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Der Armeebefehl, durch welchen der König nach vollzogener Krönung zum riten Male als Deutscher Kaiser zu seinem treuen Heere sprach, lautet folgender

Ben:

„Mit dem heutigen für Mich und Mein Haus denkwürdigen Tage nehme Jch, im Einverständniß mit allen deutschen Fürsten und unter Zustimmung aller deutschen Völker, neben der von Mir durch Gottes Gnade ererbten Stellung des Königs von Preußen auch die eines Deutschen Kaisers an.

Eure Tapferkeit und Ausdauer in diesem Kriege, für welche Ich Euch wiederholt Meine vollste Anerkennung aussprach, hat das Werk der inneren Einigung Deutschlands beschleunigt, ein Erfolg, den Ihr mit Einseßung Eures Blutes und Eures Lebens erkämpft habt.

Seid stets eingedenk, daß der Sinn für Ehre, treue Kameradschaft, Tapferkeit und Gehorsam eine Armee groß und siegreich macht; erhaltet Euch diesen Sinn, dann wird das Vaterland immer wie heute mit Stolz auf Euch blicken und Ihr werdet immer sein starker Arm sein.

H. Q. Versailles, den 18. Januar 1871.

gez. Wilhelm."

Mit lautem Jubel wurde dieser Armeebefehl, der auf einen der bedeutendsten Bendepunkte in der Geschichte des deutschen Volkes hinweist, begrüßt.

Im Laufe des 18. war durch Meldungen festgestellt worden, daß Drancy 18. Januar 1871. stark vom Feinde besetzt sei.

Da es behufs Einrichtung von Batterien bei Le Bourget von wesentlichem Belang war, sich in den Besitz von Drancy, Groslay-Ferme und Bondy zu setzen, so sollten diese Ortschaften, die man nunmehr sämmtlich vom Feinde besezt wußte, in Bezug auf Stärke der dortigen Truppen und der daselbst angelegten Verjhanzungen rekognoszirt werden. Infolge dessen traf abends beim Regiment der Befehl ein, am folgenden Morgen eine Kompagnie zu einer derartigen Rekognoszirung gegen Drancy zu entsenden, während die Sachsen gegen Groslay-Ferme die etwa nöthige Hülfe leisten würden.

In der Nacht gelangte jedoch die Nachricht an das Regiment, daß die Sachsen (23. Division) ihre Mitwirkung gegen Groslay-Ferme abgelehnt hätten.

Es wurde deshalb auch die Erkundigung gegen Groslay-Ferme und somit die 19. Januar 1871. gejammte Rekognoszirung dem Regiment übertragen. Letteres bestimmte zur Ausführung des Auftrages die 10., 11. und 12. Kompagnie unter Leitung des Hauptmanns Frhrn. v. Coels. Ein Detachement Pioniere war beigegeben. Heftiges Geschützfeuer, welches ununterbrochen seit fast 48 Stunden bis zum 19. Januar 62 Uhr früh andauerte, bereitete die Bewegung vor; alsdann ging vom Bahndamm aus die 10. Kompagnie gegen Drancy, die 12. gegen Groslay-Ferme vor, während die 11. Kompagnie, zur Aufnahme beider, am Bahndamm halten blieb.

Die 10. Kompagnie näherte sich in raschem Anlauf Drancy bis auf 200 Schritt und stieß hier auf mehrfach hintereinander liegende, vom Feinde stark besezte Schüßengräben. Da ein weiteres Vordringen nicht möglich war, so entspann sich ein hinhaltendes Feuergefecht. Nach etwa 20 Minuten zog sich die Kompagnie

20. Januar 1871.

21. Januar 1871.

24. Januar 1871.

zugweise zurück. Unterdessen war es so hell geworden, daß beim Rückzuge acht Mann verwundet wurden, von denen drei zurückgelassen werden mußten. Von Le Bourget aus waren während dieses Gefechts auch zwei Züge des Regiments Alexander gegen Drancy, jedoch gleichfalls ohne wesentlichen Erfolg, vorgegangen.

