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gegen ist dasjenige Glied einer feindlichen Land- oder Seemacht, welches bereits von dem Friedensschlusse glaubhaft unterrichtet ist, selbst innerhalb der noch etwa vereinbarten zusäßlichen Frist, mit deren Ablauf alle Feindseligkeiten schlechterdings ceffiren sollen, nicht mehr befugt, dergleichen auszuüben, sondern zur Herausgabe des Weggenommenen und zur Entschädigung unmittelbar verpflichtet. Der Termin ist hier nur das äußerste Ziel für die beiderseitigen Staaten hinsichtlich der noch etwa bona fide von Einzelnen fortgesetzten Gewaltthätigkeiten1.

Vollziehung und Aufhebung der Friedensschlüsse.

184. Nach geschlossenem Frieden tritt die Pflicht der Vollziehung unter den Contrahenten und ihren Angehörigen ein. Alles, was von Auslegung und Wirksamkeit der Verträge, von den Mitteln ihrer Befestigung u. s. w. gilt, kommt vorzüglich auch bei Friedensschlüssen in Betracht. Zur Ausführung einzelner Artikel können

Hautefeuille IV, 277. Ebenso erklärt Wheaton IV, 4, 5: „the better opinion seems to be, that wherever a capture takes place at sea, after the signature of the treaty of peace, mere ignorance of the fact will not protect the captor from civil responsability in damages; and that, if he acted in good faith, his own government must protect him and save him harmly." Noch wird hinzugefügt: „When a place or country is exempted from hostility by articles of peace, it is the duty of the state to give its subjects timely notice of the fact and it is bound in justice to indemnify its officers and subjects who act in ignorance of the fact. In such a case it is the actual wrong-doer who is made responsible to the injured party, and not the superior commanding officer of the fleet, unless he be on spot and actually participating in the transaction. Nor will damages be decreed by the prize court, even against the actual wrong-doer, after the lapse of a great time." Es gründet sich dieses jedoch nur auf eine Entscheidung von William Scott® in Sachen des Mentor (vgl. Jacobsen, Seer.. S. 565), gegen deren Principien immerhin Manches zu erinnern sein dürfte. Riquelme I, 168 unterscheidet, ob die Regierung sich in b. f. befindet und ihrerseits Alles gethan hat, oder nicht. Im ersteren Falle soll die Regel casum sentit dominus gelten. Eine Erörterung der Theorie und Praxis s. bei Phillimore III, 644.

1) Wheaton ebendas. Valin, Traité des prises p. 47. v. Martens, über Caper II, § 38.

2) Wegen der Auslegung s. noch Einzelnes bei Groot III, 20, 23 f. Wenn Groot daselbst § 25 und Pufendorf VIII, 8, 9 den zur Erfüllung gesetzten Termin

nachträgliche Regulirungen erforderlich werden; man vereiniget sich darüber in zusätzlichen Verträgen oder überträgt sie besonders ernannten Commissarien. Ueber die Nichterfüllung oder Verlegung eines Artikels können neue Streitigkeiten entstehen, nur darf der Friede selbst noch nicht als hiermit gebrochen gelten, sondern erst dann, wenn der beschuldigte Theil in seiner Weigerung verharrt und zu keinem gütlichen Auswege die Hand bietet1. Alles Weitere bemißt sich aus dem schon entwickelten System von selbst.

II. Die Zwischenherrschaft und Usurpation.

185. Gelingt es einem Kriegführenden, sich in den Besig des feindlichen Landes oder eines Theiles desselben zu sehen und darin zu behaupten: so beläßt er es entweder bei dem Status-quo, indem er sich auf die thatsächlichen Vortheile der Kriegsoccupation beschränkt (§ 131 f.), oder er beginnt eine selbstständige provisorische Verwaltung, indem er, wenn auch fürs erste ohne die bestimmte Abficht, das eroberte Land seiner Herrschaft bleibend zu unterwerfen, sich der einzelnen Hoheitsrechte bemächtigt und deren Verwaltung ganz oder theilweis von seinem Willen abhängig macht; oder er übernimmt auch wohl zulezt die ganze Staatsgewalt, sich an die Stelle des früheren Souveräns feßend, mit der Absicht, denselben von dem Wiedereintritt in jene für die Zukunft ganz auszuschließen, ohne einen anderen Titel als den der Eroberung die eigentlich f. g. Usurpations, eine Souveränetät de facto.

als einen stricten betrachten, wo ohne unvorhergesehene Hindernisse keine purgatio morae zulässig sei, so geht dies über das Billigkeitsprincip hinaus, welches in allen Staatenverträgen voran stehen muß. § 94. Vgl. Vattel IV, 26. 27. 50.

1) In manchen Verträgen ist dieses ausdrücklich bemerkt. Vgl. z. B. den Tractat zwischen Dänemark und Genua von 1756 Art. 37. Wenck, Cod. jur. Gent. III, p. 103 und oben § 107. Ueber den Unterschied eines Friedensbruches und eines neuen Krieges s. Vattel IV, 42.

