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3. Kapitel.

Ortsunterkunft vom 11. bis 28. Oktober in Le Blanc Mesnil, Bonneuil,

Pout Iblou.

Da das Gardekorps die gegen St. Denis vorzunehmenden Belagerungs- 11. Oftober 1870. arbeiten decken sollte, so wurde seine Stellung am 11. Oktober von Osten nach Westen verschoben.

Die 3. Garde-Infanterie-Brigade erhielt die Ortschaften Arnouville, Garges und Gonesse mit einem vorgeschobenen Posten in Stains, die 4. Garde-InfanterieBrigade Bonneuil, Le Blanc Mesnil, Pont Jblon, Dugny und als vorgeschobenen Posten Le Bourget zugewiesen.

Der linke Flügel der Division, die 4. Garde-Infanterie-Brigade (Stabsquartier Bonneuil) nahm hierauf folgende Ortschaften ein:

Bonneuil: 2 Bataillone Franz, 1 Bataillon Königin (II.); Dugny: 1 Bataillon Franz, 1 Kompagnie Garde-Schüßen, 1 Zug Ulanen; Le Blanc Mesnil: 1 Bataillon Königin (I. blieb liegen), 1 Zug Ulanen; Barackenlager Pont Jblon: 1 Bataillon Königin (Füsiliere). Vom Füsilier-Bataillon Regiments Königin wurden 1 Kompagnie nach Le Bourget und 2 Züge einer anderen als Lagerwache vorwärts Pont Jblon entsendet. Lettgenannter Wache fiel die Sicherung des Chauffecüberganges über den Morée Bach und die Gestellung eines etwa 600 Schritt auf der Route de Lille vorgeschobenen Unteroffizierpostens zu. Zur Sicherstellung rascher gegenseitiger Benachrichtigung der einzelnen Abtheilungen dienten Fanale.

Am Nachmittage des 11. näherte sich ein vom Montmartre aufsteigender Ballon der Cernirungslinie. Das Luftschiff sank, nachdem es von Drancy aus von einem Detachement der Garde-Schüßen beschossen worden war, allmählich zur Erde und berührte dieselbe zwischen Le Blanc Mesnil und Le Bourget. Der dort auf Feldwache befindliche Premierlieutenant v. Arnim machte sofort Jagd auf diese Beute, aber noch ehe man dem Ballon nahe kommen konnte, stieg derselbe plötzlich wieder in die Höhe und entflog trotz der nachgesandten Schüsse nach Südosten.

Dieser Vorfall ist insofern bemerkenswerth, weil am 11. Oktober auch Gambetta mittelst Luftballon Paris verließ. Nach späteren französischen Berichten soll er ähnliche Gefahren, wie die Insassen des oben erwähnten Ballons bestanden haben, und es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß ihn das vom Premierlieutenant v. Arnim verfolgte Luftschiff trug.

Im Sicherungsdienst trat nach wenigen Tagen ein regelmäßiger Wechsel ein, indem jedes Bataillon eine Woche lang auf Vorposten, eine zweite in Replistellung und die dritte als Reserve, theils in Bonneuil, theils in Villepinte, zubrachte. Mannigfache Vorkommnisse bedingten jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Im Uebrigen ging es ziemlich friedlich zu, und wenn auch bisweilen französische Abtheilungen bis auf 500 Schritte an unsere Vorposten herankamen, so zeigte es sich doch stets sehr bald, daß sie auf diese Weise nur Kartoffel- und Kohlernte betrieben. Das Regiment traf ähnliche Maßregeln, ließ in der Nähe der Ortschaften Kartoffeln graben, fuhr für den kommenden Winter Holz an, sorgte für Futter der Pferde und richtete sich nach Möglichkeit häuslich ein.

12. Oktober 1870.

Eine große Freude gewährte die Ankunft des Johanniterritters v. Usedom, welcher einen Liebesgaben-Transport dieses Ordens überbrachte und persönlich erschien, um sich im Allerhöchsten Auftrage Jhrer Majestät nach dem Ergehen des Regiments zu erkundigen. Einige Tage später trafen die von dem hohen Chef geschenkten, sehr willkommenen Bekleidungsstücke ein.

Die Witterung war bisher günstig, vom 12. ab trat jedoch Regenwetter ein, welches bis zum Ende des Monats anhielt und den ohnehin mühsamen Dienst noch mehr erschwerte.

Laut A. K. O. vom 12. Oktober wurden der Premierlieutenant Frhr. v. Hodenberg zum Hauptmann und Kompagniechef, der Sekondlieutenant v. Barton. gen. v. Stedman II. zum Premierlieutenant, Feldwebel Krückmann zum Sekondlieutenant befördert.

