Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

VI.

Die bürgerliche Stellung der Offiziere.

Kaiser Wilhelm und die Ehre der Offiziere.
(Allerhöchste Ordre.)

Ich will, daß die heute von Mir vollzogene Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere in Meinem Heere in dem Geiste verstanden und angewendet wird, der Mein Heer von Alters her ausgezeichnet hat.

Die

Ich erwarte daher von dem gesammten Offizierkorps Meines Heeres, daß ihm, wie bisher, so auch in Zukunft, die Ehre das höchste Kleinod sein wird; dieselbe rein und fleckenlos zu erhalten, muß die heiligste Pflicht des ganzen Standes, wie des Einzelnen bleiben. Erfüllung dieser Pflicht schließt die gewissenhafte und vollständige Erfüllung aller anderen Pflichten des Offiziers in sich. Wahre Ehre kann ohne Treue bis in den Tod, ohne unerschütterlichen Muth, feste Entschlossenheit, selbstverleugnenden Gehorsam, lautere Wahrhaftigkeit, strenge Verschwiegenheit, wie ohne aufopfernde Erfüllung selbst der anscheinend kleinsten Pflichten nicht bestehen. Sie verlangt, daß auch in dem äußeren Leben des Offiziers sich die Würde ausdrücke, die aus dem Bewußtsein hervorgeht, dem Stande anzugehören, dem die Vertheidigung von Thron und Vaterland anvertraut ist. Der Offizier soll bestrebt sein, nur diejenigen Kreise für seinen Umgang zu wählen, in denen gute Sitte herrschend ist, und darf am wenigsten an öffentlichen Orten aus dem Auge lassen, daß er nicht bloß als gebildeter Mann, sondern auch als Träger der Ehre und der gesteigerten Pflichten seines Standes auftritt. Von allen Handlungen, welche dem Ruf des Einzelnen oder der Genossenschaft nachtheilig werden können, besonders von allen Ausschweifungen, Trunk und Hazardspiel, von der Uebernahme solcher Verpflichtungen, mit denen auch nur der Schein unredlichen Benehmens verbunden sein könnte, vom hazardmäßigen Börsenspiel, von der Theilnahme an Erwerbsgesellschaften, deren Zweck nicht unantastbar und deren Ruf nicht tadellos ist, sowie überhaupt von jedem Streben nach

Gewinn auf einem Wege, dessen Lauterkeit nicht klar erkennbar ist, muß der Offizier sich weit abhalten. Sein Ehrenwort darf er nie leichtsinnig verpfänden.

Je mehr anderwärts Luxus und Wohlleben um sich greifen, um so ernster tritt an den Offizierstand die Pflicht heran, nie zu vergessen, daß es nicht materielle Güter sind, welche ihm die hochgeehrte Stellung im Staate und in der Gesellschaft erworben haben und erhalten werden. Nicht nur, daß die kriegerische Tüchtigkeit des Offiziers durch eine verweichlichende Lebensweise beeinträchtigt werden könnte, sondern völlige Erschütterung des Grundes und Bodens, worauf der Offizierstand steht, ist die Gefahr, welche das Streben nach Gewinn und Wohlleben mit sich bringen würde.

Je eifriger die Offizierkorps treue Kameradschaft und richtigen Korpsgeist pflegen, um so leichter werden sie Ausschreitungen vorbeugen, auf Abwege gerathende Kameraden in die richtigen Bahnen zurückleiten, unnüße Händel und unwürdige Zänkereien vermeiden.

Niemals darf das berechtigte Selbstgefühl des Offiziers in Mangel an Achtung oder in Ueberhebung gegen andere Stände ausarten. Je mehr der Offizier seinen Beruf liebt, und je höher er dessen Zwecke auffaßt, umsomehr wird er ermessen, in wie hohem Grade das volle Vertrauen aller Stände zum Offizierstande eine Bedingung für die erfolg- und ruhmreiche Lösung der letzten und höchsten Aufgabe des Heeres ist.

Ich habe das Vertrauen zu den Offizieren des Beurlaubtenstandes und zu den verabschiedeten Offizieren, welchen Jch die Beibehaltung der äußeren Zeichen des Standes bewilligt habe, daß, wie sie fortdauernd Antheil an der Standesehre haben, sie der Verpflichtung, für die Wahrung dieser Ehre zu sorgen, auch in ihren bürgerlichen Verhältnissen stets eingedenk bleiben werden.

