Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

auch für den Rest des Herzogthums Holstein einzuführen. Die holsteinischen Stände riefen jetzt den Schutz des deutschen Bundes an. -

Daraufhin gab die deutsche Bundesversammlung wirklich die Erklärung ab, daß die Selbstständigkeit des Herzogthums Holstein unantastbar und seine Verfassung und sonstige Gesetze und Herkommen beruhende Beziehungen, also auch seine Untheilbarkeit von Schleswig, gewahrt werden müßten. Die Professoren der Kieler Universität verfaßten überdies eine klare und gründliche Widerlegung des offenen Briefes, während nicht nur das fürstliche Haus Augustenburg, sondern auch andere deutsche Fürstenhäuser, besonders Lauenburgs und ihrer Erbansprüche auf dasselbe wegen, gegen den offenen Brief protestirten. König Christian versuchte nun zwar, durch einen zweiten ,,offenen Brief" diesen Sturm zu beschwichtigen und versöhnlicher zu wirken. Allein, wenn dieses Schriftstück auch die Zusammengehörigkeit Schleswig und Holsteins zugestand, so betonte es doch gleicherzeit auch die Unzertrennbarkeit der dänischen Monarchie. Die Erbfolgefrage war es ja eben, die Christians VIII. Beschlüsse vor allen Dingen leiteten: sie zu Gunsten Dänemarks zu erledigen, bildete jedoch nicht nur sein, sondern auch des dänischen Volkes eifriges Bestreben, da der dänische Stolz den durch Lostrennung der Herzogthümer in Aussicht gestellten unlengbaren Machtzerfall des tausendjährigen alten dänischen Reichs nicht zu ertragen vermochte.

Die Schleswig-Holsteiner aber, im vollen Bewußtsein der von Dänemark schon ausgeübten Tyrannei, stützten sich gerade recht auf die in Aussicht stehende Lostrennung von Dänemark so erhitzten sich die beiden Nationalitäten immer mehr: dort durch gierigen Eifer, hier im zähen Beharren, und die schleswig holsteinische Frage glich einer drohenden Pulvermine, die nur des zündenden Funkens harrte, um zu explodiren.

Diesen Funken brachte das Jahr 1848, bei dessen Beginn König Christian VIII. starb und sein Sohn Friedrich VII. König wurde. Dieser Fürst war nun völlig Däne und verstand kaum etwas von der deutschen Sprache. Die Schleswig-Holsteiner waren ihm persönlich zuwider, er haßte ihre Ansprüche, und von ihren Rechten wußte er nur soviel, daß sie für ihn und die dänische Monarchie nur fatale Last seien, die möglichst bald und gründlich abgeschüttelt werden müßte.

König Friedrich erklärte sich von vornherein als Nachfolger der Politik seines Vaters und wollte eine Gesammtstaatsverfassung für die Monarchie einführen. Die Schleswig-Holsteiner protestirten, forderten ihre eigene Constitution für die selbstständigen und vereinigten Herzogthümer und sandten deshalb eine Deputation nach Kopenhagen. Dieses geschah in den verhängnißvollen Märztagen von 1848. Die Revolution, welche von Paris her durch Europa schritt, war auch nach Kopenhagen gekommen. Die Idee einer eigenen Verfassung für

[ocr errors]

die Herzogthümer hatte die eiderdänische Partei erhitzt, die Vereine bildete und in Massenversammlungen die sofortige Incorporation Schleswigs in die dänische Monarchie forderte. Der Pöbel zog revoltirend zu Tausenden vor das Königsschloß und zwang den König, ein eiderdänisches Ministerium, mit Orla Lehmann an der Spitze, einzusetzen. So fand die schleswig holsteinische Deputation bei ihrer Ankunft in Kopenhagen die Lage der Dinge. Sie konnte kaum vor der Wuth des Pöbels geschützt werden und mußte resultatlos, aber mit der aufregenden Nachricht in die Herzogthümer zurück, daß der König gezwungen worden sei, der den Rechten der Herzogthümer entschieden feindlichen Partei der Eiderdänen das Staatsruder in die Hand zu geben. Was von diesen erwartet werden mußte, das wußten die Schleswig-Holsteiner, und ohne deshalb die Ausführung der feindlichen Pläne durch Waffengewalt abzuwarten, erhoben sich die Herzogthümer zur bewaffneten Sicherstellung ihrer Rechte.

In Kiel trat eine provisorische Regierung zusammen, die nach Ueberrumpelung Rendsburgs nach dort übersiedelte und dem Könige die Anzeige nach Kopenhagen sandte, daß sie „im Namen des unfreien Landesherrn“ vorläufig das Regiment in den Herzogthümern führen werde. Damit war der Krieg eröffnet worden, jener verhängnißvolle Krieg, der mit seinen Folgen bis in unsere Tage hineinreicht und welcher der erste Anstoß zu den welterschütternden Ereignissen derselben geworden ist, welche die Einigung Deutschlands und die Wiederherstellung des deutschen Reiches mit sich geführt haben.

