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Zweites Buch. 1866.

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Der deutsche Bund war also, wie wir im ersten Abschnitte gesehen haben, auf Grund des von den deutschen Großmächten mit Dänemark abgeschlossenen Friedens, von der fernern Behandlung der schleswig-holstein'schen Frage und der Mitbestimmung über die Zukunft der Herzogthümer gänzlich ausgeschlossen worden. Die von einem Theile der deutschen Staaten, Bayern, Sachsen, HessenDarmstadt, auf rechtlichem Grunde bestrittenen Hoheitsrechte des Königs von Dänemark auf die Elbherzogthümer wurden in diesem Frieden an Preußen und Desterreich abgetreten und von denselben jetzt gemeinschaftlich in Anspruch genommen. Wer aber glauben wollte, daß damit die Verwicklungen zu Ende gewesen seien, und daß jezt eine schleunige und wenigstens practische Ordnung der Zukunft der schwer geprüften Herzogthümer erfolgt wäre, der bliebe in großem Irrthum. Für den, welcher die Geschichte der beiden Großmächte und ihre traditionelle Rivalität kennt, mußte die Mitbesizerschaft und gemeinschaftliche Verwaltung von Anfang an die schwersten Bedenken erregen. Dieselben waren denn auch nicht unbegründet, und schon in den ersten Wochen des Jahres 1865 begannen Reibereien zwischen den beiden Mitbesitzern sich in ernster Weise sichtbar zu machen, die aus den Meinungsverschiedenheiten der beiden CivilCommissare und ihrer sich dadurch verschieden gestaltenden Stellung der schleswig-holstein'schen Landesregierung gegenüber hervorgingen. Insbesondere bildete Herzog Friedrich von Augustenburg den Erisapfel zwischen beiden Mächten. Die Ansprüche desselben, der in Kiel zwar noch immer als Privatmann lebte, aber vom ganzen Lande und Volke als Landesherr anerkannt und geachtet wurde, waren für Preußen ein Dorn im Auge, und die Agitationen der augustenburgischen Partei bildeten den feststehenden Grund zu ernsthaften Reclamationen Preußens bei Oesterreich, welches den augustenburgischen Bestrebungen einen gewissen Schutz, ja wol auch Unterstützung angedeihen ließ.

Oesterreich befand sich durch diese Haltung in eine außerordentlich günstige Stellung versetzt, während Preußen nur überall Gegner, nirgends Bundesgenoffen fand. Das Volk der Herzogthümer hatte dem Herzog Friedrich gehuldigt, als den nach dem alten Erbrecht des Landes angestammten Fürsten, und Desterreich erwarb sich durch Begünstigung der augustenburgischen Ansprüche in diesem Volke eben so viele Freunde, als Preußen geheime und offene Gegner fand. Und nicht nur unter den Bewohnern der Herzogthümer, sondern unter dem gesammten deutschen Volke, welches laut und dringend die Beendigung dieses unleidlichen Provisoriums und zum großen Theil die Einsetzung und Anerkennung des Herzogs Friedrich forderte. Daß der neue Landesherr, welcher die Zahl der kleinen deutschen Staaten um einen weitern vermehren sollte, bei der Unfähigkeit eines so kleinen und den Gefahren einer feindlichen Invasion zuerst ausgesetzten Ländchens, sich selbst zu schützen, in ein gewisses Verhältniß zu der nördlichen deutschen Großmacht, zu Preußen, und in möglichst enge Verbindung zu demselben treten müsse, darüber waren alle Parteien einig. Nur über die Zahl und Tragweite der an Preußen zu machenden Zugeständnisse und abzutretenden Rechte war weder zwischen den beiden Mitbesitzern selbst, noch mit dem Herzog Friedrich ein Uebereinkommen zu erzielen. Unterm 21. Februar theilte das preußische Cabinet dem österreichischen bestimmt formulirte Forderungen mit, deren Erfüllung dasselbe zur Wahrung der Interessen Preußens und Desterreichs in den Herzogthümern für nothwendig halte.

