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10. August 1870.

Laubzelte wurden zum Schutze gegen die Witterung gebaut, so daß in der folgenden
Nacht besser als in der vorhergehenden geruht werden konnte.

Im Laufe des Tages erging folgender Armeebefehl:

„Der Feind soll in beträchtlicher Stärke bei St. Avold stehen. Das Gardekorps bleibt vorläufig stehen, hält sich jedoch bereit, weiter vorrücken zu können.“ Da der Feind inzwischen St. Avold geräumt hatte, wurde am 10. der Vormarsch wieder angetreten und um 12 Uhr mittags bei Saaralbe auf einer Wiese Biwak bezogen. Gegen Abend und in der Nacht fiel wiederum ein schwerer Platzregen, und es erhob sich ein orkanartiger Sturm, der die bereits aufgebauten Hütten wieder zerstörte, Gewehrpyramiden umwarf, Helme, Müßen und Brotbeutel fortfegte. Die Lagerstätten wurden so zugerichtet, daß die Mannschaften zum Ver11. August 1870. lassen derselben gezwungen waren. Bei Tagesanbruch erschien im Lager der Divisionskommandeur und gab den Befehl: „Graf v. Waldersee, rücken Sie in das nächste Dorf und bringen Sie die Leute unter Dach und Fach, selbst wenn der Feind am anderen Ende des Dorfes liegen sollte." Infolgedessen wurden Nothquartiere in und um Salzbronn bezogen, in denen sich Gelegenheit bot, die durchnäßten Kleider zu trocknen und die Mannschaften marschfähig zu machen. Bald mußte jedoch aus den Quartieren wieder aufgebrochen werden, und nach beschwerlichem Marsche bezog das Regiment die ersten Quartiere auf französischem Boden in Gueblange und Ueberkingen. Hier gelangte nachstehender Armeebefehl zur Kenntniß der Truppen:

12. August 1870.

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Die Verfolgung des nach blutigen Kämpfen zurückgedrängten Feindes hat bereits einen großen Theil unserer Armee über die Grenze geführt. Mehrere Korps werden heute oder morgen den französischen Boden betreten. Ich erwarte, daß die Mannszucht, durch welche Ihr Euch bisher ausgezeichnet habt, sich auch besonders auf seindlichem Gebiet bewähren werde.

Wir führen keinen Krieg gegen die friedlichen Bewohner des Landes; es ist vielmehr die Pflicht jedes ehrliebenden Soldaten, das Privateigenthum zu schützen und nicht zu dulden, daß der gute Ruf unseres Heeres auch nur durch einzelne Beispiele von Zuchtlosigkeit angetastet werde.

Ich baue auf den guten Geist, der die Armee beseelt, zugleich aber auch auf die Strenge und Umsicht aller Führer.

H. D. Homburg, den 8. August 1870.

gez. Wilhelm."

Die Grenadier-Bataillone erreichten am nächsten Tage, den 12. August, Racrange und bezogen dort Quartiere, während die Füsiliere bei Morhange (jezt Mörchingen) biwakirten. Die dortigen Landeseinwohner verstanden bereits fein Deutsch mehr, sondern sprachen nur Französisch. Mit verbissenem Ingrimm umstanden die Bauern einen alten mit Medaillen geschmückten Invaliden, welcher, auf einer großen Trommel wirbelnd, in den Dorfstraßen die deutschen Requisitionen fund that.

Der Vormarsch gegen die Mosel-Linie wurde am 13. August um 52 Uhr 13. August 1870. morgens über Destrich – Marthille-Oron-Fare fortgesetzt und Biwak bei Laneuveville, nordwestlich Chateau-Salins, bezogen.

Mit diesem Tage waren nach den Schlachten von Weißenburg, Wörth und Spicheren die deutschen Vorposten aller Armeen bis dicht an die Mosel vorgeschoben. Dem Marschall Bazaine blieb jezt nur noch die Wahl, entweder, gestützt auf die Mosel und die Festung Metz, eine Schlacht anzunehmen, oder über Verdun nach Châlons abzumarichiren, um dort die Vereinigung mit der Armee Mac Mahons zu bewerkstelligen. Da er durch die in der Ausführung begriffene Rechtsschwenkung der Zweiten Armee schon bedroht war, so entschied er sich für das Leytere. Doch noch am Nachmittage des 14. August wurde die Queue seines Heeres bei Celemben von der Ersten Armee erreicht, sofort angegriffen und geschlagen. Die Folge war, daß der Rückzug Bazaines sich dadurch wesentlich verzögerte.

