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Diese gewaltige Festung, in deren Bereiche Marschall Bazaine mit seiner ganzen Armee Zuflucht hatte suchen müssen, war bereits zwei Tage nach der Schlacht von Gravelotte, am 20. August, völlig eingeschlossen. Die Position, welche die deutschen Truppen auf den dem Mont St. Quentin gegenüberliegenden Höhen einnahmen, war zum ersten Mal in diesem Kriege eine für sie einigermaßen günstige, denn dieselben Verschanzungen, hinter welchen sich die Franzosen in der blutigen Schlacht am 18. so hartnäckig vertheidigt hatten, waren jetzt in deutschen Besitz gekommen und wurden von unseren Truppen vortrefflich benutzt, um den Ring um Metz und die eingeschlossene Armee fester und undurchdringlich zu machen. Es gelang den Deutschen auch, der Festung das Trinkwasser, welches sie durch eine Wasserleitung von Gorze her erhielt, abzuschneiden und sie auf das Moselwasser zu beschränken. Um aber auch, da die im Bereich der Festung liegenden Eisenbahnen nicht benutzt werden konnten eine Eisenbahnverbindung von Saarbrücken über Metz nach Straßburg und Paris zu bekommen, wurden deutsche Bergleute berufen, die 4000 Mann stark heranrückten, um in amerikanischer Manier eine 5 Meilen lange Eisenbahn von Remilly über Bugzy nach Pont à Mousson zu bauen. Die an der Bahn gelegenen Wälder wurden ausgebeutet, aufgefundene Schienenvorräthe verwandt und in Pont à Mousson eine hölzerne Brücke über die Mosel geschlagen. Binnen wenigen Wochen stand das kühn gedachte Werk beendigt da und die Franzosen erblickten mit Schrecken und Schaudern das Niegeahnte, wie eine feindliche Armee auf ihrem Grund und Boden eine Eisenbahn für ihren Bedarf und zur Beförderung der Niederwerfung Frankreichs mit blißgleicher Geschwindigkeit erbaut hatte.

Nach den Siegen bei Metz wurden deutscherseits sofort auch die Kriegsoperationen gegen Mac Mahon und Paris wieder aufgenommen. Dieselben veranlaßten einige Veränderungen in der seitherigen Formation der Armeen. Die Armee zur Einschließung von Metz blieb unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl. Zu ihr gehörte auch die frühere Steinmetz'sche Armee und sie umfaßte überhaupt: das 1. 2. 3. 7. 8. 9. 10. Corps und zwei Cavaleriedivisionen, eine Macht, die wol im Stande war, Metz mitsammt der eingeschlossenen Armee in Schach zu halten. Von den übrigen Corps, verblieb die bisherige dritte Armee, das 5. 6. und 11. norddeutsche Corps, die beiden bayrischen Corps, die württembergische Division und eine Cavalleriedivision, unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Preußen, während die badische Division Straßburg belagerte und eine neu formirte vierte oder Maas - Armee, bestehend, aus dem 4., dem 12. und dem Gardecorps mit zwei CavallerieDivisionen, den Kronprinzen von Sachsen als Feldherrn erhielt. Den Oberbefehl über die dritte und vierte Armee übernahm König Wilhelm in Person. Vorläufig war festgestellt, daß die dritte Armee von Nancy aus über Commercy,

Ligny, Bar le Duc, Vitry, gegen Chalons vorrücken, die 4. Armee dagegen von den Schlachtfeldern von Metz aus über Verdun, Menehould sich ebendahin wenden solle. Alles kam jetzt darauf an, ob Mac Mahon Chalons behaupten und daselbst die Schlacht annehmen würde. Die beiden deutschen Armeen erreichten am 24. August die Linie von Clermont bei Vitry und die Vorwärtsconcentrirung zum gemeinschaftlichen Angriff war bereits entworfen, als man deutscherseits die Nachricht erhielt, daß Mac Mahon das Lager von Chalons geräumt habe. Aber wohin hatte sich der Marschall gewandt? War er nach Paris abgezogen, um in jedem Falle die Hauptstadt zu schüßen, oder versuchte er durch einen nördlichen Flankenmarsch zwischen der belgischen Grenze und dem rechten Flügel der vierten deutschen Armee durchzuschlüpfen, um Bazaine die Hand zu reichen und Metz zu entsezen. Allerdings würde der letztere Versuch einen rein verzweifelten Character an sich getragen haben, da nicht darauf zu rechnen war, daß den Deutschen eine solche Bewegung verborgen bleiben würde; dennoch deuteten alle Zeichen darauf hin, daß Mac Mahon den Versuch machen wolle, über Rheims nördlich durchzuschlüpfen, und eine Notiz in der Brüsseler Independance", welche aus Mézières über Bewegungen der Mac Mahonschen Armee berichtete, ließ endlich keinen Zweifel mehr übrig, wo die Deutschen Mac Mahon aufzusuchen hätten. Palikao's großes Geheimniß war entdeckt.

