Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

verfassung auf das äußerste eingeschränkt. Bis in den Juli schleppten sich diese Verhandlungen, von welchen es unvergessen bleiben muß, daß die Bayern nicht in dem Maße gerüstet in den französischen Krieg eintreten konnten, wie der tüchtige Kriegsminister von Prankh es allerdings gewünscht und geplant hatte. Wie lehrreich ist geschichtlich doch die Rede des besten dieser bayrischen „Patrioten“, des Professor Sepp geblieben, der noch am 14. Juli feinen Mann und keinen Gulden für die Vermehrung und Verbesserung der bayrischen Armee bewilligte. Die ganze Verhandlung über das Militärbudget war in der Kriegsfrage des Jahres 1870 untergegangen.

Wenn Graf Bray in den innern verfahrenen Verhältnissen Bayerns keine Änderung hervorzubringen vermochte, so war er in seinen Beziehungen zu Württemberg, wo im Beginne des Jahres 1870 ganz ähnliche Kämpfe stattfanden, glücklicher. In gleichem Maße wie in Bayern richtete die Opposition ihre ganze Kraft gegen die militärischen Einrichtungen. Bei der Eröffnung des Landtags interpellierte die demokratische Partei den Minister Varnbüler in Betreff der Frage des casus foederis“ mit Preußen, und Varnbüler gab eine gewundene Erklärung ab, aus der die Opposition den Schluß zog, daß, wenn man früher gewußt hätte, Preußen habe den Württembergern die Entscheidung des casus foederis" nicht zugestanden, die Kammer jedenfalls den Vertrag verworfen haben würde. Daneben wurde eine große Bewegung gegen das Wehrgeseß herbeigeführt, eine Massenpetition gegen dasselbe zu stande gebracht und in der Kammer sowohl das Budget, wie die Wehrverfassung bekämpft. Eine glückliche Wendung brachte jedoch der König dadurch hervor, daß er an Stelle des Generals von Wagner den General von Suckow zum Kriegsminister und den Staatsrat von Scheuerlen zum Minister des Innern ernannte. In einem Manifest der Volkspartei gegen „diese Regierung der Energie" hieß es, diese Persönlichkeiten ließen gar keinen Zweifel, daß es sich um die militärische Verpreußung Württembergs handle.

Diesem Treiben der bayrisch-württembergischen Parteien gegenüber war es erwünscht, daß Graf Bray mit Varnbüler auf alle Weise sich zu verständigen suchte und deshalb auch in Stuttgart einen Aufenthalt nahm, den er Herrn von Mohl gegenüber als äußerst gelungen und erfreulich bezeichnen konnte. Von Stuttgart aus war über die Zusammenkunft der Minister zwar nichts Sicheres zu erfahren, doch war man allgemein der Überzeugung, daß die württembergisch - bayrischen Beziehungen sich wesentlich gebessert hätten. Auch die Kriegsminister von Prankh und Suckow traten in Nördlingen zusammen, wo eine Verständigung über die militärischen Angelegenheiten jedenfalls stattgefunden hat, die in dem beiderseitigen Entschlusse gipfelte, den Landtagen in den Militärbudgets keinerlei Konzessionen zu machen. Daraus mag wahrscheinlich das Gerücht entstanden sein, daß man die Allianzverträge auch gegen die inneren Feinde Preußens auszulegen beabsichtige. In den demokratischen Zeitungen war nichts unterlassen worden, um gegen die eingetretene größere Tätigkeit der beiden Kriegsminister aufzuheßen. Man darf wohl annehmen, daß beide hochverdienten Offiziere schon damals ihre Anordnungen und Vereinbarungen in dem Sinne getroffen haben, daß es früher oder später doch zu einer gemeinsamen Aktion mit dem Norddeutschen Bunde kommen müsse. Zunächst war freilich alles in Dunkel gehüllt und Suckow beklagte sich, daß ihn die Blätter als preußisch gesinnt darstellten. In Bayern wie in Württemberg war im Augenblicke nichts vorhanden, als die Überzeugung, daß diese Staaten berufen seien die Souveränität der kleinen Könige für alle Zeiten zu verewigen. Die inneren Verhältnisse der beiden Länder ließen aber die Minister, den Grafen Bray, so gut wie Herrn von Varnbüler zu keiner ruhigen Stunde kommen. Varnbüler hielt man wiederholt für regierungsmüde und seine Niederlagen in den Kammern gaben alle Augenblicke zu dem Gerüchte einer Ministerkrisis Anlaß; man sprach von Propst als künftigem Minister, einem Manne, von dem der Minister von Freydorf behauptete, es wäre mit

Lorenz, Wilhelm I.

