Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

steinschen Bevölkerung mit der Sicherheit Deutschlands und der damit so eng verbundenen Machtstellung Preussens möglichst in Einklang bringen.

Je mehr, nach Oesterreichs eigener Erklärung, in Deutschland »ein Zustand vollständiger Zerklüftung und allge. meiner Zerfahrenheit bestand«, um so mehr musste Preussen seiner weltgeschichtlichen Mission eingedenk sein, in diesem allgemeinen Auflösungsprozesse der Krystallisationskern des neuen Deutschlands zu werden und vor Allem, wenigstens für Norddeutschland, eine festere Einigung durchzuführen. Es musste bei einem sich erst konstituirenden Staate, dessen Schöpfung thatsächlich in seiner Hand lag, alle die Rechte in Anspruch nehmen, welche bei Herstellung einer neuen bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland der Centralgewalt nothwendig zu gewähren sind. Ueber diese Linie gingen die Februarforderungen nicht hinaus. Allein von Seiten Oesterreichs, welches Preussens Machtstellung selbst in Norddeutschland in keiner Weise erweitert sehen wollte, folgte am 5. März 1865 eine ablehnende Antwort: » es schliesse eine Phase der Verhandlungen, in der eine definitive Vereinbarung überhaupt nicht möglich sei«. Auch der Erbprinz von Augustenburg, welcher sich immer mehr auf Oesterreichs Seite stellte, wies die Februarbedingungen am 31. März zurück, besonders verwarf er gerade die Punkte, welche Preussen als conditio sine qua non festhalten musste den dem Könige von Preussen zu leistenden Fahneneid der Soldaten, das Dislokationsrecht der Truppen und die Nichtexistenz des Begriffes einer eigenen schleswig-holsteinschen Armee. Auch an den übrigen Forderungen fand er mancherlei auszusetzen, so an dem sehr klaren Postulate »eines immerwährenden Anschlusses an das preussische Zollsystem«, so an den Territorialverhältnissen der »>Bundesfestung Rendsburg«, kurz die ganze Basis der Februarforderungen wurde als ein Mass von Verschmelzung angesehen, wofür » die Bevölkerung der Herzogthümer nicht zu gewinnen sei « 10.

Preussen dagegen betrachtete die Februarbedingungen als sein

10) Vergl. »die Instruktion des Herzogs Friedrich für seinen Abgesandten in Berlin« vom 31. März 1865. Am 20. Dec. 1866 erklärte der Ministerpräsident Graf Bismarck: »Ich erkläre es für positiv falsch, dass der Prinz von Augustenburg jemals die Februarbedingungen angenommen hat«.

Ultimatum, sowohl Oesterreich als dem Erbprinzen gegenüber; am 22. Juli 1865 erklärte es nochmals aufs bestimmteste: »> dass es an seinen Forderungen vom 22. Februar un wandelbar festhalte. Schon damals drohte der Konflikt zwischen Oesterreich und Preussen zum kriegerischen Zusammenstosse zu führen, doch wurde derselbe noch einmal durch die Gasteiner Konvention vom 14. August hinausgeschoben". Die beiden hohen Kontrahenten sprachen ihre Ueberzeugung dahin aus: »dass das bisher bestandene Condominium in den von Dänemark durch den Friedensvertrag vom 30. Oktober 1864 abgetretenen Ländern zu Unzukömmlichkeiten führt, welche gleichzeitig das gute Einvernehmen zwischen Ihren Regierungen und den Herzogthümern gefährden. Ihre Majestäten sind deshalb zum Entschlusse gelangt, die Ihnen aus dem Art. III. des erwähnten Traktats zufliessenden Rechte fortan nicht mehr gemeinsam auszuüben, sondern bis auf weitere Vereinbarung die Ausübung derselben geographisch zu theilen «<. Zu diesem Zwecke sind sie übereingekommen:

Art. I. »Die Ausübung der von den hohen vertragsschliessenden Theilen durch Art. III. des Wiener Friedenstraktats vom 30. Oktober 1864 gemeinsam erworbenen Rechte wird, unbeschadet der Fortdauer dieser Rechte beider Mächte an der Gesammtheit beider Herzogthümer, in Bezug auf das Herzogthum Schleswig auf Seine Majestät den König von Preussen, in Bezug auf das Herzogthum Holstein auf Seine Majestät den Kaiser von Oesterreich übergehen. «

