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Da die Erfahrung lehrt, daß eine selbst reichliche Düngung das schnelle Zurückgehen der Weinberge auf rebenmüden Böden nicht aufzuhalten vermag und da andererseits Oberlin fand, daß Behandlung des Bodens mit einem Antiseptikum, mit Schwefelkohlenstoff, günstig bei der Neuanlage von Weinbergen wirkt, so wurde vorgeschlagen, nicht nur zu untersuchen, ob die Rebenmüdigkeit durch eine ungünstige, chemische Veränderung des Bodens, die eventuell durch rationelle Düngung zu kurieren sei, bedingt werde, sondern auch zu prüfen, ob vielleicht Bodenorganismen bei der Erzeugung der Rebenmüdigkeit im Spiele seien.

Der Unterzeichnete wurde von der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft berufen, um die zur Entscheidung des letztgenannten Teiles der Frage nötigen Untersuchungen auszuführen und er begann die bezüglichen Arbeiten in der pflanzenphysiologischen Versuchstation der königlichen Lehranstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim im Oktober 1893.

Nach einer eingehenden Besichtigung verschiedener Gemarkungen an der Bergstraße und in der Pfalz, wo sich Beispiele von Rebenmüdigkeit zeigen, wurde der Versuchsplan folgendermaßen formuliert. Es sollten Reben vergleichsweise kultiviert werden:

1. in verschiedenen müden Böden,

2. in denselben Böden, nachdem alle Organismen darin durch Hiße getötet waren,

3. in denselben Böden, nachdem dieselben mit Schwefelkohlenstoff oder anderen antiseptischen Mitteln behandelt waren,

4. in gutem Boden, der noch nie eine Rebe trug und der weiterhin als normaler Boden bezeichnet ist,

5 in normalem Boden, in dem alle Organismen durch Hiße getötet waren (vergl. oben unter 2) um zu beobachten, ein wie großer Teil der eventuellen besseren Entwickelung der Reben in solchem heiß behandeltem Boden auf Rechnung der aufschließenden Wirkung der Hiße zu sehen sei,

6. in normalem Boden, der mit Schwefelkohlenstoff behandelt war
(vergl. oben unter 3),

7. in müden Böden, die mit normalem Boden verseßt sind,
8. in normalem Boden, der mit müden Böden versett ist,

9. in normalem Boden, der mit einem Bakteriengemisch aus müden
Böden versetzt wurde,

10. in müden Böden, die mit einem Bakteriengemisch aus normalem Boden versetzt wurden.

Die sämtlichen Versuche aller dieser Gruppen wurden als Topf versuche ausgeführt. Da die Erfahrung lehrt, daß in müde Weinberge nachgepflanzte Reben einen Rückgang der Entwickelung oft erst nach Jahren zeigen, mußte Bedacht darauf genommen werden, daß die Versuchsreben sich in den Töpfen jahrelang ungestört entwickeln konnten. Es wurden daher für diesen Zweck besonders große Töpfe angefertigt, deren Form der eigenartigen Bewurzelung der Rebe möglichst angepaßt ist und die so aufgestellt wurden, daß Durchlüftung der Versuchsböden und Abzug der Feuchtigkeit aus denselben möglichst erleichtert wurden, weil sonst die Reben sich erfahrungsgemäß leicht mangelhaft entwickeln.

Bevor die Versuchserde definitiv präpariert werden konnte, mußten verschiedene orientierende Vorversuche unternommen werden. Es zeigte sich hierbei, daß die Bakterien im Boden durch das sonst übliche Verfahren der fraktionierten Sterilisation im strömenden Dampf auch dann nicht getötet werden, wenn das Verfahren an einer längeren Reihe von Tagen wiederholt wird. Dagegen gelang es, feuchten Boden bei Temperaturen über 100° sicher zu sterilisieren und es wurde nun durch umfangreiche Versuchsreihen festgestellt, welche Minimaltemperatur für diesen Zweck genügte, wie lange dieselbe einwirken mußte und in welcher Zeit eine Erdschicht von bestimmter Dicke diese Temperatur sicher in allen ihren Teilen annahm.

Weiter wurden orientierende Versuche darüber unternommen, ob durch Anwendung von Schwefelfohlenstoff und anderen antiseptischen Mitteln ein wirklich steriler Boden zu erhalten sei.