Als am 14. August das Regiment am späten Nachmittage die bei Dieulouard 14. August 1870. auf dem rechten Mosel-Ufer gelegenen Ortschaften St. Geneviève und Loisy sur Moselle erreicht hatte, sah man abends in weiter Ferne das Aufbligen der Geschütze bei Meg. Man glaubte vielfach nicht an eine Schlacht, sondern nahm an, daß dieses Geschüßfeuer, welches thatsächlich von der Schlacht bei Colombey – Nouilly östlich von Metz herrührte, Freudenschüsse zur Vorfeier des Napoleonstages wären.

Um 5 Uhr verließ das Regiment die Quartiere und marschirte auf beschwer 15. August 1870. lichen Wegen in das Mosel-Thal hinab. Einige Stunden später wurde die Mosel auf einer vom Feinde nicht zerstörten, steinernen Brücke bei Dieulouard überschritten und mittags Biwak bei Villers en Haye bezogen.

Die Verpflegung war in der letzten Zeit vorzugsweise durch Beitreibungen bewirkt worden. Das schwer zu beschaffende Brot wurde durch Bäcker der Truppe in den Dörfern gebacken. Großen Jubel verursachte eine Sendung des hohen Chefs, bestehend aus Kaffee, Cognac, Wein, Leibbinden und dem heiß ersehnten Tabak. Die beigefügten Korrespondenzkarten wanderten bald in die Heimath zurück und brachten dorthin die frohe Nachricht, daß sich beim Regiment Alles wohlauf befände.

Am Abend des 15. wurden die Rückzugsbewegungen des Feindes, der mit dem 2., 6. und Gardekorps in der Gegend von Gravelotte und Rezonville, mit dem 3. und 4. Korps noch weiter rückwärts, dicht bei Mezz stand, von der Kavallerie der Zweiten Armee scharf beobachtet.

Da am 14. August der Feind von Theilen der Ersten Armee und der 18. Division 16. August 1870. östlich Metz angegriffen und zurückgeworfen worden und nunmehr nach der Maas im Abzuge begriffen war, entschloß sich das Oberkommando der Zweiten Armee, dem

Feinde sofort zu folgen, und traf die entsprechenden Anordnungen hierzu.

Demzufolge marschirte das Regiment um 6 Uhr früh gegen St. Mihiel weiter und biwakirte bei Bouconville am Etang de Maux la Chèvre, nachdem es auf Befehl des Generalkommandos 3 Unteroffiziere, 84 Mann zur Besetzung der Brücke bei Dieulouard zurückgelassen hatte.

Durch Armeebefehl war die Verpflegungsportion auf 11⁄2 Pfd. Fleisch, 111⁄2 Pfd. Brot, 14% Loth Kaffee, 225 Loth Tabak oder 5 Cigarren festgesetzt. Die Beitreibungen wurden dahin geregelt, daß solche im Allgemeinen nur durch Offiziere

Geschichte des Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4.

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17. August 1870.

vermittelst der Ortsvorstände und gegen Ertheilung von Quittungen stattfinden durften. In anderer Form sollten solche als Plünderung angesehen und bestraft werden.

Im Laufe des 16. hatte Prinz Friedrich Karl mit einem Theil seiner Streitkräfte die Franzosen bei Mars la Tour umfaßt und den an Zahl weit überlegenen Feind vom Abmarsch nach Verdun zurückgehalten. Daraufhin befahl der König am 16. nachmittags der Ersten Armee, mit dem VII. und VIII. Korps auf das linke Mosel-Ufer hinüber zu gehen, der Zweiten Armee aber, ihre sämmtlichen Korps mit Ausnahme des II, das erst Pont à Mousson erreichen konnte, und des IV. Korps, welches vor Toul stand, nach Mars la Tour heranzuziehen.

In der Nacht vom 16. zum 17. August, 3 Uhr morgens, wurden die Truppen daher alarmirt. Trotz großer Dunkelheit stand Alles schnell geordnet, und konnte alsbald der Marsch im Divisionsverbande angetreten werden. Bei Richecourt angekommen, legte das Regiment an der Landstraße die Tornister ab, zu deren Bewachung 5 Mann jeder Kompagnie zurückblieben.

