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das Cabinet von Berlin gleichsam als ein anvertrautes Pfand der Loyalität des einen der beiden Mitbesitzer übergeben worden. Jeder derselben hat das Recht, zu fordern, daß bis zum Eintritt der künftigen Verständigung das Object desselben in statu quo erhalten werde. Das ist in der That nicht anders. Aber dieses Recht bezieht sich auf die ungeschmälerte Substanz. Wäre seine Bedeutung die einer Controle der einzelnen Verwaltungshandlungen, so hätte eben so gut die ungetheilte Regierungsgemeinschaft beibehalten werden können, welche bis zur Gasteiner Uebereinkunft bestand. Und wenn gegen uns die Klage dahin lautet, daß durch unsere Lauheit und Passivität das monarchische Princip in Holstein geschädigt, der conservative Sinn, der den schleswig-Holsteinischen Volksstamm ausgezeichnet habe, umgewandelt und das Object der künftigen Verständigung deteriorirt werde, so wird das Gewissen des gesammten Europas mit uns diese Anklage verwerfen, denn das gesammte Europa weiß, daß die Bestrebungen, die heute in Holstein vorherschen, dieselben sind, die zur Zeit der Gasteiner Convention und längst vor dieser Epoche bestanden, und aus welchem der Widerstand der Herzogthümer gegen Dänemark seine Kraft schöpfte." In Altona seien dieselben Excesse gegen Preußen geschehen, die beide Regierungen in Frankfurt gemeinschaftlich verurtheilt hatten. Preußen habe sich damals geweigert, ein Verbot solcher Versammlungen für das ganze Bundesgebiet zu beantragen; wenn eine Regelung von Bundeswegen erfolgte, so hätte es in Holstein nicht an einer festen Norm gefehlt, und die preußische Regierung wäre nicht darauf beschränkt, von Oesterreich die Wiedereinführung jener dänischen Ordonnanzen zu verlangen, über deren Druck sich die Herzogthümer laut beschwerten und die Oesterreich bei der Uebernahme der Verwaltung Holsteins nicht mehr in practischer Geltung vorfand. Der Kaiser, unser allergnädigster Herr, beklagt diese ganze Polemik. Schwer wird Se. Majestät sich entschließen, zu glauben, daß König Wilhelm den Maßstab für den Werth, welchen der Kaiser auf Seine Beziehungen zu Preußen legt, von Desterreichs Einwilligung oder Nichteinwilligung in den Wunsch der Annerion der Herzogthümer an Preußen werde entnehmen wollen. Ein so einseitiger Anspruch steht den Gedanken des Königs sicher fern. Dennoch spricht die königliche Regierung zu uns, als ob unsere natürliche Weigerung, diese Annexion sich vollziehen zu lassen, nicht anders als durch die Rückkehr zu einer Politik verderblicher Eifersucht und Rivalität erklärt werden könne. Ja sie spricht als ob sie von Oesterreich in den Kampf gegen den gemeinsamen Feind, die Revolution, verlassen und dadurch an der Ausführung ihres Willens gehindert worden sei, auf die Dauer mit uns gemeinsame Wege zu gehen. Möge da die königliche Regierung einen unbefangenen Blick auf die jüngste Vergangenheit werfen! Betrachtet sie Deutschlands Zustände, so tritt ihr die Thatsache entgegen, daß wir, weit entfernt, eine Coalition gegen Preußen bilden zu wollen, unsere Verhältnisse zu den Mittelstaaten der Allianz mit Preußen

entschieden nachgesetzt, ja ernstlich benachtheiligt haben, wie dies die durch die Anerkennung des Königreichs Italien geübte Vergeltung bekundet." Auch bei den auswärtigen Mächten habe die österreichische Regierung nie einen Druck auf Preußen auszuüben versucht und die viel geschmähte Wirksamkeit ihres Botschafters in Paris habe stets nur bezweckt, Frankreich in seiner Politik der Enthaltsamkeit bei der schwebenden Frage zu bestärken. Eine Enttäuschung hätte daher die Politik des Kaisers, die sich unveränderlich nach den obersten Interessen des Friedens und der Ordnung in Oesterreich, wie in Deutschland und Europa regele, dem Könige von Preußen nicht bereiten können, und die kaiserliche Regierung weise den in den Schlußnoten des Grafen von Bismarck liegenden Vorwurf zurück, als ob in ihren Handlungen und Gesinnungen der Grund liege, wenn die von Preußen angestrebte intime Gemeinsamkeit der Gesammtpolitik beider Mächte sich nicht verwirklichen ließe. „Es ist diese Verwahrung der einzige Zweck meiner Bemerkungen, und ich würde gegen den hohen Sinn des Kaisers verstoßen, wenn ich mich von so manchen Wahrnehmungen von gestern und heute verleiten ließe, das Verhalten des Berliner Hofes mit dem unsrigen in Contrast zu setzen."

