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8. Tierische Feinde.

a) Der Apfelwickler (die Obstmade). Carpocapsa pomonella L.

Im vergangenen Etatsjahre richtete das Räupchen dieser Motte einen ganz ungewöhnlich starken Schaden an, sodaß sich Bäume fanden, an denen nur wenige Früchte der reichen Ernte madenfrei waren. Nachdem schon in den Vorjahren allerlei Bekämpfungsversuche vorgenommen worden waren, gelang es diesmal, ein leicht anwendbares Mittel in der sogenannten „Madenfalle" zu finden. Dieselbe ist in dem Organe der Anstalt, den „Mitteilungen über Obst- und Gartenbau" im Hefte 5 ausführlich_beschrieben, weshalb an dieser Stelle nur ein das Wesentlichste enthaltender Auszug aus jenem Artikel folgen möge:

"

Wie viele Erfahrungen lehren, kriecht die Obstmade, wenn sie ihre volle Entwickelung erlangt und sich an einem Gespinnstfaden auf den Boden herabgelassen hat oder mit der Frucht auf demselben angelangt ist, zum Zwecke der Verpuppung wieder am Stamme empor, um sich in Rissen und Sprüngen der Rinde oder noch lieber hinter teilweise losgelösten Schuppen und Streifen derselben ein wohl eingerichtetes und wetterfestes Winterquartier zu zimmern. Das Räupchen arbeitet in die Rinde mit scharfem Zahne eine flache, ovale Vertiefung hinein, welche es mit Gespinnstfäden und den abgenagten Rindenteilchen überwölbt, sodaß es in diesem weißlichen Gehäuse vollständig verborgen und geschützt ist.

Dem Herrn Mädchenlehrer Becker in Jüterbog, dem Erfinder des Brumata Leimes, welcher zum Fange des Frostnachtschmetterlings dient, gebührt das Verdienst, den mit Klebstoff bestrichenen Papiergürtel auch zum Fangen der Obstmade empfohlen zu haben. Becker gab den Rat, den Papiergürtel am oberen Rande festzubinden und den unteren Rand frei zu lassen, damit die Obstmade, nachdem sie durch den Klebstoff verhindert worden wäre, am Baume weiter emporzukriechen, sich unter dem Schuße des Papiergürtels einspinnen und dann leicht getötet werden könnte. Die Gürtel sollen angelegt werden, sobald man die ersten wurmigen Früchte auffände; im Herbste sollte das Abnehmen der Gürtei und das Töten der Maden erfolgen."

Genau nach dieser Vorschrift wurde auch hier verfahren, aber man machte die Beobachtung, daß der Klebstoff (Raupenleim) an den heißen Sommertagen flüssig wurde und an dem Stamme herunterlief. Da auf Grund hiesiger Erfahrungen die unmittelbare Berührung der Rinde (und besonders der jungen) bedenklich ist, weil die von dem Klebstoffe überzogenen Rindenteile nicht mehr atmen können und deshalb krank werden bezw. absterben, so glaubte man den Zweck auch ohne Leim schon durch Anlegen von Gürteln aus Werg, Holzwolle und Stroh erreichen zu können. Wie sich mit Hilfe der über diesen Gürteln zur Kontrolle angebrachten Klebgürtel ergab, krochen die Maden zum größten Teil über Holzwolle, Werg und Stroh hinweg und wanderten nach der Krone hinauf. Dies ließ erkennen, daß den Maden die gedachten Stoffe zur Verpuppung nicht sicher genug erschienen. Es wurden deshalb etwa 20 cm breite Papiergürtel so angelegt, daß man erst eine dünne Schicht Holzwolle um den Stamm gab, darüber ganz geringes Strohpapier band und über diesem geleimtes Papier befestigte, sodaß nur unter dem oberen Rande ein Band

angebracht wurde. Fig. VII stellt links den Stamm eines 27 jährigen Birnbaumes dar, um welchen ein solcher Gürtel ohne Raupenleim angelegt wurde; der untere Rand des Papieres steht infolge der Holzwolle, welche darunter hervorsieht, weit ge

nug ab, um den Obstmaden das Hinunterkriechen bequem zu gestatten. Die Holzwolle reicht aber nur bis an das obere Band und nicht darüber hinaus, weil sich dasselbe mit dem Papier ganz dicht an die Rinde anschließen muß, um das Durchschlupfen der Maden nach obenhin unmöglich zu machen.

