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In den Verhandlungen der konstituierenden Versammlung von 1819 wurde das Selbstverwaltungsrecht der Korporationen in dem besprochenen Umfange anerkannt und fand seinen Ausdruck in den $$ 65 und 66 der Verfassungsurkunde. Und auch in den Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten in den Jahren 1820 und 1821 zeigte sich immer mehr eine weitgehende Übereinstimmung der Regierung und Volksvertretung in der Organisation von Bezirksbehörden und Gemeinden. Ein Rückblick auf die schließliche Gestaltung und Vergleiche mit der badischen und bayrischen Organisation jener Zeit lassen das ganze Organisationswerk plastisch hervortreten. Mit einer kurzen Darstellung der Bezirksbehörden der Finanzverwaltung schließt der inhaltsreiche Abschnitt.

Der vierte und letzte Abschnitt gibt eine Übersicht über die Entwicklung des Staatsdienerrechtes, woran sich eine Betrachtung über das gegenseitige Verhältnis der Organisationen König Friedrichs und König Wilhelms schließt, die zu dem Ergebnis kommt, daß Württemberg seinen beiden ersten Königen eine Behördenorganisation verdankt, die den Bedürfnissen einer konstitutionellen Monarchie mehr, als irgendeine andere ihrer Zeit entsprach.

Wien.

Gustav Seidler.

Georg Küntzel, Thiers und Bismarck, Kardinal Bernis. Zwei Beiträge zur Kritik französischer Memoiren. 153 S. 8°. Bonn, F. Cohen 1905.

Küntzel stellt zunächst fest, daß Thiers seine Lebenserinnerungen erst niedergeschrieben hat, nachdem er seine Demission gegeben und sich damit von der ungeheueren Last der Präsidentschaft befreit hatte, 24. Mai 1872. Auch die Abschnitte über die Rundreise, die Waffenstillstandsverhandlung und die Friedenspräliminarien sind zwar auf Grund gleichzeitiger tagebuchartiger Aufzeichnungen hergestellt, aber sie sind doch nicht in der ursprünglichen Form erhalten, sondern in einer späteren Überarbeitung. Thiers hat über manche Vorgänge wiederholt berichtet und dabei sind nicht unerhebliche Änderungen zu beobachten. Küntzel stellt S. 33 ff. interessante Beispiele zusammen, namentlich solche, in denen Thiers Verhandlungen von Diplomaten in direkter Rede wiedergibt.

,,Diese Wiedergabe in direkter Rede ist seine bevorzugte literarische Kunstform, um die Vorgänge lebhaft und anschaulich zu gestalten. Diese Reden treffen in ihrem hauptsächlichen Inhalt auch die Sache, nur siud sie eben spätere und willkürliche Paraphrasierungen eines dem Verfasser vorschwebenden Gedankens und dürfen auf wörtliche historische Richtigkeit keinen Anspruch erheben.“ In Schilderungen,

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die nur wenige Wochen nacheinander entworfen sind, läßt Thiers dieselben Personen über dieselben Dinge ganz verschiedene Reden halten. Küntzel glaubt hier diese Naivität entschuldigen zu können, aber er zeigt denn doch auf den folgenden Seiten, daß diese freie Behandlung des Stoffes auch zu nicht unerheblichen sachlichen Ungenauigkeiten Anlaß gegeben hat. Seine Kritik ist gründlich und überzeugend. Thiers verliert im ganzen doch recht, und nicht bloß unter dem Gesichtspunkte der Zuverlässigkeit, sondern auch als Beobachter und als Diplomat. Von seiner Schilderung der Verhandlung mit Bismarck sagt Küntzel S. 101 ff. So kommt es denn dahin, daß uns in den Souvenirs Bismarck wieder und wieder eigentlich als der Unterliegende geschildert wird... Und diesem oft erschütterten, verlegenen, außer Fassung gebrachten, erschöpften, besiegten Bismarck gegenüber bewundert man Thiers als den Staatsmann . . . vor dessen „ton calme mais décidé" Bismarck neue Instruktionen einholend einlenkt . . . Den Eindruck einer imponierenden historischen Figur, den Favre mit ergreifender unparteiischer Offenheit und literarischer Meisterhand wiedergegeben hat, hat Thiers bei seiner übertriebenen Selbstschätzung in seinen Denkwürdigkeiten doch nicht hervorzurufen vermocht oder sich bemüht."

