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Meine Herren, vergessen wir doch nicht, daß seit dem Verfall der deutschen Kaisermacht Deutschland das Schlachtfeld und das Entscheidungsobjekt für die Händel aller Anderen gewesen ist, daß Schweden, Franzosen und Deutsche Deutschland auf mehr als ein Jahrhundert in eine Wüste verwandelt haben. Auch später noch. Sind nicht die großen Trümmer am Neckar, am Rhein und tief ins Land hinein. bleibende Denkmäler unserer einstigen Schwäche und des Uebermuths unserer Nachbarn?

Wer möchte auch nur die Tage zurückrufen, wo auf das Machtgebot eines fremden Herrschers deutsche Kontingente gegen Deutschland marschiren mußten!

Nein, meine Herren, schützen wir vor Allem die Ehre und die Sicherheit des Reiches, wahren wir die langersehnte, die endlich erreichte Einheit der Nation, fahren wir fort, Frieden zu halten, so lange man uns nicht angreift, Frieden zu schüßen auch nach außen, soweit unsere Kräfte reichen! Wir werden in diesem Bestreben vielleicht nicht allein stehen, sondern Bundesgenossen finden. Darin liegt dann eine Drohung für Niemand, wohl aber eine Bürgschaft für friedliche Zustände in unserem Welttheil, vorausgesetzt, daß wir stark und gerüstet sind. Mit schwachen Kräften, mit Armeen auf Kündigung läßt sich das Ziel nicht erreichen; nur in der eigenen Kraft ruht das Schicksal jeder Nation. (Rede am 1. März 1880.)

Die Lage Europas (1880).

v. Bennigsen. Günstiger ist die politische Lage von Deutschland seit 1874 sicherlich nicht geworden. Der verehrte Graf v. Moltke hat bereits darauf hingewiesen, in welchem Maße seit den ersten siebenziger Jahren die französischen Heereseinrichtungen vermehrt und verbessert worden sind. Wir haben bei einer Heereseinrichtung in Frankreich, welche in der ersten Feldaufstellung der französischen Armee ungefähr nur die halbe Ziffer gehabt hat, wie die Summen, die jetzt vorhanden sind, dabei haben wir es doch erlebt, daß, nachdem die französische Armee gefangen, gefallen und eingeschlossen war und trotzdem, daß der erste Stratege unserer Zeit die deutschen Armeen führte, die Franzosen noch Monate lang einen für uns gar nicht ungefährlichen Widerstand haben leisten können.

Meine Herren, die natürliche militärische Befähigung des französischen Volkes ist so groß, daß ein Krieg mit dieser Nation, abgesehen

davon, daß ein Krieg immer ein Unglück ist, unter allen Umständen ein gefährliches Unternehmen für jeden Nachbar Frankreichs sein wird. Wie viel ernsthafter wird also der Kampf werden, nachdem jetzt die Vermehrung der französischen Heere und die Verstärkung der französischen Wehrkraft in einem solchen Maße eingetreten ist. Wir hätten wohl erwarten können nach dem letzten Kriege, daß eine solche Verstärkung der französischen Wehrkraft neben den ungeheuren Opfern, die ohnehin ihnen zugemuthet waren nach einem verlorenen Krieg, nicht von den Franzosen versucht würde. Ja, gegen wen rüsten denn die Franzosen eigentlich? Ist seit Jahrhunderten Frankreich von irgend einem der Nachbarländer angegriffen worden? Ist es namentlich von Deutschland jemals angegriffen worden? Sind nicht alle Kriege, die seit mehreren Jahrhunderten geführt wurden und bei denen Frankreich betheiligt war, wesentlich von Frankreich provozirt worden? Ist Deutschland jemals der Angreifer gewesen? Wenn also so umfangreiche Rüstungen in Frankreich vorgenommen sind, wo doch die friedliche Gesinnung unserer Regierung und des deutschen Volkes feststeht, so kann das keinen andern Zweck haben, als unter Umständen, wie es so oft geschehen ist, diese so vermehrten Armeen gegen uns zu gebrauchen. Ich weiß wohl, es ist verschiedentlich früher davon die Rede gewesen, in Frankreich ist das ein sehr beliebtes Thema, wenn die deutsche Politik im Jahre 1871 schwach genug gewesen wäre, trotz des entscheidenden Sieges die alten deutschen Provinzen Elsaß-Lothringen Frankreich nicht wieder abzunehmen, so würden wir einer viel friedlicheren Zukunft in dem Verhältniß zwischen Deutschland und Frankreich entgegen gegangen sein. Meine Herren, eine thörichtere Illusion kann ich mir gar nicht denken.

