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VII.

Nach dem Frieden.

Durch den wiener Frieden war nun zwar die Lostrennung der Elbherzogthümer von Dänemark entschieden, nicht aber wurden durch denselben die innern Streitigkeiten in Deutschland, Competenz in den Erbfolgefragen, gelöst; im Gegentheil fanden dieselben in dem Abtretungsartikel des Friedensvertrags nur neue Nahrung. Zwischen den beiden deutschen Großmächten und den übrigen Mitgliedern des deutschen Bundes herrschten nach wie vor Gereiztheit und Unzufriedenheit, und die Differenzen zwischen den alliirten Mächten selbst, über die Zukunft der von Dänemark an sie abgetretenen Herzogthümer, die im Jahre 1866 zu einem neuen Krige führten, lagen schon damals so nahe, daß keine sonderliche Prophetie zu dem Palmerstonschen Ausspruche gehörte: Schleswig-Holstein würde noch zum Zündhölzchen für europäische Verwickelungen werden.

Das Vorgehen der deutschen Großmächte war seiner Zeit, wie erinnerlich, ohne Zustimmung des deutschen Bundes, ja entgegen einem Beschlusse desselben geschehen. Die Commissare des Bundes in Holstein zeigten sich deswegen auch nicht sonderlich bemüht, die preußisch-österreichischen Unterhandlungen zu fördern. Zugleich stellten sie sich zu dem in Kiel weilenden Herzoge Friedrich von Augustenburg sehr freundlich und ließen die Agitationen desselben und seiner Partei in Holstein ungestört geschehen, wie sie den Huldigungen nicht wehrten, welche demselben gleich einem bereits anerkannten Landesherrn dargebracht wurden. Die Reclamationen, welche Preußen und Oesterreich deswegen erhoben und die auf eine Entfernung des Herzogs hinaus liefen, fanden kein geneigtes Ohr bei den Bundescommissarien, die sich vom Herzog Friedrich nur die Versicherung geben ließen, daß er, bis zur Entscheidung der Erbfolgefrage, selbst in Holstein nur als Privatmann leben wolle. Hiermit wies man die Beschwerden der verbündeten Mächte ab, und den freiwilligen Huldigungen des Volkes für den Herzog wurde nicht gewehrt. Ja die Vertreter des Bundes zogen aus ihrer

Machthabung in Holstein und aus ihrer Begünstigung der Erbansprüche des Augustenburgers nicht ungern die Veranlassung, Revanche für die Hintenansetzung des Bundes und seiner Beschlüsse durch die verbündeten Mächte zu nehmen. Unter solchen Umständen konnte die Wirkung der Augustenburgischen Erbansprüche auch auf Schleswig nicht ausbleiben. In jedem durch die verbündeten Armeen von der Herrschaft der Dänen befreiten Orte Schleswigs erfolgte sofort die Proklamirung des Herzogs Friedrich, und Huldigungsdeputationen gingen an ihn nach Kiel ab, wo er, von einem Ministerium umgeben, zwar noch nicht die Functionen des Landesherrn ausübte, aber allgemein und ungestört als solcher betrachtet wurde. Die Verbote der von Preußen und Oesterreich eingesetzten Civilcommission gegen die Proklamation des Augustenburgers fruchteten daher gar nichts, so lange derselbe gleichsam den officiellen Schutz des deutschen Bundes genoß.

Die in Kriegsweise erfolgten Maßregeln Seitens der Verbündeten, besonders ihre Mitbesetzung Holsteins, waren auch nicht dazu geeignet, die herrschende Gereiztheit zu beseitigen. Vor allem war es die volle Rücksichtslosigkeit der Preußen bei der Ablösung der sächsischen Truppen in Rendsburg, welche die Gemüther erbitterte und besonders die in Sachsen und der sächsischen Armee ohnehin vorhandene Gereiztheit und zwar nicht ohne Berechtigung vermehrte. Nur der humanen Handlungsweise des Generals von Hake, welcher die menschlichen Tugenden über falsche Vorurtheile stellte, und unter Protest mit seinen Soldaten der Gewalt wich, blieb es zu verdanken, daß nicht schon damals durch Preußens Verschulden vor der Rendsburger Hauptwache deutsches Blut im Bruderkampfe floß. Die selbstverleugnende Handlungsweise von Hake's hat von militairischer Seite manchen Tadel erfahren, aber die Gebildeten aller Völker haben dieselbe ebenso gebilligt, wie sie das ungerechtfertigte Auftreten der Preußen verurtheilten. Es muß überdies hervorgehoben werden, daß Preußen selbst sich bei den über diese Affaire angestellten Verhandlungen sofort zum Gutmachen der gegen die deutschen Bundestruppen begangenen Uebereilung bereit erklärte, und das officielle dresdener Journal konnte sehr bald melden, daß die königlich preußische Regierung die in Rendsburg und zwar in der zuletzt daselbst innegehaltenen Stärke wiederum einrückenden Bundesexecutionstruppen mit allen militairischen Ehren dort würde empfangen lassen. Dieses geschah und der Zwischenfall war damit ausgeglichen.