Der zweite Teil des Buchs bietet eine mit leichten Zusätzen versehene Abhandlung, die 1902 in den „,Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte" erschienen war, über die Mémoires et lettres du cardinal de Bernis. Der Kardinal Bernis war ein Günstling der Pompadour und in den Monaten vom September 1755 an hatte er entscheidenden Einfluß auf die äußere Politik Frankreichs. Seiner Darstellung ist meist übergroßes Vertrauen entgegengebracht, wenn auch einzelne Abschnitte als irreführend und falsch nachgewiesen sind. Küntzel hat wie mir scheint

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widerleglich nachgewiesen, daß Bernis ganz unzuverlässig ist, daß die Memoiren nur seiner eigenen Rechtfertigung und Verherrlichung dienen. Vor allem gilt es ihm, sein Werk, die Allianz Frankreichs mit Österreichs vor der Nachwelt zu rechtfertigen und die Verantwortung für das Unheil, „das Frankreich in der österreichischen Gefolgschaft erlitt, von sich auf andere Schultern abzuwälzen".

Breslau.

G. Kaufmann.

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Nachrichten und Notizen I.

Preisausschreiben. Der Deutsche Verein für Versicherungswissenschaft beabsichtigt, die Bearbeitung der Geschichte der privaten wie der sozialen Versicherung in Deutschland in die Wege zu leiten und hat daher den Beschluß gefaßt, zum Zwecke der Erlangung einschlägiger Monographien mehrere Preisausschreiben zu erlassen. Zunächst werden hiermit zwei Preise in Höhe von je 2500 Mark ausgesetzt für die Abfassung

1. einer Geschichte der Lebensversicherung in Deutschland, 2. einer Geschichte der Feuerversicherung in Deutschland.

Die Arbeiten müssen streng wissenschaftlich unter Zuhilfenahme archivalischer Studien ausgeführt sein. Die Manuskripte sind in Schreibmaschinenschrift auf einseitig beschriebenen Blättern zu liefern und, ohne sonstige Kennzeichnung des Verfassers, lediglich mit einem Kennwort versehen an das Generalsekretariat des Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft, Berlin W. 50, Pragerstraße 26 bis spätestens zum 30. Juni 1910 einzureichen. Ein mit demselben Kennwort versehener Briefumschlag, in dem sich der Name des Verfassers befindet, ist beizufügen. Das Ergebnis des Preisausschreibens soll möglichst noch im Jahre 1910 verkündet werden. Die preisgekrönten Schriften gehen in das Eigentum des Vereins über, der für ihre Veröffentlichung Sorge trägt. Für den Fall, daß mehrere Arbeiten, eingehen, behält der Verein sich vor, auch die nicht preisgekrönten zu erwerben und zu veröffentlichen.

Über die Forschungen zur Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache berichtete Prof. Dr. Burdach in der öffentlichen Sitzung der Berliner Akademie vom 28. Jan. 1908 über den gegenwärtigen Stand seiner Arbeiten folgendes: Abteilung II. Texte und Untersuchungen zur Vorgeschichte des deutschen Humanismus. Band I. Der Briefwechsel des Cola di Rienzo: der Text dieser neuen kritischen, mit Hilfe des Hrn. Dr. Piur besorgten Ausgabe befindet sich im Druck; der als besonderer, zweiter Teil erscheinende Kommentar ist im wesentlichen abgeschlossen und kann sogleich nach der Drucklegung des Textes in den Druck gehen. Band 2. Aus Petrarcas ältestem deutschen Schülerkreis: eine Publikation frühhumanistischer lateinischer Denkmäler aus der Handschrift 509 der Olmützer Metropolitankapitel-Bibliothek wird noch im Laufe dieses Jahres in den Druck gegeben werden. Band 3. Briefwechsel Petrarcas und anderer italienischer Humanisten des XIV. Jahrhunderts mit deutschen Zeitgenossen: hierfür sind die Vorarbeiten zum größeren Teil beendet. Das Erscheinen des Bandes ist nach dem Rienzobande geplant. Band 4. Privatbriefe Kaiser Histor. Vierteljahrschrift. 1908. 2.

