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dem feindlichen Appropriationsrecht durch Besitzergreifung, gleich anderer Beute. Das heutige Völkerrecht kann diesen Saß nicht mehr billigen; die Praxis der Staaten aber hat bisher noch immer ziemlich dasselbe Ziel zu erreichen gewußt, indem man nämlich dergleichen Sachen unter dem Titel von Repressalien sogleich im Anfange des Krieges, ja sogar oft ohne ausdrückliche Kriegserklärung, mit Beschlag belegt und dann confiscirt. Dieses Schicksal trifft vorzüglich die feindlichen Schiffe, welche sich zufällig zu dieser Zeit in den Häfen eines Kriegstheiles befinden und mit einem Embargo bestrickt werden können. Es trifft ferner die Waaren, welche ein Unterthan des feindlichen Staates in dem anderen Staate gekauft und für seine Rechnung liegen hat, desgleichen die Waaren und sonstiges Eigenthum von feindlichen Unterthanen, die sich bisher sogar längere Zeit hindurch friedlich für ihren Geschäftsverkehr in dem auswärtigen Gebiete aufgehalten haben. Die Prisengerichte mächtiger Staaten haben dann kein Bedenken gefunden, durch ihre gelehrten Richter mit großer Scrupulosität die Heimathseigenschaft solcher Verkehrstreibenden untersuchen zu lassen, wobei man nicht verfehlt hat, wenn nur der geringste Zweifel obwaltete, ob dieselben noch feindliche Unterthanen seien oder ihr Domicil diesseits genommen, eine Confiscation auszusprechen3. Selbst lang etablirte Handelshäuser und Comptoirs feindlicher Unterthanen im Gebiete des anderen Theiles sind diesem Schicksale nicht entgangen*. Nur specielle Vertragsstipulationen, dergleichen sich in den meisten neueren umfassenden Handelsverträgen finden, können hiergegen schüßen und die Möglichkeit einer ungehinderten Heraus

rischer Versammlungen zu weit, wenn sie die unbeschränkte Freiheit des Privateigenthumes verlangen. Vgl. die Anlagen.

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1) L. 51. § 1. D. de acquir. rer. dom. Et quae res hostiles apud nos sunt, non publicae sed occupantium fiunt." Vgl. mit 1. 12 pr. D. de captiv. 2) Die Behauptung dieses Sates s. bei de Real, Science du gouvern. t. V, ch. II, V, 3. v. Steck, Vers. über Handels- und Schifffahrtsvertr. S. 168 und über die Praxis des Sates Moser, Vers. IX, 1, S. 45. 49. Die arge Unbilligkeit derselben ist einleuchtend.

3) Man vgl. Wheaton, Intern. L. IV, 1, § 16—18 und darüber die Bemerfungen von Pando p. 412-424.

4) Wheaton § 19. Die ganze frühere Praxis Großbritanniens lernt man aus Wildman, Instit. of intern. L. Vol. I, ch. 1 u. 2. Desgl. aus Phillimore III, 38. 128.

ziehung von Personen und Gütern aus feindlicher Botmäßigkeit gewähren1.

Auf der anderen Seite hat man gewöhnlich vermieden, die unbeweglichen diesseitigen Güter feindlicher Unterthanen unter einen solchen Beschlag zu legen und Repressalien daran auszuüben, um nicht eine Retaliation der Maßregel von Seiten des Feindes und dadurch ebenso viele oder selbst noch größere Nachtheile für die diesseitigen Unterthanen hervorzurufen.

Man erkennt hieraus leicht, daß es besonders die Handelsinteressen sind, welche das Verfahren kriegführender Mächte bestimmen; die Absicht, den Handel des feindlichen Staates zu zerstören, zum Vortheil des eigenen. Wie sollte man also wohl ein Rechtsprincip im Hintergrunde und eine folgerichtige Anwendung desselben erwarten! Immerhin mag es erlaubt sein, wie schon öfter wiederholt ward, dem Feinde zu schaden, seine Hilfsquellen zu verstopfen, vorzüglich also seinen Handel anzugreifen; allein es folgt daraus nicht, wenn es wirklich ein sittliches Princip in dem neueren Kriegsrechte giebt, daß Schiffs- und Waareneigenthum feindlicher Privaten einer Confiscation mit der Wirkung einer sofortigen Eigenthumsüberträgung unterworfen werden darf; man könnte sich auch hier nur auf eine Beschlagnahme, desgleichen auf eine vorläufige Verwendung desselben statt der Angreifung des eigenen Capitals beschränken; das nicht Verwendete aber, und noch Vorhandene müßte bei eintretendem Frieden wieder herausgegeben, oder gegenseitig, es sei ausdrücklich oder stillschweigend, im Friedensschlusse aufgerechnet werden3.