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Fig. VII.

Im Winter wurden die Gürtel gelöst und die gefangenen Maden gezählt und getötet. Es ergaben sich auf 59 Bäumen 1825 Obstmaden, was auf den einzelnen Baum 31 Maden ausmacht; die höchste an einem Baume gefundene Zahl war 111, die geringste 4. Die Maden hatten, wie schon oben gesagt, kleine ovale Vertiefungen in die Rinde genagt, wie dies auf unserer Abbildung rechts an dem von dem Gürtel befreiten Stamme zu sehen ist. Die Holzwolle und das Strohpapier waren von den Tieren zur Herstellung des deckenden Gespinnstes fleißig benutzt worden, ein Beweis dafür, daß ihnen die Materialien zusagten. Wie aus der Zeichnung ersichtlich, spannen sich die meisten Maden dicht unter dem Bande

Eine Bevorzugung einzelner Sorten hat sich bei diesen Aufzeichnungen nicht ergeben; auch scheinen die Maden benachbarte Stämme nicht aufgesucht zu haben.

Um ganz sicher zu gehen, wurden über einer größeren Zahl dieser „Madenfallen", wie man sie wohl mit Recht nennen darf, vorschriftsmäßige Klebgürtel angebracht und mit Polborn'schem Raupenleim bestrichen. Bei der Revision fand man aber keine Maden darunter, ebenso wenig wie unter der Rinde, die sich zwischen beiden Gürteln befand. Man darf deshalb wohl mit Recht schließen, daß keine Maden über den unteren klebstofffreien Gürtel hinweggekrochen sind, sondern daß alle unter demselben diejenigen Bedingungen vorfanden, die ihnen zum Einspinnen einladend erschienen.

b) Die Blattmilbe (Phytoptus piri).

Dieser Schädling trat im verflossenen Etatsjahre außerordentlich stark auf, ohne daß es gelungen wäre, ihn durch Schwefeln zu vertreiben.

c) Die Pfirsich motte (Anarsia lineatella Z.),
Bericht 1892/93 S. 26.)

Auch dieser Schädling stellte sich in sehr großer Zahl ein und richtete sowohl an den Trieben als an den Früchten beträchtlichen Schaden an,

d) Die Blutlaus (Schizoneura lanigera H.)

Nachdem mehrere Jahre hindurch dieser Schädling sich nur in ganz geringem Maße bemerklich gemacht hatte, erschien er 1893 im Juni und zwar trotz der großen Trockenheit, die ihm nach den seitherigen Beobachtungen nicht zuzusagen schien. Die Bekämpfung erforderte häufiges Nachsehen in Zwischenräumen von 8 zu 8 Tagen; zu den anzuwendenden Mitteln ist noch Lysol hinzugekommen, welches in einer 14 prozentigen Lösung erfolgreich benutzt worden ist. Es kann indessen nicht oft genug wiederholt werden, daß es viel weniger auf das Mittel, als auf die häufige Anwendung desselben ankommt. Die vollständige Unterdrückung der Blutlaus scheint zu den Unmöglichkeiten zu gehören; es genügt eben das Uebrigbleiben einer einzigen Laus zur raschen Wiederausbreitung und Bildung von neuen Kolonien.

e) Der gebuchtete Prachtkäfer (Buprestis sinuata Ol.)

Dieser im Jahresberichte 1890/91 eingehend besprochene Schädling trat in der Baumschule auf der Windeck sehr stark auf, sodaß es nötig erschien, 220 Birnenhochstämme abzuschneiden und zu verbrennen. Die befallenen Stellen hatten eine Länge bis zu 1 m. Der Schaden machte sich erst Mitte Oktober bemerklich und man fand, daß verkaufsfertige, glatte Stämme häufiger befallen waren als jüngere unfertige, an denen noch Seitenzweige sitzen. Man beobachtete Ende November gleichzeitig ausgewachsene und ganz junge Larven.