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Karls IV. und seines Kanzlers Johann von Neumarkt: die Arbeit an diesem Bande, in dem alle rhetorisch bedeutenden Briefe der berühmten Summa Cancellariae Karoli IV. zum ersten Male in kritischer Gestalt und viele Briefe Johanns von Neumarkt aus anderen Sammlungen ans Licht treten, befindet sich in einem weit vorgerückten Stadium. Abteilung III. Die deutsche Prosaliteratur im Zeitalter der Luxemburger. Band 1. Der Ackermann aus Böhmen: der Text dieses vom Referenten im Verein mit Hrn. Dr. Alois Bernt (Leitmeritz) herausgegebenen Werkes (s. Sitzungsberichte 1907, S. 81f) ist druckfertig. Abteilung IV. Texte und Untersuchungen zur Geschichte der ostmitteldeutschen Kanzleisprache. Band 1. (Ein schlesisch-böhmisches Formelbuch in lateinischer und deutscher Sprache aus der Wende des XIV. Jahrhunderts) ist im wesentlichen druckfertig. Band 2. (Aus den Anfängen der schlesischen Kanzleisprache) ist der Text im wesentlichen druckfertig.

Am 8. Juni 1907 fand in Marburg die zehnte Jahresversammlung der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck statt. Dem bei dieser Gelegenheit erstatteten Jahresbericht ist über den Stand der wissenschaftlichen Publikationen folgendes zu entnehmen: Die Bearbeitung des Fuldaer Urkundenbuchs ist aus den Händen des Prof. Dr. Tangl in Berlin in die Hände des Privatdozenten Dr. E. Stengel in Marburg übergegangen. Prof. Dr. Glagau hat leider auf die Fortführung der Landtagsakten verzichten müssen, sodaß ein anderweitiger Bearbeiter dafür zu gewinnen ist. Prof. Dr. Diemar hat den Druck des Textes der Chroniken von Gerstenberg abgeschlossen, sodaß nur noch Einleitung und Register fehlen; Dr. Jörges wird das Manuskript der Klüppelschen Chronik demnächst vorlegen. Dr. Grotefend hat mit dem Druck der ersten Abteilung der Landgrafenregesten begonnen, die bis zum Tode des Landgrafen Heinrichs I. (1308) hinabreichen und im nächsten Betriebsjahr erscheinen soll. In demselben Jahre soll mit der Drucklegung des Urkundenbuches der Wetterauer Reichsstädte durch Dr. Wiese begonnen werden. Die Fortsetzung des Friedberger Urkundenbuches wird von Oberlehrer Dr. Dreher in Angriff genommen. Das Münzwerk wurde von Dr. Buchenau weiter gefördert; ebenso die Quellen zur Geschichte des geistigen und kirchlichen Lebens in Hessen und Waldeck von Prof. Köhler. Dr. Huyskens wird mit dem Druck der Quellen zur Geschichte der Landschaft an der Werra schon im Herbst beginnen. Oberlehrer Becker ist noch mit der Bearbeitung von Sturios Jahrbüchern der Grafschaft Hanau von 1600-1620 beschäftigt Stadtarchivar Dr. Gundlach in Kiel hat die Bearbeitung des Dienerbuches bis auf die Einleitung fast fertig gestellt. Dr. Dersch hofft das Manuskript der Beiträge zur Vorgeschichte der Reformation in Hessen bis zur nächsten Jahresversammlung vorzulegen. Auf Antrag von Archivrat Dr. Küch wurde Archivassistent Dr. Knetsch mit der Herausgabe eines Werkes betraut, welches die hessischen, fuldischen, hanauischen und waldeckischen Lehen und ihre Inhaber verzeichnen soll. Von den Grundkarten wird demnächst das sechste und letzte Blatt erscheinen. In Erwägung gezogen soll die Inventarisation der in Hessen und Waldeck vorhandenen kleinen Archive werden.