XIV.

Uon Metz nach Sedan.

Die Räumung des mit so großen Kosten angelegten festen Lagers von Chalons, welches die Franzosen stets für eine unüberwindliche Vormauer der Hauptstadt betrachtet hatten, machte in Paris einen tiefen Eindruck, wurde aber schließlich als eine, von dem großen geheimnißvollen Plane gebotene Nothwendigkeit angesehen. Vom 21. bis 23. August fand die Räumung von Chalons statt und am 24. trafen die ersten deutschen Reiter daselbst ein. Sie fanden das Lager nicht nur verlassen, sondern zum Theil auch ausgebrannt. Was man erblickte, deutete darauf hin, daß in der Mac Mahon'schen Armee nur wenig Ordnung und Disciplin geherrscht hatte. Französische Zeitungen bestätigen das in erschreckender Weise. So schrieb der militärische Berichterstatter des Gaulois:" ,,Vorgestern bin ich nach Rheims gegangen, um über die Armee des Marschall Mac Mahon Erkundigungen einzuziehen. Die prächtigen Regimenter, welche unter dem Befehl des edlen Besiegten von Reichshofen (Wörth) vereinigt sind, hatten eben die Stadt in Marschcolonnen verlassen, die bereit waren, eine Schlacht anzunehmen. Alles, was Herz hatte, zog dem Marschall nach. Während des Nachmittags änderte sich die Scene, und wir sahen diese schrecklichen Nachzügler herankommen, diese Pestbeule der Armeen auf dem Rückzuge. Nichts ist so widerlich, so ekelhaft, wie diese Fricasseurs (wie man sie im Jahre 1812 taufte) schmutzige, zerlumpte Burschen, welche hinter der Armee einhertrollen, ohne Tornister und Gewehr. Abends fielen 3-400 dieser Elenden über den Waaren-Bahnhof her und begannen die mit Proviant für die Armee beladenen Züge zu plündern. Sogar den Pulverfässern, welche sie mit Wein oder Schnaps gefüllt glaubten, schlugen sie die Böden aus. Man denke bei Leibe nicht, daß diese Leute von Hunger getrieben waren, denn kaum hatte die Plünderung begonnen, so bildete sich eine Art Jahrmarkt auf dem nahe

beim Bahnhof gelegenen freien Plaze, wo die Lebensmittel zu Schleuderpreisen verkauft wurden. Ein eilig herbeigerufenes Bataillon Mobilgarden machte der Unordnung ein Ende und nahm etwa 60 Verhaftungen vor. Wir müssen den Grafen Palikao bitten, den Profoßen strengen Befehl zu geben, diese Banden von Vagabunden, in denen die Turkos die Mehrzahl bilden, zusammen zu treiben und sie nach Belle Isle oder irgend einem öden, leicht zu bewachenden Plaze bringen lassen.“

In nicht minder crasser Weise berichtete „Figaro" über diese Vorfälle: „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen diese herzzerreißende Geschichte erzählen soll. Gestern Abend von 6-9 Uhr wurde der Güterbahnzug zu Rheims von 3-400 Nachzüglern des Corps de Failly geplündert. Die Soldaten gehörten verschiedenen Waffengattungen und besonders der Artillerie an. Sie hatten sich vor Beginn der Plünderung mit einem halben Hundert Aufkäufer verständigt; fie brachen nahe an 150 Waggons auf, warfen chne Rücksicht auf alle möglichen entsetzlichen Folgen die Wein- und Pulverfässer, die Patronen- und Zwiebackkisten, die Kugeln und Montirungseffecten, sowie einen großen Theil der Bagage des Kaisers aufs Pflaster. Die Auffäufer kamen nun hinzu und zahlten 10 Centimes für daß Stück kaiserlichen Tuches, 1 Francs 9 Centimes für den Ballen Kaffee, 50 Centimes für den Hut Zucker. Auch die Bagagen der Offiziere eines Marine-Infanterieregiments wurden verhandelt. Ich habe heute auf der Straße die Stücke eines Damenportraits aufgelesen, auf dem einige sehr bewegte Zeilen zu lesen waren. Die Bahnhofsbeamten machten, geführt von zwei energischen Männern, einen Angriff auf die Plünderer; diese aber leisteten tapferen Widerstand. Sie warfen den Vertheidigern der Ordnung Patronenpackete an den Kopf. Endlich wurden etwa 50 von den Plünderern ergriffen, darunter 40 Soldaten . . ."

