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Güter. Aber es war in Wahrheit nur ein Scheinbesitz. Condé trat nämlich das Fürstenthum Orange an König Ludwig XIV. gegen anderweitige Entschädigungen ab und das Fürstenthum Orange wurde durch das vom Parlament zu Aix registrirte Urtheil 1702 der Krone Frankreich einverleibt. Seit dieser Zeit ist Frankreich in fortwährendem Besitze des Fürstenthums Oranien geblieben und wir werden später sehen, wie dieser Besitz in den verschiedenen Friedensschlüssen anerkannt und garantirt worden ist.

Kaum hatte Wilhelm Hyacinth diese Einverleibung vernommen, als er darüber, höchst aufgebracht, bei einem Höheren eine feierliche Protestation einlegen zu müssen glaubte, dem, seiner Meinung nach, auch König Ludwig XIV. unterworfen sei; er reichte nämlich eine Verwahrung gegen diese Besitzergreifung bei dem Papste Innocenz XII. ein und drang auf Zurückgabe dieses ihm angehörigen Fürstenthums.

Wilhelm Hyacinth hatte sich von Avignon nach dem Haag begeben, um bei den General-Staaten seine Ansprüche geltend zu machen. Aber er konnte durch alle seine Verhandlungen um so weniger erreichen, da die Staaten durch die beiden Testamente zu Testamentsvollstreckern ernannt waren und ihre Fürsorge sich vorzugsweise Brandenburg und Nassau-Diez zuwendete. Da Wilhelm Hyacinth dem Pabste, wie den übrigen katholischen Mächten die kräftigste Förderung seiner Ansprüche zutraute, so mag dies dazu beigetragen haben, dass er im katholischen Kirchenceremoniell immer scrupulöser wurde. Denn vom Haag aus schrieb er die ganze Rangordnung vor, wie die Angestellten, Diener, Magistrate, seien sie katholisch oder protestantisch, bei den Processionen in Siegen einhergehen sollten. Und es musste dieser Vorschrift in der Folge pünctlich nachgelebt werden!

Bei seiner Rückkehr nach Siegen hielt es der Fürst für nöthig, seine Erbansprüche in einer vollständig ausgearbeiteten Deduction nachzuweisen, die zuerst in französischer Sprache unter dem Titel erschien: Deduction der unbestreitbaren Rechte, wonach Wilhelm IV. Prinz von Oranien und Nassau Siegen Sr. britannischen Majestät Wilhelm III. in dem Besitz und den Gütern des Fürstenthums Oranien nachfolgt. Sie erschien in Folio, kam auch in lateinischer Sprache heraus unter dem Titel 1): Vera facti species u. s. w. und ist höchst wahrscheinlich von seinem Kanzler Dr. Tulemar ausgearbeitet. Auch holte er von vielen Universitäten, von Marburg, Giessen, Leipzig, Duisburg, Mainz, Leiden, Utrecht, Löwen, rechtliche Gutachten über seine Erbansprüche ein, die aber sehr verschieden ausfielen. Zugleich wendete er sich ausser

1) Vera facti species, qua ex pactis diversis et Fidei commissariis Dispositionibus Wilh. Hyacintho successionem in Principatum Aurassionem indubitanter competere.

den deutschen, an die meisten europäischen Höfe, an Schweden, Polen, England, Spanien, Portugal, um seinen Anforderungen Geltung zu verschaffen. Auch unterhielt er an vielen Orten, so in Paris, im Haag, in Brüssel, in Wien, in Rom u. s. w. zahlreiche Geschäftsträger, namentlich werden Kanzler Tulemar, Rector Severus und Mr. Dormieux in Siegen, de Rapoix zu Brüssel, Mr. Busseau und Rossignon zu Mecheln, Mr. Hillon zu Ruremonde und Mr. Pais zu Avignon genannt.