Diese beiden mit einer in der Diplomatie damals noch seltnen Offenheit der Sprache abgefaßten Schriftstücke sind wohl als die eigentlichen Präliminarien des nahen Krieges anzusehen: sie bekunden in scharfen Zügen die zwischen beiden Höfen herrschenden tief einschneidenden Differenzen, deren friedliche Lösung schon damals unwahrscheinlich erschien, wenn auch noch immer auf eine Vertagung ihres Ausbruchs zum Kriege gehofft wurde. Preußen gab auf die österreichische Note vorläufig keine Rückantwort. Graf Bismarck, dessen weitreichende Pläne sich im Strome der Ereignisse krystallisirt hatten, warf in der seinem energischen Charakter eigenthümlichen Weise den scharfen Blick nach allen Seiten und berechnete die Verhältnisse unter weiser Abwägung der verschiedenen maßgebenden Factoren.

In Desterreich war mittlerweile ein verhängnißvoller Schritt geschehen, dessen Tragweite der preußische Staatsmann weder übersah, noch unterschäßte. Ritter von Schmerling, der Vater der österreichischen Februarverfassung, trat mit seinen Gesinnungsgenossen aus dem kaiserlichen Cabinete, die Aufhebung der Verfassung folgte am 20. September nach. Ein ganz entgegengesetztes System gelangte mit dem neuen Cabinete zur Geltung. Diejenigen Völkerschaften des Kaiserstaats, welche die Stützen und Beförderer der Reichseinheit sind, wurden bei Seite geschoben, und man begünstigte die Nationalitäten des Dualismus und des föderativen Systems, die Tschechen, Polen und Ungarn, ohne doch auch wieder, besonders den letzteren gegenüber, so weit zu gehen, daß ein ernstlicher Friede mit ihnen zu Stande gekommen, eine Aussöhnung mit dieser machtvollen Südstütze Desterreichs erzielt worden wäre. Es sollten zwar constitu

tionelle Zustände erhalten bleiben in Desterreich, und die Gesammtverfassung sollte wieder in Kraft treten, sobald die Regelung des Verhältnisses der Krone zu den einzelnen Staaten und Nationalitäten des Kaiserreichs hergestellt wäre; aber dieser Augenblick rückte bei den auf diesem Wege sich neu aufthürmenden Schwierigkeiten und tiefklaffenden Verschiedenheiten in der Grundanschauung die Sache in unabsehbare Ferne. Augenblicklich aber herrschte ein krasses Chaos in dem Kaiserstaate, dessen natürliche Folge Schwäche sein mußte. Die inneren Differenzen schwächten die Machtentfaltung nach außen.