Ausserdem verabredeten die Kontrahenten, die Herstellung einer Bundesflotte, eines Bundeskriegshafens zu Kiel und die Erhebung Rendsburgs zu einer Bundesfestung beim Bunde beantragen zu wollen, vorläufig sollte der Hafen zu Kiel für die Kriegsflotten beider Mächte gemeinsam sein, jedoch unter preussischem Kommando und preussischer Polizei stehen. Neben diesen provisorischen Bestimmungen enthält Art. IX. der Konvention die definitive Abtretung der im Wiener Frieden erworbenen Rechte Oesterreichs auf das Herzogthum Lauenburg an Preussen gegen eine Geldentschädigung von 2 Millionen dänischer Thaler.

11) Staatsarchiv Bd. IX. S. 288.

Nachdem das Gasteiner Uebereinkommen der Bundesversammlung am 24. August zur Kenntnissnahme mitgetheilt worden war, stellten Bayern, Sachsen und Hessen - Darmstadt am 4. November 1865 den Antrag, die staatsrechtliche Stellung der Herzogthümer möglichst bald bundesrechtlich zu regeln. Durch den Majoritätsbeschluss vom 18. November, dass dieser Antrag dem Ausschusse für die holstein - lauenburgische Verfassungsangelegenheit zu überweisen sei, verschwand indessen die Frage der Herzogthümer vorläufig von der Tagesordnung der Bundesversammlung 12.

Noch zu Anfang des Jahres 1866 stand dem Erbprinzen frei, auf Grundlage der Februarforderungen die schleswig-holsteinsche Frage definitiv zu erledigen; dagegen wies Preussen jede einseitige Entscheidung Oesterreichs und des Bundes zu Gunsten des Erbprinzen von Augustenburg zurück und wollte vor Allem die >>Massendemonstrationen« und die »>Einwirkungen des sogenannten Kieler Hofes auf die Landesangelegenheiten« nicht dulden. Durch die Depesche des auswärtigen Amtes zu Berlin vom 26. Januar 186613, welche sich über die von Oesterreich geduldeten Agitationen in Holstein, namentlich über die Gestattung der Versammlung zu Altona, beschwerte, und durch die österreichische Antwort vom 7. Februar 14 wurde der Gegensatz zwischen dem österreichischen und preussischen Kabinet wieder sehr verschärft. Schon im März war es klar, dass Oesterreich den Krieg entschieden ins Auge fasste, wenn Preussen nicht seine Ansprüche, die es im Interesse seiner eigenen Machtstellung in Norddeutschland machen zu müssen glaubte, unbedingt aufgeben wolle. In einer vertraulichen Cirkulardepesche vom 16. März an die deutschen Regierungen stellte Oesterreich bereits die Anrufung des Bundes gegen Preussen in Aussicht und regte die Kriegsbereitschaft der Kontingente an

15

[ocr errors]

Offen trat jetzt Preussen mit seinen Plänen für eine nationale und parlamentarische Reform des deutschen Bundes hervor, indem es die schleswig-holsteinsche Angelegenheit nur als einen Inci

12) Staatsarchiv Bd. IX. S. 304 ff.
13) Staatsarchiv Bd. X. S. 331.

14) Staatsarchiv Bd. X. S. 338.

15) National-Zeitung vom 14. und 15. Decbr. 1866 (Staatsarchiv Bd. XII. Nr. 2445 S. 1.).

