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Stande seien, nämlich in Betreff der Sicherstellung der Heereseinrichtungen und in der Diätenfrage. Nachdem auch über diese beiden letzten Differenzpunkte eine Vereinbarung in oben angegebener Weise erreicht worden war, wurde in der Sitzung vom 16. April die definitive Gesammtabstimmung über Annahme oder Ablehnung der Verfassung vorgenommen. Die Annahme erfolgte bei der Theilnahme von 283 Mitgliedern mit 230 Stimmen gegen nur 53 verneinende. Am 17. April theilte der Vorsitzende der Bundeskommission zur grossen Befriedigung des Reichstages Folgendes mit:

>> Die Bundeskommissarien waren einstimmig darin, den Verfassungsentwurf, wie er aus der Schlussberathung des Reichstags hervorgegangen ist, anzunehmen.... In Folge dessen erkläre ich auf Grund der Machtvollkommenheit, welche die verbündeten Regierungen Seiner Majestät dem Könige von Preussen übertragen haben, und auf Grund der Vollmachten, welche Seine Majestät mir zu diesem Behufe ertheilt hat, die Verfassung des norddeutschen Bundes, sowie sie aus der Berathung des Reichstages hervorgegangen ist, für angenommen durch die zu dem norddeutschen Bunde verbündeten Regierungen. «<

Noch an demselben Tage schloss der König den Reichstag. Mit vollem Rechte hiess es in der feierlichen Schlussrede: » Die Bundesgewalt ist mit den Befugnissen ausgestattet, welche für die Wohlfahrt und die Macht des Bundes unentbehrlich, aber auch ausreichend sind. ... Der Volksvertretung ist diejenige Mitwirkung an der Verwirklichung der grossen nationalen Aufgaben gesichert, welche dem Geiste der bestehenden Landesverfassungen und dem Bedürfnisse der Regierungen entspricht, ihre Thätigkeit von dem Einverständnisse des deutschen Volkes getragen zu sehen. Wir alle, die wir zum Zustandekommen des nationalen Werkes mitgewirkt, die verbündeten Regierungen, sowie die Volksvertretung, haben bereitwillig Opfer unserer Wünsche gebracht; wir durften es in der Ueberzeugung thun, dass diese Opfer für Deutschland gebracht sind und dass unsere Einigung derselben werth war.

In diesem allseitigen Entgegenkommen, in der Ausgleichung und Ueberwindung der Gegensätze ist zugleich die Bürgschaft für die weitere fruchtbringende Entwickelung des Bundes gewonnen,

mit dessen Abschluss auch die Hoffnungen, die uns mit unseren Brüdern in Süddeutschland gemeinsam sind, ihrer Erfüllung näher gerückt werden. . . . . . Das grosse Werk, an welchem mitzuwirken wir von der Vorsehung gewürdigt sind, geht seiner Vollendung entgegen.

Die Volksvertretungen der einzelnen Staaten werden dem, was Sie in Gemeinschaft mit den Regierungen geschaffen haben, ihre verfassungsmässige Anerkennung nicht versagen. Derselbe Geist, welcher die Aufgabe hier gelingen liess, wird auch dort die Berathungen leiten. <<

§. 29.
Die Landtage.

Das in der königlichen Schlussrede ausgesprochene Vertrauen auf den Patriotismus der deutschen Volksvertretungen wurde nicht getäuscht.

Durch eine Verordnung vom 18. April wurde der preussische Landtag auf den 29. April einberufen und an diesem Tage eröffnet. Am ersten Mai wurde zuerst dem Abgeordnetenhause die Verfassung des norddeutschen Bundes vorgelegt und nach kurzer Berathung am 8. Mai mit 226 gegen 91 Stimmen angenommen. Als ein verfassungsabänderndes Gesetz verlangte diese Vorlage nach Art. 107. noch eine zweite Abstimmung nach dem Ablaufe von wenigstens 21 Tagen, sie erfolgte am 21. Mai mit 227 gegen 93 Stimmen.

In strengster Beobachtung aller konstitutionellen Formen legte die Regierung dem Herrenhause die Bundesverfassung erst dann vor, nachdem die definitive Annahme im Abgeordnetenhause erfolgt war; sie wurde in beiden Skrutinien am 1. und 24. Juni vom Herrenhause einstimmig angenommen.