Auf dem Bahnhofe von Le Bourget hatten die Franzosen bei der schleunigen Räumung des Dorfes 50 Eisenbahnwagen stehen lassen. Da diese für die Herbeischaffung des Belagerungsmaterials besonders werthvoll waren, so beschloß das Oberkommando der Maas-Armee ihre Zurückführung. Mit der Ausführung dieses Auftrages wurde das Regiment und von diesem der Regimentsadjutant Premierlieutenant v. Stedman II. betraut, welcher, des eingetretenen Offiziermangels wegen, an diesem Tage die 10. Kompagnie in Le Bourget führte. Er erhielt zu diesem Zweck noch 40 Füsiliere anderer Kompagnien und einen Eisenbahnbeamten zur Unterstützung.

Da die Besißergreifung sich angesichts der französischen Vorposten abspielen mußte, so war Vorsicht geboten. Um 10 Uhr abends ging zum Schuße der Arbeit eine Schützenlinie behutsam vor. Die eingerosteten Achsen und Kuppelungen der auf verschiedenen Geleisen stehenden Waggons wurden mit allen möglichen, aus einer Pomadenfabrik entnommenen Pomaden und Fetten geschmiert, die Wagen auseinandergekuppelt, mit der Drehscheibe auf das richtige Geleise gebracht, einzeln in der Richtung auf Aulnay ungefähr 1/2 Meile fortgeschoben und dort den Sachsen zur Weiterbeförderung übergeben. Das Unternehmen glückte vollkommen und war um 3 Uhr morgens beendet, obgleich bei dem nicht gänzlich zu vermeidenden Geräusch die Bahnlinie öfters von französischer Seite mit elektrischem Licht beleuchtet wurde und auch einige feindliche Patrouillen vor der vorgeschobenen Abtheilung herumschlichen. Hauptmann v. Trotha, der Führer des in dem Barackenlager zu Pont Jblon liegenden Füsilier-Bataillons, hatte ohne höheren Befehl, von echt kameradschaftlichem Sinne getrieben, mit zwei Kompagnien für die Nacht eine Bereitschaftsstellung in der Nähe des Nordausganges von Le Bourget genommen, um die bei der Arbeit beschäftigten Mannschaften gegen Ueberraschungen zu sichern. An demselben Tage wurde folgender Armeebefehl bekannt gegeben:

,,Da viele auf Ehrenwort entlassene französische Offiziere öffentlich die Absicht erklärt haben, in den im südlichen Frankreich zu organisirenden Streitkräften oder im Süden Frankreichs oder nach Algier zur Ablösung dortiger Offiziere gehen zu wollen, so kann bei etwa künftigen Kapitulationen, bei denen sonst die Bedingungen von Sedan Anwendung fänden, französischen Offizieren eine solche Vergünstigung nicht wieder zu Theil werden. Auch ist bei event.

Gefangennahme solcher wortbrüchiger Offiziere gegen dieselben nach der vollen
Strenge der Kriegsgesehe zu verfahren.“

Auf Allerhöchsten Befehl mußten von jezt an die Beitreibungen in allen von er Armee besetzten sowie in den letzteren benachbarten Orten unterbleiben, um tadurch das Vertrauen der Bevölkerung und den Verkehr zu heben. Nur da, wo die Einwohner ihren Wohnsig verlassen hatten, durften die Vorräthe mit Beschlag belegt und verbraucht werden. Im Uebrigen fand von jetzt ab eine geregelte Vervflegung durch Lieferung seitens der Intendantur statt.

Premierlieutenant v. Saldern erkrankte am 15., und Sekondlieutenant Cro- 15. Oktober 1870. togino übernahm für ihn die Führung der 6. Kompagnie. Die Typhuserkrankungen mehrten sich jetzt täglich, und wenn auch sämmtliche Fälle nach Aussage der Aerzte nicht bedenklich erschienen, so war die Zahl der Kranken doch bedeutend. Allein fieben Offiziere lagen darnieder.

Sehr wohlthuend wurde in dieser Zeit das Eintreffen verschiedener Liebesgaben empfunden; so langte am 16. aus Bremen eine reichliche Cigarrensendung an, von der jeder Offizier und Unteroffizier 100, jeder Gemeine 30 Stück erhielt. Vom Ersag-Bataillon traf Lieutenant der Reserve Le Viseur mit 5 Unteroffizieren, 47 Mann beim Regiment wieder ein. Er selbst trat zur 7. Kompagnie, tie Mannschaften wurden den Kompagnien je nach Bedarf überwiesen.