Der Wunsch, ein kräftig bakterientötend wirkendes Antiseptikum zur Verfügung zu haben, welches sich nachher leicht aus der Erde entfernen ließ und deshalb den in den so sterilisierten Boden nachher einzupflanzenden Versuchsreben nicht schadete, führte zu Versuchen mit Formaldehyd. Es zeigte sich aber, daß dieses Mittel in einprozentiger Lösung den Boden nur scheinbar steril macht, indem die am Leben gebliebenen Bakterien nach Auswaschen des Formaldehyds nur deshalb nicht zur Vermehrung und damit zur Beobachtung gelangen, weil Spuren des Formaldehyds oder der Polymerisationsprodukte desselben nicht durch Auswaschen zu entfernen sind. Aus dem gleichen Grunde wuchs auch Kresse in mit Formaldehyd behandeltem und nachher gründlich ausgewaschenem Boden merklich schlechter als in unbehandeltem Boden.

Aus allen diesen Gründen konnte Formaldehyd zur Sterilisierung unserer Versuchserde nicht verwendet werden.

Nach Erledigung aller dieser Vorversuche wurde mit drei rebenmüden und einem normalen Boden, die nach dem oben angegebenen Versuchsplane behandelt waren, im ganzen 140 Versuche angesetzt, wozu im ganzen 100 Centner Erde nötig waren. Die Kulturen wurden mit 1- oder 2jährigen Wurzelreben oder mit eigens für diesen Zweck herangezogenen Sämlingen bepflanzt und zwar wurden dabei drei der praktisch wichtigsten Rebsorten berücksichtigt.

Ueber die Resultate dieser großen Versuchsreihen kann erst später berichtet werden.

7. Ueber die Wirkungen des Formaldehyds auf Bakterien und Schimmelpilze, sowie über seinen Einfluß auf das Gedeihen höherer Pflanzen.

Ueber den Formaldehyd (CH2O), einem durch die Bayer 'sche Assimilationshypothese und die Reinke'schen Untersuchungen physiologisch interessanten Körper, sind seit einiger Zeit Angaben gemacht worden, die einen großen Einfluß desselben auf die Lebensthätigkeit von Organismen vermuten ließen. Um diesen Einfluß genauer festzustellen, wurden eine Reihe von Versuchen gemacht, in denen Formaldehyd in Lösungen verschiedener Konzentration auf Bakterien, verschiedene Schimmelpilze und

auch auf das Wurzelsystem höherer Pflanzen einwirkte. Die Substanz, welche von den Farbwerken Meister, Lucius & Brüning in Höchst a. M. in Form einer 40% igen wässerigen Lösung bezogen wurde, zeigte schon in sehr starken Verdünnungen eine hervorragend abtötende Wirkung. Aus den Versuchen sei hier nur hervorgehoben, daß diese Substanz in einer Verdünnung von 1:50000 (d. h. 1 Volumen der käuflichen 40% Substanz in 50000 Vol. Wasser) jede Entwickelung von Bakterienvegetation unterdrückt und die Keimung und Entwickelung von Schimmelpilzen (Penicillium, Botrytis, Mucor) in einer Verdünnung von 1:10000 vollkommen hindert. Gelangt das Wurzelsystem höherer Pflanzen mit einer Formaldehydlösung 1:10000 in dauernde Berührung, so macht sich schon nach wenigen Tagen ein tief schädigender Einfluß geltend, indem infolge der starken Einwirkung auf die Wurzeln auch die Blätter von unten nach oben fortschreitend gelb werden und absterben. Standen die Wurzeln in einer Lösung von 1:1000, so war nach 3 Tagen bereits die ganze Pflanze tot.