Auch in sämmtlichen übrigen verbündeten Staaten ertheilten die Landtage, beziehungsweise Bürgerschaften ihre verfassungsmässige Zustimmung.

§. 30. Publikation.

Es war nun das letzte formelle Erforderniss für das Inkrafttreten der neuen Verfassung noch zu erfüllen, die obrigkeit

liche Publikation in allen Bundesstaaten. Während nach Annahme der Bundesverfassung alle Bundesgesetze lediglich durch Verkündigung von Seiten des Präsidiums im Bundesgesetzblatte Gültigkeit erlangen, konnte die Verfassung selbst nur durch die Obrigkeiten der Einzelstaaten publicirt werden, da das Recht des Präsidiums eben erst durch die Verfassung begründet werden soll.

Da sich sämmtliche Bundesregierungen darüber verständigt hatten, dass die Bundesverfassung an demselben Termine, nämlich am 1. Juli 1867, in Kraft treten sollte, so musste bis dahin überall die Publikation vollzogen sein; sie erfolgte in Preussen am 24. Juni mit folgenden Worten:

>> Nachdem die Verfassung des norddeutschen Bundes von den verbündeten Fürsten und freien Städten mit dem Reichstage vereinbart worden ist und die Zustimmung beider Häuser des Landtags erhalten hat, verkünden Wir nachstehend die gedachte Verfassung und bestimmen zugleich, dass diese im ganzen Umfange der Monarchie einschliesslich des Jahdegebietes und der durch die Gesetze vom 20. Sept. und 24. Dec. 1866 mit derselben vereinigten Landestheile am 1. Juli in Kraft treten soll. «<

Diese Publikation konnte sich nicht mit auf das Herzogthum Lauenburg beziehen, welches bis auf den heutigen Tag nur in Personalunion mit dem preussischen Staate steht. Der KönigHerzog publicirte hier die Verfassung bereits am 23. Juni »> nach vorgängiger Kommunikation mit Unserer Ritter- und Landschaft. «<

In sämmtlichen übrigen Staaten ging die Publikation ebenso schnell vor sich, sie erfolgte in Schwarzburg - Rudolstadt am 21., in Hessen-Darmstadt am 22., in Oldenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Bremen, Hamburg und Reuss ä. L. am 24. Juni, im Königreiche Sachsen, in beiden Mecklenburg, in Sachsen- Weimar, Koburg-Gotha, Altenburg, Meiningen, Schaumburg-Lippe, Lippe-Detmold, Reuss j. L., Braunschweig, Anhalt am 25., in Waldeck und Lübeck am 27. Juni.

Alle diese Publikationsgesetze sind fast gleichlautend und beraumen das Inkrafttreten der Verfassung auf den 1. Juli an. Einige unter ihnen, wie z. B. das sachsen-weimarische, erklären ausdrücklich: » dass durch diese Verfassung die bestehenden Landesgesetze, insoweit sie mit derselben nicht vereinbar sind, namentlich das Staatsgrundgesetz als abgeändert zu betrachten

sind, ein Zusatz, den die meisten als selbstverständlich weggelassen haben. In beiden mecklenburgischen Patenten hat man die Klausel hinzugefügt: »Zugleich bestimmen wir zur Vermeidung etwaiger Ungewissheiten, dass rücksichtlich des Zoll- und Handelswesens die in Unserem Lande zur Zeit bestehenden Gesetze bis auf weiteres in Kraft bleiben«, auch wurden im schwerinschen Patente Rostock und Wismar, im strelitzischen das Fürstenthum Ratzeburg wegen ihrer eigenthümlichen staatsrechtlichen Stellung namentlich mit eingeschlossen 1.

§. 31.

Wichtigste juristische Konsequenzen der Publikation.

