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solchen Stellung zu behaupten, ist kein Werk einer schwachen Natur: mir scheint, es gehöre der entschiedenste, kraftvollste Wille dazu. Die Welt liebt und bewundert am meisten einseitige Richtungen, weil sie zu namhaften Erfolgen zu führen pflegen. Ohne Zweifel aber wird noch größere Kraft erfordert, eine gemäßigte Meinung in der Mitte heftiger Parteien unter widerstreitenden Ansprüchen geltend zu machen und

durchzusetzen.'

Hand in Hand mit seiner religiösen Wandlung, so führt Ranke weiter aus, machte sich auch eine Veränderung in der politischen Haltung bemerkbar. Am meisten trug dazu bei, daß nach der Katastrophe des Don Carlos der deutschen Linie des Hauses Österreich die Aussicht auf das spanische Erbe eröffnet wurde. Auf Maximilian mußte dies einen um so größeren Eindruck machen, als er kein langes Leben zu erwarten hatte und mit einer großen Familie beladen war. Das allein schon näherte den Kaiser, ,wie sich von selbst versteht, allen Katholiken und dem Papste. Dies um so mehr, als jene eine durchwegs zielbewußte Politik verfolgten und zum entschiedenen Übergewicht gelangt waren. Bei seinem Tode standen sich die Parteien unversöhnt gegenüber; wie gern hätte er die Entzweiung gehoben, dem Blutvergießen vorgebeugt! Er durchschaute die Lage der Dinge, er sah alles kommen; allein er war nicht stark genug, um die Dinge zu überwältigen; zu heftig war ihm die Parteiung, zu mächtig waren ihm die Umstände'. Ein einzelner Mensch vermag eben den Dingen gegenüber nur wenig. An Kräften und Macht beschränkt, war dieser Fürst trotz seiner außerordentlichen Fähigkeit und seines besten Willens nicht imstande, die Lage zu meistern, weil ihn die Umstände nicht begünstigten, weil ihn die Protestanten, denen er anfänglich auch politisch zugetan war, im Stiche gelassen hatten.

Den Spuren Rankes folgend, vertiefte drei Jahrzehnte später E. Reimann 5 das Problem der religiösen Entwicklung Maximilians, indem er nachwies, daß das entscheidende Moment in die Jahre vor der Thronbesteigung

5 Maximilians II. religiöse Entwicklung in den Jahren 1554–1564. Histor. Zeitschr. 15 (1866), S. 1 f.

fiel, und zwar in die Zeit der seiner Königswahl im Jahre 1562 vorausgegangenen Verhandlungen. Als der Vater dem zum Luthertum hinneigenden Sohne mit Enterbung drohte, wollte dieser nicht sogleich seiner religiösen Überzeugung untreu werden. Erst als die protestantischen Fürsten, die er um Hilfe angegangen hatte, versagten, fügte er sich in sein Schicksal, indem er nun erklärte, in der katholischen Kirche leben und sterben zu wollen. In dieser Wandlung lag nicht eine Überzeugung, sondern ein Entschluß'; denn in seinem Innern blieb er nach wie vor Protestant, stets betonte er die Notwendigkeit einer Reform.

Maximilian erscheint uns also in dem ganzen, fast ein Jahrhundert füllenden Zeitraum, ob er nun als aufgeklärter Katholik oder als überzeugter Protestant geschildert wird, in einem durchwegs günstigen Lichte. Aber im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setzt in der Geschichtschreibung eine rückläufige Bewegung ein, die ganz offenkundig durch eine Untersuchung W. Maurenbrechers herbeigeführt

wurde. Maurenbrecher behandelte das gleiche Thema wie Reimann und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, daß sich durch das erzwungene Abschwenken Maximilians zu den katholischen Mächten an seiner innersten religiösen Überzeugung nichts geändert habe, daß er vielmehr bis an sein Lebensende protestantisch blieb. Aber die Beweggründe seiner religiösen Wandlungen werden in einer Weise geschildert, die auf Maximilians Charakter ein sehr ungünstiges Licht werfen mußte. Seine Wendung zum Luthertum wird so hingestellt, als ob sie eigentlich eine Hinneigung zu den protestantischen Fürsten wäre, eine politische Spekulation zur Verwirklichung seiner ehrgeizigen Pläne, vor allem diktiert durch seine Opposition gegen den Plan Karls V., die Kaiserkrone seinem Sohn Philipp II. zu vererben.

