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Josephine", die später als Trophäe nach Berlin gewandert ist, spie seine länglich geformten Explosionsgeschosse, die sogenannten „Zuckerhüte“, gegen die feindlichen Linien.

Unter der belagerten Armee schienen die vielen erfolglosen Ausfälle eine Art Erschlaffung erzeugt zu haben, die für weitere Versuche, die feindlichen Linien zu durchbrechen, wenig Hoffnung gab. Vielleicht wollte Trochu auch nur seine Kräfte schonen und weiter heranbilden, um dann mit um so größerer Gewalt neue Vorstöße zu unternehmen, sobald die Hilfsarmeen, die zum Entsaße von Paris in ganz Frankreich rüsteten, zur Stelle wären, um den Deutschen in den Rücken zu fallen. Wieder ein schöner Gedanke und wieder kam es anders. Kurz und gut, nach dem Kampfe von Bourget wurde es still vor Paris den ganzen Monat November hindurch, und immer wieder meldete der Telegraph dem ungeduldig harrenden Deutschland v. Podbielski's eintöniges aber officielles: „Nichts Neues vor Paris."

XXI.

An der Loire und im Norden.

Während es in und vor der belagerten Hauptstadt still geworden war, ging es in den Provinzen um so lebhafter zu. Nach der Capitulation von Straßburg, wo eine Besaßung verblieb, waren die badische Division und die mit ihr verbundene preußische Brigade unter dem Commando Werders nach Südosten Frankreichs vorgedrungen und besetzten am 31. October Dijon.

Unterdeß war aber auf diesem Theile des Kriegsschauplazes ein Mann aufgetaucht, der die, wie er glaubte, von den deutschen Machthabern bedrohte Republik retten wollte.

So wenig republikanisch, ja so ungerecht und gewaltsam diese Republik den deutschen Siegern gegenüber auftrat, anstatt die blutige Schuld des Kaiserthums zu fühnen, das diesen schlimmen Krieg angezettelt hatte: es fanden sich doch, selbst in Deutschland, Menschen, die in einer krankhaften Sympathie vor dem bloßen Namen Republik in Extase gerathen waren, und gemeint hatten, vor diesem ehrfurchtgebietenden Namen müsse Alles die Waffen strecken, müßten die deutschen Armeen schleunig umkehren und Alles gut sein lassen, was an dem deutschen Vaterlande bereits verbrochen worden war.

Zu diesen Schwärmern gehörte auch der alte Freiheitskämpe Garibaldi. Dieses idealistische alte Kind hatte in seiner Begeisterung der französischen Republik seine Dienste angeboten und diese sie angenommen. Bereits am 6. October traf Garibaldi, enthusiastisch begrüßt, in Marseille ein, wo sein Name den alten Zauber übte, begab sich nach Tours zur Regierung und erhielt den Oberbefehl über sämmtliche irregulären Streitkräfte. Sofort brach er auf, um das weitere Vordringen der Deutschen im südöstlichen Frankreich zu hindern. In Besançon traf er am 14. October ein, wo seine Söhne, sein Schwiegersohn, viele italienische Freunde und Anhänger sich um ihn sammelten, während andere Gesinnungsgenossen sein Vorhaben laut misbilligten.

Die Deutschen hatten ihren Vormarsch fortgesetzt und trafen am 15. Novb. in Dôle ein, während einzelne ihrer Abtheilungen ohne Aufenthalt westlich drangen. Garibaldi hatte sein Hauptquartier in Autun, und am 19. November errang Menotti bei Chatillon wirklich einige Vortheile über ein vorgeschobenes deutsches Detachement. Darob war der Jubel in Frankreich groß. Der Zauber des Namens Garibaldi's wirkte selbst gegen die Deutschen, die Arme der Sieger brächen, Garibaldi werde Wunder thun für Frankreich.

Zuversichtlich gemacht durch die kleinen Erfolge griffen am 22. November Garibaldianer die Deutschen bei Nuits an. Fünf Stunden lang wurde gekämpft, ohne entscheidendes Resultat, die Franzosen aber erblickten schon nichts mehr als Siege und sahen sich am Wendepunkt ihres Geschickes. Die große Nation konnte gar nicht unterliegen. Nun versuchte Garibaldi, die Stellung Werders bei Dijon zu umgehen; allein die Deutschen waren auf ihrer Hut und schlugen in der Nacht des 26. November den dreimal wiederholten Angriff der Garibaldianer schließlich mit solcher Wucht zurück, daß die Rothhemden Waffen und Gepäck wegwarfen, und in wilder Unordnung flohen.

