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Anwachsens der Großstadt sich immer ungünstiger gestaltende Lage des Berliner Instituts die Verlegung desselben nach einer freien, der Gesundheit zuträglicheren Gegend in Anregung gebracht worden.

Die bezüglichen Verhandlungen erlitten eine Unterbrechung durch die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1870. Dieser große Krieg sowie die vorangegangenen Feldzüge hatten von Neuem die hohe Bedeutung des Kadettenkorps für die Armee erkennen lassen, denn wiederum hatten die in der Armee dienenden ehemaligen Kadetten gezeigt, daß der alte Geist der Tapferkeit und Pflichttreue in den Zöglingen der Anstalt fortlebe.

Nachdem mehrfache anderweitige Pläne hatten aufgegeben werden müssen, wurde ein neues Gebäude in Lichterfelde bei Berlin errichtet und von dem König selbst der Grundstein mit den Worten gelegt: „Der Jugend zur Bildung, der Armee zum Heile."

Der mächtige, weithin sichtbare und insbesondere dem auf den unweit vorüberführenden Schienensträngen nach der Hauptstadt Reisenden sogleich in die Augen fallende Gebäudekomplex erhebt sich unweit des Dorfes Groß-Lichterfelde, im Kreise Teltow, in trockener gesunder Lage auf einem sandigen, aber kulturfähigen Boden, der sich gegen die Niederung des 2000 Schritt weit davon gelegenen Teltower Sees allmälig senkt.

Die Gebäude sind bis auf einige kleinere Bauten, bei welchen gelbe Verblendsteine Verwendung gefunden haben, im Rohbau von rothen Ziegeln unter Anwendung von Terrakottenverzierungen an den Gesimsen im Stile der Renaissance hergestellt. Der größte Theil der Gebäude ist durch bedeckte Hallen verbunden, so daß man jederzeit trockenen Fußes aus einem der Gebäude in die anderen gelangen kann.

Während der Bau im rüstigen Vorschreiten begriffen war, wurden von dem Kaiser und Könige wichtige organisatorische Bestimmungen für das Kadettenkorps erlassen, welche die Entwickelung des Kadettenkorps für längere Zeit als im Wesentlichen abgeschlossen erscheinen lassen.

Allseitig wurden namentlich die Bestimmungen mit großer Freude begrüßt, wonach der Lehrplan des Kadettenkorps mit demjenigen der Realschule I. Ordnung in Uebereinstimmung zu bringen ist. Als ein wesentlicher Fortschritt wurde es ferner angesehen, daß den Kadetten künftighin die Möglichkeit geboten ist, die Abiturientenprüfung in dem Institut zu absolviren.

So ist denn nach bestem menschlichen Wissen Vorsorge getroffen, welche auf ein weiteres Gedeihen des Kadettenkorps hoffen läßt.

Möchte die veränderte Organisation ein neues Aufblühen der Anstalt im Gefolge haben! Möchte auch in den neuen Räumen der Geist fortwalten, den das Kadettenkorps bisher stets gepflegt und der unser Heer zum rocher de bronze für den Thron unseres erhabenen Herrscherhauses und für unser theures Vaterland hat werden lassen.

Das walte Gott!

Die Bildung im Kadettenkorps.

v. Voigts-Rhetz. Behauptet man, daß die Erziehung in dem Kadettenkorps einseitig sei, so könnte man denken, daß sich dies auf den Lehrplan beziche, der der Anstalt zu Grunde liegt. Ich kann betonen, daß der Lehrplan des Kadettenkorps der einer Realschule erster Ordnung ist. Wenn man vielleicht einige Abweichungen suchen will, so könnte dies darin bestehen, daß auf die klassische Bildung, auf das Latein etwas mehr Werth gelegt ist; vielleicht auch auf die mathematischen Wissenschaften. Man ist aber gerade jetzt im Begriff, die vollste Uebereinstimmung durch die Regulirung einiger weniger Stunden herbeizuführen. Will man darin den Grund der Einseitigkeit finden, daß die jungen Leute zusammen wohnen, so ist doch der ganz unbeschränkte Verkehr mit der Außenwelt, soweit es irgend möglich ist, gewährleistet. Jeder der jungen Leute bedarf nur einer Anzeige bei seinem Kompagnieführer, daß und wohin er eingeladen ist, um ungehindert Familien zu besuchen, soweit es die freie Zeit gestattet. Dies geschieht regelmäßig am Sonntage, und, wenn die Einladung auf das Land lautet, schon am Sonnabend. Ferner ist der unbeschränkte Verkehr in jeder freien Zeit zwischen den Kadetten und der Außenwelt hergestellt, so daß Jeder, der Beziehungen zu den jungen Leuten hat, sie sehen und sprechen kann. Außerdem ist der freie briefliche Verkehr nach Innen und nach Außen im Kadettenhause gestattet.

