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machtlos gegenüber; denn auch der beste auf die Flasche gebrachte Wein konnte in kurzer Zeit ungünstige Veränderungen erleiden und damit an Wert wesentlich verlieren, ohne daß es, bei der Unkenntnis dieser Dinge, möglich gewesen wäre, diese Veränderungen von vornherein zu verhindern resp. ihnen wirksam entgegenzutreten.

Um nun Klarheit darüber zu schaffen, ob thatsächlich bei den genannten Prozessen lebende Organismen im Spiele sind, wurden zunächst eingehende Untersuchungen ausgeführt.

1. Ueber das Vorhandensein von lebenden Organismen im fertigen Weine.

Von Herrn Generalsekretär Dahlen waren mir zu diesem Zwecke mehrere hervorragende Rheingauer ältere Flaschenweine zur Verfügung gestellt worden, und zwar ein 1861er Steinberger Auslese; ein 1862er Rüdesheimer; ein 1862er Marcobrunner; ein 1862er Hattenheimer; ein 1868er Marcobrunner; sowie ferner noch ein 1868er Ruster. Der Jnhalt der Flaschen wurde, unter den nötigen Kautelen, zunächst einer direkten mikroskopischen Untersuchung unterzogen und konnten hierbei in jedem der Weine Organismenkeime, und zwar der verschiedensten Arten: Hefen, Kahmpilze, Dematium, Bakterien aufgefunden werden. Die eine Flasche enthielt diese, die andere jene Organismen, in wechselnden Mengen. In keiner Flasche fehlten Hefen und Kahmpilze, von denen die letzteren in allen Fällen der Zahl nach im Uebergewichte waren. Bei der Untersuchung des Inhaltes einiger Flaschen konnten ohne große Mühe unter vielen toten Hefezellen noch vereinzelte in besten Sproßzuständen aufgefunden werden, so daß die Ueberzeugung gewonnen wurde, daß bei einem Verweilen von über 25 Jahren in der fest verkorkten Flasche, die Organismen des Weines immer noch die Fähigkeit haben, sich, wenn auch nur in einzelnen Individuen, am Leben zu erhalten.

Es wurde nun auch versucht, einzelne dieser so widerstandsfähigen Hefen in Reinkultur zu erhalten, und zwar mit bestem Erfolge. Diese alten Reinhefen wurden nun auf ihre physiologischen Eigenschaften eingehend geprüft; doch sind die betreffenden Untersuchungen noch nicht abschlossen. Das Ergebnis aber läßt sich schon sicher aussprechen, daß sämtliche aus den alten Weinen rein gezüchteten Hefen (es konnten verschiedene Rassen erhalten werden) zunächst eine ganz auffallend geringe Gärkraft gegenüber jüngeren (1892, 1893, 1894) Reinhefen besigen.

Ich kann nicht annehmen, daß in den alten Weinen nur solche Hefen erhalten blieben, welche von vornherein nur eine geringe Gärthätigkeit entfalteten, und daß gerade die gärkräftigsten Hefen, welche ursprünglich im Weine unbedingt und auch der Mehrzahl nach enthalten waren, die geringste Widerstandsfähigkeit besessen haben, sondern ich muß mich der Auffassung zuneigen, daß die ursprünglichen gärkräftigen Hefen bei dem so überaus langen Verweilen in den betr. Weinen, da sie während mindestens 25 Jahren keine alkoholische Gärung, oder doch keine irgendwie merkliche, unterhalten konnten, die physiologische Eigenschaft, Gärung zu erregen, allmählich immer mehr eingebüßt haben. Es sind auf diese Weise ganz neue Varietäten entstanden. Ob diese alten Rein

hefen nun nicht jetzt, bei fortgesetzter Kultur in frischem Most, allmählich ihr ursprüngliches, oder doch ein stärkeres als das gegenwärtige, Gärvermögen wiedererlangen, ist eine Frage, mit deren Untersuchung ich noch derzeit beschäftigt bin.