schlug die protestan

In seiner Seele so heißt es da tische Lehre Wurzel, als er sich im Gegensatz zu der katholischen Politik der Habsburger zu fühlen begonnen. So scharfsinnige Beobachter wie der venezianische Gesandte und der

6 Beiträge zur Geschichte Maximilians II. 1548-1562. Histor. Zeitschr. 32 (1874), S. 221 f.

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päpstliche Nuntius waren wenigstens nicht im Zweifel darüber, daß der Protestantismus dieses Habsburgers in der nächsten Beziehung gestanden zu seinen politischen Plänen und Tendenzen, die er durch Hilfe der protestantischen deutschen Fürsten auszuführen gedachte' (S. 256). Erst nach dem Jahre 1554 oder 1555, da er also schon im lebhaften Kampfe gegen Kaiser Karl V. und seinen spanischen Vetter Philipp stand, wurde Maximilian durch seinen Hofprediger Pfauser für die neue Lehre auch innerlich gewonnen. Es erscheint somit nur natürlich, daß politische Rücksichten auch wieder seine Abkehr von der protestantischen Sache herbeiführten, als eine veränderte Konstellation eintrat. Vor die Alternative gestellt: Erhöhung als Katholik oder Erniedrigung als Protestant, mußte er umfallen; in solcher Lage

pflegt ein Charakter wie Maximilian nachzugeben und zu weichen. Von nun an läßt er der katholischen Politik in Deutschland freien Lauf, ja er dient ihr sogar: seine Regierung ist im großen und ganzen doch dem Katholizismus günstiger als dem Gegenteil. Die Gegenreformation faßte unter ihm in Deutschland festen Fuß.

Maurenbrecher schloß mit den Worten: Für seine Zeit und für sein Wesen ist immer dabei jene Differenz bezeichnend geblieben zwischen seiner Tätigkeit als Herrscher und seiner persönlichen Herzensmeinung, eine Differenz, die nicht ganz ohne Folgen war weder für seinen Charakter, noch für seine Resultate. Ein geistreicher Mann von großer Begabung, erfüllt von politischen Gedanken und Entwürfen, von dem die Zeitgenossen Großes erwartet, ist er doch durch den Zwiespalt seines Denkens und seines Tuns ein wenig erfreuliches Bild von Halbheit und Zerfahrenheit und Inkonsequenz geworden. Kein Historiker wird sich für Maximilian II. zu begeistern oder zu erwärmen imstande sein. Ein Advokat seiner Regierung würde vor dem Tribunal der Geschichte höchstens zu seinen Gunsten,,mildernde Umstände" plädieren dürfen, aber auch damit nur in beschränktem Maße durchdringen.'

Das von Maurenbrecher entworfene Bild Maximilians II. als eines Fürsten, der ohne den festen Grund einer religiösen Überzeugung sich nur durch politische Rücksichten bestim

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men und wie ein schwankes Rohr von den Ereignissen treiben ließ, gleichsam eine Illustration zu Macchiavellis,Principe', dem eine Gesinnung vorgeschrieben wird, ,geneigt, sich zu wenden, wie die Winde und Wechsel des Glückes es befehlen', machte rasch Schule. Wir erkennen es deutlich in der Darstellung M. Ritters, der Maximilians Gegensatz zu seinem Oheim und Vater auf politische Motive zurückführte: ,die Neigung aller Kronprinzen, ihren regierenden Eltern Opposition zu machen', hatte durch das erwähnte Sukzessionsprojekt Karls V. eine scharf ausgeprägte Richtung erhalten. Von einer ebenso rücksichtslosen als unbefangenen dynastischen Selbstsucht' geleitet, unterlag Maximilian der Versuchung, die ihm von seiten der katholischen Mächte winkte. Er entschied sich so für die Wege der ‚Verstellung und äußeren Anbequemung. Seine zweideutige' Haltung, die weder die Wünsche der Katholiken noch die der Protestanten befriedigte, konnte er mit dem von ihm betriebenen Plan eines Ausgleiches der getrennten Kirchen rechtfertigen; doch hätte die Verwirklichung desselben eine die Geister der Menschen überwältigende Tatkraft erfordert. Dabei war er keineswegs irreligiös, aber es fehlte ihm der feste sittliche Halt.