2) Ueber die Frage: inwiefern Friedensschlüsse durch neu ausbrechenden Krieg ihre Giltigkeit verlieren, welche sich auch schon aus den vorgetragenen Grundsäßen beantwortet, vgl. noch J. J. Moser, vermischte Abhandlungen Nr. 1 und P. C. A. Leopold, de effectu novi belli quoad vim obligandi pristinarum obligationum. Helmst. 1792.

3) Schriften über diesen wichtigen Punkt s. bei v. Kamptz, Lit. § 312. Am bedeutendsten ist Sam. de Cocceji, Diss. de regimine usurpatoris. Frcf. Viadr.

Durch eine solche Usurpation wird nun zuweilen der alte Staat ganz aufgelöset, wenn er dem des Eroberers incorporirt oder gänzlich dismembrirt wird; zuweilen aber auch der alte Staat in seiner Abschließung fortgesetzt, so daß nur das Subject des Souveränetätsbesites wechselt. Unzweifelhaft haben in jedem dieser Fälle die Acte des Usurpators für die seiner Herrschaft thatsächlich Unterworfenen gleiche Kraft, wie die Acte einer legitimen Staatsgewalt. Denn ein Staat, wie er auch bestehen mag, hat in sich die Fülle der Machtvollkommenheit oder ganzen Regierungsgewalt. Der Eroberer ist dabei auch keinesweges, wie Manche behaupten', an die Regel des früheren Staates gebunden. Er hat nur die allgemeinen Menschenrechte, so wie die demgemäß erworbenen speciellen Privatrechte der Unterthanen zu beachten; aber die Form des öffentlichen Verhältnisses hat er allein als freier Inhaber der Staatsgewalt zu bestimmen. Das Staatsgut fällt unter seine Verfügung. Gesetzgebung und Verwaltung ordnet er nach Belieben. Nur bis dieses geschieht, bleibt es bei der früheren Formel. Niemals kann indeß ein solches Gewaltverhältniß das Recht des präexistirenden Staates, so lange dessen Wiederherstellung möglich bleibt und nicht darauf verzichtet wird, rechtlich beseitigen2; diesem bleibt das Postliminium gleichwie denjenigen, welche sich außer dem ufurpatorischen Staate befinden, oder ihm fortdauernd Widerstand leisten, in Betreff der Rechte, welche sie in dem alten legitimen Staate hatten, so lange sie sich nicht jenem unterwerfen. Wegen des Verhältnisses zu dritten Staaten gilt das schon oben § 23 und 49 Bemerkte; wegen der Verbindlichkeiten des alten Staates der Grundsatz des § 25.

1702 (auch in dem Commentar zu H. Groot I, 4, § 15). Ludw. Schaumann, die rechtl. Verhältnisse des legitimen Fürsten, des Usurpators und des unterjochten Volkes. Caffel 1820. Pfeiffer, das Recht der Kriegseroberung in Bezug auf Staatscapitalien. Cassel 1823. Ferner die Zeitschrift Nemesis X, 2, 127 f. Phillimore III, 682.

1) Z. B. Zachariä, 40 Bücher v. Staat IV, 1, S. 104, worin er seine früheren Ansichten in der Schrift: über die verbindende Kraft der Regierungshandlungen des Eroberers. Heidelb. 1816. bedeutend modificirt hat.

2) Chr. Gottl. Schwarz, de iure victoris in res incorpor. Altorf. 1720. th. XXVII. „invasor quem usurpatorem vocant, ex victoria in subiectos nanciscitur exercitium iuris regii, quod in ipsa possessione et administratione consistit, quia illi ipsi devicti subiectique cives victori non possunt non praestare obsequium. Interim rex iniuste expulsus retinet salvum et intactum ius regni." S. auch Cocceji a. O.

186. Anlangend den Fall einer blos provisorischen Verwaltung, so hängt zuvörderft die Bedeutung und der Umfang derselben von den Zwecken und Grenzen ab, welche sich der Eroberer dabei vorstecken will. Denn das ist klar, daß er weder gegen den früheren Staat, noch auch gegen den verdrängten Souverän in einem obligatorischen Verhältnisse steht; sein Recht und die allgemeinen Grenzen desselben bilden allein die Gesetze des Krieges. Zwei Hauptfälle dürften jedoch dabei zu unterscheiden sein:

Entweder nämlich hat der Eroberer noch nicht die bestimmte Absicht und Möglichkeit, das eroberte Land zu behalten: dann kann er zwar die Verwaltung von seiner Autorität abhängig machen, jede Einwirkung des fremden Souveräns davon ausschließen und sich den Nußen aneignen: jedoch wird er hier noch nicht als der eigentliche Besizer der Staatsgewalt anzusehen sein, diese vielmehr nur einstweilen unter seiner Curatel, nach Art einer privatrechtlichen missio in bona debitoris stehen, mithin nach ihren früheren Principien und wesentlichen Formen fortzuüben sein, mit Vorbehalt der demnächstigen Rechenschaft oder Ausgleichung im Frieden1.

