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letzten Rechte der Herzogthümer, für die Berufung ihrer Vertretung und für die sofortige staatliche Constituirung Schleswig-Holsteins unverzüglich entschieden einzutreten. Die Versammlung vertraut, daß das Volk der Herzogthümer fest und muthig ausharre. 3. Die Versammlung erklärt es für eine Pflicht der Vertretungen des deutschen Volkes, daß sie Anleihen und Steuern, welche die bisherige Vergewaltigungspolitik fördern könnten, keiner Regierung bewilligen. Wenn die Sache der Herzogthümer im Sinne des Reiches erledigt wird, so müssen die Kriegskosten von ganz Deutschland verhältnißmäßig getragen werden. 4. Die Versammlung bestellt abermals einen aus 36 Mitgliedern bestehenden Ausschuß. 5. Die Versammlung hält es auch bei diesem Anlaß für ihre heilige Pflicht, das rechtlich begründete Verlangen der deutschen Nation nach einem Parlament zu wiederholen.

Auf das fernere Verhalten der beiden deutschen Großmächte übten diese Erklärungen keinen andern Einfluß aus, als daß dieselben gleichzeitig drohende Noten an den Senat der Stadt Frankfurt richteten, in welchen sie denselben aufforderten, den politischen Agitationen, welche in Frankfurt ihren Heerd hatten, ein Ende zu machen. Der Frankfurter Senat wies jedoch, in Uebereinstimmung mit dem gesetzgebenden Körper, diesen Vergewaltigungsversuch als einen Eingriff in die Souveränitätsrechte der freien Stadt zurück und ließ die Generalversammlung des Nationalvereins unbehindert in Frankfurt tagen.

Die drei rührigsten der deutschen Mittelstaaten, Sachsen, Bayern und Hessen-Darmstadt, hatten übrigens mit der vor den Bundestagsferien abgegebenen Erklärung Preußens und Oesterreichs durchaus nicht Beruhigung gefaßt, sondern brachten am 4. November einen neuen Antrag ein, der unter Bezugnahme auf ihren Antrag vom 27. Juli, welcher durch die Erklärungen Desterreichs und Preußens vom 24. August keineswegs erledigt sei, die Bundesversammlung auffordert: dieselbe wolle Oesterreich und Preußen ersuchen: 1. baldigst eine aus seinen Wahlen hervorgehende allgemeine Vertretung des Herzogsthums Holsteins einzuberufen, welche bei der definitiven Lösung der bezüglich der Herzogthümer noch schwebenden Fragen mitzuwirken hätte; 2. auf die Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund hinzuwirken.

Vierzehn Tage später, am 18. November, wurde über die geschäftliche Behandlung dieses Antrags abgestimmt und gegen den Antrag der Antragsteller auf Abstimmung ohne Ausschußvortrag, mit 8 gegen 7 Stimmen beschlossen, den Antrag zur Berichterstattung an den Ausschuß zu verweisen. Desterreich und Preußen, welche sich selbstredend bei der Mehrheit befanden, motivirten ihre Abstimmung mit dem Anführen, daß sie die Absicht einer Ständeberufung schon früher ausgesprochen, die Wahl des Zeitpunktes aber weiterer Erwägung vorbehalten hätten, und der gegenwärtige Zeitpunkt hierzu ungeeignet erschien. Ueber den Punkt 2 sich in eine Erörterung einzulassen müßten sie ablehnen.

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Die Antragsteller, Sachsen, Bayern und Großherzogthum Hessen gaben darauf über ihre künftig einzunehmende Haltung die Erklärung ab, daß sie, unter Wahrung der Competenz des Bundes, bezüglich der Entscheidung der Erbfolgefrage auf eine weitere Behandlung ihres Antrags beim Bunde verzichten. Das Präsidium bezog sich dem gegenüber auf den gefaßten Beschluß, und Preußen und Desterreich behielten sich wiederum neue Erklärungen vor.

Mit diesem Beschlusse, den Antrag der Regierungen von Bayern, Sachsen und Großherzogthum Hessen an den Ausschuß zu verweisen, der einem Abwerfen desselben gleich zu achten war, hatte sich die deutsche Bundesversammlung in der schleswig-Holsteinischen Angelegenheit für bankerott erklärt, sie hätte dies ebensogut mit offenem Worte eingestehen können.