Wenn Frankreich in der Lage wäre, jeder Zeit einen großen Krieg zu führen, wo es im schlimmsten Fall, selbst wenn es vollständig besiegt am Boden liegen würde, gar keinen Verlust an Land, auch nicht an alten deutschen Stammländern erleiden würde, was wird denn diese an sich kriegsluftige Nation von einem solchen Wagniß abhalten bei jeder günstigen oder passend scheinenden Gelegenheit? Nein, meine Herren, wenn wir uns abermals so schwach bewiesen hätten im Jahre 1871, wie wir es waren im Jahre 1815, das Revanchegeschrei für Sedan und Paris, das Gelüste nach der Rheinprovinz würde heutzutage in Frankreich viel stärker sein. Die Kriegsgefahr würde nicht geringer sein, sondern eine vermehrte, denn die Franzosen würden dann den Krieg führen können auch noch mit den Hülfskräften und diese sind nicht unbedeutend von Elsaß-Lothringen und mit

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einer werthvolleren und für uns viel gefährlicheren militärischen Angriffsfront.

Was die übrigen politischen Verhältnisse anlangt, so hatten wir damals im französischen Krieg das Glück, daß wir unsere ganzen Kräfte gegen Frankreich verwenden konnten. Wir brauchten keine Aufstellung an anderen Fronten, wir brauchten kaum eine Besetzung der Grenzen im Often zu machen. Ob wir unter allen Umständen in derselben Lage sein werden, wenn Frankreich wieder einen Angriff gegen uns versuchen sollte? Wer wird wagen, das zu behaupten. Die friedlichste Gesinnung des jetzigen Herrschers von Rußland sichert uns nicht vollständig bei den Zuständen in diesem Reiche. Wenn wir unbefangen die Zustände in unseren Nachbarländern prüfen, so können wir uns dem nicht verschließen, so unangenehm es uns auch sein mag: in sehr einflußreichen Kreisen Rußlands ist, wie ich hinzufüge, zum Schaden der eigenen inneren russischen Verwaltung, die Antipathie gegen alles Deutschthum in einer erschreckenden Weise gewachsen. Wer kann behaupten, daß zu jeder Zeit die russische Regierung stark genug sein wird, um dem weiteren Anwachsen der panslavistischen Bewegung Widerstand zu leisten, wenn diese einen Angriffskrieg für ihre panslavistischen Pläne auf das übrige Europa von der russischen Regierung fordert.

Wenn nun die politischen Verhältnisse seit dem Jahr 1874 sicherlich nicht günstiger geworden sind, so ist allerdings ein Lichtblick vorhanden, das ist das Verhältniß von Deutschland zu Desterreich-Ungarn. Man hat gewiß mit vollem Recht ausgesprochen, daß die diplomatisch-politische Aktion des Kanzlers im vorigen Jahr, welche ein politisches Bündniß zwischen Deutschland und Desterreich-Ungarn herbeigeführt hat, daß diese diplomatischpolitische Aktion unseres Kanzlers in die Geschichte seiner politischen Thätigkeit eines der unverwelklichsten Lorbeerblätter hineinflicht.

(Aus einer Rede, 1880.)

Die Abrüftungsvorschläge.

von der Golg. Es ist etwas vollkommen Natürliches, wenn die großen Kulturvölker der Gegenwart ihre kriegerische Rüstung mehr und mehr vervollständigen, um im Nothfalle einen rücksichtslosen Gebrauch aller ihrer Kräfte machen zu können. Die Zeit der Kabinetskriege ist vorüber. Die Kriege sind gänzlich zur Sache der Nationen geworden.

Auch wer kriegerischen Unternehmungen persönlich abgeneigt ist, fühlt die Pflicht, sich ihnen ganz zu widmen, sobald der Sieg oder die Niederlage seines Vaterlandes auf dem Spiele steht. Niemand ist da, der ein solches Empfinden nicht als Tugend verehrte. Der Krieg muß aber auf vollständige Niederwerfung des Gegners ausgehen. Das führt nothwendigerweise zum entscheidenden Gebrauch aller Mittel, der geistigen wie der materiellen, um den Gegner niederzuwerfen, und darum ist es recht und billig, die vorhandenen Kräfte schon im Frieden so vorzubereiten, daß sie auf den Fall der Noth im Kriege verwendet werden können.

Wollte ein Volk aus Humanität nicht bis zum Ende gehen, sondern in Anwendung seiner Kraft auf einer vorher bestimmten Linie Halt machen, so würde es sich bald gegen seinen Willen fortgerissen sehen. Kein Feind möchte sich gebunden erachten, eine gleiche Beschränkung eintreten zu lassen. Vielmehr würde Jeder die freiwillige Zurückhaltung des Andern sofort zum Ueberbieten an Leistungen benutzen.