Nach dem Abschluß des Friedens zwischen Preußen und Desterreich und Dänemark begannen zwischen den Mächten und dem Bunde sofort Competenzconflicte über den nunmehrigen Besitz und die fernern Rechte des Bundes in Holstein und Lauenburg. Die Auffassung der beiden Großmächte war folgende: Mit der Ratification des Friedensvertrags sind Preußen und Oesterreich die Rechtsnachfolger der Krone Dänemark in den Herzogthümern Schleswig-Holstein und

Lauenburg geworden. Sie haben alsdann 1. diese Gebiete in völkerrechtlicher Beziehung dem Auslande gegenüber und 2. die Herzogthümer Holstein und Lauenburg beim Bunde zu vertreten, sowie 3. Regierungspflichten und Rechte gegen die Staatsangehörigen übernommen. Den sächsisch-hannoverschen Truppen, welche nach der Vereinbarung zwischen den Executionsregierungen mit Genehmigung des Bundes in die deutschen Herzogthümer zur Beseitigung eines etwaigen Widerstands Dänemarks oder zur Herstellung der Ordnung eingerückt waren, steht vom Augenblicke des Friedensschlusses an keine Berechtigung mehr zu, in Holstein und Lauenburg ferner zu verbleiben; sondern es liegt den vier Executionsregierungen nur noch ob, in Folge des neu eingetretenen völkerrechtlichen Verhältnisses, dem Bunde die Anzeige zu machen, daß die Execution gegenstandslos geworden ist. Nach Art. 13 der Executionsordnung müsse daher die Aufhebung des Executionsbeschlusses erfolgen und ohne Verzug der Rückzug der Truppen aus dem mit der Execution belegten Staate stattfinden.

Dieser Anschauung der Großmächte stand die des größten Theils der Bundesregierungen entgegen, die dem gegenwärtigen Könige Dänemarks seine auf das londoner Protocoll fußenden Rechte auf Holstein überhaupt bestritten und demgemäß folgerten: daß derselbe Rechte, die er gar nicht besessen hat, auch nicht an Preußen und Desterreich abtreten konnte. Von der Lösung der Rechtsfrage am Bunde müsse es also abhängen, wer von demselben auf Grund der Landesgesetze als Thronfolger anerkannt würde; Preußen und Oesterreich aber könnten über das Schicksal Holsteins nicht selbstständig entscheiden. Schleswig complicire zwar die Frage etwas, doch müsse sich auch hier die correcte Lösung unschwer regeln. Denn gilt in Schleswig und Holstein dasselbe Erbfolgegesetz und bilden beide Staaten ein untheilbares Ganzes, so sind Oesterreich und Preußen als Bundesstaaten verpflichtet, den Rechten, welche der Herzog von Holstein und Schleswig hat, zu weichen, und können aus der Entsagung des Königs von Dänemark für sich hier kein Recht ableiten. Ob dann Schleswig später in den deutschen Bund aufgenommen werden soll, unterliegt der Entscheidung der betreffenden Autoritäten, nämlich des Herzogs, seiner Stände und der Bundesversammlung.

Zu diesen sehr abweichenden Anschauungen in der Rechtsfrage kamen noch diejenigen der Erbfolge. Auch der Großherzog von Oldenburg machte speciell auf Grund einer russischen Cession Erbansprüche auf die Herzogthümer geltend und ließ eine Denkschrift darüber beim Bunde einreichen. Herzog Friedrich fand die darin enthaltenen Argumente so hinfällig, daß er meinte, nach Prüfung derselben werde der Bund keinen Augenblick mehr schwanken, sein Recht anzuerkennen. Doch schien sich Preußen den oldenburgischen Ansprüchen geneigter zu zeigen, als den augustenburgischen, während es gleichzeitig selbst auch Erbansprüche erhob und dieselben durch seine Kronsyndici prüfen lassen wollte. Es