Wenn nun, wie aus den bisherigen Ergebnissen mit Sicherheit hervorgeht, bei dem Lagern der Weine in den Flaschen die in ihm vorhandenen Organismen noch viele Jahre lang am Leben bleiben können, so müssen sie durch ihre Lebensthätigkeit in dem Weine auch fortgesezt stoffliche Veränderungen hervorrufen, welche, wenn auch vielleicht bei einem sehr geringen Gehalte des Weines an derartigen Organismen zunächst vielleicht unmerklich, doch mit der Zeit derartig sein werden, daß sie den Wein geruchlich und geschmacklich, d. h. also in seiner Qualität merklich verändern. Da nun, wie aus den bisherigen Untersuchungen über die physiologischen Eigenschaften der Gärungsorganismen 2c. hervorgeht, diese Organismen je nach der Rasse oder Art verschiedene Veränderungen in den von ihnen bewohnten Flüssigkeiten hervorrufen, so ist des weiteren anzunehmen, daß die bei Flaschenweinen eintretenden Veränderungen während des Lagerns nicht nur zum Teil (vielleicht zum größten Teil) auf die fortgesetzte Thätigkeit der Organismen zurückzuführen ist, sondern daß auch die Art und Weise dieser Veränderungen (d. H. des ferneren Ausbaues des Weines) bedingt ist durch die in dem Weine zufällig vorhandenen verschiedenen Arten jener Lebewesen. Hierdurch aber würde sich hinsichtlich der Behandlung der Weine auf den Flaschen eine weite Perspektive ergeben. In Anbetracht der großen Bedeutung dieser Befunde und ihrer Konsequenzen wurden Untersuchungen von Flaschenweinen in größtem Umfange geplant, und sind solche bereits, dank dem sehr bereitwilligen Entgegenkommen der Praxis durch Uebersendung von reichlichem und wertvollem Material in vollem Gange. Da diese Untersuchungen sich naturgemäß über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken müssen, so kann über abschließende Resultate erst später berichtet werden.

2. Ueber die die Flaschenkorke bewohnenden Organismen des Weines.

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Die Untersuchungen über die den Wein bewohnenden und verändernden Organismen ließen bald erkennen, daß die die Flaschen verschließenden Korke vermöge ihrer Struktur (anatomischer Bau) sowie infolge ihrer Veränderungen bei längerem Lagern der Flaschen keineswegs das sind, was man von ihnen vermutet, nämlich ein vollkommen dichtes Verschlußmittel, sondern daß sie sowohl atmosphärische Luft von außen nach innen als auch Flüssigkeit von innen nach außen wenn auch die letztere nur ganz allmählich und in sehr geringen Mengen -- durchlassen. Infolge dieser mit der Zeit immer stärker hervortretenden Eigenschaften der Flaschenkorke sind die im Weine vorhandenen Organismen in der Lage von außen her durch den Kork die zu ihren Lebensprozessen nothwendige atmosphä rische Luft zu beziehen, sie sind ferner im Stande, vermöge ihrer Kleinheit durch die infolge des Schrumpfens des Korkes entstehenden Gänge und Kanäle an die Außenseite zu gelangen, um sich hier, im Vollgenusse der atmosphärischen Luft, kräftig zu vermehren. Daher findet man denn auch, wenn die Korke dagegen nicht besonders geschützt sind, die Ober

fläche der Korke von zahlreichen Organismen besett, deren Arten mit den im Weine in der Flasche befindlichen übereinstimmen. Aus diesen Befunden ist zu entnehmen, daß das Verschimmeln von alten Flaschenkorken keineswegs immer auf einer Infektion von außen her beruht, sondern daß diese lettere auch von innen her, d. h. durch im Weine vorhandene Keime erfolgen kann. Durch die auf der Außenseite des Korkes vor sich gehende Schimmel-, Hefen- und Bakterien-Vegetation können aber nun auch neu entstandene Keime durch den Kork wieder nach innen in den Wein gelangen und hier, je nach ihrer Art oder Rasse bestimmte Veränderungen oder Zersetzungen hervorrufen.

Es ist daher das Verschimmeln der Korke eine Erscheinung, welche keineswegs leicht genommen werden darf, sondern welcher, da immer die Gefahr eines Verderbens des Weines damit gegeben ist, der Praktiker seine größte Aufmerksamkeit entgegenbringen muß. Um dieses Besiedeln der Korke mit Organismen, mögen diese von außen oder von innen kommen, zu verhindern, ist es unbedingt notwendig, die Korke gleich beim Aufseßen so zu behandeln, daß ihre Oberfläche von der Berührung mit der atmosphärischen Luft möglichst sicher und auch möglichst schnell abgeschlossen wird. Ein sehr trügerisches und durchaus unwirksames Mittel hiergegen ist das sofortige Verkapseln der Flaschen, welches leider sehr häufig geschieht. Denn die Staniolkapsel stellt keineswegs einen sicheren und, wie man glaubt, auch dichten Verschluß vor, sondern sie gestattet, auch wenn sie noch so fest aufgesetzt wurde, der atmosphärischen Luft immer noch, und andauernd, reichlichen Zutritt zur Korkoberfläche. Und so geht auf dem durch die Staniolkapsel bedeckten Korke die Vermehrung und das Wachstum der Organismen ganz ungehindert vor sich. Ausführlichere Mitteilungen über diese für die Praxis sehr beachtenswerten Vorgänge habe ich in einer Abhandlung gemacht, welche im Weinbau und Weinhandel" 1896 Nr. 23 und 24 erschienen ist, und auf welche hier verwiesen werden muß.