Wir glauben, unsere Leser sind durch diese Proben französischer Mittheilungen vollauf befriedigt, um ein Urtheil über den Werth der Armee Mac Mahons zu gewinnen. Diese Armee muß um diese Zeit nahe an 150000 Mann betragen haben. Der Kaiser befand sich mit seinem ganzen Gefolge dabei.

Im deutschen Hauptquartier hatte man kaum die Ueberzeugung erlangt, daß Mac Mahon den gefährlichen Flankenmarsch zum Entsage Bazaines in Metz wirklich angetreten habe, als man auch bereits Maßregeln traf, um das Heer des Marschalls aufzusuchen und es nicht nur von Metz sondern möglichst auch von Paris abzudrängen. Mac Mahon rechnete offenbar darauf, daß die 3. und 4. deutsche Armee in breiter Front nach Paris vorrückten, und die 3. Armee mit ihren Spizen auf dem linken Flügel bereits bis über die Marne hinausstreife, während der rechte Flügel noch nicht den Argonner Wald erreicht hätte. Er hoffte deshalb, es höchstens mit der 4. Armee allein zu thun zu bekommen, diese gewaltig zu werfen und nach Metz durchzudringen. Er ahnte

aber nicht, daß ihm Moltkes Auge folge und daß der Chef des deutschen Generalstabes bereits den Finger auf die Karte bei dem Orte Sedan gelegt und kurz gesagt hatte: Hier fangen wir ihn."

Am 26. August wurde plötzlich das große deutsche Hauptquartier über 5 Meilen nordwärts von Bar le Duc nach Clermont en Argonne verlegt, von der 3. Armee empfing man keine Nachricht. In Wirklichkeit aber hatte dieselbe den Befehl erhalten, ihren Vormarsch nach Paris einzustellen, sich nordwärts zu concentriren und im Verein mit der 4. Armee Mac Mahon abzufassen. Es galt dabei in schnellen anstrengenden Märschen das Möglichste zu leisten und eine Frontveränderung zu vollbringen, wie sie so schnell und vollendet wol nur von einer deutschen Armee ausgeführt werden konnte. Die Truppen waren mehrere Tage lang von früh 4 Uhr bis zur sinkenden Nacht auf dem Marsche. Die 3. Armee ging von Chalons aus über Suippes gegen Vauziers vor, während die 4. Armee von Verdun aus das obere Maasthal herab über Dun und Stenay zog. Dabei behielten beide Armeen stets Fühlung, und in ihrer Mitte bewegte sich das königliche Hauptquartier vorwärts. Dasselbe wurde am 29. August von Clermont nach Grandpré verlegt, um den großen Ereignissen nahe zu sein, die bevorstanden.

Am 27. August erfolgte der erste Zusammenstoß. Einige Meilen südwestlich von Stenay kam es bei Buzanch zu einem kleinen, für die deutschen Waffen günstigen Gefechte. Das 3. sächsische Reiterregiment, unterstüßt durch eine Schwadron Ulanen und eine reitende Batterie, stieß auf 6 Schwadronen des 12. französischen Chasseurregiments, die eben nach Norden abziehen wollten. Der Angriff der Deutschen hatte guten Erfolg und das Feuer der reitenden Batterie zwang den Feind sehr bald zum Rückzug. Der französische Commandirende befand sich verwundet unter den Gefangenen. Am 29. August stieß die vorrückkende Avantgarde der Sachsen nordöstlich von Buzanch, bei Nouart, auf französische Truppen, welche die Höhen hinter diesem Orte besetzt hatten. Die Franzosen wurden nach längerem Widerstande zurückgeworfen und ihre Stellung genommen. Am selbigen 29. fand bei dem Dorfe Voncq ein seltsames und seltenes Kriegsabenteuer statt. Zwei preußische Husarenschwadronen von der 3. Armee fanden dieses Dorf von Turkos und anderer Infanterie stark beseßt. Die muthigen Reiter, welche demgegenüber als solche machtlos waren, saßen ab, stürmten mit ihren Cavalleriewaffen das Dorf, warfen die Vertheidiger über den Haufen und machten viele Gefangene.

Die Lage der franzöfifchen Armee war bereits jetzt eine kritische, ja gefährliche geworden. Die beiden deutschen Armeen dehnten sich von westlich Grandpré bis Stenay aus. Die Vortruppen standen dem Feinde gegenüber, dessen weiter nach Osten vorgeschobener Theil durch das Gefecht von Nouart durch die Sachsen am Weitermarsch abgehalten war. Ein Ausweichen, ein

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