Am 18. hatte das Regiment die große Freude, seinen tapferen Kommandeur, 18. Oktober 1870. Oberst Gr. v. Waldersee, von der Verwundung geheilt zurückkehren und mit voller Frische von Neuem an seine Spitze treten zu sehen. Infolgedessen übernahm Major v. Behr wiederum die Führung seines II. Bataillons.

Das I. Bataillon quartierte an diesem Tage nach Pont Jblon, das II. Bataillon sowie der Regimentsstab nach Bonneuil, das Füsilier-Bataillon nach Le Blanc Mesnil.

Von der Korpsintendantur wurden 138 Ellen Wollenstoff für das in Pont Jblon untergebrachte Bataillon ausgegeben, um daraus Lagerdecken zu fertigen, da bis dahin die Mannschaften nur mit Stroh versehen waren. Die in Pont Jblon bergerichteten, lang gestreckten Mannschaftsbaracken enthielten in der Mittellinie Ceppelte Reihen Gewehrstützen. Zu beiden Seiten der lezteren führte ein mannsbreiter Gang entlang, an dessen äußerer Seite Holzpritschen, mit dem Kopfbrett nach den Seitenwänden gerichtet, standen. Auf den senkrechten, etwa 4 Fuß hohen Seitenwänden erhob sich ein spigwinkliges, mit Wachstuch überzogenes Bohlendach. Die Länge jeder Baracke war so bemessen, daß eine ganze Kompagnie in einer jolchen untergebracht werden konnte. An den Kopfenden der Baracke befanden sich jenkrechte Giebelwände mit Thüren, ebenso war eine Thür in der halben Länge der Seitenwand angebracht. Um dem Licht Zutritt zu verschaffen, wurden aus weiter rüdwärts liegenden Ortschaften beschaffte Fensterflügel eingesetzt. Jede Baracke umzog ein Spizgraben, dessen Erde gegen die Seitenwände angeworfen war. Außer den Hauptgebäuden enthielt das Lager noch 4 Buden für die Offiziere, 3 Kochschuppen und einen Stall.

Späterhin wurde das Lager mit Hülfe eiserner Oefen und sonstigen Hausgeräths ganz wohnlich eingerichtet.

19. ftober 1870.

22. Oktober 1870.

24. Oktober 1870.

Solange Mangel an Holz und Stroh herrschte, mußten sämmtliche verfügbaren Wagen und Pferde zur Herbeischaffung von Vorräthen dieser Art verwendet werden. Hierbei erwiesen sich die erbeuteten französischen Kompagniekarren als sehr praktisch.

Für das Wohlbefinden der Truppen war es sehr wichtig, daß die Postverwaltung, wie am 19. durch Korpsbefehl bekannt gegeben wurde, sich bereit erklärte, bis auf Weiteres Packete von 4 bis 5 Pfund an die vor Paris liegenden Truppen bis Dammartin zu befördern. Auf diese Weise gelangten große Mengen der bisher immer noch entbehrten warmen Bekleidungsstücke, sowie Eßwaaren in Besitz der Leute.

Am Nachmittage des 19. fand ein Vorpostengeplänkel in der Nähe von Le Bourget statt, bei welchem ein auf Posten stehender Grenadier der 4. Kompagnie drei Franzosen verwundete. Später erschien ein Parlamentär-Offizier aus St. Denis, um einen französischen Arzt, der vor einigen Tagen festgehalten worden war, zurückzufordern. Wahrscheinlich war es hierbei nur auf eine Rekognoszirung unserer Stellung abgesehen.

Wegen Umsichgreifens der Rinderpest wurde alles beim Korps vorhandene Vieh untersucht, gesund befundenes geschlachtet und gepökelt, krankheitverdächtiges getötet und vergraben. An Stelle des Rindfleisches gelangte fortan nur noch Hammelfleisch zur Ausgabe.

Unterdessen gewannen die täglichen Geplänkel einen immer größeren Umfang. Hinter den vorgeschobenen französischen Schüßenlinien folgten, wie schon vorher erwähnt, Arbeiter oft mit Weib und Kind, um die Kartoffelernte zu betreiben. die näher an Paris gelegenen Felder keine Ausbeute mehr gaben, so trieb der Hunger die Waghalsigen immer mehr und mehr in die Nähe unserer Posten. Hieraus ergaben sich kleine Zusammenstöße, die jedoch manchmal solche Ausdehnung annahmen, daß die Sachsen sogar am 22. vorwärts Aulnay eine Batterie ins Feuer führten. Im Allgemeinen suchte man deutscherseits mit möglichster Schonung zu verfahren. Aus Gründen der Menschlichkeit sollte nicht auf Alles, was in den Bereich der Posten kam, geschossen werden, doch mußte man allzu vorwißigem Herandrängen, schon zum Schuße gegen Ueberrumpelungen, entgegentreten. Mitunter erging auch höheren Orts Befehl, Gefangene zu machen, um- von diesen Nachrichten über die inneren Zustände von Paris und ganz besonders über die Vertheilung der französischen Streitkräfte zu erlangen.

