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genommen. Obgleich im 16. Jahrhundert dieser hinter dem Katechismusunterricht an Wichtigkeit zurücksteht, so wird doch den praktischen Theologen der vorliegende Band nicht weniger willkommen sein als sein Vorgänger. Denn ein großer Teil der von Reu durchmessenen Gebiete ist unangebautes Land. Ferner ist der Inhalt des jetzigen Bandes ein weit vielseitigerer. Wie ich bei meiner Anzeige des ersten und zweiten Bandes von Cohrs evangelischen Katechismusversuchen (in dieser Zeitschrift IV, 536 ff.) hervorgehoben habe, gingen allerdings auch im Katechismusunterricht anfangs die Wege weit auseinander. Indessen bildeten sich hier verhältnismäßig rasch, teils durch Luthers Beispiel, teils durch die übereinstimmenden Bedürfnisse eine Reihe gleichmäßiger oder ähnlicher Züge aus. Die Art und Weise, wie dagegen der heranwachsenden Jugend die Bibelkenntnis vermittelt wurde, war eine sehr verschiedene. Man konnte da an die sonntäglichen Evangelien und Episteln anknüpfen, man konnte zu den einzelnen Hauptstücken und deren Bestandteilen die geeigneten Bibelsprüche zusammenstellen oder man konnte auch den historischen Verlauf des alten und neuen Testaments in Geschichtserzählungen zergliedern; endlich ist auch der Versuch gemacht worden, offenbar nach dem Beispiele der Humanisten Lebensbeschreibungen einzelner Männer und Frauen zu geben.

Bei dieser bunten Mannigfaltigkeit mußte Reu seinen Stoff anders anordnen als im ersten Bande. An eine geographische Scheidung, wie sie sich bei den Katechismen als naturgemäße Folge verwandter örtlicher und territorialer Bedürfnisse ergab, war jetzt nicht mehr zu denken. Reu sah sich statt dessen veranlaßt, nach der stofflichen und methodischen Behandlungsweise einzelne Kategorien zu bilden und die zu denselben gehörigen literarischen Erscheinungen chronologisch aneinanderzureihen. Auf solche Art behandelt er zunächst die Quellen des biblischen Geschichtsunterrichts, dann die Sammlungen der Bibelsprüche, die Erläuterungen der sonntäglichen Perikopen und endlich die Einführungen in das Bibelstudium. Hierbei korrespondiert stets ein Abschnitt der historischbibliographischen Einleitung und der Auszüge aus dem Quellenmaterial.

Für den Profanhistoriker, dem das von Reu durchforschte Gebiet immer ein Nachbarland bleibt, ergibt sich freilich aus dieser Disposition ein empfindlicher Nachteil. In den seltensten Fällen haben die Theologen des 16. Jahrhunderts sich auf eine der vier gemachten Kategorien beschränkt. Alsdann muß aber der Leser sich das Material, nach welchem er die Autoren beurteilen will, an verschiedenen Orten zusammensuchen. Und wer nicht praktischer Theolog ist, dem wird es doch vor allem auf die persönliche Würdigung der einzelnen

Schriftsteller und ihrer Betätigung ankommen, zumal einige dieser Männer nach ihrer individuellen Eigenart sonst wenig bekannt sind. Auch aus der chronologischen Anordnung ergeben sich manche Unbequemlichkeiten. Jene ist nämlich nicht streng durchführbar. Manche Schrift ist erst allmählich entstanden oder sie hat eine größere Anzahl Auflagen erlebt. Natürlich mußte aber Reu das Werk zusammenhängend besprechen. Da befolgt er denn den Grundsatz, daß er für die Einreihung die Zeit des ersten Erscheinens oder der ersten Spur maßgebend sein läßt. So kann es geschehen, daß z. B. die noch im 17. Jahrhundert viel benutzte biblische Geschichte Castellios beim Jahre 1543 eingereiht wird. Hier wird zunächst ihre Bedeutung bis zum Ende des 16. Jahrhunderts gewürdigt und dann greift Reu wieder auf das Jahr 1544 zurück, wo die biblische Geschichte Gaspare Bruschios erschienen ist.

Ich möchte durch diese Bemerkungen nicht die Wertschätzung der außerordentlich mühsamen und verdienstvollen Arbeit Reus beeinträchtigen. Denn ich glaube, daß jede andere Disposition gleichfalls ihre Mängel gehabt hätte, und daß vielleicht die Ansprüche des praktischen Theologen und Bibliographen, an den sich die Veröffentlichung zunächst richtet, von denjenigen der Historiker einigermaßen abweichen. Da aber ein Schlußband aussteht, welcher ähnlich wie die zweite Hälfte des vierten Bandes von Cohrs Unternehmen nochmals eine Verarbeitung des gesamten Stoffes bringen soll, so wäre hier vielleicht Gelegenheit zum Ausgleich geboten.

Zum Schlusse darf die Zuversicht ausgesprochen werden, daß trotz der Schwierigkeiten, mit welchen der Herausgeber infolge der räumlichen Entfernung seines Wohnortes zu kämpfen hat, das verdienstvolle Werk in seinem bisherigen raschen Tempo fortschreitet. Freiberg i. B. Gustav Wolf.