15

ihm noch schwieriger zu verhandeln als mit Varnbüler. Graf Bray hielt sich schon im Mai für außer Stande Einfluß auf die Kammern zu gewinnen und bat den König, an seiner Stelle Herrn von der Pfordten oder den bayrischen Gesandten in Stuttgart von Gasser zu seinem Nachfolger zu ernennen. Man glaubte aber, der König werde nach Schluß des Landtages den Fürsten Hohenlohe wieder berufen. Zu alledem zog sich der König immer mehr und mehr zurück und Bray versicherte ganz offenherzig schon Ende April, daß er denselben niemals zu sehen bekomme. Auch in der inneren Verwaltung des Ministeriums brachte er keine rechte Verständigung mit seinen Untergebenen zu Wege. Baron Völderndorf klagte, daß der neue Minister niemanden von seinen Depeschen und Verhandlungen in Kenntnis sebe. Er habe bloß seinen Sohn zur Hand, mit dem er alles allein besorge. Unter den Diplomaten in München unterhielt man sich mit Heiterkeit und Vorliebe von den unzähligen Anekdoten, welche die Hofgesellschaft und die eigentümliche Lebens- und Verkehrsweise des Königs lieferten und die man in einem ernsthaften Geschichtswerk kaum nacherzählen mag.

In einzelnen auch im Süden Deutschlands bemerkbaren Erscheinungen trat die unentwegte vorsorgliche Tätigkeit des preußischen Kriegsministeriums wohltuend und tröstlich hervor. Wie wichtig war es, daß schon am 26. Juni eine Konvention über die Militärtransporte auf den Eisenbahnen zwischen den süddeutschen Staaten und dem Norddeutschen Bunde zu stande gekommen war. Und wie erfreulich, daß die badischen Truppen von preußischen Generalen noch eben auf den Wunsch des Großherzogs inspiziert werden sollten.

Die Zukunft Deutschlands lag nicht mehr in den Händen von Diplomaten und Ministern, sondern in der Kraft der Waffen und der Heere.

Diertes Kapitel.

Der Ausbruch des Krieges.

I.

Im April 1870 trat in Paris nach dem Abgang des Ministers Daru eine große Veränderung des Ministeriums ein. Zunächst hatte Ollivier die auswärtigen Geschäfte selbst übernommen, und am 15. Mai wurden dieselben zu nicht geringer Überraschung der gesamten deutschen Diplomatie dem Herzog von Gramont, Botschafter in Wien, übertragen. Graf Bray, welchem die Wiener Verhältnisse und Persönlichkeiten seit Jahren so genau bekannt waren, meinte etwas ironisch gegenüber Herrn von Mohl: „man werde in Berlin über die Ernennung von Gramont zum Minister des Äußeren sehr viel weniger erfreut sein, als in Wien."

Graf Bray hatte sich auf seinem Wiener Gesandtschaftsposten als ein sehr aufmerksamer Beobachter der Beziehungen zwischen Beust und Gramont bewährt und je weniger er an den Umtrieben der beiden sich so sehr verkannt haltenden Staatsmänner gegen Preußen Anteil haben mochte, desto klarer urteilte. er über die gefährliche Lage. Es war ihm auch nicht unbekannt, daß zwischen dem Erzherzog Albrecht und der französischen Gesandtschaft militärische Verabredungen stattgefunden hatten und von dem ersteren ein Feldzugsplan vorlag, der ja freilich zunächst nur als eine Studie zu einer möglichen Kooperation der fran

zösischen und der österreichischen Armee gedacht war, wie sie der unternehmungslustige Erzherzog, der sein Feldherrntalent nicht benüßt sah, mit Vorliebe zu machen pflegte, welcher aber doch deutlich zeigte, wessen man sich von Österreich zu versehen hätte, wenn Kaiser Franz Joseph nicht klüger gewesen wäre, als seine gesamte Umgebung.

Es ist von hervorragender Seite viel über die Frage in Frankreich geschrieben worden, durch wen die Idee der Ernennung Gramonts zum auswärtigen Minister dem Kaiser Napoleon empfohlen wurde, da es gewiß war, daß der Kaiser selbst von der Begabung und dem politischen Takt des Herzogs von Gramont nicht übermäßig viel hielt. So wenig man aber etwas Sicheres über die Beweggründe dieser verhängnisvollen Ernennung weiß, so gewiß ist, daß man an hervorragenden Stellen der europäischen Regierungen der neuen Stellung des Mannes, der für die Schicksale von Frankreich und Deutschland so entscheidend werden sollte, sofort eine große Bedeutung beilegte. Besonders in Berlin konnte man sich darüber nicht täuschen, da die Regierung seit Ende Februar in die Angelegenheiten der spanischen Thronkandidatur, wenn auch ohne jedes Zutun des Königs, so bestimmt hereingezogen wurde, daß das Auftreten eines polternden und ruhmdürftigen französischen Ministers nur allzuleicht bedenkliche diplomatische Wendungen hervorbringen konnte.

Durch ein Schreiben von wenigen Zeilen, welches König Wilhelm am 26. Februar an Bismarck richtete und das erst durch die neuesten Veröffentlichungen aus den Archiven des Kanzlers bekannt geworden ist, wird die vielbesprochene Frage der Thronkandidatur des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern in eine Beleuchtung gebracht, die bei dem gänzlichen Mangel aller entscheidenden Akten zum erstenmal einen Anhaltspunkt für die richtige Beurteilung dieser verwickelten Frage darbietet. Der König schreibt:

„Die Einlage fällt mir wie ein Bliß aus heiterer Luft auf den Leib! Wieder ein Hohenzollerischer Thronkandidat und zwar

« ZurückWeiter »