Solche Versuche zeigen schon, daß der Formaldehyd auf das Leben der Pflanzenzellen von sehr schädigendem Einfluß ist und daher in mehrfacher Beziehung für praktische Zwecke Verwendung finden kann. Speziell zur Desinfektion von Aborten, Kloaken, Rinnsteinen, besonders zur Zeit von Epidemien dürfte der Formaldehyd vorzügliche Dienste leisten. Aber auch nach anderen Richtungen hin kann seine Verwendung empfohlen werden, so zum Beispiel zur Konservierung von anatomischen und physiologischen Präparaten (auch von Leichen) u. s. w. In Aldehydlösungen von 1:1000, 1:4000 und 1:10000 habe ich Blüten, Stengel und Blätter höherer Pflanzen 11 Jahr aufbewahrt, wobei jede Fäulnis unterblieb. Die Farben der Blüten wurden allerdings verändert. Vermöge seiner pilztötenden Kraft könnte der Formaldehyd ein vorzügliches Mittel gegen den Hausschwamm (Merulius lacrymans) abgeben. Einer Verwendung zur Bertilgung tierischer Feinde im Erdboden, z. B. der Reblaus oder der Engerlinge u. s. m. dürften die mit höheren Pflanzen erhaltenen Versuchsresultate hindernd in den Weg treten, da bei einem Durchtränken des Erdbodens mit Formaldehyd in einer Konzentration, welche genügend ist, um jene tierischen Feinde zu töten, sicher auch die Pflanzen, Obstbäume, Reben 2c. zerstört würden. Jedoch ließe sich wohl daran denken, in von der Reblaus befallenen Weinbergen die Desinfektion statt mit Schwefelfohlenstoff mit Formaldehyd vorzunehmen, da letterer, ganz abgesehen von dem geringeren Preise, den Schwefelkohlenstoff an Wirksamkeit sicher übertrifft.

8. Sammlungen.

Neben dem bereits vorhandenen, zu Demonstrationszwecken angelegten Pilzherbarium sowie der Sammlung mikroskopischer Präparate wurde noch eine Sammlung ausgewählter Hölzer, die zum größten Teil dem Garten der Lehranstalt entstammten, angelegt, um ein bisher nicht vorhandenes gutes Material zum Demonstrieren bei dem anatomischen Unterricht zur Hand zu haben.

9. Laborantenkurse in der Versuchsstation.

Um Personen, welche bereits mit der nötigen Vorbildung versehen. sind, Gelegenheit zu geben, sich über in das Gebiet des Wein-, Obst

und Gartenbaues einschlagende wissenschaftliche Fragen zu informieren resp. weiter auszubilden oder aber selbständige wissenschaftliche Untersuchungen auszuführen, sind in der Versuchsstation sogenannte Laborantenkurse eingerichtet.

In dem laufenden Etatsjahre arbeiteten als Laboranten die Herren: A. Hahne aus S. Francisco, Laves aus Hannover, Chabot aus Amsterdam und Hoehl aus Geisenheim, welche sich beschäftigten mit Untersuchungen, Züchtung und Kultur von Weinhefen, Bakterien und einer Reihe von im Most häufig vorkommenden Schimmelpilzen sowie zum Teil mit Versuchen über einige physiologische Erscheinungen bei der Transpiration.

10. Beantwortung von Anfragen.

Die in der Versuchsstation vorgenommenen Untersuchungen, Kulturen und Züchtungen von reinen Weinhefe-Rassen haben einen außerordentlich regen und sich immer mehr steigernden Verkehr der Praxis mit der Ver suchsstation zur Folge gehabt, insofern zahlreiche Praktiker veranlaßt wurden, nicht nur von der Versuchsstation reine Weinhefen zu beziehen, sondern sich auch ausgedehnt mit Anfragen in Bezug auf Weingärung, Krankheiten des Weines zc. an die Versuchsstation wendeten. Gerade in obiger Beziehung hat die Versuchsstation seit etwa zwei Jahren eine sehr umfangreiche Thätigkeit nach außen entfaltet. Außerdem liefen von seiten der Praxis wie im Vorjahre zahlreiche Anfragen ein, welche sich bezogen auf Düngung der Pflanzen, Krankheiten und Beschädigungen der Obstbäume und wichtiger Kulturpflanzen.

Die Assistenten der Versuchsstation, Dr. C. Schulze und Ed. Kröber haben sich an wissenschaftlichen Untersuchungen, an der Herstellung der Sammlungen sowie an den Hefezüchtungen mit stets regem Eifer beteiligt.

Im Laufe des Etatsjahres gingen aus der pflanzenphysiologischen Versuchsstation folgende Publikationen hervor:

J. Wortmann: 1. Ueber die Anwendung von rein gezüchteten Hefen bei der Schaumweinbereitung (Mitteilungen über Weinbau und Kellerwirtschaft. 1893, Juni. Dasselbe auch in: Weinbau und Weinhandel. 1893.)

2. Ueber die Verwendung von reinen Weinhefen bei der Apfelweinbereitung (Mitteilungen über Obst- und Gartenbau. 1893, September.) 3. Mitteilung über die Verwendung von konzentriertem Most für Pilzkulturen (Botanische Zeitung. 1893. Nr. 12, Juni).