Wiewohl die bisherigen Erfahrungen nicht zu grossen Erwartungen berechtigten, so war ihm doch im Auslande, wo es ihm an Schmeichlern nicht fehlte, der einstige Besitz um so gewisser geworden. Die meisten katholischen Regierungen, die einem Fürsten ihres Glaubens diese reiche Erbschaft gönnten, traten auf seine Seite und schon wurden ihm von verschiedenen katholischen Ständen Gratulationen wegen Besitzergreifung von Vianden, Breda und Gütern in Burgund abgestattet. Da glaubte er denn durch einen gewichtigen Act zeigen zu müssen, dass er ein souverainer Fürst von Oranien sei. Sein Hofmarschall, Graf Jonquiers, wusste auch zu allen Dingen Rath. Um sich ganz in der Machtvollkommenheit eines souverainen Fürsten und einer Königlichen Hoheit zu zeigen, stiftete er 1703 einen Orden und ertheilte seiner Regierung eine Instruction de l'ordre du St. Sacrament. Wen er aber zu Ordensrittern ernannt, ist mir bisher noch nicht bekannt geworden.

Mittlerweile nahm der Druck im Siegenischen auf eine furchtbare Sein langer Aufenthalt im Ausland mit dem grossen Gefolge, die vielen Geschenke, von denen seine Hand überfliessen musste, um mit seiner Sache Eingang zu finden, steigerte die Abgaben auf eine unerhörte Weise und es wurden schon in einem Jahre sechszig Schatzungen erhoben und diese mit unerbittlicher Strenge beigetrieben. Und doch reichten diese ausgeschlagenen Schatzungen zur Ausführung so vieler Projecte nicht hin. Er musste daher bei seinen Agnaten den Consens zu einem neuen Anlehen von 20,000 Thalern nachsuchen und die Banquierhäuser De Rhon und Schonemann zu Frankfurt gingen darauf ein und die Dörfer Willensdorf und Wilgersdorf wurden ihnen auf drei Jahre käuflich überlassen. Die Gemeinden sollten neben ihren Steuern auch noch für die jährlichen Zinsen aufkommen. Als sie sich dessen in der Folge weigerten, wurden alsbald Heimberger und Vorsteher benannter Ortschaften gefänglich eingezogen und auf Befehl des Fürsten streng inquirirt: wer ihnen zu dieser Widersetzlichkeit gerathen habe? Wollten sie endlich ihre Freiheit wieder erhalten, so mussten sie sich in Aufbringung dieser beinahe unerschwinglichen Abgaben fügen. Erst 1755 wurde diese Pfandschaft von Statthalter Wilhelm V. mit 43,000 Gulden

1) Archiv zu Idstein.

wieder eingelöst. Wahrscheinlich übten bis dahin die Banquiershäuser die Hoheitsrechte über die Dorfschaften Willensdorf und Wilgersdorf aus.

Und doch sollte ihn in dieser Zeit ein sehr schwerer Schlag treffen, über den noch immer ein geheimnissvolles Dunkel schwebt, das auch durch alle vorliegenden Correspondenzen nicht aufgehellt wird. Sein einziger Sohn, Prinz Franz Joseph Hyacinth, in seiner ersten Ehe mit Marie Franziska, geb. von Fürstenberg, erzeugt, geboren den 27. Januar 1688, fand nämlich im beinahe vollendetem sechzehnten Lebensjahre, den 18. November 1703, auf einer Jagd im Rödcher Walde bei Siegen seinen frühen Tod. Nach der Volkssage hatte des Fürsten Gewehr den Liebling unversehens durch einen Schuss getödtet. Auf des Fürsten Befehl wurden des Prinzen irdische Ueberreste in der Eremitage des Rōdcher Waldes beigesetzt, die Exequien sowohl in Siegen, als in Orange gehalten und die Gedächtnisspredigt in französischer Sprache aus letzter Stadt nach Siegen eingesendet. Weder die Grabschrift in dieser Capelle 1), noch die Gedächtnisstafel in der Capelle auf dem Herzberge bei Hadamar geben über diesen Vorfall den mindesten Aufschluss.

