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den Eintritt von Vertretern der süddeutschen Regierungen in den Bundesrat und von süddeutschen Abgeordneten in den norddeutschen Reichstag für Zollangelegenheiten und somit die Verwandlung desselben in ein Zollparlament ins Auge fasse, daß ein solcher Anfang sich bald weiter ausbilden und über andere Gebiete verbreiten lasse, und daß es geraten sein werde, die Lösung der Gesetzgebungsfrage durch einen dahin zielenden Vorschlag vorzubereiten. Damit wäre es dann auch möglich, auf dem Wege der Gesetzgebung statt auf dem des Vertrags, wie Hohenlohe vorgeschlagen, die gemeinsamen Angelegenheiten zu regeln.

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Im übrigen empfahl der Großherzog möglichste Anlehnung an die alte, deutsche Bundesakte, um deren entwicklungsfähige Keime zur Reife zu bringen, und äußerte seine Bedenken dagegen, die Allianz mit Österreich zur Bedingung des Vertragsschlusses mit Preußen zu machen. Er schlug als Kompromiß vor, lieber die Regelung der Beziehungen des zu gründenden Bundes zu Österreich in dem Bundesvertrag auf ähnliche Weise in Aussicht zu stellen, wie dies in dem Verfassungsentwurf des Norddeutschen Bundes in Betreff der süddeutschen Staaten geschehen.

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Bei allem Entgegenkommen gegenüber Hohenlohe empfahl der Großherzog doch zunächst bis zum Abschluß des norddeutschen Verfassungswerks eine zuwartende Haltung und betonte noch einmal, daß das vorläufig anzustrebende Bundesverhältnis mit Preußen als ein Übergangszustand zu bezeichnen sei, der

1 Vgl. Bismarcks Erlaß vom 15. Februar 1867. Poschinger, Wirtschaftspolitik S. 95, 96.

Es bestätigt das die von Lorenz S. 582 bestrittene Richtigkeit der Angabe Meyers S. 160.

3 1. Zweifel, ob Preußen damit einverstanden sein werde, den Prager Frieden in einem so wichtigen Punkte zu modifizieren und eine europäische Frage damit aufzuwerfen, die der Prager Frieden eben vermeiden wollte, indem er die nationale Verbindung von Nord- und Süddeutschland als eine innere Frage vom Ausland anerkennen lasse.

2. Gefahr, daß die Garantie der deutschen Besitzungen Österreichs Deutschland in seiner eigenen Entwicklung stören und in äußere Verlegenheiten verwickeln könne.

3. Zweifel, ob es in Bayerns Interesse liege, Preußen gegenüber als Vertreter österreichischer Interessen zu erscheinen, bevor Österreich einen solchen Wunsch geäußert habe.

Der Großherzog hat also Hohenlohes Anträge nicht geradezu abgelehnt, wie Lorenz S. 581 meint, aber doch dilatorisch behandelt.

damit ende, daß eine Verfassung sämtliche deutsche Gebiete umfasse.

Am 6. März traf dann in Karlsruhe Graf Tauffkirchen in geheimer Mission Hohenlohes ein, um dem Großherzog die Vorschläge des Fürsten näher zu erläutern; das Resultat der Unterredung war, daß der Großherzog es übernahm, in Berlin über die bayrischen Vorschläge aber ohne ins Detail zu gehen

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sondieren, was Hohenlohe nicht selbst tun wollte, da er zunächst weder mit Ludwig II., noch den übrigen Ministern über das ganze Projekt gesprochen.1

Am 14. März formulierte dann Hohenlohe in einem neuen, vertraulichen Schreiben an den Großherzog und unter Berücksichtigung von dessen Vorschlägen das folgende Programm:2

1. Bayern, Württemberg, Baden und Südhessen einigen sich, dem Norddeutschen Bunde gemeinschaftlich die Gründung eines dem früheren Deutschen Bunde nachgebildeten Staatenbundes $ mit Ausschluß Österreichs anzutragen.

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2. Den Beratungen über diesen gemeinschaftlichen Antrag ist die Bundesakte vom 8. Juni 1815 zugrunde zu legen3 und nur so weit zu modifizieren, als es die durch Austritt Österreichs veränderte Lage, die Übertragung des Präsidiums an Preußen, und die Sicherung des Zollvereins nötig machen.