Der Frieden zwischen den deutschen Großmächten schien durch die getheilte Verwaltung der Herzogthümer wirklich hergestellt worden zu sein. Jeder der beiden Statthalter schaltete in die ihm zugewiesenen Antheile nach Belieben; aber während der österreichische Herr von Gablenz durch Leutseligkeit und Nachsicht gegen die augustenburgische Mitregierung sich die Herzen der Holsteiner erwarb, führte Herr von Manteuffel in Schleswig ein straffes Regiment ein, und der preußische Civilcommissar Herr von Zedlitz ergriff Maßregeln gegen Versammlungen und Vereine und leitete polizeiliche Vernehmungen wegen dem Herzog Friedrich bereitete Empfangsfeierlichkeiten ein. Um dieselbe Zeit beschwerte sich der preußische Ministerpräsident Graf von Bismarck bei der sächsischen Regierung über die feindselige Haltung der allerdings durchweg augustenburgisch gesinnten sächsischen Presse. Eine Anklage wurde u. a. gegen den Verfasser dieses Buches erhoben, doch nach einer einzigen Vernehmung in Sachsen niedergeschlagen, weil wie derselbe erfuhr, das sächsische Ministerium Beust das beantragte Verfahren gegen einen in Leipzig lebenden Schriftsteller nicht gestattet hatte.

II.

Nene Nerwicklungen.

Der durch den Gasteiner Vertrag hergestellte Friedenszustand zwischen Preußen und Desterreich erwies sich nicht von langer Dauer. Die Nachsicht des Freiherrn von Gablenz gegen die augustenburgische Agitationen, die, wie früher unter dem Schutz der Bundescommissäre, jetzt unter der Duldung des österreichischen Statthalters fortdauerten, erregten den Unmuth der preußischen Regierung und boten ihr zu ernsten Reclamationen den Anlaß. Herr von Gablenz stand persönlich in guten Beziehungen zum Herzog Friedrich, und dieser blieb der von Oesterreich offen begünstigte Prätendent für die Erbfolge in Schleswig-Holstein. In Holstein fanden zu Anfang des Jahres 1866 lebhafte Bestrebungen für die Einberufung der Ständeversammlung statt. Da dies mit der von Desterreich und Preußen am Bunde zugleich abgegebenen Erklärung im Widerspruch stand, so erließ Herr von Gablenz unterm 11. Januar ein Rescript an die Bundesregierung, welches unter Berufung auf die am 18. November in der Bundesversammlung von den beiden deutschen Großmächten abgegebene Erklärung, die Annahme von Petitionen, welche auf eine etwaige Einberufung der Ständeversammlung gerichtet sein sollten, entschieden ablehnte. Zum 23. Januar war in Altona eine Massenversammlung der schleswigholsteiner Vereine angesagt worden, die durch eine Bekanntmachung der Landesregierung „bezüglich der Agitation für die Ständeversammlung“ und unter Hinweis auf das Rescript des Statthalters anfänglich untersagt, später aber doch gestattet wurde. Diese Versammlung war sehr zahlreich besucht und von stürmischen Reden belebt. Resolutionen durften nicht gefaßt werden, wohl aber stimmte die Versammlung einstimmig dem von mehreren Rednern geäußerten Wunsche nach Einberufung der Stände des Herzogthums bei.

Die Duldung dieser Versammlung Seitens des österreichischen Statthalters machte in Berlin sehr böses Blut. Man hielt dort dieselbe für eine

offene feindselige Demonstration gegen die Bestrebungen Preußens und bezeichnete Holstein als den Schauplaß beinah anarchischer Zustände, deren Rückwirkung auf Schleswig nicht ausbleiben könnte und welche alle Autorität zu erschüttern drohte. Die preußische Regierung zeigte sich entschlossen, diesen Zuständen unter allen Umständen ein Ende zu machen, und Graf Bismarck richtete unterm 26. Januar eine energische Note nach Wien, die über die Handlungsweise Oesterreichs in Holstein Beschwerde führte. In diesem wichtigen Aktenstücke nimmt er zunächst auf seinen Erlaß vom 20. Januar Bezug, in welchem er die Lage der Dinge in Holstein zusammenfassend besprochen hatte, um dem österreichischen Cabinete über die Rückwirkung der Vorgänge in Holstein auf den Gesammtcharakter Preußens und Oesterreichs keinen Zweifel zu lassen. Die neuen Nachrichten von Altona nöthigten ihn darauf zurückzukommen. Man wird auch in Wien fühlen, daß die dort stattgefundene Versammlung schleswig-holsteinischer Kampfgenossen und Vereine nicht mehr nur ein einzelnes Glied in der Kette scheinbar unbedeutender Vorkommnisse bildet, über welche wir uns seit Langem zu beschweren gehabt, sondern daß sie eine entscheidende Wendung bezeichnet, bei welcher sich herausstellen muß, welchen Charakter das wiener Cabinet seinen Beziehungen zu uns geben will. Die Versammlung ist in der That eine Erscheinung, auf deren Zulassung auf dem Gebiete des österreichischen Regiments in Holstein wir selbst nach den bisherigen Vorgängen nicht gefaßt sein konnten. Eine Deteriation der anvertrauten Objecte dürfe nicht erfolgen, heißt es weiter, das sei aber der Fall, wenn das monarchische Princip beschädigt, die Autorität in Frage gestellt, die eigenen Bestimmungen verhöhnt, sogar die bestehenden Gesetze angefochten würden. Besonders schmerzlich berühre es den König Wilhelm, daß sich unter dem Schuße des Doppeladlers, der noch vor Kurzem in einem blutigen Kampfe neben dem preußischen Banner geweht habe, revolutionäre Tendenzen entfalten durften. Auf ausdrücklichen Befehl des Königs erfuche Graf Bismarck den Grafen Mensdorff, dem Kaiser mitzutheilen, wie dadurch das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Preußen und Oesterreich, welches der König so gerne hege, erschüttert und geschwächt werde. Es sei nur nöthig, daß man in Holstein die unzweifelhaft giltigen Gesetze anwende, daß man den Schmähungen in der Presse und in den Vereinen gegen Preußen ein Ende und die Einwirkungen des sogenannten Kieler Hofes auf das Land unmöglich mache, um der Beschädigung des monarchischen Princips und des Sinnes für Ordnung in der holsteinischen Verwaltung weiter vorzubeugen. Wir verlangen keine Concessionen, kein Aufgeben irgend eines österreichischen Rechtes an den Herzogthümern, sondern nur die Erhaltung des gemeinsamen Rechtes, nichts Anderes, als was Oesterreich eben so sehr seiner eigenen, als unserer Stellung schuldig ist; auch nichts Anderes, als was die kaiserliche Regierung jeden Augenblick ohne irgend ein Opfer oder eine Schädigung ihrer Interessen auszuführen