Verträge während des Krieges4.

141. Daß selbst unter feindlichen Parteien und während des Krieges ein gegebenes und angenommenes Wort verpflichte, d. h. nach 1) Beispiele s. in Nau, Völkerseer. § 258.

2) Wheaton a. D. § 12.

3) Vielleicht stehen wir jetzt in einem Wendepunkte, da besonders Großbritannien bei Fortsetzung seiner bisherigen Praxis den größeften Schaden haben würde. Denn wo ist nicht Britisches Eigenthum und Handelsinteresse!

4) v. Ompteda, Lit. § 314. v. Kampß § 298 f. Besonders: E. C. Wieland, Opusc. acad. III, n. 1. Groot III, 20. Vattel III, ch. 16. Martens, Völkerr. VIII, 5. Klüber, Dr. d. g. § 273 f. Pufendorf VIII, 7.

Treue und Glauben zu erfüllen sei, so lange die Möglichkeit dazu gegeben ist; daß vorzüglich auch das vom Feinde bewiesene Vertrauen nicht zu seinem Nachtheile gemißbraucht werden dürfe, ist eine heutzutage von allen christlichen civilisirten Völkern anerkannte Regel, deren Verlegung den Gegner zur entschiedensten Genugthuung berechtigen und vor dem allgemeinen Völkertribunale der öffentlichen Meinung infamiren würde1.

Dergleichen im Kriege vorkommende Conventionen haben entweder ein dauerndes Verhältniß zum Zweck oder nur gewisse vorübergehende Leistungen. Zu der ersteren Art allgemeineren Inhaltes gehören:

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Erstens: die Cartels wegen des Postverkehres zwischen den kämpfenden Staaten; wegen der Bezeichnung und Behandlung der etwaigen Parlamentärs; wegen der Couriere und Pässe; wegen des Gebrauches oder Nichtgebrauches gewisser Waffen; wegen der Behandlung der Kriegsgefangenen u. dergl. mehr.

Zweitens: die Neutralitäts-Verträge, wodurch bestimmte Gebiete, Plätze und Personen eines Territoriums oder ganze Katego= rien von Unterthanen3 außerhalb des Kriegsstandes gestellt werden, mit denselben Wirkungen, welche die Neutralität überhaupt gewährt, es sei nun in jeder Hinsicht oder nur in gewissen Beziehungen*. 142. Specielle Kriegsverträge sind:

a. Die Ertheilung von Schutzbriefen, namentlich einer sogenannten Sauvegarde (salva guardia), wo einer feindlichen Person oder Sache ein ausdrücklicher Schuß gegen feindliche Behandlung von Seiten der Partei des Ertheilers schriftlich und authentisch zugesagt oder ein lebendiger Schuß durch Militärpersonen mit authentischer Legitimation gegeben wird, in welchem Falle die letzteren, so lange sie sich selbst friedlich und ihrer Bestimmung gemäß verhalten,

1) Fides etiam hosti servanda. Augustin. c. 3. C. 23. qu. 1. Es giebt Niemand, der das Gegentheil behauptet. S. selbst Bynckershoek, Quaest. I, 1, der sonst Betrug gegen den Feind für erlaubt hält. Vgl. Wheaton IV, 2, 17. Specialschriften bei v. Ompteda § 302. v. Kampß § 290.

2) Interessante Beispiele aus der Staatenpraxis liefert in dieser Beziehung Wurm in der Zeitschr. f. Staats- Wissensch. 1851. S. 296.

3) Moser, Versuche X, 154 f.

4) Beispiel: die Conventionen wegen der Küstenfischereien und Fischerböte zwischen Frankreich und Großbritannien.

bis zu ihrer Rückkehr zu den Ihrigen, sogar von der Gegenpartei als unverletzbar geachtet werden müssen1; ferner

die Ertheilung eines sicheren Geleites für bestimmte Personen, um einen ihnen sonst verbotenen oder gefährlichen Ort besuchen zu können2; imgleichen die schon mehrfach erwähnten Licenzen für Schiffe und Schiffsgut3.

b. Die Contributions-Verträge, welche mit feindlichen Unterthanen abgeschlossen werden und wodurch dieselben die Zahlung bestimmter Summen oder gewisse Lieferungen übernehmen; insbesondere die Ausstellung von Schuldbekenntnissen statt zu leistender baarer Zahlung. Verpflichtungen dieser Art eignen sich zwar zu einer Einklagung bei den Gerichten des feindlichen Landes selbst nur in so weit, als lettere sich im Bereiche des forderungsberechtigten Occupanten befinden; natürlich kann dieser aber auch im Wege der Gewalt die Realisirung herbeiführen. Inwieweit dergleichen Verpflichtungen noch nach vorübergegangener Occupation fortdauern, wird durch die Grundsätze des Abschn. IV. bestimmt.