3. Diesem neuen Bundesvertrag ist, ähnlich dem Art. 71 der Verfassung des Norddeutschen Bundes ein Artikel über Anbahnung einer Allianz mit Österreich beizufügen.3

4. Der Ausbau dieses Verfassungswerks zu einem Bundesstaate mit parlamentarischer Verfassung wäre vorzubehalten.

Der Großherzog entsandte darauf seinen Vertrauten, den Staatsrat Gelzer, zu weiteren Besprechungen nach München, wo derselbe am 21. März eintraf. Schon vorher war der württembergische Minister v. Varnbüler zu Verhandlungen über die deutsche Frage dort angekommen.

In einem ausführlichen Bericht an König Ludwig vom 20. März 1867 suchte nun Hohenlohe um die königliche Genehmigung zu Verhandlungen auf den uns bekannten Grundlagen nach und

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legte die zwiefache Ursache für die Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Zustandes dar: Einmal gefährdet jede europäische Verwicklung die Selbständigkeit Bayerns; und zum andern wird sich der nationale Gedanke gegebenenfalls auch im Kampfe gegen die Regierungen durchzusetzen suchen und damit die Dynastie bedroht. Nachdrücklich warnt er vor dem Gedanken, abzuwarten, bis Österreich wieder die frühere Stellung in Deutschland einnehmen könne, und erklärt, daß der Wiedereintritt Österreichs in den Deutschen Bund voraussichtlich weder wegen des Widerspruchs Preußens möglich noch auch von Österreich beabsichtigt sei. Er bezeichnet daher als nächste Ziele die Rekonstituierung des Deutschen Bundes unter Ausschluß der österreichischen Staaten und als Übergang zu engerer, bundesstaatlicher Vereinigung, die gegebenenfalls auch den deutschen Provinzen Österreichs die Möglichkeit späteren Eintritts offen lasse, sowie die Anbahnung einer Allianz mit Österreich. Zum Schluß betonte Hohenlohe, daß durch die Einleitung von Verhandlungen mit Preußen Bayern auch seine Stellung in den brennenden, materiellen Fragen der Liquidation des Bundeseigentums, der Aufhebung des Salzmonopols und der Erneuerung des Zollvereins erheblich verbessern werde.1

Der König erteilte dem Fürsten denn auch am 30. März die erbetene Ermächtigung. Inzwischen hatte sich Hohenlohe mit Varnbüler über die Skizze zu einer Übereinkunft geeinigt, mit deren Grundzügen auch Staatsrat Gelzer sich einverstanden erklärte, und die Hohenlohe dem König mit einem Bericht vom 31. März zur Genehmigung vorlegte.

Der König erteilte am 11. April diese Genehmigung, mit einigen sehr bezeichnenden Zusätzen: die Ablehnung des Eintritts der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund sollte in noch entschiedenerer Weise ausgesprochen und in der Folge strengstens festgehalten werden; die Anerkennung der Notwendigkeit eines Parlaments erscheine ihm nicht unbedenklich, aber auch entbehrlich, und er möchte dieselbe deshalb vermieden sehen; den Abschluß der Allianz mit Österreich wünschte er sogleich mit der Regelung der allgemeinen Beziehungen und vor dem Inkraft

1 Diese Punkte treten aber neben den allgemeinen, politischen Erwägungen doch sehr zurück, und es ist nicht richtig, wenn R. Delbrück in seinen Erinnerungen II, 395 die Verhinderung eines Zollparlaments als einziges Motiv der bayrischen Pläne bezeichnet.

treten der neuen Bundesverträge. Diese Bemerkungen zeigen, wie richtig Hohenlohe vorausgesehen hatte, was er beim König zunächst durchsetzen konnte.

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Am 31. Mai wurde darauf die Übereinkunft zwischen Hohenlohe und Varnbüler vollzogen. Sie beruhte durchaus auf den von Hohenlohe in der Korrespondenz mit dem Großherzog von Baden entwickelten und nach dessen Wünschen modifizierten Vorschlägen und lehnte sich auch an den Entwurf der Verfassung des Norddeutschen Bundes an, indem sie Artikel III und IV desselben als Basis der Verhandlungen über Feststellung der gemeinsamen Bundesangelegenheiten anerkannte, und indem sie für Preußen 17 Stimmen im Bundesrat vorsah und für die übrigen Mitglieder die im Artikel VI der Wiener Bundesakte festgesetzte Stimmenzahl; 3 nur für Bayern waren, wie schon in Hohenlohes Schreiben vom 19. Februar, 6 Stimmen vorgesehen. Festgehalten war an der Forderung, die gemeinsamen Angelegenheiten, soweit möglich, auf dem Wege des Vertrags als Bundesgrundgesetz zu regeln und auf dem Wege der Gesetzgebung unter Mitwirkung des norddeutschen Parlaments und der süddeutschen Ständekammern fortzubilden. Die Berechtigung einer nationalen Vertretung am Bunde wird trotz der von Ludwig II. geäußerten Bedenken anerkannt.