Noch viel schroffer wurde das Vorwiegen der politischen Gesichtspunkte von W. Goetz 8 betont, der mit Maximilian sehr scharf zu Gericht geht. Er tadelt seine Schwäche', die ,Unklarheit seiner Ideen', spricht von einem ,wenig ehrenvollen, unschönen Doppelspiel' und stimmt ganz dem Urteil Bezolds bei, der den Habsburger direkt der ‚Heuchelei' zieh. Auf den gleichen Ton gestimmt erscheint Droysen,10 der es bezweifelt, ob Maximilians Hinneigung zur neuen Lehre ihm Herzensbedürfnis und Gewissenssache war, und

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7 Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegen reformation und des Dreißigjährigen Krieges 1 (1889), S. 109 f., 253 f., 263 f.

8 Maximilians II. Wahl zum römischen König (Diss. Würzburg 1891); vgl. dazu seine Besprechung von Hopfens Kompromißkatholizismus in der Histor. Zeitschr. 77 (1896), S. 193 f.

Briefe des Pfalzgrafen Johann Kasimir 1 (1882), S. 6.

10 Geschichte der Gegen reformation (1893), S. 32 f.

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sie ebenfalls auf,das bei Thronfolgern häufige Bedürfnis, der Regierung Opposition zu machen', wie auf den ,Reiz der Neuheit zurückführte. Der vertrauliche Briefwechsel Maximilians mit Christoph von Württemberg, der Moser und Ranke so gefangennahm, imponiert Droysen durchaus nicht: es ging eben, wie das bei einem lebhaften Temperament und großer Schreibgewandtheit so häufig geschieht, die Feder mit ihm durch. Er empfand in dem Moment wirklich, was er niederschrieb, aber Ausdruck einer unveränderten Gesinnung waren solche momentane Ergüsse nicht. Einem,so leichtblütigen, ja man darf sagen, oberflächlichen Sinn' gegenüber konnte die Bekehrung wenig Schwierigkeiten bereiten. Wes dürfte sich die Nation so fragt Droysen von einem Oberhaupt versehen, das ihrem wichtigsten Lebensinteresse so schwankend und unzuverlässig, so kühl abwägend und abweisend war? Und die Antwort lautete: Nach außenhin unterschied sich seine Regierung herzlich wenig von der seines Vorgängers: großen und drängenden Aufgaben gegenüber kleine und kleinliche Entschlüsse, das war auch ihre Signatur... Nicht nach einer Seite hin zeigte er Tatkraft, Mut und Entschlossenheit. Ihm, der selber nicht mit vollem Herzen deutsch empfand, fehlte durchaus der Wille und das Vermögen, die Stände, an deren Spitze er stand, auf die Höhe großer Entschließungen und nationaler Taten emporzuheben. Dagegen drängte es ihn förmlich, mit der spanischen Linie wieder Fühlung und engsten Zusammenhang zu suchen'; er begann ,echt habsburgisch, mit dem Bestreben, die Herrschaft seiner Dynastie weiter auszubreiten, um, unbekümmert um das Wohl des deutschen Reiches, ein habsburgisches Reich aufzurichten, eine aus den verschiedensten Völkerelementen zusammengesetzte Herrschaft, von welcher Deutschland nur einen Teil, eine Provinz gebildet haben würde'. Droysen untersucht nicht lange, ob die Nation, die bekanntlich auch. aus Katholiken und gerade sie gaben im Reichstag den Ausschlag bestand, mit einer ausgesprochen protestantischen Politik einverstanden gewesen wäre; er fragt nicht, ob nicht auch die protestantischen Stände sehr ,undeutsch' fühlten und jede großzügige nationale Politik verhinderten: die Schuld fällt ausschließlich auf den Kaiser.

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