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centriren. Wer aber war diese neu auftauchende Armee? Bourbati mit seinen Streitkräften, der dem Prinzen Friedrich Karl abhanden gekommen war.

Nach Gambetta's Plane sollte Bourbaki seine Stellung bei Langres aufgeben, Werders kleine Macht über den Haufen werfen, Belfort entsetzen, Elsaß mit Mühlhausen und Straßburg wiedergewinnen, die Hauptverbindung zwischen Deutschland und Paris abschneiden, in das wehrlose Süddeutschland einbrechen, die französischen Gefangenen befreien und mit diesen vereint die derweil durch Hunger und Schrecken demoralisirten deutschen Armeen in Frankreich vernichten. Es war ein schwindelnder Plan, ein schöner Gedanke, aber auch hier kam es anders!

Am 2. Januar hatte Bourbaki Dijon erreicht und bei einem energischen Vordringen mit vielfacher Uebermacht hätte der gefährliche Plan wohl gelingen können, wenn nicht in Faidherbes Armee Manches faul gestanden hätte. Auf deutscher Seite dirigirte man schleunigst Hilfstruppen auf die bedrohten Punkte und stellte die dortige Armee unter Manteuffels Befehl, der im Norden im kritischen Augenblicke unschädlich gemacht worden war. Die Belagerung von Belfort wurde forcirt und in mehreren kleinen Gefechten errangen die Deutschen Vortheile.

Da am 15. Januar wurde Werder in seiner Stellung bei Montbeliard, die er zum Schuße der Belagerungsarbeiten vor Belfort eingenommen, von 4 französischen Corps mit sehr starker Artillerie angegriffen. Drei Tage lang wüthete hier der Kampf, es war vielleicht der kritischste Moment des ganzen Krieges; drei Tage lang hielt das kleine Häuflein die wüthenden Anstürme der ganzen Bourbakischen Armee aus. Aber die Deutschen standen wie die Mauern, nicht achtend der Kälte, nicht des heißen Kampfgewühls und der dicht hagelnden Geschosse. Sie hatten sich das Wort gegeben: Hier kommt Niemand durch!

und es ist Niemand durchgekommen. An dem Widerstande dieser über alle Maßen Braven zerschellte Gambetta's Plan. Nach 3 tägigem Ringen zog sich Bourbaki auf Besançon zurück, Werder folgte ihm, griff ihn an und siegte am 18. bei Albevillers abermals . . .

Ihre heldenmüthige dreitägige siegreiche Vertheidigung Ihrer Position, eine belagerte Festung im Rücken, ist eine der größten Waffenthaten aller Zeiten" schrieb König Wilhelm an Werder, und diese Anerkennung wiederhallte in ganz Deutschland, wo man die drohende Gefahr voll begriffen hatte, und sich nun beeilte, der heldenmüthigen Schaar und ihrem Führer auch den Dank des Volkes zu zollen.

Bourbaki's Armee hatte sehr, auch durch die Kälte, gelitten. War das der Grund, daß er bei Besançon zögerte, sich sofort zur Vereinigung mit Garibaldi zu wenden, oder war es der Befehl Gambetta's, der ja Niederlagen nie begriff, sondern immer wieder an Sieg glaubte, kurz Bourbaki ließ den

heranziehenden deutschen Verstärkungen Zeit, ihn längs der Schweizer Grenze völlig einzuschließen.

Gerade jetzt fanden vor Paris Waffenstillstandsverhandlungen statt. Aber Gambetta's Lügentelegramme, die von Bourbaki's Siegen fabelten, während derselbe in Wirklichkeit eingeschlossen war, veranlaßten Jules Favre, die Kämpfe im Elsaß vorläufig von den Verhandlungen auszuschließen. Es wurde deutscherseits zugestanden und Bourbaki in die traurige Alternative versezt, entweder die Waffen zu strecken oder nach der Schweiz überzutreten und dort entwaffnet zu werden. Um sich aus diesem Dilemma zu reißen, griff der französische Feldherr zum radikalsten Mittel, zum Selbstmord. Er versuchte, sich durch einen Pistolenschuß in den Mund zu tödten, zerschmetterte den Kinnbacken, ward aber wieder geheilt.

Am 1. Februar trat die Armee, 80,000 Mann, nach der Schweiz über, wurde daselbst entwaffnet und internirt. Die Generäle Cremer und Garibaldi mußten jetzt erkennen, daß auch ihnen das Schicksal, eingeschlossen zu werden, drohte, wenn sie bei Dijon verharrten. Nach einigen kleinen Gefechten, von denen eins bei Dijon für die Garibaldianer siegreich ausfiel, wobei eine preußische Fahne, deren Träger im Walde erschossen worden war, in ihre Hände fiel, retteten sie ihre Truppentheile südwärts. Dijon wurde am 1. Februar von den Deutschen wieder besetzt.