Ein Diplomat wie Graf Bismarck fonnte im Interesse seiner Politik dieses sich selbst Aufreiben Oesterreichs nur mit Vergnügen sehen, denn dasselbe mußte seine Pläne unterstützen, sobald er es zu benutzen verstand. Und er zögerte keinen Augenblick, dies zu thun. In der österreichischen Depesche vom 7. Februar war zwar ausgesprochen, wie Kaiser Franz Joseph nie verkannt habe, daß eine Vereinbarung über die Herzogthümerfrage dem Staatsinteresse Preußens eine gerechte Befriedigung gewähren müsse, allein auch die natürliche Weigerung Desterreichs, eine Annexion dieser Länder an Preußen sich vollziehen zu lassen. Bismarck kannte überdies die Absicht Oesterreichs, um einen derartigen Machtzuwachs an Preußen zu hindern, die Entscheidung in der Herzogthümerfrage doch jetzt nur unter Zustimmung des deutschen Bundes ausführen zu lassen, und er wußte auch von der Stimmung der Mittelstaaten gegen Preußen genug, um die Zugeständnisse, welche der Bund án Preußen machen würde, von vornherein für seine Absichten als ungenügend zu beurtheilen. Er mußte erkennen, daß das vorgesteckte Ziel einer Vereinigung der Elbherzogthümer mit der preußischen Monarchie, wie es sich im Plane des preußischen Staatslenkers allmälig herausgebildet hatte, auf dem Wege gütlicher Unterhandlung nicht zu erreichen sein würde, vielmehr mußte sich Preußen darauf gefaßt machen, die Herzogthümer mit dem Schwerte zu behaupten. Und zwar in einem Kriege gegen Oesterreich. Tiefe Erschütterungen Deutschlands und des ganzen Bundesverhältnisses würden dabei unausbleiblich sein, da ein solcher Krieg ja an und für sich ja einen der wichtigsten Paragraphen der Bundesacte verletzen müßte. Statt daher den Notenwechsel mit dem Wiener Cabinete in voraussichtlich unfruchtbarer Weise fortzusetzen, sah sich Graf Bismarck vielmehr im Kreise der europäischen Staaten um, auf welchen unter denselben Preußen für den Kriegsfall mit Desterreich als Bundesgenossen rechnen könne. Damit sah es denn freilich nicht sehr tröstlich aus. In Deutschland durfte Preußen kaum auf einige Kleinstaaten als freiwillige Bundesgenossen rechnen, mußte vielmehr auf eine Parteinahme der mächtigeren der Mittelstaaten, besonders der schwer gereizten Bayern, Sachsen, Hessen u. s. w. sich gefaßt halten. Frankreich hatte sich für jeden Fall Politik der freien Hand vorbehalten und die übrigen Großmächte bekundeten offene Abneigung gegen einen deutschen Krieg, bei dem nur

ihre eigenen Interessen Gefahr laufen würden. Italien allein konnte in einem gemeinsamen Kriege gegen Oesterreich gewinnen und auf diese neu aufblühende Macht richtete Graf Bismarck sein Augenmerk. Er unternahm damit eine schwierige und kühne Aufgabe. Denn so geneigt man am Hofe von Florenz zu einem preußischen Bündnisse sich zeigte, so widerstrebend fand der preußische Ministerpräsident in Berlin den Boden für dasselbe. Gerade diejenige Partei in Preußen, auf welche sich Graf Bismarck seither gestützt hatte in den Kämpfen der inneren Politik wie der seitherigen auswärtigen, war die entschiedene Gegnerin Italiens, hatte die daselbst stattgehabten Vorgänge offen verabscheut und im Jahre 1859 sogar zu einem Kriege für Desterreich gegen Italien gedrängt. Die politischen Grundsätze dieser Partei konnten sich mit einem Handinhandgehen Preußens mit Italien nicht befreunden. Der König selbst theilte diese Abneigung, in Gemeinschaft mit dem Königreich Italien gegen den bisherigen Bundesgenossen Krieg führen zu sollen. König Wilhelm hielt überhaupt einen friedlichen Ausgang des Conflicts mit Desterreich noch immer für möglich, als Graf Bismarck von der Unvermeidlichkeit des Krieges bereits überzeugt war, und es bleibt eines der ersten Meisterstücke dieses Staatsmannes, daß er endlich die widerstrebenden Elemente doch zu einem preußisch-italienischen Bündniß einigte, welches am 8. April abgeschlossen wurde. Die Erwerbung SchleswigHolsteins für Preußen und Venetiens für Italien sollte das gemeinsam zu erreichende Kampfziel werden. Der Vertrag sollte erst mit dem Augenblicke der Kriegserklärung gegen Oesterreich in Kraft treten; von da ab sollte jedoch der Krieg mit allen Kräften geführt werden, und es machten sich beide Mächte verbindlich, Waffenstillstand oder Frieden nur in Uebereinstimmung abzuschließen. Die Unterhandlungen mit Italien, zu welchen der italienische General Govone nach Berlin gekommen war, blieben natürlich in Wien nicht unbemerkt und erregten daselbst Besorgniß und zugleich Entrüstung. Die officiöse Presse in Wien und Berlin nahm eine täglich gereiztere Sprache an, Drohungen fielen hinüber und herüber, und in Wien zog man die exponirte Stellung der Brigade Kalik in Holstein für den Fall eines Krieges mit Preußen in Betracht.