3. Ueber den sogenannten „Korkgeschmack“ der Weine.

Mit obigem Namen werden in der Praxis allgemein Geschmacksveränderungen von Weinen bezeichnet, welche infolge fehlerhafter Verforkung auftreten, und zwar welche an vorher ganz gefunden, fehlerfreien Weinen erst nach dem Abfüllen derselben auf die Flasche, also während des Flaschenlagerns, sich einstellen. Diese vom Korke aus vor sich gehenden geschmacklichen und geruchlichen Veränderungen, die oft so intensiv sein können, daß der Wein geradezu ungenießbar ist, sind auf verschiedene Ursachen zurückzuführen und müssen hiernach auch unterschieden werden.

In vielen Fällen ist der Kork- oder Stopfengeschmack hervorgerufen dadurch, daß infolge schlechter Behandlung der Korke, sowie auch der Flaschen, und auch infolge fehlerhaften Verkorkens und Verkapselns die Korke einen Schimmelüberzug erhalten, von dem aus, zumal bei nicht ganz tadellosem Schlusse der Korke, feine Pilzfäden an die Innenseite des Korks und damit in den Wein gelangen. Derartige Schimmelvegetation ist im Stande dem Weine schon in der kürzesten Zeit einen muffigen, schimmeligen Geruch und auch Geschmack mitzuteilen, welcher, wenn er prägnant genug ist, in vielen Fällen auch direkt als vom

Schimmel herrührend erkannt und als Schimmelgeschmack bezeichnet wird. Neben derartigen verschiedenen Schimmelpilzformen können auch, wie ich in diesem Berichte unter Nr. 2 gezeigt habe, noch andere Organismenarten als Korkbewohner auftreten und ebenfalls unangenehme Geschmacks- und Geruchsveränderungen im Weine bewirken. Gegen diese genannten Uebelstände schützt man sich von vornherein dadurch, daß man unbedingt nur Korke allerbester Qualität verwendet, daß man ferner die Korke vor dem Gebrauche ordentlich abbrüht und sodann, indem man die aufgesetzten Korke sofort mit Paraffin oder einem wirklich haltbaren Flaschenlack überzieht.

Die Ursache des Stopfengeschmackes aber kann auch im Korkmateriale selber liegen, und es kann also eine fehlerhafte Veränderung des Weines auch dann eintreten, wenn durch richtige Behandlung der Korke u. s. w. diese ohne Schimmelüberzug und überhaupt ohne Besiedelung mit Organismen geblieben sind. Die in diesem Falle im Weine auftretenden üblen Geruchs- und Geschmacksstoffe sind ganz anderer Art als diejenigen, welche dem Weine den Schimmelgeschmack verleihen, und sind vom Kenner auch leicht hiervon zu unterscheiden. Der Wein erhält durch den Kork einen strengen, oft widerlichen, mehr oder weniger hervortretend fauligen Geruch und Geschmack.

Da in ersterem Falle niedere Organismen, speziell Schimmelpilzarten, leicht und sicher als die Erreger der unliebsamen Geschmacksveränderungen nachgewiesen werden konnten, so lag die Vermutung sehr nahe, daß auch in diesem zweiten Falle niedere Organismen, welche die Korksubstanz selber zerstören, im Spiele sein möchten.

Um diese Vermutung zu prüfen und damit zu eventuellen Anhaltspunkten für eine richtige Behandlung der Korke zu gelangen, habe ich nach und nach eine größere Zahl von Korken, welche Weinflaschen entnommen waren, deren Inhalt einen ausgesprochenen und typischen Korkgeschmack hatte, untersucht. Die mikroskopische Untersuchung der Oberfläche und auch des Innern derartiger Korke jedoch ergab ausnahmslos, daß diese letteren in keiner Weise sich unterscheiden von ganz gesunden und normalen Korken. Weder konnten besondere Veränderungen im inneren Bau der Korke wahrgenommen werden (wofür übrigens auch keine Anhaltspunkte vorlagen), noch konnten irgend welche besonderen OrganismenArten auf und in den Korken gefunden werden. Allerdings zeigten sich auch hier ausnahmslos an der Außenseite sowohl als auch im Innern der Korke Organismen, und zwar meist Hefezellen, hin und wieder auch einmal Schimmelpilzkeime. Allein ein solcher Befund ist keineswegs auffallend, da ja jeder, auch der gesundeste von einer Weinflasche entnommene Kork, eine Besiedelung mit derartigen Organismen, zumal mit Hefezellen, aufzuweisen hat. Wenn der in Rede stehende eigentliche Korkgeschmack die Folge der zerstörenden Thätigkeit von niederen Organismen wäre, dann wären in erster Linie hier Bakterien zu vermuten gewesen, und gerade auf die eventuelle Anwesenheit der letteren hatte ich meine besondere Aufmerksamkeit gerichtet. Allein in keinem einzigen Falle habe ich bei der Untersuchung der Korke Bakterien gefunden derart, daß ich diese etwa für die geruchlichen und geschmacklichen Veränderungen des Korkes hätte verant wortlich machen können.