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Der Großherzog von Baden hatte inzwischen nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Berlin Hohenlohe noch einmal ganz klar seinen Standpunkt entwickelt, wie auch Staatsrat Gelzer schon damit beauftragt worden war: daß ihm ein einziger Bundesstaat durch Eintritt der Südstaaten in den Norddeutschen Bund oder durch Weiterentwicklung des Zollvereins als wünschenswertestes Ziel vor Augen stehe, daß er aber, solange dieses Ziel noch nicht erreichbar sei, sich keinem Versuch entziehen wolle,

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Inhaltsangabe bei Meyer 161 f.; zuerst mitgeteilt bei Lorenz 135 ff., jetzt auch Denkwürdigkeiten I, 232 und 244. (Mit Rücksicht auf Frankreich und Österreich vgl. 236 — wird statt einer „Allianz“ eine „der Gemeinsamkeit der Nationalität entsprechende Verbindung" mit Österreich anzustreben sein eine nicht ganz unbedenkliche Fassung.)

2 Damit war einem badischen Wunsche teilweise Rechnung getragen, der auf Art. 3, 4 und 32 (Gemeinsamkeit der Zölle und indirekten Steuern) als Inhalt des Bundes verwiesen hatte. Meyer 158; vgl. o. 52, Anm. 3. 3 Analog den bezüglichen Bestimmungen der norddeutschen Bundesverfassung.

der dem gewünschten Ziel wenigstens um einige Schritte näher bringe, daß er deshalb Hohenlohe gern entgegenkomme, daß er dessen Einfluß und dessen Stellung in Bayern zu unterstützen als seine Pflicht ansehe, und daß er auch seine Motive für die Allianz mit Österreich zu würdigen wisse. Zugleich aber machte er den Fürsten von neuem darauf aufmerksam, daß Preußen nach dem Abschluß der Verfassung des Norddeutschen Bundes vor allem über eine Erneuerung des Zollvereins Unterhandlungen einleiten werde.1

IV.

Inzwischen war die Luxemburger Frage brennend geworden und verflocht sich mit der deutschen Politik Hohenlohes.

Bismarck wünschte durch Vermittlung Bayerns zu erfahren, welche Haltung er im Falle eines Krieges mit Frankreich von Österreich zu erwarten habe, und ob dieses eventuell zu einem Bündnis mit Preußen und Bayern bereit sei. Denn einen Augenblick scheint doch Bismarck wirklich daran gedacht zu haben, den Krieg zum mindesten nicht zu vermeiden:

Er ließ Hohenlohe am 3. April durch den preußischen Gesandten in München vertraulich mitteilen, Frankreich behaupte, der luxemburgische Handel sei abgeschlossen, der Kaiser könne nicht mehr zurück, obwohl Bismarck Benedetti gesagt habe, daß Preußen nach der Lage der öffentlichen Meinung nicht weichen könne und werde. Graf Perponcher berichte dagegen aus dem Haag, daß der Abschluß nicht erfolgt sei, und daß er hoffe, denselben zu verhindern. „Nach Stand der Dinge in Deutschland" heißt es dann weiter in der Depesche ,,müssen wir meines Erachtens eher den Krieg wagen, so wenig auch das Objekt Luxemburg an sich des Kriegs wert ist. Die Auffassung der Sache in der Nation, deren Ehrgefühl ins Spiel gezogen, ist das Entscheidende. Jedenfalls sollten wir beide den günstigen Einfluß des Inzidenzfalls auf Konsolidierung der nationalen Sache nach Kräften ausbeuten und uns daneben vom Kriege, der schnell eintreten kann, materiell nicht überraschen lassen."

1 Schreiben vom 9. April 1867 I, 226 ff.

* I, 222 und 228, wonach also die Initiative zu einer Allianz mit Österreich nicht von Bayern, wie man bisher annehmen mußte, sondern von Bismarck ausgegangen zu sein scheint; vgl. auch I, 276: Verbindung mit Österreich ,,couronnement de l'oeuvre".

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