Den wesentlichen Inhalt dieser sogenannten preußischen Februarforderungen bildeten folgende fünf Punkte: 1) Abtretung der Landeshoheit über den Kieler und Eckernförder Hafen, sowie über den von der Nord- nach der Ostsee zu erbauenden Kanal an Preußen. 2) Die Ueberlassung der Oberaufsicht über die Verwaltung dieses Kanals an Preußen. 3) Die maritime Abfindung mit Einräumung der Befugniß zur Aushebung von Rekruten für den Matrosendienst auf der preußischen Flotte. 4) Eine Militärconvention unter Wahrung des Bundesrechts hinsichtlich des schleswigschen Bundescontingents. 5) Die Ueberlassung der Leitung des Post- und Telegraphenwesens an Preußen, sowie die Zugestehung des Rechtes, einige bestimmte feste Plätze mit preußischen Truppen. zu besetzen.

Das österreichische Cabinet lehnte die preußischen Forderungen als unannehmbar ab, die deutschen Mittelstaaten erklärten sich gleichfalls dagegen, und Herzog Friedrich hielt sich durch dieselben zu einem Vasallen Preußens bestimmt. Die Folgen dieser Differenzen konnten nicht ausbleiben, und sie thaten sich auch in der gemeinsamen Verwaltung der Herzogthümer durch die deutschen Großmächte durch immer weniger gemeinsames Handeln kund. Einzelne selbstständige Verfügungen des preußischen Civilcommissars erregten die Unzufriedenheit des Mitbesitzers, weshalb in der ersten Hälfte des März von Wien aus erneuerte

Instructionen an den österreichischen Civilcommissar, Herrn von Halbhuber abgingen, „behufs strengster Handhabung des Mitbesißes, laut Art. 3 des Friedensvertrages." Am 27. März brachten die mittelstaatlichen Regierungen von Sachsen, Bayern und Großherzogthum Hessen bei der Bundesversammlung einen Antrag ein, der die glänzenden Erfolge der österreichisch - preußischen Waffen feiert, durch welche die Trennung der Herzogthümer von Dänemark nun auch völkerrechtlich festgestellt worden ist, zugleich aber betont, daß für Deutschland die Frucht, welche aus dem Siege einer Nation hervorzugehen pflege, noch nicht gewonnen sei: die innere Befriedigung und das gehobene Machtgefühl, welche zumal aus einem Siege des Rechts hervorgehen sollen. Die Andeutung, daß aus diesem Mangel die Gefahr des Gegentheils der innern Eintracht drohe, wenn nicht die brennenden Fragen erledigt würden, folgt die Erwähnung der Geneigtheit Preußens und Oesterreichs, die Herzogthümer an den rechtmäßigen Regierungsnachfolger abzutreten, und wird, bei dem Mangel eines Gerichtshofes für derartiges processualisches Verfahren, für Holstein und durch dessen unbestrittene Zusammengehörigkeit mit Schleswig, auch für dieses Herzogthum die deutsche Bundesversammlung, auf Grund der von ihr bereits angestellten Erörterungen über die Erbfolge, als die zur Entscheidung competente Behörde bezeichnet. Der also eingeleitete Antrag lautete: Hohe Bundesversammlung wolle unter Vorbehalt weiterer Beschlußfassung die vertrauensvolle Erwartung aussprechen, es werde den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preußen gefallen, dem Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg das Herzogthum Holstein in eigene Verwaltung nunmehr zu übergeben, bezüglich der wegen des Herzogthums Lauenburg aber unter ihnen getroffenen Vereinbarungen der Bundesversammlung Eröffnung zugehen zu lassen."

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Wie ernst es die mittelstaatlichen Cabinette mit diesem Antrag meinten, bezeugt eine offiziöse Betrachtung, die von Darmstadt aus sofort in die Organe der betheiligten Regierungen überging. Die wesentliche Stelle in derselben besagte: „Wird der Antrag angenommen, so würde noch wegen Anerkennung und Zulassung des Herzogs Friedrich und event. wegen Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund eine weitere Beschlußfassung der Bundesversammlung erforderlich sein. Geht aber die vertrauensvolle Erwartung" demnächst nicht in Erfüllung, so wird die Bundesversammlung ebenfalls nicht umhin können, Mittel und Wege zur endlichen Lösung der Herzogthümerfrage in Erwägung zu ziehen. Die antragstellenden Regierungen haben denn auch den „Vorbehalt weiterer Beschlußfassung" ausdrücklich in den Antrag aufgenommen und dadurch zu erkennen gegeben, daß ihrer Ansicht nach, mit dem Ausdruck einer „vertrauensvollen Erwartung" die Sache nicht abgethan, vielmehr ein weiteres Verfahren am Bunde in Aussicht stehen soll. Wir haben den Antrag eine Mahnung an die deutschen Regierungen zur Erfüllung der Bundespflicht genannt.

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