9. Pflanzliche Feinde.

a) Sphaerella sentina.
und

b) Fusicladium dendriticum und pirinum

sind im Sommer 1893 nicht oder nur kaum nennenswert aufgetreten und konnten sich wohl infolge der großen Trockenheit nicht weiter ent wickeln. Die Sphaerella dürfte vielleicht die Form eines Pilzes sein, der auch auf einer anderen Pflanze lebt. Man konnte beobachten, wie an windgeschützten Stellen die Bäume frei blieben, während da, wo der Wind hinzu konnte, Pilzflecken zu bemerken waren.

Das Fusicladium ist erst gegen Weihnachten im Obsthause aufgetreten.

Während der trockene Sommer 1893 im allgemeinen für die Entwickelung schädlicher Pilze ungünstig war, stellte sich Ende Juli auf einmal mit großer Heftigkeit das

c) Oidium Tuckeri

ein. Die vielfach verbreitete Annahme, dasselbe könne sich nur bei feuchter Witterung entwickeln, ist also eine irrige. Allerdings muß bemerkt werden, daß die befallenen Stöcke durch die Anlage eines Entwässerungsgrabens bezw. durch Verlust vieler Wurzeln erheblich geschwächt waren und darum

wohl dem Pilze eine sehr günstige Gelegenheit zu seiner Ansiedelung darboten.

B. Versuchsstation für Obstverwertung.

Die ungemein reiche Ernte des Jahres 1893 veranlaßte zu verschiedenen Versuchen und bot den Schülern die umfassendste Gelegenheit, sich in allen Zweigen der Obstverwertung praktisch auszubilden und nügliche Kenntnisse zu erwerben.

1. Gärversuch bei Apfelmost unter Busah reiner Hefe.

Nachdem es sich im vorigen Jahre herausgestellt halte, daß Zusag reiner Hefe einen früheren Beginn und Verlauf der Gärung herbeiführt und einen qualitativ besseren Wein liefert als spontane Gärung, sollte nebst Wiederholung des vorigjährigen Versuches in diesem Jahre auch geprüft werden, ob dieselbe Heferasse in verschiedenen Mosten dieselben Eigenschaften entwickelt, d. h. ob die durch dieselbe entstandenen Weine die für die Hefe charakteristischen Merkmale auch dann zeigen, wenn die Moste unter einander verschieden waren. Für diese Prüfung wurden wieder die Winninger und Würzburger Hefen und außerdem noch die Rüdesheimer Hinterhaushefe benutzt. Für jede Hefe wurde ein Faß mit 300 1 Inhalt genommen, so daß ein Reihe, einschließlich des spontan gärenden Kontrolle-Mostes, vier Nummern enthielt. Der Most dafür wurde jedesmal in einem 1200 1 haltenden Fasse gemischt und dann in die 4 Fässer verteilt. Es wurden 3 Serien, aus Mosten verschiedener Zusammenseßung und zeitlich verschiedener Kelterung bestehend, gebildet, sodaß immer drei Fässer dieselbe Hefe als Zusatz erhielten. Die Gärung der ersten, am 30. August eingefelterten Moste, fand bei einer Kellertemperatur von 11,8-13° R., diejenigen der zweiten am 26. September gekelterten bei 11,7° R. und diejenigen der dritten Serie, welche am 28. Oktober gefeltert wurde, bei 8,6-9,7° R. statt. Eine Bestimmung der entweichenden Kohlensäure war aus verschiedenen Gründen nicht gut möglich, und um die Gärungsthätigkeit der einzelnen Heferassen doch wenigstens annähernd zu ermitteln, wurde die Temperatur der Moste mit einem Faßthermometer nach Reaumur dreimal in 24 Stunden in möglichst gleichen Zwischenräumen gemessen. Die Ergebnisse dieser Messungen sind aus den beiliegenden Tafeln VIII, IX und X, welche den Gang der Temperatur graphisch darstellen, ersichtlich. Danach fand der Beginn der Gärung bei den mit Hefe versetzten Mosten durchwegs um einen, mindestens aber um einen halben Tag früher statt als bei den ohne Zusatz gebliebenen Mosten. Der Verlauf derselben war ebenfalls ein sehr verschiedener. Bei Vergleichung der Kurven ergibt es sich sofort, daß die Rüdesheimer Hinterhaushefe bei allen drei Reihen die größte Gärungsenergie zeigte (soweit auf eine solche von der Wärmeentwickelung geschlossen werden kann), daß sich dagegen die Winninger und die Würzburger Steinhefe nicht durchaus gleich verhielten. Nur in der ersten Serie bleibt die Winninger Hefe gegenüber der Würzburger um ein ziemlich Bedeutendes in der Wärmeentwickelung zurück, während in der zweiten und dritten Reihe ein ausgesprochen ver