war ein Chaos, aus welchem das preußische Cabinet bereits nicht undeutlich sein Endziel herausblicken ließ, so daß selbst Oesterreich stutig wurde, sich von dem energischen Vorgehen Preußens mehr beobachtend zurückhielt, um freie Hand zu behalten, sein Gewicht schließlich für Preußen oder für den Bund in die Wagschale zu legen. Die Bundesversammlung wollte die Execution nicht vor Erledigung der Erbfolgefrage aufheben, Preußen dagegen verweigerte jede entscheidende Verhandlung über die Zukunft der Herzogthümer, so lange die Executionsmächte die Räumung Holsteins ablehnten. Am 29. November 1864 fand in Folge dessen eine außerordentliche Bundestagssitzung statt. Desterreich und Preußen legten in derselben den Friedensvertrag vor, und Königreich Sachsen stellte den Antrag: die Bundesversammlung möge entscheiden, ob die Bundes-Execution als erledigt zu betrachten sei. Dieser Antrag wurde an die Ausschüsse verwiesen, ebenso ein Bericht des Generals v. Hake aus Holstein, der um neue Instructionen bat. Ein Antrag Bayerns, den General Hake anzuweisen, die jetzige Stellung bis auf Weiteres nicht zu verlassen, erhielt die Majorität. Preußen gab dem gegenüber starke Erklärungen ab, wonach es entschlossen sei, in allen Beziehungen seinen bisherigen Standpunkt festzuhalten. An demselben Tage richteten Oesterreichs und Preußens Regierungen unter Mittheilung des Friedensvertrags Noten an die Regierungen von Sachsen und Hannover, in welchen sie das bundesfreundliche Ersuchen um Abberufung der Bundescommissäre und Bundestruppen aus Holstein und Lauenburg aussprachen und Antwort in kürzester Frist erbaten. Die sächsische Regierung verwies in ihrer Antwort auf den beim Bunde eingebrachten Antrag und das officielle Dresdener Journal erklärte gleichzeitig, daß die sächsische Regierung sich dem Bundesbeschlusse und somit der Majorität der Bundesregierungen, nicht aber Preußens Separatwünschen, jederzeit fügen werde; jene Majorität trage dann auch alle Verantwortung.

Preußen und Oesterreich hatten jedoch mittlerweile ihre Anschauungen der Sachlage soweit in Uebereinstimmung gebracht, daß sie am 1. December mit folgendem gemeinsamen Antrage bei der Bundesversammlung hervortraten: „Hohe Bundesversammlung wolle das am 7. December vor. Jahres beschlossene Executionsverfahren in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg als beendet ansehen und die mit dem Vollzug desselben beauftragten Regierungen vom Königreich Sachsen und Hannover ersuchen, ihre Truppen aus den genannten Herzogthümern zurückzuziehen, sowie die von ihnen abgeordneten Civilcommissäre abzuberufen." Am 6. December fand die Abstimmung über diesen Antrag statt und es wurde derselbe mit 9 Stimmen gegen 6 (Sachsen, Bayern, Württemberg, Großherzogthum Hessen und 12. und 13. Curie) angenommen. Gleichzeitig wurden telegraphische Mittheilungen an den Bundesgeneral v. Hake und die Bundescommissäre beschlossen, daß sie directer Weisungen von ihren

Regierungen sich zu gewärtigen hätten. Desterreich und Preußen ließen zugleich erklären, es sei Einleitung getroffen, daß die österreichischen und preußischen Civilcommissäre in Schleswig die Civilverwaltung in den Gesammt-Herzogthümern übernehmen sollten. Königreich Sachsen hatte gegen den österreichischpreußischen Antrag gestimmt, weil es denselben für noch verfrüht hielt und vorerst die Erbfolgefrage entschieden wissen wollte. Doch fügte es sich sofort dem Beschlusse der Bundesmajorität und berief ebenfalls seine Truppen und den Civilcommissar von Könnerit zurück. Die Bevollmächtigten des deutschen Bundes verließen Holstein und Lauenburg, und die Commissäre Oesterreichs und Preußens übernahmen die gemeinsame Verwaltung in Schleswig, Holstein und Lauenburg. Hiermit endete der erste Abschnitt der deutschen Einheitskämpfe. Die Elbherzogthümer blieben im Besitz der beiden deutschen Großmächte und sollten bald genug die Rolle des Zündhölzchens spielen, welches nach hundertjährigem Frieden und mehrfachem Waffenbündniß die stets genährte Rivalität der beiden Großmächte innerhalb des deutschen Bundes zum offenen Kampfe um die Suprematie in Deutschland entzündete.

Doch damit beginnt der zweite Abschnitt dieses Werkes.

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