c. Loslassungs- oder Ranzionirungs-Verträge bei der Seecaperet, wenn der von einem feindlichen Caper genommene Schiffer seine Loslassung gegen ein bestimmtes Lösegeld mittelst Ausstellung eines billet de rançon und Ueberlieferung einer oder der anderen Geisel erhält; üblich etwa seit dem Ausgange des 17. Jahrhunderts. Soweit dergleichen Ranzionirung nicht durch neuere Staatsgefeße den Capern verboten ist, entsteht daraus einerseits die unbedingte Verpflichtung zur Bezahlung des Lösegeldes, sofern die Prise selbst nur rechtmäßig gemacht war eine Verpflichtung, welche sogar von den Gerichten des Schuldners gehandhabt werden muß; andererseits ein Recht auf den Schuß des feindlichen Staates, dem das Löfegeld zufließen soll, gegen fernere Angriffe bis zu dem angewiesenen Ziele der Reise, unter der Bedingung jedoch, daß der Losgelassene davon nicht willkürlich abweicht. Das billet de rançon wird übrigens selbst wieder ein Gegenstand der Beute, wenn der Caper seinerseits genommen wird. Gehört der Unternehmer des

1) G. Engelbrecht, de salva guardia. Jen. 1743. Vattel IV, § 171. Moser, Versuche IX, 2, 452 f.

2) Groot III, 21, § 14 f. Vattel § 265 f.

3) Die Britische Praxis lehrt Wildman II, 245 f. Vgl. Wheaton IV, 2, 26.

Caperschiffes zu dem Staate des Ranzionschuldners, so hängt es von den dortigen Gesetzen ab, so wie von den weiterhin darzustellenden Grundsägen der Wiedernahme oder des Postliminiums, inwiefern der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit wird'.

d. Auswechselungs-Verträge wegen der Gefangenen. Diese kamen vorzüglich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in lebendigeren Gebrauch2. Es wurden dabei meist die verschiedenen Kategorien der Militärpersonen berücksichtiget und gewisse Verhältnißzahlen bei der Ausgleichung zum Grunde gelegt. Die Ausgleichung des Plus oder Minus geschahe entweder durch Geld oder in sonstigem Aequivalent3. Alles ist jedoch von den jedesmaligen Conventionen abhängig.

e. Capitulationen von Truppentheilen oder Waffenpläßen. Sie werden bedingt oder unbedingt geschlossen; die Vertragsform besteht meistens in der schriftlichen Proposition der Bedingungen von Seiten des Capitulirenwollenden und in der schriftlichen Erklärung des anderen Theiles auf jene Proposition.

f. Waffenstillstands-Verträge wegen Unterbrechung der Feindseligkeiten. Sie sind entweder allgemeine, für die feindlichen Parteien an allen Punkten giltig, oder nur besondere für gewisse Truppen, Gegenden und Linien, und werden bald auf bestimmte, bald auf unbestimmte Zeit eingegangen. Sie sind für die Staatsgewalten verbindlich mit dem verabredeten Anfangspunkte, einzelne hingegen dafür nur verantwortlich von dem Tage der erhaltenen Kenntniß. Den hierdurch dem anderen Theile erwachsenen Nachtheil

1) Wheaton, Intern. L. IV, 2, § 27 (28. éd. fr.). Vgl. v. Martens, Vers. über Caper § 23. Wildman II, 270-275. Phillimore III, 160.

2) Du Mont, Corps univ. t. VII, I, p. 231, hat den ältesten Cartel dieser Art aus dem Jahre 1673.

3) Moser, Vers. IX, 2, 388 f. Wheaton IV, 2, § 3. Wegen der älteren Praxis im Mittelalter: Ward, Enquiry I, 298 s. Vattel II, § 278 s.

4) J. Fr. Ludovici, de capitulationib. Hal. 1707. Moser IX, 2, 155. Son

ftige Schriften bei v. Ompteda § 315. v. Kampß § 300.

5) Eine sonst häufige Bedingung war: wenn nicht innerhalb einer gewissen Frist Entsatz kommen sollte und dann es auf den Ausgang des Kampfes ankommen zu lassen. Ward II, 226 f.

6) Ueber diese: Groot III, 21. acad. n. 5. Moser, Vers. X, 2, 1.

Pufendorf VIII, 7, 3. Jo. Strauch, Diss.
Vattel III, § 233 f. Riquelme cap. XIII.

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