Acta Borussica. Die Behörden organisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens im 18. Jahrhundert. Achter Band. Akten vom 21. Mai 1748 bis 1. August 1750, bearbeitet von G. Schmoller und O. Hintze. Berlin 1906.

Der von Prof. Hintze redigierte Band enthält aus einem Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahren und zwei Monaten Akten in 422 Nummern, welche gleich den der vorhergehenden Bände1 ein überaus reichhaltiges Material zur Verwaltungsgeschichte des preußischen Staates darbieten, das nicht nur vermöge des allgemeinen Zusammenhanges, sondern durch die zahlreichen, charakteristischen Beiträge zur Kenntnis Friedrichs des Großen insbesondere für jeden Historiker

1 Siehe die Besprechungen im 7. Bde. dieser Zeitschrift. Histor. Vierteljahrschrift. 1908. 2.

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von unschätzbarem Werte sind. Unter den mitgeteilten Akten sind an erster Stelle diejenigen über die Justizreform geeignet, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Besonders hervorzuheben sind die Verhandlungen über die Abgrenzung von Justiz und Verwaltung, welche das Prinzip der Gewaltenteilung vom Standpunkte des praktischen Bedürfnisses beleuchten. Die Bemerkungen Coccejis' über den Bericht der Magdeburgschen Kammer (Nr. 57) sind auch für die Gegenwart von aktueller Bedeutung. Und den Klagen der Verwaltungsbehörden, daß die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihre Autorität untergrabe, könnte man auch heute noch die Worte Coccejis' entgegensetzen: ,,so wenig die Regierung ihre Autorität deswegen verliert, weil sie mit Ökonomischem und Polizeisachen nichts zu tun hat, so wenig verliert sie die Kammer, wenn sie keine Justizsachen zu entscheiden hat. Jedes Kollegium hat seine Schranken". Über die individuellen Schwierigkeiten der Durchführung der Reform in den verschiedenen Provinzen geben zahlreiche Akten Aufschluß. Aber wenigstens hat es dem Werke an Anerkennung nicht gefehlt. Wie die Prägung einer goldenen Medaille zum Andenken an die Justizreform (Nr. 21) ihre Wertschätzung im Inlande, so erweist die Berücksichtigung derselben bei den Maria-Theresianischen Reformen in Österreich und bei der Justizreform in Gotha (Brief Coccejis' an Eichel S. 135 Anmkg. 3) ihre Würdigung im Auslande. Daß die Akten dieses Bandes für die Charakteristik der Persönlichkeit Coccejis' geradezu grundlegend sind, leuchtet von selbst ein. Die Notwendigkeit, im Kampfe mit den mannigfachen Widersachern sein Werk zu verteidigen, bietet dem ausgezeichneten Manne wiederholt Gelegenheit zu bemerkenswerten Äußerungen.

Für die Geschichte des preußischen Staatsdienstes auch außerhalb der Behördenorganisation und des Beamtentums von seiner persönlichen Seite bringen eine große Reihe von Akten auch dieses Bandes belangreiche Beiträge. Nr. 89 enthält die Beamtentabellen von vielen Kammerbezirken nach den Kassenetats der Kammern, aus denen man entnehmen kann, wie entsprechend dem umfassenden Wirkungskreise dieser Behörden ein zahlreiches und reich differenziertes Beamtenpersonal vonnöten ist. Für eine Reihe von Behörden werden auch die Besoldungsetats publiziert. Schließlich sei hervorgehoben, daß die Akten zur inneren Entwicklung der Provinzen, der Stände, des Städtewesens mannigfache Beziehungen aufweisen, und daß auch auf die materielle Verwaltung des Staates helle Streiflichter fallen.

Ein 138 Seiten umfassendes trefflich gearbeitetes alphabetisches Register sichert dem Werke eine erhöhte praktische Brauchbarkeit. Wien. Gustav Seidler.

Denkwürdigkeiten des Markgrafen Wilhelm von Baden. Herausgegeben von der badischen historischen Kommission. Bearbeitet von Karl Obser. Erster Band 1792-1818. Mit einem

Porträt und 2 Karten. Heidelberg 1906 (Carl Winters Universitätsbuchhandlung). XXIII und 560 Seiten.

Während in Frankreich die Memoirenpublikation, besonders seit etwa einem Jahrzehnt, geradezu sportmäßig betrieben wird, ist man bei uns zulande viel zurückhaltender. Was ist in Paris nicht alles schon an sogenannten Denkwürdigkeiten berühmter und auch ganz dunkler Männer und Frauen aus der Revolutionszeit und dem Empire veröffentlicht worden! Wo nur sich irgend Tagebücher, Briefe und ähnliches vorfand, haben betriebsame Leute Memoiren daraus fabriziert, die noch immer ihr Publikum zu finden scheinen. Und noch ist kein Ende abzusehen! Die Franzosen haben nun einmal eine ganz eigene Vorliebe für persönliche Bekenntnisse und fragen gar nicht viel nach Bedeutung und geschichtlichem Werte, wenn sich die Sache nur gut liest.