Bei den vielen Reisen, die der Fürst fortwährend für seine Angelegenheiten unternahm, welche aber grosse Summen kosteten, war er auf Alles bedacht, was seine Einnahmen vermehren konnte. Die geringsten Uebertretungen wurden daher mit den schwersten Bussen belegt. Die Strafansätze gegen seine Unterthanen häuften sich auf eine unglaubliche Weise und wenn die schweren Bussen nicht sogleich beigetrieben wurden, so belegte er seine Räthe mit Strafen von 15, 20, ja 30 Thalern. Wie weit er solche Bussen ausdehnte, davon folgendes Beispiel: So verlangte er von seinen protestantischen Unterthanen, dass sie bei dem katholischen Ordinariat zu Mainz die Dispensationen bei Trauungen einholen sollten. Als nun Tochter und Sohn der Siegener Grundbesitzer Johann Eberhard Heser der Aeltere und Adolph Diesterweg, welche im zweiten Grade mit einander verwandt, von ihrer protestantischen Behörde die Dispensation erwirkt, aber dieselbe nicht bei dem katholischen Ordinariate eingeholt hatten, so setzte er einem Jeden von beiden Vätern 500 Thaler, also 1000 Thaler Strafe im Ganzen an und sie musste ohne Widerspruch bezahlt werden. So wurde der Hüttenbesitzer Achenbach zu Siegen, der sich in das ihm nachtheilige und bisher nicht bestandene Gesetz wegen der Massenbläserei nicht fügen wollte, gefänglich eingezogen und als sich nun die im Wochenbette sich befindende Frau die

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1) Die Grabschrift in der Rödcher Capelle besagt:

Hic jacet Serenissimus Princeps Nassovius
Auriaci Principis Guilelmi Quinti et
Mariae Franciscae de Fürstenberg Filius
Natus 1689 D. 22. Febr. Obijt 1703.

Befreiung ihres Mannes dringend erbat, so konnte sie dies nicht anders erlangen, als dass sie 1000 Thaler Strafe bezahlte und ihr Mann sich einer eidlich ausgeschworenen Urphede unterzog.

Seine Räthe schwebten in steter Gefahr in Ungnade zu fallen und Männer, die ihm bei seinen Angelegenheiten mit Rath und That zur Seite standen und gleichsam seine rechte Hand ausmachten, wurden bei der geringsten Veranlassung eingesteckt und Monate lang in strenger Kerkerhaft gehalten.

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Wie bereits bemerkt, so hatte Wilhelm Hyacinth bei seiner öfteren Abwesenheit das Seniorat des Ottonischen Hauses dem Fürsten Wilhelm zu Dillenburg übertragen. Da nun eine 1) Zusammenkunft wegen einiger wichtigen Entscheidungen nöthig war, so schrieb solche Fürst Wilhelm nach Hadamar aus und wurde auch Wilhelm Hyacinth's Rath, Weller von Siegen, zu dieser Conferenz eingeladen. Bei dieser Zusammenkunft kam auch das von Wilhelm Hyacinth sehr kategorisch angeforderte Prädicat Hoheit zur Sprache und sollte die Anforderung erledigt werden, ob man, bevor die Oranische Erbschaft an den Fürsten übergegangen sei, sei, dieses Prädicat in Zuschriften zu gebrauchen habe. Dies fiel aber bei Allen, ausser bei Rath Weller, verneinend aus und sollte man einstweilen davon Umgang nehmen. Kaum hatte dies Wilhelm Hyacinth erfahren, als er Rath Weller sogleich seines Dienstes entsetzte, ihn aber dabei noch gefänglich einziehen liess, weil er einer Conferenz angewohnt habe, die seine Würde nicht anerkennen wolle. Weller erkrankte im Gefängniss und es liegen sehr dringende Bittschriften seiner ebenfalls erkrankten Frau vor, ihren Mann wieder in Freiheit zu setzen. Da er dem Fürsten unentbehrlich war, so sehen wir ihn später wieder in seinen Diensten.