Alle Erkenntniß, daß die Opfer, welche die Völker der Ausbildung ihres Heerwesens bringen, schwer auf den Schultern des lebenden Geschlechtes lasten, vermag hierin nichts zu ändern. Dasjenige Volk, welches zuerst in dieser Beziehung mit dem Rückschritte beginnen möchte, würde alsbald Stellung, Macht und Stimme verlieren. Es hätte die Kosten jeder entstehenden Reibung zu tragen und möchte, durch diese trübe Erfahrung belehrt, sehr bald nach der Weise der Andern zu rüsten beginnen, um das Versäumte nachzuholen. Alle AbrüstungsVorschläge bewegen sich in Verkennung des gegenwärtigen staatlichen Lebens. Von unseren Begriffen von nationaler Größe ist der nationale Egoismus unzertrennlich. Dieser wird immer, wenn andere Mittel versagen, zu den Waffen rufen, und wo sollte dann wohl ein Schiedsgericht herkommen, das Frieden zu gebieten vermag? Nur ein Weltreich könnte dies. Weltreiche aber sind durch Kriege emporgewachsen und von Kriegen unzertrennlich.

Das gegenseitige Mißtrauen der Völker macht die AbrüstungsVorschläge sogar äußerst verdächtig. Der erste erging im Winter von 1800 zu 1801 von dem Konsul Bonaparte an die Gesandten Desterreichs und Preußens. „Der Wiener Hof begehre sicherlich nichts Besseres, aber die Schwierigkeit bestände gerade darin, den Berliner Hof dafür zu gewinnen", war die kluge österreichische Antwort. Auf diesem Standpunkte wird die Sache ewig bleiben. Eine jede Macht muß von der andern den ersten Schritt verlangen, und aus Sorge vor L. Hahn.

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den anderen wird keine diesen ersten Schritt thun wollen, eine jede vielmehr ihre Waffen scharf halten.

Nur diejenige Nation ist sicher, welche sich in jedem Augenblicke bereit hält, ihre Unabhängigkeit mit dem Schwerte in der Hand zu vertheidigen.

Der Nußen der Ausgaben für die Armee.

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v. Bismarck. Ich muß doch wiederholt davor warnen, im Publikum die Meinung zu verbreiten, daß die Ausgaben für die Armee unproduktive Ausgaben seien, und ich bin überzeugt, die Herren würden an diesem Bau nicht so oft rütteln, wenn sie nicht ganz sicher wären, daß sie ihn nicht einreißen. Unproduktiv in demselben Maße wie die Armee sind etwa Dämme, die eine Niederung vor Ueberschwemmung schützen. Die Kosten daran zu sparen, kann sehr theuer werden. Die Kosten, die wir an der Armee sparen, indem wir etwa von einer 21⁄2 jährigen Dienstzeit auf eine zweijährige zurückgehen der Herr Vorredner hat selbst zugegeben, es könnten dabei im Anfange Unfälle vorkommen diese anfänglichen Unfälle könnten allein schon viel mehr kosten, als lang= jährige Ersparnisse einbringen. Führten diese Unfälle aber gar zu der Erhebung von Kriegs- Kontributionen, meine Herren, die möchten doch ganz anders ausfallen als dieser unerträgliche Steuerdruck", der jett auf dem Volke lastet. Deshalb meine ich, daß die Armee als etwas Unproduktives hier mit Unrecht betrachtet wird. Gerade wie ein Dach) vor dem Wetter schüßt, ein Deich vor der Ueberschwemmung, so schüßt das Heer unsere Produktivität in ihrem ganzen Umfange.

Das Heer eine Schußwehr gegen Hochwasser.

Wenn die Bundesarmee durch ein jährliches Votum in Frage geftellt werden sollte, meine Herren, es würde mir das den Eindruck eines Deichverbandes machen, in dem jedes Jahr nach Kopfzahl darüber abgestimmt wird, ob die Deiche bei Hochwasser durchstochen werden sollen oder nicht; aus solchem Deichverbande würde ich einfach ausscheiden, da wäre mir das Wohnen zu unsicher, und ich würde mich der Gefahr nicht hingeben, daß einmal Diejenigen, die die Wirthschaft mit freier Weide wünschen, über Diejenigen mit bestellten und wasserfreien Aeckern die Oberhand gewännen und alle durch eine Wasserfluth zu Grunde gingen.

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