Der Zauber war gebrochen. General Werder ging nun selbst zum Angriff über, holte den Nachtrab Garibaldis bei Pasques ein, schlug sie abermals in die Flucht und zwar so entschieden, daß Garibaldi mit seinem Corps vorläufig mattgesetzt war und zu wichtigen Unternehmungen unfähig. Außerdem hatte man einen Theil seiner Armee an die Loire entführt, wo sich unterdeß bedeutsame Ereignisse entwickelt hatten.

Man hat oft das Wort gehört: Paris ist Frankreich, und der letzte Krieg hat die Wahrheit desselben erwiesen, gezeigt, wie Frankreich in Paris durchweg das Herz Frankreichs erblickt. Paris in Gefahr! Der Feind vor Paris! Das hatte genügt, die ganze Nation zu electrisiren, es entzündete einen Volkskrieg im ausgedehntesten Umfange. In allen Provinzen entbrannte Kampfeswuth, die Bewaffneten wuchsen gleichsam aus dem Boden und suchten nach Führern, die sie organisiren sollten.

Mit richtigem Jnstincte erkannte auch Gambetta, daß Paris nur durch eine Erhebung der ganzen Nation gerettet werden könne, und der thatkräftige unternehmende Mann beschloß den Versuch zu machen. Paris war in Trochu's Händen sicher, deshalb flog Gambetta in den ersten Oktobertagen mit einem Luftballon in Paris auf, nach Tours. Mit feurigen Proklamationen, in denen er, ohne irgendwie mit der Wahrheit scrupulös umzugehen, den Haß gegen die Deutschen systematisch schürte, regte dieser hochbegabte Mann das Nationalbewußtsein der Franzosen an und schwang sich zu einer so umfassenden dictatorischen Gewalt empor, wie sie kein Monarch in Frankreich jemals besessen hat.

Gambetta's Plan war, den Deutschen vor Paris in den Rücken zu fallen und die Hauptstadt zu entsetzen. Mit drei neugeschaffenen Armeen, deren eine

im Norden bei Lille, die andere im Westen bei Alençon, die dritte an der Loire gebildet wurde, wollte er das Riesenwerk vollbringen. Hätte Gambetta die Heere aus der Erde stampfen können, so wäre es vielleicht gelungen. Aber um Armeen zu schaffen und auszurüsten, gebraucht man neben vielen anderen Dingen Zeit, obgleich Waffen und Munition schiffsladungsweis aus England und Amerika geliefert wurden. Und da auch der französische Nationalcharacter alle Unternehmungen der Franzosen eher in vergrößertem Maßstabe ausposaunt, als ein Mal verschweigt, so fanden diese Armeen, als sie endlich schlagfertig waren, sich genügenden deutschen Kräften gegenüber, die ihnen Niederlage auf Niederlage bereiteten, während Gambetta freilich nur von Siegen und Millionen massacrirter Deutscher erfuhr und dies der großen Nation auftischte. O da Lügenprophet! Ja, es muß gesagt werden, Gambetta wetteiferte in diesem falschen Patriotismus mit den größten Lügenvirtuosen aller Zeiten. Er erlog den niegesehenen Sieg mit einer schaudererregenden Meisterschaft; noch als Alles schon rettungslos verloren war, nährte er die Hoffnung Frankreichs mit den Ausgeburten einer zügellosen Phantasie, täuschte er die unglücklich berathene Nation und preßte ihr das letzte Mark aus, um eine unwiderruflich verlorene Sache zu vertheidigen. Gambetta's Lügen unterhielten und schürten fortgesetzt den Krieg, als jede Hoffnung auf Sieg unwiderruflich geschwunden war, und so hat dieser Mann, in dem fanatischen Wahne, sein Volk zu retten, dasselbe gerade in das allertiefste Elend gestürzt und unsäglich mehr Unheil über Frankreich gebracht, als selbst Napoleon III. mit seiner frevlen Kriegserklärung.

Im deutschen Hauptquartier beobachtete man die neueren Heerbildungen französischer Armeen natürlich mit dem gebührenden Mißtrauen, und die Cavallerie schwärmte nach allen Richtungen aus, um den Rücken der Belagerungsarmee frei zu halten, die Formation eines Heereskörpers möglichst zu stören, und sich etwa zeigende feindliche Abtheilungen zu zerstreuen. Es fanden einzelne kleine Gefechte statt, die jedoch nicht verhinderten, daß die Loire-Armee schließlich fertig ward und sich gegen Toury vorschob. General v. d. Tann mit dem 1. bayrischen Corps erhielt Befehl, ihr entgegen zu gehen. Er erhielt außerdem die 22. Infanterie-Division und eine Cavallerie-Division mit.

