Gefecht verbundener Waffen noch weiter eingeschränkt durch die

Abhängigkeit der Kavallerie vom Gelände und von der Gunst des Augenblicks.

Wenn auch für die Bewegungen einer braven Reiterei keine Hindernisse vorhanden sein sollen, so braucht doch zum Kampfe, zur vollen Ausbeute des geschlossenen Anpralls, die Kavallerie ein ziemlich ebenes, offenes Gelände. Bedeckungen (Dörfer, Waldungen u. s. w.), durchschnittenes Gelände, die heutigen Tummelpläge der Infanterie, schließen die Kampfesthätigkeit berittener Truppen aus. So fehlt für das Eingreifen größerer Kavalleriemassen in den heutigen Schlachten vielfach der Raum.

Seltener noch zeigt sich die Gunst des Augenblicks. Das ungeschwächte Feuer der Infanterie und der Artillerie ist ein furchtbarer Feind jedes gewaltsamen Ansturmes. Nur dann, wenn dieses Feuer gedämpft, des Feindes Kraft gebrochen ist, oder wenn man durch gänzliche Ueberraschung die Anwendung dieses verderblichen Widerstandsmittels unmöglich machen kann, möchte der Augenblick günstig sein.

Aber nur der Augenblick ist günstig; nur ein schnelles und entschlossenes Zugreifen fesselt das Glück. Eine verlorene kleine Spanne Zeit, und die Widerstandskraft der gebrochenen Schaaren des Feindes ist wiederhergestellt, die Fliehenden finden in Bedeckungen, in Hindernissen, in neu auftretenden Schaaren Rettung und Schuß; die lähmende Kraft der Ueberraschung muß der Besinnung eines ruhigen Widerstandes weichen. Hieraus folgt die große Schwierigkeit der Kavallerieverwendung in der Schlacht. Sie ist die Sache des Glückes und des Genies. Während kleinere Körper häufiger in der Lage sein werden, zur Stelle zu sein, wird größeren Massen dies Glück nur selten zu Theil. Weniger im Stande, dem Infanteriegefecht sich anzuschmiegen, meist genöthigt, in gewisser Entfernung sich zurückzuhalten, brauchen sie Zeit und Raum zum Eingreifen. Vor allen Dingen aber brauchen sie ein entsprechendes Massenziel, und wie selten bietet sich ein solches in der nothwendigen Verfassung und in günstigem Gelände.

Die Kavallerie fann durch die Summe mancher Theilerfolge den glücklichen Fortgang der Schlacht wesentlich fördern, sie kann durch bedrohliches Erscheinen in Flanke und Rücken des Feindes eine glückliche Wendung herbeiführen, sie kann durch aufopfernden Todesritt eine schwere Gefechtslage erleichtern (Brigade Bredow bei Vionville, 1. GardeDragoner-Regiment bei Mars la Tour), sie kann auch in kleinen Verhältnissen durch ihr Eingreifen den Ausschlag geben, aber wenn man nach der Regel fragt, so ist in der Schlacht die Aufgabe der Kavallerie

massen mehr eine ausbeutende, wie eine entscheidende: die Infanterie mit der Artillerie erringt den Sieg, die Kavallerie vollendet ihn.

Es ist eine auffallende Thatsache, daß die Reiterei ihrem eigenthümlichen Kampfeselemente, dem geschlossenen Anlauf in der Karriere, erst im vorigen Jahrhundert durch den Genius Friedrichs des Großen ganz und voll übergeben wurde. (Vorübergehende Erscheinungen: Cromwell, Karl XII.)

Die Reitgewandtheit und Disziplin, welche ein geschlossener Ansturm erfordert, scheint in den Kulturstaaten des Alterthums der Reiterei nicht eigen gewesen zu sein. Die römische Reiterei stieg häufig vom Pferde, I um zu Fuß zu kämpfen.

Friedrich der Große, mit klarem Blick die Schwächen der Lineartaktik erkennend, machte den geschlossenen Ansturm seiner Kavallerie zum vornehmsten Mittel der Schlachtenentscheidung. Dem Feinde im Angriffe stets vorzukommen, wurde die Ehrenpflicht jedes Kavallerie-Offiziers. Gewandtheit in den Bewegungen, aber auch äußerster Grad von Ge= schlossenheit, wie wir sie heute nicht mehr kennen (Attacke en muraille, die Reiter Knie an Knie), unversieglicher Angriffsdrang machten die preußische Reiterei unwiderstehlich.

Man unterschied und unterscheidet schwere und leichte, manchenorts auch eine mittlere Kavallerie.

Das Ritterthum ist die vollendetste Vertretung des Begriffs der schweren Kavallerie. Das Gewicht der Panzerung von Mann und Roß war so bedeutend, daß nur ausgewählt starke Pferdearten Verwendung finden konnten. Die heutigen mit Brust- und Rückenpanzer versehenen Kürassiere sind eine leßte Erinnerung an das Ritterthum.

Als die Einführung der Feuerwaffen und der Verfall des Ritterthums den Harnisch langsam verdrängten, entstand eine leichte SchlachtenReiterei: die berühmten deutschen Reiter, später die Dragoner. Im Heere Friedrichs des Großen bestand die Schlachten-Kavallerie aus Kürassieren als schwerer und Dragonern als leichter Reiterei. Das Bedürfniß nach Vermehrung der letteren, die Nothwendigkeit einer besonderen Reiterei für den Aufklärungsdienst und für den kleinen Krieg, führte schon vor dem Regierungsantritt Friedrichs des Großen zur Aufstellung von Husaren.

Der Streit zwischen Säbel und Lanze ist wohl so alt wie die Reiterei selbst. Im Mittelalter herrschte die ritterliche Lanze, nach ihr wurden die bestehenden kleinen Verbände der damaligen Heere benannt. Mit der Annahme der Schußwaffen legte man nach und nach die Lanze bei Seite, sie verschwand auf fast 2 Jahrhunderte in den Heeren West

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