Dafür, daß in dem Offizierkorps des stehenden Heeres und des Beurlaubtenstandes ein geläutertes Ehrgefühl sich lebendig erhalte, sind Mir zunächst die Regiments-Kommandeure und diejenigen Befehlshaber, welchen gleiche Pflichten obliegen, verantwortlich. Sie vor allen besigen in den ihnen für die Heranbildung der jüngeren Offiziere zu Gebot stehenden Mitteln die Möglichkeit, auf die Erhaltung des Geistes, welcher allein ein Heer groß macht, weit über den Bereich und die Dauer ihrer eigenen Wirksamkeit hinaus Einfluß zu üben. Dieser Pflicht werden sie besonders dann mit Erfolg genügen, wenn sie die jüngeren Offiziere ernstlich anhalten, den wohlgemeinten Weisungen ihrer älteren Kameraden nachzukommen, und wenn sie ebenso diese nicht im Zweifel

darüber lassen, daß es eine wesentliche Pflicht der älteren Offiziere ist, ihre jüngeren Kameraden zu überwachen und zu sich heranzubilden.

Wenn in dieser Art durch Erziehung, Beispiel, Belehrung, Warnung und Befehl entsprechend gewirkt wird, müssen Vorkommnisse, welche den in der Verordnung über die Ehrengerichte angeordneten Spruch der Standesgenossen erheischen, immer seltener werden.

Die Bestimmungen dieser Verordnung haben den Zweck, die Pflege der bewährten Ueberlieferungen ritterlichen Sinnes im Offizierstande zu fördern und gewähren die Mittel, da, wo einen Offizier der Vorwurf trifft, er habe Schaden an seiner Ehre gelitten, oder wo er selbst dies befürchtet, im geordneten Wege einzuschreiten.

Hierbei sollen die Ehrenräthe die Organe der Kommandeure bilden, während diesen die Leitung der Ehrengerichte und die Verantwortung für die richtige Behandlung der in ihrem Dienstbereich vorkommenden ehrengerichtlichen Angelegenheiten ausschließlich obliegt. Auch sollen die Ehrenräthe denjenigen ihrer Kameraden, welche an sie in Ehrensachen sich wenden, mit kameradschaftlichem Rath zur Seite stehen. Indem Ich die Zusammensetzung der Ehrenräthe der Offizierkorps von der Wahl der Kameraden abhängig gemacht habe, ist es nicht allein Meine Absicht, den Kommandeuren für die oft schwierigen Geschäfte in Ehrensachen be= sonders geeignete Organe zu geben, sondern auch die, solche Offiziere für diese Funktionen zu finden, welche das Vertrauen ihrer Kameraden in so hohem Grade besißen, daß sie mit Erfolg als deren berufene Rathgeber in Ehrensachen wirken können. Ich setze voraus, daß kein Offizier sich bei der Wahl von anderen als mit dieser Meiner Absicht übereinstimmenden Beweggründen wird leiten lassen.

Die Ehrengerichte aber haben die doppelte Aufgabe, sowohl durch ihren Spruch die Ehre des Einzelnen von unbegründeten Verdächtigungen, insoweit ihm andere standesgemäße Wege hierzu nicht offen stehen, zu reinigen, als auch zur Wahrung der Ehre des Standes gegen diejenigen Mitglieder desselben, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühl und den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht, einzuschreiten. Die Fälle, in denen ein solches Einschreiten erforderlich werden kann, lassen sich nicht erschöpfend vorausbestimmen; sie im Einzelnen zu erkennen, soll Mein vorstehend ausgesprochener Wille einen Anhalt geben.

Zugleich halte Jch hierbei Mich versichert, daß die Befehlshaber, in richtiger Würdigung der zur Wahrung der Disziplin und zur Aufrechterhaltung ihrer Autorität ihnen verliehenen Strafbefugnisse, solche Fälle, welche im Disziplinarwege füglich erledigt werden können, nicht

zum ehrengerichtlichen Verfahren verweisen werden, um die gewichtige Bedeutung eines ehrengerichtlichen Spruchs nicht herabzudrücken.

Bei allen Verhandlungen der Ehrenräthe und der Ehrengerichte soll neben den Rücksichten auf die Erhaltung der Standesehre der Sinn wechselseitigen Wohlwollens walten. Das Verfahren soll auf Erörterung der Anschuldigungspunkte sich beschränken und nicht auf Nebendinge eingehen, oder durch unnöthige Förmlichkeiten erschwert und aufgehalten werden. Auch ist hierbei stets ernstlich darauf zu halten, daß innere Angelegenheiten eines Offizierkorps nicht weiter aus dessen Kreis hinausgetragen werden, als unumgänglich nöthig ist.

