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abgegebene Kuriatstimme den preussenfreundlichen Stimmen zugezählt, so sinkt die österreichische Majorität auf 8 herab. Da aber Baden, welches sich der Abstimmung enthielt, nach der Geschäftsordnung, der Majorität beigezählt werden muss, so hebt sich die österreichische Mehrheit wieder auf die Anzahl von 9 Stimmen, welche zu einem Beschlusse des engern Rathes erforderlich ist.

Kann diese Majorität auch nicht in Abrede gestellt werden, so muss doch der Bundesbeschluss selbst als formell und materiell rechtswidrig betrachtet werden. In formeller Beziehung erscheint das ganze Verfahren des Präsidialhofes als ein tumultuarisches, welches ebenso mit §. 24 der Geschäftsordnung vom 16. Juni 1854 wie mit der Praxis der Bundesversammlung im schneidendsten Widerspruche steht. Nachdem Oesterreich sich mit seinen Anhängern im Geheimen vorher verständigt hatte, wollte man durch Ueberraschung über die Gegner siegen; daher brachte Oesterreich bereits am 11. Juni den verhängnissvollen Antrag auf Mobilisirung sämmtlicher nichtpreussischer Armeecorps ein und schon am 14. Juni wurde über diesen wichtigsten aller Anträge abgestimmt, ohne dass auch nur eine Kommission darüber vernommen worden wäre 4.

Die materielle Bundeswidrigkeit dieses Beschlusses, welche wohl von keiner Seite mehr in Abrede gestellt wird, muss aus folgenden Gründen behauptet werden 5:

1) Die zur Begründung des Antrags in Bezug genommenen schleswig-holsteinschen Streitigkeiten lagen zur Zeit ganz ausserhalb der Kompetenz des Bundes, denn beide streitende Mächte hatten den Krieg nicht als Bundesmitglieder, sondern als europäische Mächte geführt; der Bund hatte weder an dem

dass durch diese falsche Stimmabgabe in der XVI. Kurie die Majorität bei dieser weltgeschichtlichen Bundesabstimmung bewirkt worden sei; diese stand schon ohnedies fest.

4) Es war eine bittere Ironie, dass die greisenhafte und altersschwache Institution des deutschen Bundes schliesslich noch an Uebereilung zu Grunde gehen musste.

5) Dies ist treffend ausgeführt von dem preussischen Gesandten, Herrn von Savigny, in seiner energischen Protesterklärung, ferner in dem mecklenburg-schwerinschen, in dem grossherzoglich-herzoglich sächsischen und anhaltisch-oldenburgishen Votum.

Wiener Frieden, noch an der Gasteiner Konvention Theil genommen, vielmehr waren diese Verträge dem Bunde völlig fremd geblieben. »>Wenn Oesterreich aus Anlass der Verletzung seiner Kondominatsrechte in Holstein den Bund anrief - führte der grossherzoglich-herzoglich sächsische Gesandte aus

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war dagegen zu erinnern, dass der Bund überhaupt kein Kondominat von Oesterreich oder Preussen in Holstein, sondern einzig und allein die Besitz- und Herrschaftsrechte Oesterreichs und Preussens in ihren eigenen Bundeslanden kannte, und sich daher nur den Schutz jeder Bundesregierung in dem bundesmässigen Besitze ihres zum Bunde gehörigen Territoriums zur Aufgabe machen konnte.<

2) Hätte es sich aber wirklich im vorliegenden Falle um Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern als solchen und um Aufrechthaltung eines bundesmässig geschützten »Besitzstandes« gehandelt, so hätte die Bundesversammlung nach Vorschrift des Art. XVIII. und der folgenden Artikel der Wiener Schlussakte verfahren müssen; denn Art. XVIII. schreibt vor, dass, wenn die innere Ruhe und Sicherheit des Bundes auf irgend eine Weise bedroht oder gestört ist, die zur Wiederherstellung der Ruhe »geeigneten Beschlüsse nach Anleitung der in den folgenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu fassen sind. Dies sind die Art. XIX--XXIII. der Wiener Schlussakte. Darnach hätte die zum Schutze des jüngsten Besitzstandes angerufene Bundesversammlung ein bei der Sache nicht betheiligtes Bundesglied in der Nähe des zu schützenden Gebietes aufzufordern gehabt, die Thatsache des jüngsten Besitzes und die angezeigte Störung desselben durch seinen obersten Gerichtshof summarisch untersuchen und darüber einen rechtlichen Bescheid abfassen zu lassen, dessen Vollziehung sie allerdings dann im Falle der Renitenz auf dem Wege der Bundesexekution durchzusetzen berechtigt gewesen wäre. Jedenfalls hatte die Bundesversammlung nach Art. XXI., wie bei allen Streitigkeiten, die bei ihr angebracht werden, so auch hier die Verpflichtung, die gütliche Vermittelung durch einen Ausschuss zu versuchen.