Uebrigens hatte die in Hadamar getroffene Entscheidung die Folge, dass Wilhelm Hyacinth seinen Räthen verbot, weiteren Gerichtssessionen. mit den protestantischen Räthen beizuwohnen, weil letztere seine Autorität nicht anerkannt hätten, wodurch denn für seine Landestheile der Nachtheil erwuchs, dass alle richterlichen Entscheidungen stille gestellt waren. Die Uebertragung des Seniorats von Nassau-Dillenburg wurde. augenblicklich zurückgenommen und von Wilhelm Hyacinth wieder selbst vertreten.

Unterdessen waren die Zerwürfnisse mit dem reformirten Fürsten Adolf, der im unteren Schlosse residirte, immer heftiger geworden, wozu denn auch der jüngste in Hadamar gemachte Beschluss nicht wenig beitragen mochte. Da nun die Stadt Siegen unter die beiden regierenden Herren getheilt war, so trennte Wilhelm Hyacinth seinen ihm zugehö

1) Archiv zu Idstein.

rigen Stadttheil und liess am Ende der Burgstrasse beide Theile durch eine Mauer mit einem Thore abschliessen, das Tag und Nacht mit zwei Schildwachen besetzt war. Zugleich liess er auf der, den sogenannten Hasengarten umgebenden Mauer einen dreissig Fuss hohen, oben platten Thurm1) errichten und mit zwei Kanonen besetzen. Die Läufe der beiden Kanonen waren gerade auf das Corps de Logis des unteren Schlosses gerichtet, um die verwandte Familie in steter Furcht und Unterwürfigkeit zu halten, auch wohl die Anerkennung seiner Würde zu ertrotzen. Die fürstliche Familie war aber dadurch der höchsten Gefahr ausgesetzt, in der Gewalt eines so jähzornigen, heftig aufbrausenden Mannes zu stehen, dem es bei der geringsten Veranlassung einfallen konnte, sie bei der Tafel niederzuschiessen.

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Dies war denn doch der Gewaltthätigkeit in einer und derselben Stadt zu viel! Nachdem die geeigneten Protestationen nichts gefruchtet hatten, wendete sich der reformirte Fürst desshalb klagend an die verwandten Häuser zu Dillenburg und Hadamar und bat dringend um Hülfe 2). Er biete gerne die Hand zum Frieden, so sagte er in seiner Zuschrift, und wolle die von beiden Seiten entstandenen Irrungen abgethan haben, aber das Bollwerk mit den Kanonen müsse weggenommen und der einseitig in der oberen Burgstrasse gesetzte Pranger müsse entfernt werden. Ein schriftlicher Revers von beiden Agnaten als Geranten des Vergleichs müsse aufgestellt und namentlich von Wilhelm Hyacinth versprochen werden, sich künftig jeden Attentats zu enthalten."

Aber Wilhelm Hyacinth war weit entfernt, sich bei allem Zureden seiner Verwandten auf einen solchen Vertrag einzulassen, vielmehr sprach er die Drohung aus, bei der ersten Veranlassung das untere Schloss in Brand zu schiessen.

Es blieb also dem reformirten Fürsten Adolph nichts anders übrig, als einstweilen, bis andere Hilfe ankam, selbst die nöthigen Vorsichtsmassregeln zu treffen und sollte sich der Hof, namentlich seine Gemahlin Juliane Franziska, geborene Landgräfin von Hessen-Homburg, mit den Kindern im November 1704 nach Charlottenthal flüchten, wenn irgend ein Angriff zu fürchten sei.

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Da die Bemühungen der Vettern zu Dillenburg und Hadamar nichts gefruchtet hatten und Fürst Adolph mit seinem Hofe nicht in immerwährender Furcht schweben wollte, die Angriffe sich sogar noch steigerten, indem vor dem Grafen Jonquiers kein Bediensteter des refor

1) Dieser platte Thurm, mit dem Sinnbild der Maria geziert, wurde von dem Volke Plattmerge genannt. Maria in der Volkssprache Merge. 2) Archiv zu

Idstein.

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