Die 12. Kompagnie (Premierlieutenant v. Scholten) mußte, um nach GroslayFerme zu gelangen, einen sehr weiten Weg zurücklegen und fand dort bereits zwei sächsische Kompagnien vor, welche die aus 3 Offizieren, 150 Mann bestehende französische Besagung gefangen genommen hatten und nach Aulnay abführten. Diese sächsischen Truppen waren ohne Benachrichtigung der Vorposten des Gardekorps gegen Groslay-Ferme vorgegangen und hatten infolge des kürzeren Weges schneller wie die Füsiliere den Ort erreicht. Groslav-Ferme wurde zwar beim Anrücken stärkerer feindlicher Truppen aufgegeben und den Franzosen wieder überlassen, in der Nacht jedoch vom Feinde geräumt und von den Sachsen abermals besetzt. An diesem Tage fand auch der letzte große Ausfall der Franzosen vom Mont Valérien aus statt, der vom V. Korps glänzend abgewiesen wurde. Damit war die lezte Hoffnung der Belagerten gescheitert, und die Kapitulation stand in Kürze zu erhoffen.

Gegen 1 Uhr mittags eröffneten am 20. die Franzosen wiederum ein heftiges Feuer aus den Laufgräben vor Le Bourget, sowie aus ihren Geschützen, wobei ein Mann der 3. Kompagnie durch einen Granatsplitter, ein Unteroffizier der 10. Kompagnie durch eine Gewehrkugel verwundet wurden.

Folgenden Tags, am 21., traf vom Erjay-Bataillon ein von den wiederhergestellten Lieutenants Cleve und Frhrn. v. Thielmann geführter Transport von 8 Unteroffizieren, 748 Mann beim Regiment ein und wurde hinter dem rothen Schloß in Villepinte sofort vertheilt. Ein solcher Zuwachs war eine recht bedeutende und nöthige Hülfe für den Arbeitsdienst der Kompagnien, da dieser infolge Erbauung neuer Batterien großen Umfang angenommen hatte und bei der früheren geringen Kopfstärke nur unvollkommen zu bewältigen gewesen war.

Nahe Le Bourget, östlich und westlich der Route de Ville, wurden in diesen Tagen die Emplacements für 2 schwere Batterien, Nr. 21 und 33, erbaut. Leßtere eröffneten am 24. ihr Feuer gegen Fort d'Aubervilliers.

Zum Schuße der Artillerie erhielt auch die Infanteriebesagung von Le Bourget Verstärkung. Der Ort wurde von Neuem in drei Vertheidigungsabschnitte eingetheilt, welche mit gedeckten Räumen versehen waren, um nicht nur Replis, sondern auch die Feldwachen gegen das fast ununterbrochene Granatfeuer des Feindes zu sichern. Neben den Batteriebauten befanden sich Deckungsgräben für Infanterie.

Bon Seiten der Division wurde vom 23. ab zur einheitlichen Leitung der im Dorf und in den Trancheen stehenden Truppen täglich ein Regimentskommandeur bestimmt.

Am 24. übernahm Major v. Rosenberg diese Führung. Die Dauer des Kommandos wurde vom 26. ab auf 48 Stunden ausgedehnt.

Fortan gliederte sich die Besatzung des Dorfes folgendermaßen:

a) Eigentliche Dorfbesayung: 1 Bataillon (abwechselnd von der 3. und
4. Garde-Infanterie-Brigade gestellt) und 1 Schüßen-Kompagnie.

b) Trancheenbesaßung des rechten Flügels: 2 Kompagnien der 3. Garde-
Infanterie-Brigade, Vorposten des Nachts über den Molette-Bach hinaus
vorgeschoben.

c) Trancheenbesatzung des linken Flügels: 3 Kompagnien der 4. GardeInfanterie-Brigade.

In Pont-Zblon stand nur 1 Kompagnie.

Die äußeren Flügel der Infanteriestellung waren durch Feldgeschütze der Divisions- und Korpsartillerie, deren Mannschaften sich gegenseitig ablösten, verstärkt. Die Zahl der Geschüße wurde am 27. auf Befehl des Oberkommandos auf 18 erhöht.

In der Nacht vom 24. zum 25. eröffneten die Franzosen abermals ein anhaltendes Infanteriefeuer aus ihren vor Le Bourget befindlichen Laufgräben, durch das jedoch nur ein Grenadier der 3. Kompagnie am linken Unterarm verwundet wurde. Im Uebrigen erfolgte die Ablösung der Infanteriewachen und der Stellungswechsel der Bataillone ohne jeden Verlust, während bei der Artillerie an diesem Tage ein Mann getödtet und vier leicht verwundet wurden.

Behufs Vereinfachung des Dienstes erging Befehl, daß künftig die 3. GardeInfanterie-Brigade allein die Besatzung von Le Bourget (ein Bataillon), die 4. GardeInfanterie-Brigade hingegen die Besetzungsmannschaften für beide Trancheen zu geben und außerdem, wie gewöhnlich, eine Schüßen-Kompagnie das Südende des Dorfes zu besetzen habe.