4. Ueber die Wirkungen des Formols (Formaldehyds) auf Bakterien und Schimmelpilze, sowie über seinen Einfluß auf das Gedeihen höherer Pflanzen. (Mitgeteilt von den Farbwerken vorm. Meister Lucius und Brüning, Höchst a. M.)

b) Bericht über die Thätigkeit des chemischen Laboratoriums. Erstattet von Dr. P. Kulisch, Chemiker der Königl. Lehranstalt.

A. Thätigkeit des Laboratoriums nach Außen.

Der Berichterstatter veröffentlichte im Laufe des letzten Jahres neben kleineren Mitteilungen folgende Auffäße:

Ueber die Zusammensetzung der konzentrierten Traubenmoste und deren Wert für die Weinbereitung. Weinbau und Weinhandel, 1893, Seite 212. Analysen von 93er Rheingauer Mosten, ebenda, Seite 564.

Ueber Mostwaagen, ebenda, 1894, Seite 2.

Untersuchungen über die chemische Zusammenseßung der Moste und Weine des preußischen Weinbaugebietes, Zeitschrift für angewandte Chemie, 1893, Heft

16 und 19.

Ueber den Nachweis der Borsäure, insbesondere in der Weinasche, ebenda, 1894, Heft 5.

Obftanalysen, ebenda.

Ueber die Herstellung von Obstwein nach dem Diffusionsverfahren, Landwirtschaftl. Jahrbücher, 1894, Seite 623-48.

Kritische Studien über die Bestimmung des Glycerins im Wein, Forschungsberichte über Lebensmittel und ihre Beziehungen zur Hygiene, über forense Chemie und Pharmakognosie, Heft 8, 9, und 10, 1894.

Er beteiligte sich durch gutachtliche Aeußerungen an den Vorbereitungen der von seiten des Reiches zu erlassenden Vorschriften über die Methoden zur Weinuntersuchung.

Im Auftrage von Privaten wurde, wie in den Vorjahren, eine größere Zahl von Mosten und Weinen untersucht, außerdem mehrere Liköre, Obstweine, Zuckersorten, Dünger, Erdproben, Wasser u. s. w.

B. Unterricht.

Nach Aufhebung des Sommerkursus für Obst- und Weinbau, der den Interessenten auch Gelegenheit zur ausführlichen Erlernung der Weinanalyse bot, hat sich das Bedürfnis herausgestellt, durch Einrichtung von Laborantenkursen im Laboratorium in gedachter Hinsicht Ersatz zu schaffen. Es wurden während des verflossenen Jahres 11 Herren in der Weinanalyse, Gärungschemie und verwandten Fragen unterwiesen, von diesen waren 5 Weinhändler, die übrigen Weingutsbesißer. Die Dauer des Unterrichts bewegte sich zwischen 1 und 4 Monaten. Es ist dadurch die Versuchsstation unverhältnismäßig stark in Anspruch genommen worden, da die Laboranten nicht zu gleichen Terminen eintraten und jeder derselben besondere Anweisung erhalten mußte, was namentlich bei dem Mangel an Vorkenntnissen in der Chemie sehr viel Zeit erforderte. Es erscheint sehr erwünscht, diesem Uebelstande dadurch abzuhelfen, daß dem unzweifelhaft vorhandenen Bedürfnis nach einem solchen Unterricht durch Einrichtung eines besonderen Kursus genügt werde. Es wird dadurch auch ermöglicht, durch Abhaltung theoretischer Vorträge und Ausdehnung der praktischen Demonstrationen den Unterricht für Teilnehmer fruchtbringender zu gestalten, als dies bei dem bisherigen Modus mit Rücksicht auf die sonstigen Aufgaben der Versuchsstation möglich war.

C. Wissenschaftliche Thätigkeit des Laboratoriums.

1. Ueber die Zusammensetzung der konzentrierten Trauben= moste und deren Wert für die Weinbereitung.

Schon vor einer längeren Reihe von Jahren hat Dr. Ferd. Springmühl in einem ausführlichen Werke für den Gedanken gewirkt, die Moste südlicher Länder an ihrem Gewinnungsort durch Eindampfen unter vermindertem Luftdrucke auf 1/4 ihres Volums zu konzentrieren.

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