schiedenes Verhalten in dieser Hinsicht nicht zu sehen ist. Mit Ausnahme der lezten Reihe, bei welcher infolge der niedrigen Kellertemperatur die Gärung nur langsam vor sich ging und bei welcher ausgesprochene Unterschiede in der Temperatur überhaupt nicht vorhanden waren, bewirkte die Hefe in den ersten zwei Serien ein rascheres Ansteigen der Gärung. Entsprechend dem früheren Eintritt und der schnelleren Steigerung, ist die Gärung bei Zusatz von Hefe auch rascher zu Ende gegangen, als bei den Kontrolle-Mosten, was aus dem Verlauf der Kurven deutlich ersichtlich ist. Eine Ausnahme hiervon macht die Winninger Hefe; diese bewirkte ein langsameres, aber gleichmäßigeres Steigen und Fallen der Temperatur, ein Verhalten, welches diese Hefe auch im vorigen Jahre zeigte und welches für sie charakteristisch zu sein scheint. Mit Winninger Hefe gärende Moste zeigen in den beiden ersten Serien sogar eine geringere Temperaturerhöhung als spontan gärende.

Während der Gärung hatte man auch die mit der Kohlensäure entweichende Geruchsstoffe zu wiederholten Malen durchs Riechen an dem unter Wasserverschluß stehenden Gärspunden geprüft, und dabei gefunden, daß die unter Zusaß der Hefe gärenden Moste durchaus und während der ganzen Zeit der Gärung ein schöneres, an Traubenwein erinnerndes Bouquet zeigten, als spontan gärende. Weiteres konnte unschwer festgestellt werden, daß dieses Bouquet bei jedem Fasse ein anderes war und bei derselben Hefe, die gleiche Eigenschaftlichkeit bei allen drei Serien beibehielt. Am hervorragendsten muß dasjenige der Rüdesheimer Hefe genannt werden, während die Winninger, noch mehr aber die Würzburger gegen diese zurücktreten.

Die Untersuchung der Hefe aus dem Bodensatz der Fässer nach beendigter Gärung, welche von Herrn Dr. Wortmann vorgenommen wurde, ergab nach diesem das folgende Resultat:

1. Trub derjenigen Fässer, welche mit derselben Hefe vergoren sind, war ein übereinstimmend gleichmäßiger; 3. B. Winninger Hefe ergab stets Trub desselben Aussehens u. s. w. 2 Sämtliche mit reiner Hefe vergorene Fässer zeigen reineren Hefezusatz, d. h. die Nachkommenschaft der zugeschten Hefe überwiegt bei weitem.

3 Spontan vergorene Fässer lassen im Trub ein Gemisch von Hefen verschiedener Arten erkennen.

4. Der Trub des spontan vergorenen Fasses Nr. 5 vom September ist viel sauberer zeigt mehr Ellipsoideus, als derjenige der Nr. 1, welche im August in Gärung kam. (Im ersteren Falle Mitwirkung einer größeren Zahl von Weinhefe, welche von den um diese Zeit reifenden Trauben durch Wespen u. s. w. an die Aepfel kam; im August ist dagegen die Zahl der auf den Trauben haftenden Weinhefe noch gering und so ein Verschleppen durch genannte Insekten nicht in der großen Menge möglich.)

5. Jm Trub spontan vergorener Weine sind mehr Bakterien vorhanden als im Trub rein vergorener Weine.

6. Bakterien sind in der ersten Serie (1-4) in größerer Menge vorhanden als in Serie 5-8.

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