6 Richtig weist darauf das badische Votum hin: »Zu diesem Zwecke wird die Bundesversammlung vor Allem einem Ausschusse den baldigen Vorschlag der Massregeln zu übertragen haben, welche rathsam und nothwendig

Erst wenn diese erfolglos geblieben wäre, hätte sie die Entscheidung auf dem Wege der Austrägalinstanz zu veranlassen gehabt. Jede exekutorische Massregel setzte nach Bundesrecht ein vorhergehendes geordnetes Verfahren voraus, während im vorliegenden Falle die preussische Regierung über den zur Sprache gebrachten Vorgang noch gar nicht gehört worden, derselbe auch sonst noch keiner Prüfung in der Bundesversammlung unterworfen worden war. »>Demnach erklärte der luxemburgische Gesandte - erscheint der österreichische Antrag auf sofortige Mobilisirung sämmtlicher Bundesarmeecorps, mit Ausnahme der preussischen, als nicht hinlänglich begründet und dürfte mehr den Anschein einer feindlichen, als einer bundesmässigen Massregel haben. <<

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3) >>Das Bundesrecht — erklärte der preussische Gesandte — kennt Bundesmitgliedern gegenüber nur ein Exekutionsverfahren, für welches bestimmte Formen und Voraussetzungen vorgeschrieben sind, die Aufstellung eines Bundesheeres gegen ein Bundesglied auf Grund der Bundeskriegsverfassung ist dieser ebenso fremd, wie jedes Einschreiten der Bundesversammlung gegen eine Bundesregierung ausserhalb der Normen des Exekutionsverfahrens « In der That konnte die Mobilmachung der Bundesarmee gegen eine der beiden deutschen Mächte, gerade in dem Augenblicke, wo beide zum Kriege gegeneinander, und zwar nicht als Bundesglieder, sondern mit allen ihren Streitkräften als europäische Mächte gegenüberstanden, nicht anders aufgefasst werden, als eine Betheiligung des Bundes an dem ausbrechenden Kriege. Nicht einmal zu einem Kriegsbeschlusse gegen eine auswärtige Macht hätte ein Mehrheitsbeschluss des engern Rathes genügt, sondern es wäre dazu ein, im Plenum mit zwei Dritteln der Stimmen gefasster Beschluss erforderlich gewesen; ein auf einen Krieg gegen ein Bundesmitglied unverkennbar hinzielender Beschluss war an sich absolut bundeswidrig, daher erklärte der preussische Gesandte am

sind. Die grossherzogliche Regierung glaubt zugleich, dass der Zeitpunkt gekommen sei, in dem die hohe Bundesversammlung in Gemässheit des Art. XI der Bundesakte und Art. XXI der Wiener Schlussakte ihre Thätigkeit vermittelnd eintreten lasse, um die Wiederkehr eines bundesgemässen Zustandes zuvörderst in Holstein zu erwirken.<<

Krisis des deutschen Staatsrechts.

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14. Juni in der Bundesversammlung unmittelbar, nachdem dieser bundeswidrige Mehrheitsbeschluss gefasst worden war: »durch die nach dem Bundesrechte unmögliche Kriegserklärung gegen ein Bundesglied, welche durch den Antrag Oesterreichs und das Votum derjenigen Regierungen, welche ihm beigetreten sind, bedingt ist, sieht das königliche Kabinet den Bundesbruch. als vollzogen an. Im Namen und auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Königs erklärt daher der Gesandte hiermit, dass Preussen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr verbindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln wird. « Mit dieser Erklärung legte Preussen zugleich die »Grundzüge einer Bundesreform vom 10. Juni« vor, die im nächsten Kapitel näher erörtert werden sollen.