Nachdem die Patronen aus dem Tornister genommen und theils in den Mantel gerollt, theils in den Brotbeutel gesteckt, die Kochgeschirre mit Reservetheilen und Lebensmitteln an den gerollten Mantel geschnallt waren, ging es weiter über Essey, Pommes, Benay, St. Benoit en Woèvre, Dampoitour bis nach Hageville, wo mittags ein längerer Halt gemacht wurde. Von hier setzte man den Marsch bis Suzemont an der Straße nach Mez fort. Dort bezog das Regiment 6 Uhr abends ein Biwak. Vorzüglicher Geist und straffe Disziplin herrschten in der Truppe, so daß der weite Marsch trog tropischer Hize und mangelnder Verpflegung ohne Schwierigkeit zurückgelegt wurde.

An diesem Tage begegneten dem Regiment die ersten Gefangenen sowie preußische und französische Verwundete.

die

Die Nacht vom 17. zum 18. August brachte das Regiment auf feuchtem Wiesengrunde bei Suzemont zu. Es war noch stockfinstere Nacht, als sich Meisten schon vom Lager erhoben und schweigend auf und ab gingen, in dem dunklen Gefühl, daß am morgenden Tage eine blutige Entscheidung bevorstehe. Wohl mag Manchen damals eine Ahnung der herannahenden Todesstunde beschlichen haben!

4. Kapitel.

Die Schlacht bei St. Privat la Montague am 18. August 1870.

Marschall Vazaine hatte am 17. August mit etwa 150 000 Mann eine Stellung auf den Höhen von Roncourt bis Rozerieulles eingenommen. Auf dem rechten Flügel dieser Stellung stand das 6. Korps von Roncourt bis südlich St. Privat, daran schloß sich nach Süden bis Montigny la Grange das 4. Korps, neben diesem das 3. Korps in der Linie La Folie--Leipzig-Moscou und auf dem äußersten linken Flügel das 2. Korps von der Gegend nördlich Point du jour bis zu den Höhen von Rozerieulles. Als Reserve hatte der Marschall die Garde

westlich des Forts Plappeville aufgestellt. Dieselbe stand also viel näher nach dem linken als dem rechten Flügel zu, trozdem gerade dieser Flügel ungleich weniger gegen eine feindliche Umfassung geschügt war, als der entgegengesetzte linke. Immerhin war auch die Stellung bei Roncourt-St. Privat eine starke, da das glacisartig abfallende Gelände eine volle Ausnutzung der Feuerkraft des Vertheidigers begünstigte.

An dem schönen sonnenhellen Morgen des 18. August hielt sich das Regiment von 41⁄2 Uhr früh an auf seinen Lagerplägen zum Abmarsch bereit, trat um 51⁄2 Uhr an und rückte in aufgeschlossener Halbzugskolonne auf der Meter Straße vor.

Unfern Mars la Tour fand die Vereinigung des Gardekorps statt. Den Offizieren wurden hier durch den kommandirenden General, Prinz August von Württemberg, die Befehle Seiner Majestät des Königs und die am Morgen durch den Prinzen Friedrich Karl persönlich gegebenen Weisungen für den heutigen Tag mitgetheilt. Da man im großen Hauptquartier den rechten Flügel des Feindes bei Amanvillers vermuthete, so wurde der Befehl gegeben, daß die Erste Armee den Feind in der Front, die Zweite Armee dagegen mit dem IX. Korps den muthmaßlichen rechten Flügel bei Amanvillers angreifen sollte. Das Gardekorps sollte dem IX. Korps als Reserve dienen, die übrigen Korps der Zweiten Armee weitere Befehle abwarten.

Trotzdem sich das Gerücht verbreitete, es käme an diesem Tage nicht mehr zum Kampfe, durcheilten die Geistlichen beider Bekenntnisse die Reihen der Bataillone, forderten die Mannschaften zur Pflichterfüllung und muthvollen Hingabe an König und Vaterland auf und erflehten im Gebet den Sieg für unsere gerechte Sache.

Da mehrere Wagen der Feldpost sich auf dem Sammelplage eingefunden hatten, so ergriff Jeder freudig die Gelegenheit, Grüße zur Heimath, vielleicht die letzten, zu senden.