Pont Jblon wurde, um von dort aus die Vertheidiger von Le Bourget unterstüßen zu können, wieder mit einem Bataillon belegt.

Endlich am 27. früh, während das I. und II. Bataillon in Villepinte, das 27. Januar 1871 Füsilier-Bataillon in Le Blanc Mesnil standen, kam die Nachricht, daß infolge eines eingegangenen Befehls die Thätigkeit der Belagerungsartillerie um 12 Uhr mitternachts eingestellt worden war. Man erblickte darin mit Recht den ersten Verboten des Friedens.

Demnach mußten Verhandlungen zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes im Gange sein. Französische Soldaten, die ohne Waffen an die deutschen Vorposten in Le Bourget herankamen, behaupteten, es wäre ein solcher bereits abgeschlossen.

Trotzdem rückte das II. Bataillon am 28. abends nach Le Bourget, um die Infanteriestellungen zu beiden Seiten der dortigen Batterien, 21, 24, 33 und einer 6pfündigen Feld-Batterie, zu sichern. Die Wachsamkeit bei den äußersten Vorposten wurde sogar verschärft, weil man dem Feinde nicht unbedingt traute und auf eine Ueberraschung gefaßt war.

Die 8. Kompagnie besetzte vorwärts der Trancheen den rechts des Dorfes liegenden Kirchhof und schob zwei Feldwachen in der Richtung nach La Courneuve vor. Die 6. Kompagnie stand in den Trancheen selbst auf dem rechten Flügel der Batterie 33 und deckte mit 11⁄2 Zug die 6pfündige Batterie. Von der Geschichte des Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4.

15

29. Januar 1871.

7. Kompagnie befand sich ein Zug in den sogenannten Kürbishäusern, zwei Züge in den Trancheen bei Batterie Nr. 21. Die 5. Kompagnie schloß sich weiter links in den Trancheen an.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Morgen des 29. Januar die Nachricht von der Kapitulation von Paris. Unbeschreiblich war die Freude, die jeden Einzelnen ergriff, daß endlich nach schwerem, blutigem Streit die Früchte des Sieges winkten. Ueberall herrschte lauter Jubel, und in patriotischer Begeisterung ertönte brausend „Die Wacht am Rhein" aus dem Munde der tapferen Vaterlandsvertheidiger. Freudig bewegtes Leben zog jegt in Le Bourget ein, wo bisher nur ernste Kampfesstimmung geherrscht hatte.

7. Kapitel.

Vom Waffenstillstand bis zum Frieden.

Die Hauptbedingungen des 21 tägigen Waffenstillstandes waren für Frankreich die sofortige Uebergabe sämmtlicher Forts von Paris, Abrüstung der Hauptumwallung, Kriegsgefangenschaft der zur Besatzung von Paris gehörigen Linientruppen, Mobilgarden und Marinesoldaten (mit Ausnahme von 12 000 Mann, welche zur Aufrechthaltung der Ordnung im Dienste belassen wurden), ferner die Auslieferung der Waffen und Geschüße und Zahlung einer Kriegssteuer von 200 Millionen Francs seitens der Stadt Paris. Deutscherseits behielt man sich die Fortdauer der Blockade vor, gestattete jedoch die Wiederversorgung der Hauptstadt mit Lebensmitteln.

Ueber die Frage der weiteren Fortsetzung des Krieges bezw. der Friedensbedingungen sollte französischerseits eine unverzüglich zusammenzuberufende Nationalversammlung entscheiden.

Am 29. Januar wurde 9 Uhr vormittags die Division in Le Bourget versammelt. Während dieser Zeit hatte das II. Bataillon durch Patrouillen Scharen, nach Gemüse suchender, unbewaffneter, französischer Soldaten zurückzutreiben, welche im Vertrauen auf den Waffenstillstand immer näher kamen und sich kaum noch gütlich abweisen ließen. Die Division überschritt nun den so viel umstrittenen Dorfrand von Le Bourget, rückte gegen Fort d'Aubervilliers vor und nahm die Vorpostenaufstellung der neuen Einschließungslinie entsprechend ein. Lettere reichte für die Division von der Route de Lille bis zum Ourcq-Kanal. Rechts schlossen sich die 1. Garde-Infanterie-Division, links die Sachsen an. Der rechte Flügel der Vorposten stand etwa 600 Schritt vorwärts Aubervilliers, der linke ungefähr an dem Schnittpunkt des Ourcq-Kanals und der Route des petits Bondy. Der Weg vom Dorf Aubervilliers nach Pantin lag noch jenseits der Vorpostenlinie. Die Vorposten der Division wurden sämmtlich von der 3. Garde-Infanterie-Brigade gestellt, während die 4. Garde-Znfanterie-Brigade mit 2 Bataillonen Bobigny, mit 1 Bataillon Drancy besetzen sollte. Da aber beide letztgenannten Dörfer durch Granatfeuer und Vertheidigungseinrichtungen fast unbewohnbar geworden waren, kam nach Drancy nur die 8., später auch die 1. Kompagnie des Regiments, nach