Nun möchte ich schließlich fragen, ob die Ziele des Kadettenkorps etwa auf Einseitigkeit weisen? Auch hier muß ich „Nein" sagen. Der Kadett wird erzogen, um recht eigentlich ins praktische Leben zu treten, wenn er das Kadettenkorps verläßt. Er ist, wie Sie Alle wissen, wenn erst Offizier geworden, im lebhaftesten Verkehr mit allen Berufskreisen; er lebt unter Kameraden und in Familien, ja er bildet schließlich selbst cine Familie. Wenn wir die Geschichte des Kadettenkorps durchsehen, so bin ich überzeugt, daß Mancher, dessen Vorfahr unter die ersten Schüler des Kadettenkorps zählte, Repräsentanten aller Generationen ins Kadettenkorps geliefert hat.

Es ist ausgesprochen, daß das Kadettenkorps, wenn auch für die Armee förderlich, doch nicht eine unbedingte Nothwendigkeit für sie sei, weil der Bedarf an Offizieren in anderer Weise gedeckt werden könne. Ich muß dem widersprechen. Das Offizierkorps der Armee, wie es jetzt zusammengesetzt ist, besteht zu einem Fünftel aus Kadetten, zu zwei Fünfteln aus jungen Leuten, welche die Maturität für die Universität erreicht, die Universität ganz oder theilweise besucht haben, zu einem Fünftel aus solchen, welche die Ober- Sekunda oder die Prima eines Gymnasiums oder einer Realschule erster Klasse besucht, und zu einem Fünftel aus solchen, die diesen Bildungsgrad sich dort nicht erworben, sondern im Wege der Privatvorbereitung sich die Reife zum Portepeefähnrichs- Examen erworben haben.

Wenn nun gefolgert wird, daß die Kadetten die Eigenthümlichkeit hätten, einen spezifischen, ganz absonderlichen Geist in das Offizierkorps zu tragen, so muß ich einer solchen Ansicht entgegentreten. Es wird Jeder zugeben, daß, wenn ein Fünftel Kadetten im Alter von 17 bis 18 Jahren mit vier Fünfteln anderer junger Leute zusammenkommt, welche zum Theil die Universität besucht oder die Maturität dazu besitzen, doch nicht angenommen werden kann, daß die Ersteren einen solchen Einfluß über die Letzteren gewinnen werden, um diesen einen spezifischen, ganz absonderlichen Geist einzuflößen. Noch viel weniger möchte dies aber zutreffen, wenn im Laufe eines Jahres einem Offizierkorps von 30 bis 80 Offizieren zwei oder höchstens drei junge Leute aus dem Kadettenkorps zugeführt werden. Diese jungen Leute

das wird nicht bestritten werden können werden vielmehr in der allerkürzesten Frist in den Geist des Offizierkorps vollständig aufgenommen werden.

Es ist ferner gesagt, man dürfe eine Vermehrung der Kadetten nur dann zugestehen, wenn der unumstößliche Beweis geführt würde, daß ohne das Kadettenkorps die Offizierkorps nicht komplet erhalten werden könnten. Die große Masse derer, die das Kadettenhaus besuchen, sind entweder Söhne von Wittwen, unbemittelten Offizieren oder Beamten, die nicht in der Lage sind, für die Erziehung ihrer Söhne größere Summen auszugeben, oder denen die Gelegenheit fehlt, ihre Söhne in der Familie zu behalten und auf Schulen so vorzubereiten, daß sie späterhin in die Offizierkarrière eintreten fönnen. Dies trifft namentlich zu bei Privatleuten aller Stände, Gutsbesitzern und Beamten, die wohl die Mittel haben für die Erziehung der Söhne, die sie aber nicht im eigenen Hause erziehen können, sondern in Pensionen nach den Städten bringen müssen, da Privatunterricht durch Lehrer nicht ausreicht. Nun

entsteht die Frage, wohin den Sohn geben, wenn er doch einmal aus dem Hause muß. Die Neigung des Sohnes führt ihn in die Armee, um Offizier zu werden; wozu soll ihn nun der Vater auf das Gymnasium bringen, während ihm das Kadettenhaus offen steht und er hier geringeren Chancen einer verfehlten Karrière ausgesetzt ist, als dort, wenn der Sohn das Maturitäts - Examen nicht besteht und so ohne Weiteres in die Armee eintreten kann, ohne noch ein besonderes Examen abzulegen. In jedem Gymnasium, jeder Realschule aber läßt sich leicht das statistische Material beschaffen, wonach von denen, die in die Sexta eintreten und den Wunsch haben, dereinst das Maturitäts-Examen zu machen, doch nur eine sehr geringe Zahl dies Ziel wirklich erreicht. Die Folge davon ist, daß alle diejenigen, die unterwegs hängen bleiben, späterhin sich besonders vorbereiten müssen. Diese besonderen Vorbereitungen haben aber neben allen anderen Schäden und Schwächen noch den besonderen Nachtheil, daß sie enorme finanzielle Opfer erfordern. Wer also in der Lage ist, einen zur Offizierkarrière bestimmten Sohn außerhalb der Familie erziehen zu müssen, wird denselben gern in das Kadettenhaus geben. Aus dieser Darlegung müßte sich ergeben, warum das fünfte Fünftel, welches jezt der Armee aus dem Kadettenkorps zufließt, ihr nicht zufließen würde, wenn das Kadettenkorps aufhörte, zu bestehen.