denzpunkt der grossen deutschen Frage aufgefasst wissen wollte. Es erklärte in einer Depesche vom 24. März an die königlichen Gesandtschaften bei den deutschen Höfen 16: >>Preussen ist durch seine Stellung, seinen deutschen Charakter und durch die deutsche Gesinnung seiner Fürsten vor Allem darauf angewiesen, Garantien in Deutschland selbst zu suchen. Auf dem Boden der deutschen Nationalität und in einer Kräftigung der Bande, welche uns mit den übrigen deutschen Staaten verbinden, dürfen wir hoffen und werden wir immer zuerst versuchen, die Sicherheit der nationalen Unabhängigkeit zu finden. Aber so oft wir diesen Gedanken ins Auge fassen, drängt sich auch von neuem die Erkenntniss auf, dass der Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt für jenen Zweck uns für die aktive Politik, welche grosse Krisen jeden Augenblick fordern können, nicht ausreichend ist. Diese Erwägung und die abnorme Lage, in welche Preussen durch die feindselige Haltung der andern im Bunde befindlichen Grossmacht gebracht ist, drängt uns die Nothwendigkeit auf, eine den realen Verhältnissen Rechnung tragende Reform des Bundes in Anregung zu bringen. Schon durch die geographische Lage wird das Interesse Preussens und Deutschlands identisch. Wenn wir Deutschlands nicht sicher sind, ist unsere Stellung gerade wegen unserer geographischen Lage gefährdeter, als die der meisten andern europäischen Staaten. Das Schicksal Preussens wird das Schicksal Deutschlands nach sich ziehen, und wir zweifeln nicht, dass, wenn Preussens Kraft einmal gebrochen wäre, Deutschland an der Politik der europäischen Nationen nur noch passiv betheiligt bleiben würde. Dies zu verhüten, sollten alle deutsche Regierungen als eine heilige Pflicht ansehen und dazu mit Preussen zusammenwirken. Wenn der deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt und mit seinen jetzigen politischen und militärischen Einrichtungen den grossen europäischen Krisen, die aus mehr als einer Ursache jetzt auftauchen können, entgegengehen soll, so ist nur zu sehr zu befürchten, dass er seiner Aufgabe erliegen und Deutschland vor dem Schicksale Polens nicht schützen werde «<.

An diese einleitende Cirkulardepesche knüpfte sich dann der unten näher zu erörternde Antrag Preussens vom 9. April beim

16) Staatsarchiv Bd. X. S. 348.

Bundestage auf Berufung eines aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrechte der ganzen Nation hervorgehenden Parla

mentes.

Obgleich Preussen das dringende Bedürfniss einer deutschen Volksvertretung bei dem grossen Werke einer nationalen Bundesreform hervorhob, so fand es doch weder bei den übrigen Regierungen, noch in der öffentlichen Meinung eine kräftige Stütze, was bei dem unerledigten innern Konflikte in Preussen und der äussersten Spannung der Gemüther im übrigen Deutschland freilich kaum anders zu erwarten war. Der Antrag vom 9. April wurde an einen Ausschuss verwiesen und blieb vorläufig ohne Resultat. Es war damit auch die Möglichkeit abgeschnitten, durch eine eingehende Behandlung der deutschen Frage im nationalen Sinne den schleswig-holsteinschen Konflikt, als einen nothwendigen Incidenzpunkt derselben friedlich zu lösen.

Es beginnen nun jene diplomatischen Noten, welche über Rüstung und Abrüstung zwischen Oesterreich und Preussen gewechselt wurden; sie sind indessen für jetzt von ebenso geringer Bedeutung, als die Verhandlungen und Resolutionen des Bundestags zur Wahrung des Artikels XI. der Bundesakte und des darauf gegründeten Bundesfriedens. Der am 24. Mai 1866 zum Bundesbeschlusse erhobene mittelstaatliche Antrag, dass die Staaten, welche gerüstet hätten, ersucht werden sollten, ihre Streitkräfte auf den Friedensstand zurückzuführen, blieb erfolglos 17. Ebenso scheiterte der von den drei neutralen Grossmächten Frankreich, Russland und Grossbritannien gemachte Vorschlag zu einer in Paris abzuhaltenden Konferenz zur Schlichtung der obschwebenden Streitigkeiten an der Erklärung Oesterreichs vom 1. Juni18, welches eine unannehmbare Basis der Verhandlungen - die Festhaltung der Verträge von 1815 und die Integrität seines Gebietes als Vorbedingung seines Eintritts in die Konferenzverhandlungen aufstellte, worauf die Grossmächte nicht eingehen zu können erklärten

19

Am 1. Juni that Oesterreich dann einen weitern Schritt zur kriegerischen Verwickelung, indem es in der Bundesversammlung

17) Staatsarchiv Bd. XI. S. 42.

18) Staatsarchiv Bd. XI. S. 47.

19) Grossbrit. Depesche an den deutschen Bund vom 14. Juni. Staatsarchiv Bd. XI. S. 55.

« ZurückWeiter »