Oder der Eroberer hat schon die Möglichkeit und die Absicht, das Eroberte zu behalten, beziehungsweise darüber für sich zu disponiren: dann ist die Einsetzung einer provisorischen Verwaltung schon der Anfang der Usurpation, nur noch nicht in der vollendeten Form, wovon jedoch materiell dasselbe gilt, was zuvor von der Usurpation bemerkt wurde. Eine solche provisorische Verwaltung macht sich besonders dadurch bemerklich, daß die einzelnen Hoheitsrechte schon im Namen des Eroberers verwaltet werden".

Von selbst versteht sich übrigens, daß die unter der Autorität des Feindes handelnden Behörden eines von Jenem für sich in Besitz genommenen Landes ihre Wirksamkeit auf die occupirten Grenzen beschränken müssen und, wenn nur ein Theil des Landes erobert ist, nicht auch ihr altes Ressortverhältniß über jene Grenzen

1) So entschied der Pariser Cassationshof am 22. Juni 1818, daß die Occupation eines Landes die dortigen Unterthanen ohne Reunionserklärung noch nicht zu Unterthanen des Siegers mache. (Ortolan I, p. 315.)

2) Dies geschahe z. B. in Curhessen, alsbald nachdem Napoleon dasselbe 1806 in Besiz genommen hatte. Schweikart, Napoleon und die Curhessischen Staatsgl. S. 25 f. Aehnliche provisorische Verwaltungen und Gouvernements wurden von den Alliirten 1813 und 1814 eingesetzt.

hinaus fortsetzen können; es sei denn, daß der frühere Besitzstand in dieser Hinsicht ungestört und unbeeinträchtigt durch den Feind fortgedauert hätte1.

Das Postliminium 2.

187. Außerhalb eines Friedensschlusses können die durch Krieg gestörten Rechtsverhältnisse vermöge des Postliminiums, d. i. nach factischer Befreiung von feindlicher Gewalt, in ihre vorigen Fugen zurücktreten, dergestalt, daß sie als fortdauernd für die Zukunft gelten, gleich als wären sie nie unterbrochen gewesen. Aber auch nur die Rechtsverhältnisse, nicht die Wirklichkeit des Genusses, nicht die vom Besitze und Genusse abhängigen Rechte, so lange man sich nicht auch diese für die Zukunft wiederverschafft hat; und niemals mit Wiedererlangung des in der Zwischenzeit von dem Feinde_thatsächlich Entzogenen3, wenn es dem Feinde nicht im Frieden oder noch während des Krieges durch Gewalt wieder abgezwungen wird.

Anwendbar ist der Grundsatz des Postliminiums sowohl auf öffentliche wie auf Privatverhältnisse; er beruhet darauf, daß wohlerworbene Rechte, außerhalb des Staatswillens in einem gemeinsamen Staatsverbande, durch keine einseitige Willkür, also auch durch keine feindliche Gewalt vernichtet werden können; er findet auch noch nach eingetretenem Frieden Anwendung, wenn in demselben keine entgegen= stehende Verfügung ausdrücklich oder stillschweigend getroffen ist*;

1) Fragen dieser Art haben sich unter Anderem in Betreff gerichtlicher Urtheile ergeben. v. Dalwigk, juristische Aufsäße. Frankfurt 1796. No. II, S. 25. Der Osnabrücksche Friedensschluß IV, 49 behielt sich für solche Fälle eine Revision der Urtheile vor.

2) Schriften s. außer den älteren Commentatoren zu dem Titel der Justinianischen Digesten: de captivis et postliminio reversis (49, 15) und des Codex: de postliminio reversis et redemptis (8, 51), bei v. Ompteda § 328 und v. Kampg § 313, vorzüglich: Henr. Cocceji, de jure postliminii. 1683. und de postliminio in pace et amnestia. 1752. (Exercit. cur. I, n. 46. 78.) J. H. Boecler, de p. Argent. 1713. C. v. Bynkershoek, Quaest. iur. publ. I, 16. Hiernächst Groot III, 9. Vattel III, ch. 14. Pando p. 404. Phillimore III, 502. 680. Tüchtige Abhandlungen über das Römische i. postl. find geliefert von Hase, das i. p. und die fictio leg. Corneliae. Halle 1851. und von Henr. Ed. Young, de i. p. quod ad res pertinet. Berol. 1854.

3) Vgl. Ziegler, de iurib. maiest. I, 33, § 83.

4) Die älteren Publicisten, verleitet zum Theil durch Schwierigkeiten des Nö

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