Am 8. und 9. November 1907 fand in Karlsruhe die 26. Plenarsitzung der Badischen Historischen Kommission statt. Nachstehende Übersicht zeigt den Stand der einzelnen Unternehmungen der Kommission. Die von Dr. K. Rieder bearbeiteten Römischen Quellen zur Konstanzer Bistumsgeschichte sind, mit Ausnahme der Einleitung, im Druck fertiggestellt und werden zu Beginn des Jahres 1908 ausgegeben werden. Die Fortführung der Regesten der Bischöfe von Konstanz durch Dr. Rieder ist in Aussicht genommen. Das von Archivassessor Frankhauser bearbeitete Register zum III. Bande der Regesten der Markgrafen von Baden ist erschienen. Für den V. Band, der die Regesten des Markgrafen Christof I. bringen soll, hat Geh. Archivrat Dr. Krieger weiteres Material gesammelt. Der Fortführung der Regesten der Pfalzgrafen am Rhein widmete sich Dr. jur. Graf von Oberndorff, unter Leitung von Professor Dr. Wille; für seine Geschichte der rheinischen Pfalz stattete letzterer dem Münchener Reichsarchiv einen Besuch ab und fand daselbst wertvolle Korrespondenzen. Die Bearbeitung des Nachtragbandes zur Politischen Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden wurde vom Archivdirektor Dr. Obser unter Heranziehung eines Hilfsarbeiters so weit gefördert, daß im Laufe des nächsten Jahres der Rest der noch zu erledigenden Abschriften gefertigt werden kann. Für die Herausgabe der Korrespondenz des Fürstabts Martin Gerbert von St. Blasien war Professor Dr. Pfeilschifter tätig. Von den Grundkarten des Großherzogtums Baden werden nach Mitteilung des Oberregierungsrats Lange noch in diesem Jahre zwei Sektionen zur Ausgabe gelangen; drei weitere sollen im Laufe des nächsten Jahres folgen. Vom Oberbadischen Geschlechterbuch, bearbeitet von Oberstleutnant a. D. J. Kindler von Knobloch, ist die zweite Lieferung des dritten Bandes erschienen; die dritte Lieferung dieses Bandes ist im nächsten Jahre zu erwarten. Den Abschluß des Manuskripts für den zweiten Band seiner Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes vermag Geh. Hofrat Professor Dr. Gothein für 1908 noch nicht in Aussicht zu stellen. Von den Oberrheinischen Stadtrechten befindet sich in der unter Leitung von Geh. Rat Professor Dr. Schröder stehenden fränkischen Abteilung das 8. Heft mit den Stadtrechten von Grünsfeld, Neidenau, Osterburken, Unteröwisheim und Besigheim in Vorbereitung. In der unter Leitung von Geh. Hofrat Professor Dr. von Below stehenden schwäbischen Abteilung ist die Ausgabe des Überlinger Stadtrechts, bearbeitet von Dr. Geier, noch vor Ablauf des Jahres zu erwarten. Das Neuenburger Stadtrecht bereitet Rechtspraktikant Merk vor. Das Konstanzer Stadtrecht soll 1908 durch Professor Dr. Beyerle in Göttingen in Angriff genommen werden. Für die Sammlung der Siegel und Wappen der badischen Gemeinden war Zeichner Held tätig. Es wurden die Siegel für insgesamt 94 Orte angefertigt. Das dritte Heft der badischen Städtesiegel befindet sich in Vorbereitung. Der Bearbeiter der Münz- und Geldgeschichte der im Großherzogtum Baden vereinigten Territorien, Dr. Cahn in Frankfurt a. M. legte einen Teil des Manuskripts für das erste Heft vor. Mit der Bearbeitung des zweiten Bandes der Denkwürdigkeiten des Markgrafen Wilhelm von Baden hat Archivdirektor Dr. Obser begonnen. Vom Briefwechsel der Gebrüder Blarer, mit dessen Herausgabe Archivar

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