Durch das Inkrafttreten der Bundesverfassung hat eine tiefgreifende Veränderung im Rechtszustande sämmtlicher Bundesstaaten stattgefunden. Während bis zum 1. Juli unter den verbündeten Staaten nur ein völkerrechtliches Verhältniss auf Grund verschiedener Verträge stattfand, ist an dessen Stelle jetzt ein staatsrechtliches Band getreten. Auch der Bundesstaat entsteht durch Vertrag*; ist er aber zu Stande gekommen, so ist er nicht mehr blos ein vertragsmässiges, sondern ein verfassungsmässiges Verhältniss; denn der Vertrag der zusammentretenden Regierungen war eben darauf gerichtet, einen Staat zu gründen, ihm eine Verfassung zu geben und sich derselben, als einer höheren Norm, zu unterwerfen. Seit dem 1. Juli 1867 bilden 22 deutsche Staaten einen Gesammtstaat, der sein geschlossenes Gebiet, seine einheitliche Verfassung, seine Staatsgewalt hat; 30 Millionen Deutsche haben, neben ihrem Bürgerrechte im Einzelstaate, ein gemeinsames Bundesbürgerrecht, welches mit der Publikation der Verfassung sogleich ins Leben getreten ist, aber auch bestimmte Pflichten der Bundesgewalt gegenüber, besonders eine Gehorsamspflicht gegen alle Bundes

1) Als andere kleine Anomalien sind noch zu erwähnen, a) dass das sachsenaltenburgische Patent nicht von dem Herzoge selbst, sondern in seiner Abwesenheit vom Gesammtministerium vollzogen ist, b) dass in Reuss-Greiz »die Zustimmung des hierzu nach Erfolg der angeordneten Wahlen sofort einzuberufenden Landtags « nur vorbehalten ist, c) dass ferner in SchaumburgLippe die Bundesverfassung »die Zustimmung der verfassungsvereinbarenden Versammlung erhalten hat.

* S. Schulze, Einleit. in das deutsche Staatsrecht. Neue Ausgabe S. 205.

gesetze. Unzweifelhaft ruft eine solche Bundesverfassung tiefgreifende Veränderungen im Staatsrechte der Einzelstaaten hervor; indessen ist eine in dieser Beziehung vorzunehmende ausdrückliche Revision der Einzelverfassungen weder augenblicklich durchführbar, da sich der Einfluss der Bundesverfassung auf dieselben kaum übersehen lässt, noch juristisch nothwendig; die Abänderung tritt vielmehr ipso jure ein, indem die Bundesverfassung durch die Publikation Landesgesetz und integrirender Theil der Landesverfassung geworden ist.

Folgende wichtige Aenderungen lassen sich schon jetzt über

sehen:

1. In einzelnen hochwichtigen Gebieten ist von nun an die Landesgesetzgebung ganz ausser Thätigkeit gesetzt, dahin gehört die Heer- und Marine-, die Zoll- und Handels-, die Post- und Telegraphengesetzgebung. Hier ist die Kompetenz des Bundes ausschliesslich.

2. Auf allen übrigen Gebieten, welche Art. 4. der Bundesgewalt überweist, ist der Landesgesetzgebung die Kompetenz keineswegs ganz entzogen, ja sie wird hier sogar oft genöthigt sein, ihre Thätigkeit noch zu entfalten. Obgleich Art. 4. dem Bunde die Gesetzgebung z. B. über Process, Strafrecht, Medicinalwesen zuweist, werden trotzdem die Einzelstaaten darüber auch jetzt noch Gesetze erlassen können, nur müssen sie sich gefallen lassen, dass, wenn der Bund ein gemeinsames, dahin einschlagendes Gesetz erlässt, das Landesgesetz dadurch aufgehoben, resp. modificirt wird.

3. Die völkerrechtliche Vertretung des Bundes durch das Organ des Bundespräsidiums hebt die völkerrechtliche Persönlichkeit der Einzelstaaten nicht auf, beschränkt dieselbe aber doch in wichtigen Punkten. Jedenfalls ist ihnen das selbstständige jus belli ac pacis entzogen, da ihnen jede Verfügung über ihre Truppen zu Kriegszwecken - die eigentliche Kriegsherrlichkeit abgeht, während sie sonst manchfach wichtige Rechte über dieselben, kraft ihrer Kontingentsherrlichkeit, ausüben können. Auch Zoll-, Handels- und Schifffahrtsverträge kann nur der Bund schliessen. Wo eine Verfassung, wie etwa die preussische, dem Landtage das Recht der Genehmigung von Handelsverträgen beilegt, ist anzunehmen, dass dasselbe durch das Zustimmungsrecht des Reichstages absorbirt wird. Dass dagegen die Einzelstaaten noch manche Verträge anderer Art mit verbündeten und

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