Desterreichs innere Verhältnisse glichen nach Aufhebung der Februarverfassung einem Chaos. Die Deutschen waren bei Seite geschoben worden, ohne daß doch mit den anderen Nationalitäten, besonders mit den Ungarn, ernstlich Frieden gemacht war. Das Reich war im Innern zerrüttet, finanziell in äußerster Noth und dem Auslande gegenüber in der Achtung gesunken. Bei einem Kriege mit Preußen konnte der Kaiserstaat auf keinen auswärtigen Verbündeten rechnen. Die inneren Differenzen schwächten aber auch jetzt seine eigene Machtentfaltung. Anders in Preußen. Nicht nur die äußeren Verhältnisse, sondern auch Gründe, welche den inneren Verhältnissen entsprangen, bewogen den Grafen Bismarck zum kühnen Vorschreiten gegen Desterreich. Der

preußische Minister konnte seinen Kampf mit dem Abgeordnetenhause unmöglich noch lange erfolgreich fortsetzen, konnte unmöglich ein System aufrecht erhalten, gegen welches jede Neuwahlen des Volkes sich in immer eclatanterer Weise aussprachen. Der Schüler Napoleons III. hielt daher die Zeit für gekommen, durch ein großes auswärtiges Unternehmen sowohl die Aufmerksamkeit des Volkes von den inneren Zuständen abzulenken, als auch durch einen erfolgreichen Krieg die Nothwendigkeit der bestrittenen Armeereorganisation practisch zu beweisen und die öffentliche Meinung für die Anerkennung derselben zu gewinnen. Hatte doch schon der erfolgreiche schleswig-holsteinische Krieg den Beweis geliefert, wie wenig das preußische Volk seine Empfänglichkeit für Kriegsruhm verloren hatte. Auf die preußische Armee glaubte Graf Bismarck vertrauen zu dürfen, um die Macht Oesterreichs troß dessen größerer Bevölkerung nicht fürchten zu müssen. Graf Bismarck war, seitdem er die Einverleibung der Elbherzogthümer in Preußen beschlossen hatte, längst darüber im Reinen, dieselbe nöthigenfalls mit Gewalt der Waffen zu erzwingen. Er hatte im Stillen seine Vorberei tungen getroffen. Als Realpolitiker vom reinsten Wasser, dem jede Principienreiterei fernliegt, hatte er schon vor der Gasteiner Convention mit dem auf Venetien lüsternen Italien gewisse vertrauliche Verhandlungen angeknüpft, die später in dem schon erwähnten Waffenbündnißvertrage resultirten. Im Herbst 1865 hatte er aber auch eine Zusammenkunft mit Napoleon III. in Biarrit gehabt. Ueber die daselbst gepflogenen Unterhandlungen ist auch heute noch nichts Bestimmtes bekannt geworden, doch läßt sich aus den späteren Vorgängen der Schluß ziehen, daß Graf Bismarck sich bei seinem Vorgehen gegen Oesterreich im principiellen Einverständniß mit dem französischen Kaiser befunden hat. Napoleon III. selbst sprach es noch vor Beginn des Krieges aus, daß Preußen dazu berufen sei, sich wenigstens in Norddeutschland eine breitere und festere Basis zu schaffen; soweit, sicher aber nicht für eine Politik, die Preußen zum Herrn eines ungetheilten Deutschlands machen würde, hatte der preußische Staatsmann sich mit Napoleon zu verständigen gewußt. Welche Pläne der französische Kaiser dabei seinerseits verfolgte und weshalb er sich jezt Preußens Bestrebungen geneigt zeigte, werden die späteren Ereignisse enthüllen. Als Bismarck im August 1865 die Nachgiebigkeit Oesterreichs gemerkt hatte, da hatte er die Gasteiner Convention geschlossen, um zu sehen, ob er vielleicht noch auf diesem Wege in den friedlichen Besitz der Herzogthümer gelangen könne. Die stetige Geldverlegenheit Oesterreichs hatte dasselbe ja schon zum Handel mit Lauenburg geführt, warum sollte der Kaiserstaat seine Rechte auf SchleswigHolstein nicht ebenfalls gegen klingende Münze abtreten? Hierin irrte jedoch die preußische Berechnung. Schleswig-Holstein besaß in den Augen der kaiserlichen Regierung eine ganz andere Wichtigkeit als das kleine Lauenburg, eine politische Wichtigkeit, und Graf Bismarck mußte bald einsehen, daß sie in

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