(General v. Voigts-Rheß, Rede im Reichstage.)

Die Kriegs-Akademie.

Bronsart v. Schellendorff. Die Kriegsakademie kann in gewissem Sinne als Vorbildungsschule für den Generalstab angesehen werden. Die Kriegsakademie verdankt ihre Gründung den Erfahrungen des großen Königs im siebenjährigen Kriege — und wohl auch der durch letteren verursachten Verringerung des preußischen Offizierkorps, dessen Blüthe auf den zahlreichen Schlachtfeldern hingerafft worden war. Das durch Friedrich Wilhelm I. auf das Prinzip der Ehre gegründete nationale Offizierkorps hatte in der Noth eines langen verlustvollen Krieges seine reine Eigenart nicht zu bewahren vermocht, vielmehr viele fremdartige Elemente in sich aufnehmen müssen, denen es sowohl an dem altpreußischen Offiziergeist, als auch an militärischer Bildung fehlte.

Der König selbst schrieb unter dem 27. April 1764 an Fouqué: ,,Was den gemeinen Mann betrifft, das wird im künftigen Jahre wieder in der nehmlichen Ordnung sein, wie es vor dem Kriege war, was aber den Offizier anlangt, das ist der Hauptgegenstand meiner

Aufmerksamkeit. Um fie für die Folge aufmerksam im Dienste zu machen und ihre Beurtheilungskraft zu bilden, lasse ich ihnen Unterricht in der Kriegskunst geben, und sie werden dabei angehalten, über alles, was sie machen, zu raisonniren. Sie sehen wohl, mein Lieber, daß diese Methode nicht überall anschlagen wird, indessen werden wir unter der großen Menge doch Leute und Offiziere bilden, welche nicht bloß patentirte Generale vorstellen, sondern auch die Fähigkeiten dazu haben werden."

Neben diesem, in den größeren Garnisonen angeordneten Unterricht ging aber das Bestreben des Königs auch dahin, sich schon für den Zuwachs seiner Armee eine Vertretung wissenschaftlicher Elemente zu sichern; dies führte zur Gründung der „Neuen Akademie“.

Am 1. März 1765 wurde die neue Anstalt, deren erstes ElevenPersonal 15 besonders ausgesuchte Kadetten bildeten, unter dem Namen ,,Académie des nobles" eröffnet, und schon am 9. März unterwarf sie der König selbst einer genauen Besichtigung.

Der König erließ auch die erste Instruktion, welche über Erziehung, Unterricht und disziplinare Verhältnisse genaue Vorschriften gab.

Abgesehen von manchen Weitläufigkeiten, welche das unstäte Wesen einiger aus Frankreich bezogener Lehrer und Erzieher verursachte, entwickelte sich die Anstalt den Intentionen des Königs entsprechend, soweit es sich um Heranbildung brauchbarer Offiziere handelte.

Unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. blieb zunächst der Charakter der nunmehr als académie militaire bezeichneten Anskalt unverändert. Eine unter dem 7. Juni 1790 erlassene, den in mancher Beziehung veränderten Verhältnissen Rechnung tragende Instruktion bekundete das Interesse, welches der König dem Institut widmete.

Die durch die Ereignisse des Jahres 1806 thatsächlich aufgelöste Akademie fand in dem Rahmen der neuen Heeresorganisation keine Stelle. Hatte sie bisher, ähnlich wie die Selekta des Kadettenkorps jezt, ein wohl vorbereitetes Material zur Ergänzung des Offizierkorps geliefert, so sollte die (1810) ins Leben gerufene „Allgemeine Kriegsschule" oder „Allgemeine Militär- Akademie" vielseitigeren Zwecken dienen, da gleichzeitig die bisher bestandenen Militär- Bildungs - Institute, nämlich die Ingenieur - Akademie, gegründet 1788 zu Potsdam, die Artillerie-Akademie, gegründet 1791 zu Berlin, die Akademie für junge Offiziere, gegründet 1804 zu Berlin, aufgehoben worden waren. Lettere, ursprünglich aus einer freien Vereinigung hervorgegangen, hatte unter Scharnhorsts Leitung, welcher selbst Strategie, Taktik, Wirkung des Feldgeschüßes und Verrichtungen des Generalstabes vortrug, eine be

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