Am 22. wurde der am Bahndamm vorgeschobene Unteroffizierposten bei Le Bourget von etwa 40 Franzosen angegriffen. Dieses Unternehmen kostete dem Feinde einen Todten und vier Verwundete, während deutscherseits kein Verlust zu verzeichnen war.

Kleinere Störungen kamen beinahe täglich vor. So verwundete ein Posten der 3. Kompagnie am 24. vor Le Bourget einen Nationalgardisten, welcher dicht vor der Postenlinie Kartoffeln suchte und sich trotz mehrfachen Zurufens nicht entfernen wollte. Aehnlich verfuhr ein Grenadier der 4. Kompagnie, der vor Le Blanc Mesnil einen Nationalgardisten erschoß, nachdem er ihn durch Zurufe nicht hatte bewegen können, zurückzugehen.

Bis zum 25. herrschte stürmisches, naßkaltes Wetter, so daß die Mannschaften. bei dem ohnehin anstrengenden Vorposten, sowie Arbeitsdienst außerordentlich litten. Den täglich von Bonneuil aus nach Dugny zur Herrichtung eines Knüppeltommes zu gestellenden 200 Mann war es nicht möglich, in der dienstfreien Zeit hre Kleider zu trocknen.

Am 25. wurden wiederum die Rollen im Vorpostendienst gewechselt, indem 25. Ottober 1870. das I. Bataillon nach Le Blanc Mesnil, das II. Bataillon ins Barackenlager Pont Jblon, das Füsilier-Bataillon nach Bonneuil übersiedelten. Eine solche Veränderung mußte stets vor Tagesanbruch ausgeführt werden, weil bei späterer Stunde der Feind jede Truppe beschoß, die sich auf 8000 Schritt vor seinen Werken bewegte. Da bei diesen Quartierwechseln die kleinen Möbel, welche in den verlassenen Ortschaften gesammelt waren, mitgeführt wurden, und Matragen, Schemel sowie Küchengeräthe aller Art die Truppe begleiteten, bot der Umzug stets einen recht drolligen Anblick.

Ein 6 Mann starker Posten des 1. Bataillons am Bahndamm von Le Blanc 26. Ottober 1870. Mesnil wurde am 26. durch einen 20 Mann starken Trupp angegriffen. Die braven Grenadiere trieben jedoch den Feind bald zurück.

Die Unternehmungslust der Pariser Truppen mehrte sich in letter Zeit zusehends. Drancy, das bis dahin zwischen den beiderseitigen Vorposten lag, war ren den Franzosen besetzt worden. Sie hielten dort Schieß- und Exerzirübungen ab und verfolgten anscheinend den Zweck, die deutschen Vorposten dauernd in Unruhe zu versetzen.

Am Abend des 27. traf die Nachricht von der Kapitulation von Mez ein, 27. Oktober 1870. welche mit ganz besonders großem Jubel aufgenommen wurde, da man glaubte, daß dies Ereigniß auch die baldige Uebergabe von Paris zur Folge haben werde. Leider sollte sich diese Hoffnung nicht verwirklichen und die nächste Zeit wieder chwerere und blutige, aber auch um so glorreichere Kämpfe bringen.

4. Kapitel.

Räumung von Le Bourget am 28. Oktober und Erstürmung dieses Dorfes am 30. Oktober.

Den Brennpunkt für die Gefechte der folgenden Tage bildet das Dorf Le Bourget, dessen Lage und damalige Gestaltung daher in Folgendem kurz ge= schildert sei.

In einer Längenausdehnung von über 2000 Schritt und einer Breite von etwa 500 Schritt lag Le Bourget zu beiden Seiten der großen von Pont Jblon nach Paris führenden Heerstraße, der Route de Lille. Besonders schmal erschien der Nord- und Südausgang. Das Dorf war in sich nicht geschlossen, zerfiel vielmehr in drei räumlich gesonderte Theile. Vom nördlichen Eingang bis zum Molette-Bach lagen zu jener Zeit die Bauernhäuser, deren Höfe und Gärten in sich durch Stein- und Ziegelmauern abgeschlossen waren. Auch der Dorfrand dieses Theiles war von einer festen Mauer umgeben. Hieran schloß sich ein etwa vom

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