Die Festung Belfort widerstand noch immer; obgleich am 8. Februar ihre beiden wichtigsten Werke, Haute- und Basse-Perche, erstürmt worden waren. Erst die Verlängerung des Waffenstillstandes, der dann auch auf Elsaß ausgedehnt wurde, brachte die Uebergabe von Belfort, das am 18. Februar deutscherseits besetzt ward.

XXII.

Die Capitulation von Paris und der Friede.

Nach allen diesen Niederlagen, mit denen verunglückte Ausfälle aus Paris Hand in Hand gingen, konnte über das endliche Geschick der Hauptstadt kein Zweifel mehr obwalten. Nach den erfolglosen Ausfällen im November und in den ersten Dezembertagen blieb sein Fall nur noch eine Frage der Zeit, die lediglich von dem Abnehmen der Lebensmittel abhing. Auf deutscher Seite wurden die sehr schwierigen Vorbereitungen, um den Widerstand durch ein Bombardement abzukürzen, ohne Störung forgesetzt. Einzelne Vorstöße vom Mont Valerien aus blieben ohne Erfolg und an die Zuckerhüte hatte man sich deutscherseits so gewöhnt, daß etwas vermißt wurde, wenn einmal „Onkel Bullrian“ feinen Morgengruß spendete.

Vom 19.-22. Dezember fanden wieder einige erfolglose Ausfälle statt, die den östlich vom Fort Rosny gelegenen schwer armirten Mont Avron zum Ziele hatten. Dieses fortificatorische Vorwerk that den Deutschen mit seiner Artillerie viel Schaden, so daß man sich desselben zu bemächtigen beschloß. Schnell und von den Franzosen unbeachtet wurden bei Montfermeil und Noissy deutsche Belagerungsbatterien aufgeführt, von denen am 27. Dezember die Beschießung des Mont Avron begann. Die Wirkung war so gewaltig, daß die französischen Geschütze bald schwiegen und die Franzosen über Nacht die Stellung räumten und die Geschütze nach Paris retteten. Diese Beschießung gab den Parisern einen Vorgeschmack von der Wirkung deutscher Geschütze. Am 29. Dezember wehte die deutsche Fahne vom Mont Avron, das vom 12. Corps besetzt war. Der Verlust dieser wichtigen Stellung nöthigte die Vertheidiger, ihre außerhalb des Forts stehenden Truppen in die Stadt zurückzuziehen, da dieselben den Geschossen vom Mont Avron ausgesetzt waren.

Endlich nachdem in Deutschland die Ungeduld aufs Höchste gestiegen, ward die Beschießung von Paris eröffnet, die das Verfahren abkürzen und die Strapazen unserer braven Soldaten beenden sollte.

Das Bombardement begann auf der Ostfront, erweiterte sich am 5. Jan. auf die Südfront, am 6. auf die Nordfront. Der vielbesprochene Streit, ob die deutschen Geschosse überhaupt die Riesenstadt erreichen würden, erledigte sich schnell, als die Geschosse nicht nur in den Forts wütheten, sondern Tod und Schrecken weit darüber hinaus, bis mitten in Paris trugen. Täglich wurden neue Batterien errichtet, während die Franzosen von Forts und Wällen das Feuer kräftig erwiderten. Das Bombardement, welches ganze Stadtviertel unsicher machte, Feuersbrünste erzeugte, Menschen tödtete, wurde den Belagerten äußerst unbequem und sie drängten Trochu, daß er durch Thaten, durch Ausfälle, diesen schrecklichen Zustand beendigen sollte. Trochu gab nach und sexte vom 8. Januar an wieder eine Reihe verlustreicher Ausfälle in Scene.

Am 8. kämpfte man bei Malmaison, am 9. bei Rueil, am 10. an der Straßburger Eisenbahn und in der Nacht vom 13. zum 14. fanden sehr heftige Ausfälle gegen die Stellungen der Garden auf dem blutigen Plane von Le Bourget, gegen das 12. Corps bei Meudon und das 2. bayrische Corps bei Clamart statt, überall erfolglos. Am 19. Januar geschah um 11 Uhr ein neuer Ausfall mit sehr bedeutenden Streitkräften vom Mont Valerien, der bald genug den Umfang einer Schlacht annahm, blutig und hartnäckig stundenlang tobte, bis die hereinbrechende Nacht der Wuth ein Ziel setzte.