Immerhin aber mußten wenigstens diejenigen Organismen, welche an und in kranken Korken gefunden wurden, weiter untersucht werden. Denn da das mikroskopische Bild der Hefen keinerlei Anhaltspunkte gibt für eine Beurteilung ihrer physiologischen Eigenschaften, und da wir durch Hansen's Untersuchungen wissen, daß auch echte Hefearten als Krankheitserreger im Biere auftreten können, so war die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, daß unter den auf kranken Korken gefundenen Hefen solche sein möchten, welche bei ihrer Vegetation die unangenehmen Geruchs- und Geschmacksstoffe im Korke selbst hervorrufen. Demzufolge wurden jene Hefen in Kultur genommen und vermehrt, und zwar in der Weise, daß fleine aus dem Innern und von der Oberfläche kranker Korke entnommene Scheibchen in kleine Kölbchen mit sterilisiertem Most gebracht wurden, damit in diesem Medium die Entwickelung der Hefen vor sich ging.

Die Moste fingen auch ausnahmslos an zu gären; es konnte aber während der Dauer der Gärung und nach Beendigung derselben, sselbst nach wochenlangem Warten, auch nicht der geringste, an den kranken Stopfen erinnernde Geruch bemerkt werden. Im Gegenteil ließen die vergorenen Moste ausnahmslos einen angenehm weinigen Geruch erkennen, ein Zeichen, daß die von den kranken Korken gezüchteten Hefen echte Weinhefen waren und mit den Veränderungen des Korkes nichts zu thun hatten. Um ganz sicher zu gehen, wurden die Versuche aber noch in der Weise ausgedehnt, daß gleichzeitig mit solchen Scheibchen kranker Korke, welche nur als Aussaatmaterial der an ihnen haftenden Organismen dienten, auch ganz gesunde, noch nicht in Gebrauch genommene Korke in die Mostfölbchen gebracht wurden. Wenn die sich von den kranken Korkscheibchen entwickelnden Hefen 2c. die Ursache des Korkgeschmacks gewesen wären, dann hätten in diesem Falle die in den Most gebrachten gesunden Korke ebenfalls unangenehme Geschmacks- und Geruchseigenschaften annehmen und die ganze vergorene Flüssigkeit hätte auch den sog. Korkgeschmack erhalten müssen. Aber auch davon war in keinem Falle etwas zu beobachten.

Diese Befunde weisen also daraufhin, daß für diese Veränderungen der Korke Organismen nicht verantwortlich gemacht werden können, resp. daß selbige überhaupt nicht eintreten, nachdem die Korke auf die Flaschen gebracht sind. Es spricht hierfür auch noch die Thatsache, daß Weine, welche ausgesprochenen Stopfengeschmack besißen, meist ganz klar, ohne jede Trübung sein können. Wenn aber korkbewohnende Organismen beim Auftreten des Stopfengeschmackes im Spiele wären, dann müßte man vermuten, daß dieselben in vielen Fällen wenigstens auch in den Wein gelangen und hier zu Trübungen Veranlassung geben.

Bestätigt wird dies alles aber noch durch die von mir wiederholt gemachte Beobachtung, daß auch ganz frische, überhaupt noch nicht auf der Flasche gewesene Korke, ganz deutlich denselben Geruch erkennen lassen, wie ihn ein nach dem Stopfen schmeckender Wein angenommen hat.

Die krankhaften Veränderungen, welche der Wein durch den Kork erleiden kann, sind demnach auf zwei voneinander ganz verschiedene Arten von Ursachen zurückzuführen und hiernach auch zu unterscheiden.

Entweder sind korkbewohnende Organismen vorhanden, welche auf und im Korke sich vermehren und durch ihre Lebensprozesse im Weine Veränderungen hervorrufen. In diesem Falle sind die Geschmacksver

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