Bei uns ist das wesentlich anders oder war bisher wenigstens so. Wir haben oft keine Ahnung, was noch alles von wichtigen Lebensberichten in den geheimen Schreinen unserer Familien- und Staatsarchive steckt, und sind immer erstaunt, wenn derlei Aufzeichnungen an den Tag kommen. Geschieht es gar in so vornehmer und wissenschaftlicher Form wie bei dem Buche, von dem wir hier reden wollen, dann freut sich nicht nur der Liebhaber solcher Lektüre, sondern auch der Forscher, der über seinen Urkunden und Akten auch die privaten Aufzeichnungen führender Männer gern und mit Vorteil liest, ja ihrer gar nicht entraten kann.

Mit Dank begrüßen wir jetzt die Herausgabe der Denkwürdigkeiten eines jungen fürstlichen Generals und Diplomaten aus der Zeit des Rheinbunds und des Wiener Kongresses, des Markgrafen Wilhelm von Baden, mit denen uns im Auftrage der badischen historischen Kommission Geh. Archivrat Karl Obser in Karlsruhe, der Direktor des badischen General-Landesarchivs, beschenkt hat.

Das Buch ist der Forschung zunächst um deswillen willkommen, weil es da einsetzt (wenigstens in der Hauptsache), wo die „Politische Korrespondenz" von Badens großem Markgrafen und erstem Großherzog Karl Friedrich endet. In gewisser Hinsicht können also diese Denkwürdigkeiten jene Aktenpublikation fortsetzend ergänzen.

Markgraf Wilhelm ist der zweiten Ehe Karl Friedrichs mit Luise Karoline Freiin Geyer von Geyersberg, Reichsgräfin von Hochberg, als zweiter Sohn entsprossen. Der Umstand, daß diese Ehe zunächst nicht als voll ebenbürtig angesehen wurde, war der Anlaß

mancher Unannehmlichkeiten und Zurücksetzungen für Wilhelm und seine Geschwister, die sich vorläufig mit dem Titel Grafen von Hochberg begnügen mußten. Das Schicksal hat es indessen gewollt, daß die gesamte männliche Nachkommenschaft Karl Friedrichs aus erster Ehe mit Karoline Luise von Hessen-Darmstadt ausstarb und doch schließlich die Hochberger zur Nachfolge berufen wurden (der 1907 verstorbene Großherzog Friedrich ist der Sohn von Wilhelms älterem Bruder Leopold). Das sollte aber nicht ohne langwierige diplomatische Kämpfe abgehen, wobei das Dasein des badischen Staates überhaupt, wie er in der Rheinbundszeit geschaffen worden war, geraume Zeit stark bedroht war.

Markgraf Wilhelm ist nicht nur ein tüchtiger Soldat und Heerführer gewesen, sondern er hat auch was erst durch seine Memoiren recht bekannt wird im wesentlichen den Kampf für die Anerkennung des Erbrechts seiner Geschwister und die Zukunft seines Staates durchgeführt. So bieten uns denn seine Denkwürdigkeiten nicht nur die Erzählung seiner Feldzüge, sondern auch eine Geschichte der diplomatischen Verhandlungen über die badische Frage.

Der Verfasser ist geboren am 8. April 1792. Seine ersten Erinnerungen sind die mancherlei Wechselfälle der französischen Revolutionskriege, durch die das badische Land stets in Mitleidenschaft Mehr als einmal mußte der Hof flüchten. gezogen war. Im übrigen ging es recht einfach und schlicht im Schlosse des frommen Karl Friedrich zu, wo Lavater und Jung-Stilling gern gehörte geistliche Berater waren und gelegentlich Dr. Gall Vorlesungen über seine Schädellehre hielt. Da waltete auch der Leibarzt des Fürsten Dr. Schrickel, im Nebenamt Goldmacher, der für 10 000 fl. Silberbarren der Kasse seines Herrn verpulverte und die fürchterlichsten Geistergeschichten zum Besten gab, was aber seinem Ansehen nicht geschadet zu haben scheint.

aus

Als er noch nicht 14 Jahre alt war, lernte der Knabe den Mann kennen, der für fast ein Jahrzehnt seine Geschicke bestimmen sollte. Im Januar 1806, nach dem Feldzug von Austerlitz, wo die Badener zum ersten Male für den fremden Imperator hatten zu Felde ziehen müssen, erschien Napoleon in Karlsruhe. Er hatte soeben in München seinen Stiefsohn Eugen Beauharnais mit der bayrischen Prinzessin Auguste verheiratet, die mit dem badischen Kurprinzen Karl, dem Enkel Karl Friedrichs, verlobt gewesen war. Ihm hatte er zum Ersatze Stephanie Beauharnais bestimmt. Diesen neuen Bund zu stiften, war der Allgewaltige gekommen. Ein Machtwort von ihm genügte zu lösen und zu binden. Wie da alles schon vorher vor ihm zitterte und bebte, mancher sich schon Mut angetrunken hatte, und schließlich

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