Die Franzosen hatten wieder nichts erreicht, wohl aber schwere Verluste erlitten, so daß Trochu um 48 Stunden Waffenruhe nachsuchte. Die Kriegsklugheit zwang jedoch das deutsche Hauptquartier, dies abzulehnen. Man durfte den Schrecken der Belagerung nicht unterbrechen, deshalb donnerten die Geschütze mit ungeschwächter Heftigkeit und schleuderten die Geschosse bis mitten hinein in die Wohnungen der hungernden und frierenden Bevölkerung, um endlich den Widerstand zu brechen. Die Niederlage am Mont Valerien hatte die letzten Hoffnungen vernichtet, der Anblick der Verwundeten und Flüchtigen war entsetzlich und wirkte niederschmetternd auf die Bevölkerung, die unter Hunger, Kälte und Granatfeuer ein Dasein mit Schrecken führte.

Trochu hatte in Folge der Niederlage abgedankt und Vinoy, der an seine Stelle trat, fand nur eine Erbschaft der Verzweiflung vor. Die Noth war auf's Höchste gestiegen, jede Stunde Zögern konnte, da alle Aussichten auf Entsag vernichtet waren, nichts mehr retten, sondern nur Hunderte, Tausende dem Hungertode überliefern.

Mit schwerem Herzen begab sich Jules Favre am 24. Januar in's Hauptquartier, um über die Capitulation zu verhandeln. Die Veränderung, welche die Belagerung an Favre hervorgebracht hatte, sprach für die Zustände

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in Paris mit herzzerreißenden Zeichen. Bismarck ließ vor Allem ein Diner für den Gast holen, dann begannen die Unterhandlungen. Heute konnte nicht mehr von keinem Fußbreit Land", von „keinem Stein der Festungen" die Rede sein, die Unterhandlungen kamen am 28. Januar zum Abschluß. Jules Favre und Bismarck unterzeichneten eine Vereinbarung für drei Wochen Waffenstillstand zu Wasser und zu Lande, auf Favre's Verlangen mit Ausnahme des KriegsTheaters im Elsaß, von wo Gambetta Siege meldete.

Ferner wurde Folgendes bestimmt: Die Pariser Armee, Linie und Mobile, bleibt kriegsgefangen in Paris. Die Nationalgarde übernimmt die Aufrechterhaltung der Ordnung. Die Deutschen besetzen sämmtliche Forts, Paris bleibt eingeschlossen, darf sich aber verpflegen, sobald die Waffen ausgeliefert sind. Eine constituirende Versammlung soll binnen 14 Tagen nach Bordeaux berufen werden und die Armeen im freiem Felde sollen ihre resp. Landstrecken besetzt halten, resp. mit Neutralitätszonen zwischen sich.

Am 29. Januar wurden die Forts von den deutschen Truppen besetzt und die Fahnen Deutschlands wehten lustig über der besiegten Hauptstadt, die jezt kein Zucken des Widerstandes mehr wagen durfte. Die größte Festung der Welt war nach unerhörtem Widerstande auf der einen, nach unerhörten Anstrengungen auf der andern Seite gefallen, und sehr wahr lautete das Wort des Königs im officiellen Telegramm: „Dies ist der erste segensvolle Lohn für den Patriotismus, den Heldenmuth und die schweren Opfer. Ich danke Gott für diese neue Gnade; möge der Frieden bald folgen."

Der Wunsch des greisen Monarchen sollte sich erfüllen. Die Wahlen für die französische Nation wurden ausgeschrieben, fanden in voller Freiheit statt, wobei Gambetta, der dies hatte verhindern wollen, seine Entlassung nahm, und die National - Versammlung trat am 12. Februar in Bordeaux zusammen. Diese National-Versammlung, in deren Hände die Regierung der Nationalvertheidigung ihr Amt niederlegte, erwählte Thiers zum Chef der Executivgewalt nnd eine Commission von 15 Mitgliedern, welche der Executivgewalt bei den Friedensverhandlungen zur Seite stehen sollte. Lettere begannen sofort, der Waffenstillstand war bis zum 6. März verlängert worden, — und führten am 26. Februar zum Abschluß der Friedenspräliminarien, welche folgende Bestimmungen feststellten: 1. Frankreich verzichtet zu Gunsten des deutschen Reichs auf ein Fünftel von Lothringen, darunter Metz und Thionville, ferner auf das Elsaß, ausschließlich Belfort.

2.

Frankreich zahlt 5 Milliarden Francs, und zwar eine Milliarde im
Jahre 1871, den Rest in einer Frist von 3 Jahren.

3. Die Räumung des Landes wird unmittelbar nach Ratification des
Vertrags beginnen, und zwar werden die deutschen Truppen zuerst das
Innere von Paris und verschiedene Departements, darunter vorwiegend

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