in der Lage ist. Mag dies gemeinsame Recht für Desterreich von geringem Werthe sein, für Preußen ist dessen Feststellung und Durchführung eine von ihrer Gesammtpolitik untrennbare Lebensfrage der jetzigen Regierung Sr. Majestät des Königs. Eine verneinende und ausweichende Antwort auf unsere Bitte würde uns die Ueberzeugung geben, daß die kaiserliche Regierung nicht den Willen habe, auf die Dauer gemeinsame Wege mit uns zu gehen, sondern daß die Preußen abgeneigten Tendenzen, ein, wie wir hofften, überwundener traditioneller Antagonismus gegen Preußen, welcher sich jetzt das Gebiet der Herzogthümer zum Felde seiner Wirksamkeit ausersehen hat, in ihr mächtiger sind, als das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der gemeinsamen Interessen: „es würde das für die königliche Regierung, vor Allem für Se. Majestät den König selbst, eine schmerzliche Enttäuschung sein, welche wir uns erspart zu sehen wünschen und hoffen. Aber es ist ein unabweisbares Bedürfniß für uns, Klarheit in die Verhältnisse zu bringen, wir müssen, wenn die von uns aufrichtig an gestrebte intime Gemeinsamkeit der Gesammtpolitik beider Mächte sich nicht verwirklichen läßt, für unsere Politik volle Freiheit gewinnen und von derselben den Gebrauch machen, welchen wir den Interessen Preußens für entsprechend halten. Der Augenblick ist ernst und die neusten Vorgänge, welche auch in Wien nicht mehr ignorirt werden können und deren Auffassung und Behandlung auf die Haltung und Absichten des kaiserlichen Cabinets ein für uns entscheidendes Licht werfen muß, haben die Verhältnisse zu sehr auf die Spite getrieben, als daß eine weniger offene Sprache an der Zeit wäre."

Dieses in wirkich sehr freimüthiger Sprache abgefaßte Schriftstück, welches zum ersten Male offen die Sonde an die Wunde legte, wurde von der österreichischen Regierung am 7. Februar in ablehnender Weise beantwortet. Da mit diesem Notenwechsel die Schärfung des Conflictes begann, der sich schließlich zu einem Kriege zuspitzte und die Schriftstücke selbst von hervorragendem geschichtlichen Interesse für die Beurtheilung der Stellung der beiden Reiche zu einander vor dem Kriege sind, so müssen wir auch den haupsächlichsten Inhalt der österreichischen Note und die Ausführungen derselben den preußischen Beschuldigungen und Forderungen gegenüber ins Auge fassen.

Oesterreich wies in seiner Antwort auf den blos provisorischen Charakter des Abkommens von Gastein hin, sowie darauf, daß dabei die Souveränitätsrechte Preußens und Oesterreichs in den Herzogthümern nicht getheilt worden seien, wohl aber die Art der Ausübung derselben in dem ihm unterstellten Landestheile dem freien Ermessen eines Jeden anheim gestellt worden. Obgleich die österreichische Regierung ebenfalls die Altonaer Massenversammlung nicht billigen könne, so müßte sie doch den Anspruch Preußens, über einen Akt der holsteinischen Verwaltung Rechenschaft zu fordern, entschieden zurückweisen, ,,Durch den Gasteiner Vertrag ist jedes der beiden Herzogthümer so bemerkt

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