§. 3.

Der deutsche Krieg.

Preussen hätte allerdings alle diejenigen Staaten, die sich an dem feindseligen und bundeswidrigen Beschlusse vom 14. Juni betheiligt hatten, ohne weiteres als seine Feinde betrachten können, wie es über seine Auffassung eines derartigen Mobilisirungsbeschlusses auch keinen Zweifel gelassen hatte; aber es stellte seinen Gegnern noch eine Bedenkzeit und ein Ultimatum. Vor allem wichtig war für Preussen die Stellung Hannovers1, wegen seiner geographischen Lage zwischen den beiden Haupttheilen der Monarchie; eine feindliche oder zweifelhafte Stellung dieses Landes war für Preussen bei dem bevorstehenden Kriege mit Oesterreich unerträglich. Es war desshalb schon seit dem Frühjahre mit Hannover verhandelt und nichts weiter verlangt worden, als eine loyale, vertragsmässig festzustellende Neutralität; noch am 9. Mai wurde Hannover ein solcher Neutralitätsvertrag

1) Ich folge hier lediglich der akten mässigen und officiellen Darstellung der kleinen Schrift: » Die Verhandlungen zwischen Preussen und Hannover im Jahre 1866. Berlin 1867 (in der Deckerschen Hofbuchdruckerei).

geboten, aber vergeblich; der König von Hannover verweigerte jede beruhigende Erklärung und Versicherung über seine eventuelle Politik. Am 20. Mai warnte Graf Bismarck entschieden vor der Theilnahme an einem Mobilisirungsbeschlusse des Bundes: >>>Ein solcher ohne uns gefasster Beschluss könnte nur gegen uns gerichtet sein, wir würden denselben als den Anfang des Krieges der mobilis irenden Bundesglieder gegen uns ansehen und behandeln. Wir werden daher, falls ein solcher Beschluss ergeht, genöthigt sein, seine Ausführung faktisch mit allen uns zu Gebote stehenden Kräften zu verhindern und damit wäre der Kriegsfall eingetreten «2. Am 11. Juni wiederholte das Berliner Kabinet diese Warnung: » dass die Annahme des österreichischen Antrages von Preussen als eine Kriegserklärung behandelt werden würde «3. Trotzdem votirte Hannover für die Mobilisirung der Bundeskontingente. Diese befanden sich in Süddeutschland bereits auf dem Kriegsfusse. Sachsens Truppen standen, wie der sächsische Gesandte in Frankfurt erklärte, »bereits seit dem 20. Mai in einer die Bundesforderungen nicht unerheblich übersteigenden Stärke auf dem mobilen Etat.<< Bayern hatte am 14. Juni mit Oesterreich eine Militärkonvention über seine Betheiligung am Kriege gegen Preussen geschlossen (S. 36). Dennoch versuchte Preussen nochmals, die hannöversche Regierung von dem betretenen verhängnissvollen Wege zurückzuführen, indem der preussische Gesandte am 15. Juni eine Sommation stellte, dahin gehend: » dass 1) die hannöverschen Truppen sofort auf den Friedensstand vom 1. März zurückgeführt werden, 2) dass Hannover der Berufung des deutschen Parlaments zustimme und die Wahlen dazu ausschreibe, sobald dies von Preussen geschehe, 3) dass Preussen dem Könige von Hannover sein Gebiet und seine Souveränetätsrechte nach Massgabe der Reformvorschläge vom 10. Juni gewährleiste. « Am 16. Juni erfolgte die officielle Ablehnung der preussischen Anträge, worauf der preussische Gesandte die Kriegserklärung an Hannover aussprach und seine Funktionen einstellte. An demselben Tage beschlossen die in Frankfurt tagenden deutschen Regierungen den Krieg gegen Preussen und beauftragten Oester

2) Die erwähnten »Verhandlungen« S. 17.

3) Verhandlungen S. 35.

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