In dem Vertrauen, daß edle Sitte und guter Ton in den Offizierkorps Meines Heeres sich heimisch erhalten, and Privatstreitigkeiten und Beleidigungen der Offiziere unter einander immer seltener vorkommen werden, habe Ich das durch die Verordnung vom 20. Juli 1843 vorgeschriebene Verfahren außer Kraft gesetzt. Nur soll für den Offizier, welcher mit einem anderen Offizier in eine die Ehre berührende Privatzwistigkeit geräth, die Verpflichtung fortbestehen, seinem Ehrenrath, und zwar spätestens, wenn er eine Herausforderung zum Zweikampf erläßt oder erhält, hiervon Anzeige zu machen, oder durch einen Kameraden Anzeige machen zu lassen. Der Ehrenrath hat alsdann sofort und möglichst noch vor Vollziehung des Zweikampfes dem Kommandeur Meldung zu erstatten und da, wo die Standessitte es irgend zuläßt, einen Sühneversuch vorzunehmen; falls dieser aber nicht gelingt, dahin zu wirken, daß die Bedingungen des Zweikampfes zur Schwere des Falles in keinem Mißverhältniß stehen. Kommt es zum Zweikampf, so hat der Präses des Ehrenraths oder ein Mitglied desselben sich als Zeuge auf den Kampfplatz zu begeben und darauf zu achten, daß bei Vollziehung des Zweikampfes die Standessitte gewahrt wird.

Auf ehrengerichtlichem Wege soll wegen eines Zweikampfes nur dann gegen Offiziere eingeschritten werden, wenn der Eine oder der Andere der Betheiligten bei dem Anlaß oder dem Austrag der entstan= denen Privatstreitigkeit gegen die Standesehre gefehlt hat. Dies muß insbesondere in dem immerhin möglichen Falle geschehen, wenn ein Offizier in frevelhafter Weise einem Kameraden ohne jede Veranlassung eine schwere Beleidigung zugefügt haben sollte. Denn einen Offizier, welcher im Stande ist, die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verlegen, werde Ich ebensowenig in Meinem Heere dulden, wie einen Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß.

Die Regiments-Kommandeure und die ihnen gleichstehenden Befehlshaber haben dafür Sorge zu tragen, daß jeder neu ernannte Offizier

des stehenden Heeres und des Beurlaubtenstandes von dieser Meiner Ordre Kenntniß erhält. Auch ist durch gelegentliches Vorlesen bei Versammlungen der Offizierkorps Mein hier ausgesprochener Wille den Offizieren Meines Heeres öfter in Erinnerung zu bringen.

(Allerhöchste Ordre vom 2. Mai 1874.)

Ehrengerichte.

Die Ehrengerichte haben den Zweck, die gemeinsame Ehre der Genossenschaft, wie die Ehre des Einzelnen zu wahren. Sie sollen gegen Solche, die sich Dem entgegen benehmen, einschreiten und unwürdige Mitglieder aus dem Offizierstande entfernen, andererseits aber die Offiziere von unbegründeten Verdächtigungen reinigen.

Zur Beurtheilung der Ehrengerichte gehören alle Handlungen und Unterlassungen, welche dem richtigen Ehrgefühl und den Verhältnissen des Standes zuwider sind; ferner die Fälle, wo Offiziere zum Schuß der eigenen Ehre auf den ehrengerichtlichen Spruch antragen.

Den Ehrengerichten sind alle aktiven Offiziere, alle Offiziere des Beurlaubtenstandes, die Offiziere à la suite der Armee, sowie die mit Pension zur Disposition gestellten Offiziere unterworfen.

Im stehenden Heere sollen namentlich die Regiments-Kommandeure für Erhaltung wahren Ehrgefühls sorgen, besonders indem sie die Erziehung der jüngeren Offiziere durch die älteren veranlassen. Die Ehrenräthe bilden die Organe der Kommandeure, lettere leiten die Ehrengerichte. Die Ehrenräthe werden aus besonderem Vertrauen ihrer Kameraden gewählt. Die Ehrengerichte sollen einerseits unbegründet Verdächtigte in ihrer Ehre wiederherstellen, andererseits gegen Solche einschreiten, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühl und den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht. Solche Fälle, welche von den Befehlshabern disziplinarisch erledigt werden können, sollen nicht ehrengerichtlich behandelt werden.

Bei den ehrengerichtlichen Verhandlungen soll auch der Sinn des Wohlwollens walten; Nebendinge und unnöthige Förmlichkeiten bleiben weg.

Geräth ein Offizier mit einem andern in eine die Ehre berührende Privatzwistigkeit, so soll er seinem Ehrenrath Anzeige machen, und zwar spätestens, wenn er eine Herausforderung zum Zweikampf erhält oder erläßt. Der Ehrenrath erstattet sofort dem Kommandeur Meldung und versucht die Sühne; gelingt dieser Versuch nicht, so hat er wenigstens dahin zu wirken, daß der Zweikampf nicht in seinen Bedingungen unverhältnißmäßig schwer ausfalle. Beim Zweikampf ist der Präses oder ein

« ZurückWeiter »