Zwischen 8 und 10 Uhr setzte sich das Gardekorps unter den Klängen der Regimentsmusiken auf der großen Straße nach Mars la Tour in Bewegung. Der 1. Garde-Infanterie-Division folgte, durch die Korpsartillerie getrennt, die 2. Von Mars la Tour aus wurde die Richtung nach Nordosten eingeschlagen. Unterwegs sah man noch deutlich die Spuren des großen Kampfes vom 16. August, und die frischen Gräber mahnten zu ernster Stimmung. Als sich gegen 11 Uhr die Spige der 2. Garde-Infanterie-Division südlich Bruville befand, erhielt der kommandirende General vom Oberkommando den Befehl, das Korps bei Verneville zu versammeln. Da indessen der General mittlerweile durch Kavalleriemeldungen die Anschauung gewonnen hatte, daß der feindliche rechte Flügel nördlicher als bei Amanvillers zu suchen sei, so ließ er nur die 2. Garde-Infanterie-Division auf Verneville marschiren; der 1. Garde-Infanterie- Division befahl er dagegen, den Marsch auf Habonville einzuschlagen.

Gegen 12 Uhr hörte man den ersten Kanonendonner von Verneville herüberschallen, wo bereits das IX. Korps in den Kampf eingetreten war. In der Nähe von St. Marcel wurde die Division durch den Prinzen Friedrich Karl und den General v. Stiehle eingeholt. Als derselbe heransprengte und dem Regiment die wenigen Worte zuries: Grenadiere! Ihr werdet heute unter den Augen Seiner

Majestät des Königs kämpfen!" da leuchtete aus Aller Augen ein opferfreudiger Kampfesmuth, und es zeigte sich der Dichterspruch bewahrheitet:

„Ein kräftig Wort zu rechter Stund',

Und brav das Herz bis auf den Grund,

Das Schwert im Arm voll Kraft,
Das schafft!"

Die Klänge der Nationalhymne, vermischt mit dem brausenden Hurrah der Bataillone und dem Donner der Kanonen, machten einen feierlich erhebenden Eindruck, und Jeder fühlte, daß eine große Entscheidung bevorstände! Vorbei galoppirende Adjutanten theilten mit, daß die Schlacht günstig stände. Jetzt erhielt auch die 2. Garde-Infanterie-Division den Befehl, in nördlicher Richtung nach Habonville vorzumarschiren. An der Spitze der Division marschirte das Regiment mit dem I. und Füsilier-Bataillon im ersten, dem II. Bataillon im zweiten Treffen.

Gegen 22 Uhr nachmittags erreichte die Division die Anhöhen westlich Habonville. Die 1. Garde-Infanterie-Division stand südlich dieses Ortes.

Während dieser Vorgänge hatte sich das Gefechtsbild beim IX. Korps und bei der Ersten Armee folgendermaßen gestaltet:

General v. Manstein war mit dem IX. Korps in den Kampf eingetreten und mit seiner Artillerie östlich Verneville aufgefahren. Bald folgte ihm in der ersten Mittagsstunde der General v. Steinmetz mit den Batterien des VII. und VIII. Korps südlich und nördlich Gravelotte.

Von den Gehöften bei Habonville sah man fern in verschwommenen Umrissen den Kampf bei Amanvillers toben und glaubte später wahrzunehmen, daß die Franzosen in ungeordneten Schüßenschwärmen aus Ste. Marie aux Chênes nach Often zurückwichen.

Die zur Division gehörige Artillerie, die 3. Garde-Infanterie-Brigade, die Stäbe des Korps, sowie der des Prinzen Friedrich Karl, welcher von hier aus den Gang des Gefechtes verfolgte, befanden sich in der Nähe des Regiments.

Es erscheint nothwendig, bevor wir zu der Schilderung des folgenden Kampfes übergehen, an dieser Stelle eine Beschreibung des Geländes, in welchem das Gardekorps sich mit dem 6. französischen Korps Canrobert messen sollte, und eine Aufzählung der ihm gegenüberstehenden Truppen einzuschalten. Da ein klareres, anschaulicheres Bild des Geländes und der französischen Stellung gar nicht gegeben werden kann, als das, welches uns das Generalstabswerk*) davon entwirft, so folgen wir denselben:

„Der lange Höhenrücken, welcher die Hauptrichtung der französischen Frontlinie bezeichnete, erhebt sich vor seinem Abfall nach Norden noch einmal zu einer breiten und mäßig hohen Bergkuppe, auf welcher das Dorf St. Privat la Montagne liegt. Von diesem das umliegende Gelände überragenden und weithin beherrschenden Punkte aus erstreckt sich die Hochfläche mit sanftem Abfall in südöstlicher Richtung nach Amanvillers.

Von dem Haupttheile derselben durch eine breite und flache Mulde getrennt,

*) Generalstabswerk, S. 744-746.

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