Bobigny nur eine Kompagnie Kaiser Franz. Die bisherigen Vorposten vor Le Blanc Mesnil gingen ein. Das Füsilier-Bataillon stellte 1 Offizier, 30 Mann Wache nach Pont Jblon. Mit Ausnahme der vorerwähnten 8. Kompagnie kehrte das Regiment in seine früheren Quartiere zurück. Jezt erst konnte man die Stärke und Ausdehnung der französischen Schanzarbeiten übersehen. Drancy und das ganze Gelände zwischen Le Bourget, Fort d'Aubervilliers, Bobigny und darüber hinaus fand man stark befestigt. Drancy selbst war durch drei Batterien, von denen besonders die östlich gelegene sich durch bedeutende Stärke auszeichnete, und eine Menge tiefer, lang ausgedehnter Schüßengräben, sowie durch feste Barrikaden gesichert. In derselben Weise hatten die Franzosen das übrige Gelände mit langen zusammenhängenden Linien tiefer schmaler Schüßengräben durchzogen, die an verschiedenen Punkten durch Batterien und kleine Schanzen verstärkt waren.

Eine Offensivbewegung mit größeren Truppenabtheilungen erschien in diesem Gelände unmöglich. Für Reiter waren nur die Straßen passirbar.

Vom 31. ab änderte sich der bisherige Dienstbetrieb. Die Kompagnien schossen und exerzirten, setzten Anzug und Waffen in Stand, auch wurden sie nach den Forts geführt, deren Inneres man den Mannschaften zeigte.

Zur Ergänzung der Kopfstärke des Regiments trafen am 6. Februar 1 Unteroffizier und 62, vom Garde-Füsilier-Regiment ausgebildete, Rekruten ein.

Die neue Vorposten- bezw. Vertheidigungslinie erhielt jezt auch fortifikatorische Verstärkung.

Das Regiment stellte am 7. Februar 600 Mann von Villepinte aus nach 7. Februar 1871. Aubervilliers und Pantin, um dort Befestigungsarbeiten auszuführen.

Da am 9. Februar das V. Korps nach der Loire, am 10. das IV. Korps 9. Februar 1871. nach Chartres entsandt werden sollte, so trat am 8. eine Aenderung in der Unterbringung der Truppen ein. Das I. und II. Bataillon bezog Aubervilliers, das Füsilier-Bataillon Garges als Quartier. Letzteres verblieb dort jedoch nur für einen Tag, da es sich schon am 9. wiederum mit den anderen Bataillonen vereinigte.

An Stelle der Ruhe trat jest abermals eine Art von Vorpostendienst. Dieser wurde durch drei Kompagnien versehen, welche mit dem rechten Flügel an dem Wege St. Ouen-Aubervilliers und mit zahlreichen Posten am Dorfrande von Aubervilliers entlang bis zur Route de Lille standen. Nur auf letterer Straße durfte die Pariser Bevölkerung, welche zu Tausenden aus und nach der Hauptstadt strömte, gegen Erlaubnißscheine passiren. Wegen des ungeheuren Andrangs wurde es bald nöthig, die Durchlaßstellen mittelst Faßbarrikaden zu begrenzen.

Die neuen Quartiere waren wohnlicher als die bisherigen; auch die Verpflegung besserte sich, da die bereits zahlreich zurückgekehrten Einwohner ihre Läden wieder öffneten. Für Offiziere und Mannschaften, deren fast einzige Fleischnahrung während der ganzen Dauer der Belagerung bisher nur aus Hammelfleisch bestanden hatte, war dies eine große Wohlthat.

Während der Dauer des Waffenstillstandes erhielten die Offiziere statt der Naturalverpflegung 15 Francs Tagegelder.

Der leichtere Dienst gewährte ferner die Annehmlichkeit, Ausflüge zu machen. und die Umgebung kennen zu lernen.

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