Schon am 5. und 6. October fanden kleine Gefechte statt, am 9. zersprengte v. d. Tann die Vortruppen der Loire-Armee bei Etampes, schlug am 10. eine feindliche Division bei Artenay und folgte dem sich auf Orleans zurückziehenden Feinde so schnell, daß derselbe den Fluß nicht mehr überschreiten konnte, sondern vor demselben Stand halten mußte. Hier kam es am 11. October von Vormittags 10 Uhr an zu einer 9 stündigen Schlacht, in welcher die Franzosen vollständig geschlagen und über die Loire geworfen wurden.

Natürlich erlitten die Franzosen starke Verluste. Gegen Tann's Befehl, der von einem nächtlichen Straßenkampf unnüße Verluste befürchtete, stürmten

die siegestrunkenen Bayern noch Nachts die Stadt, die von Zuaven eine Weile vertheidigt wurde. Dem Maire wurde befohlen, die Stadt erleuchten zu lassen, während die Deutschen in die Stadt einrückten und auf dem großen Plaße der Jungfrau ein Bivouak aufschlugen, dessen Feuer das Standbild der Retterin Frankreichs beleuchtete. Gleichzeitig hatte die 6. deutsche CavallerieDivision eine Flankenbewegung gegen Chartres gemacht, wobei stärkere feindliche Abtheilungen bemerkt wurden. In Folge dessen ging die 22. Division von Orleans aus gegen Chateaudun, schlug daselbst am 18. October ein 4000 Mann starkes Lager Franctireurs, die von den Weinbergen aus den Zugang zu der. verbarrikadirten Stadt tapfer vertheidigten, und erzwang mit Artillerie den Zugang zur Stadt. Am 27. wurde auch Chartres in Besitz genommen, welches auf Androhung eines Bombardements her von den Mobilgarden schleunig geräumt ward.

Aber trotz dieser Siege hielt man es gegenüber der fieberhaft betriebenen Wiederherstellung der Loire-Armee unter General Aurelles de Paladine deutscherseits für nöthig, die deutschen Streitkräfte an der Loire zu verstärken. Deshalb wurde der Großherzog von Mecklenburg, der eben Toul und Soissons zur Uebergabe gezwungen hatte, mit einem Theil des 13. Armeecorps und der württembergischen Division zum gemeinsamen Handeln mit v. d. Tann bestimmt.

Um dieselbe Zeit capitulirte endlich Metz und ein paar hunderttausend Mann deutsche Soldaten wurden frei, um auf dem westlichen Kriegsschauplatze mit einzugreifen. Der Fall von Metz riß deshalb Gambetta und Genossen zu den heftigsten Wuthausbrüchen und Beschuldigungen gegen die Vertheidiger von Metz hin, weil sie doch nicht genug verblendet waren, um den Schlag nicht voll zu fühlen, welchen der Fall von Metz ihren Entsatzplänen gab. Doch noch waren die Truppen von Mez nicht auf dem Plaze und mit verzweifelter Hast wurde an der Neubildung der französischen Armee gearbeitet, um vor Ankunft derselben einen entscheidenden Schlag zu thun.

Die französische Nordarmee war von Bourbaki befehligt, die sogenannte Westarmee vom Grafen Keratry und die Loire-Armee von Aurelles de Paladine. Die letztere war schon Anfang November, noch ehe die Deutschen von Metz anlangten, wieder schlagfertig. Durch algerische Truppen, die römische Brigade und Freiwillige war sie auf 80,000 Mann meist wohlgeübte Truppen gebracht mit denen Aurelles sofort zum Angriff überging. - Er machte eine geschickte strategische Bewegung, um v. d. Tann zu umgehen, ihn von seiner Rückzugslinie abzuschneiden und gleichzeitig auf Paris zu marschiren. Gambetta selbst war bei dieser Armee, um ihre Anstrengungen zu befeuern. Allein v. d. Tann wurde diese für ihn höchst gefährliche Bewegung rechtzeitig gewahr, zog seine Truppen bei Orleans zusammen, räumte diese Stadt am 7. November und zog sich fechtend vor der Uebermacht auf Toury zurück, wo er sich mit den

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