Eine Schneeflocke, die vom Luftzug abgelöst, sich fortwälzte, um viele Jahre lang später als donnernde Riesenlawine hervorzubrechen und die alte Ordnung der Dinge in Deutschland unter ihrem Sturze zu begraben! Der schleswig-Holsteinische Krieg von 1848-50, der erste Akt dieses Dramas, aus welchem selbst ein Seher schwerlich die Weltbedeutung der folgenden Akte ahnen konnte, dieser dreijährige Kampf, an welchem sich Deutschland, zum Unheil der erhobenen Herzogthümer und zur eigenen Schmach, betheiligte, bildet ein schimpfliches, trauriges Blatt in der Geschichte unseres Vaterlandes.

Das arme Schleswig-Holstein, welches sich mit Muth und Glück bereits selbst half, sollte auch aus Deutschland Unterstützung erhalten. Preußen, der deutsche Bund, schließlich alle anderen Großmächte mischten sich in den anscheinend kleinen Streit. Trotzdem aber die Deutschen gegen die Dänen die besten Erfolge erzielten und tapfer Siege erfochten, trotzdem die SchleswigHolsteiner selbst eine Machtentfaltung entwickelten, die in Erstaunen setzte, und alle Opfer mit Bereitwilligkeit brachten, trotzdem endlich Preußen und der deutsche Bund die Waffen doch ausgesprochnermaßen für den Schutz der Rechte der Herzogthümer erhoben hatten: trotz alledem geschah schließlich das entschiedene Gegentheil davon.

Preußens Action wurde durch das Mißtrauen der europäischen Groß

mächte, daß Preußen die Elbherzogthümer für sich selbst erobern wolle, gelähmt; England und Rußland unterstüßten die dänische Regierung in ihrer Hartnäckigkeit, so daß, trotz der errungenen Vortheile Preußens und der dänischen Niederlagen, alle Versuche Preußens, Dänemark zum Nachgeben zu stimmen, erfolglos blieben. Die Einmischung der europäischen Mächte nahm dabei einen immer dringendern Character an, und Preußen mußte wählen, ob es, um dem Einspruch der Mächte England und Rußland unbekümmert, mit seiner ganzen Macht für die Rechte Schleswig-Holsteins, die jezt die Ehre Deutschlands geworden waren, eintreten oder mit dem halsstarrigen Dänemark den geforderten Frieden um jeden Preis schließen wolle.

Preußen, auch von Oesterreich gedrängt, welches sich dem Kaiser Nicolaus für seinen Beistand in Ungarn damals noch dankbarer erwies, als fünf Jahre später im Krimkriege, Preußen verzweifelte leider an seiner eigenen Kraft

[ocr errors]

und der Deutschlands : es gab die deutsche Ehre dem dänischen Uebermuthe Preis und schloß am 2. Juli 1850 einen Frieden in Berlin, welcher die Herzogthümer sich selbst überließ. Doch selbst von Deutschland aufgegeben, verzweifelten die Herzogthümer noch nicht. Recht muß Recht bleiben! dabei beharrten diese nordischen Kernnaturen, und sie standen mit der That hinter diesem Worte. Wie sie ihn allein begonnen hatten, so wollten sie jetzt den Krieg auch allein zum Ende bringen, das der Sieg werden sollte. Die Herzogthümer machten wahrhaft riesenhafte Anstrengungen, um den Krieg auf eigene Faust durchzuführen, und es bleibt kein Zweifel, daß sie, troß der anfänglich begangenen Fehler und des verunglückten Tages von Jdstedt, ihr Recht gegen die Dänen endlich doch durchgesezt hätten, wenn man sie nur gewähren ließ. Aber das lag nicht in dem Plane der europäischen Großmächte, denen Preußens wegen die volle Erhaltung der dänischen Monarchie gewaltig am Herzen lag. Kaiser Nicolaus machte seinen Einfluß bei Oesterreich geltend, das eben die Restauration des alten deutschen Bundes unter seinem Präsidium und den Sieg seiner Politik über Preußen in Olmütz feierte. Schleswig-Holstein wurde ebenfalls zum Opfer derselben bestimmt, und Preußen in den Tagen seiner damaligen Schmach sogar gezwungen, selbst das Opfer mit an das Messer zu liefern.

Desterreich setzte einen Bundesbeschluß durch, welcher den Frieden vom 2. Juli 1850 zur Ausführung bringen wollte und von der schleswig holsteinischen Regierung die Zurückziehung ihrer Truppen hinter die Eider, die Einstellung der Feindseligkeiten gegen die Dänen und Beurlaubungen der schleswigholsteinischen Armee bis zu zwei Dritteln ihrer bisherigen Stärke forderte. Natürlich wies Schleswig-Holstein diese Anforderungen mit dem Muthe der Verzweiflung zurück. Es herrschte daselbst in Regierung und Volk nur diese eine Stimme: mit dem wolgerüsteten Heer den neuen Kampf zu wagen. Der

Opfermuth steigerte sich unter dieses Beschlusses Gewalt zur vollen Begeisterung. Da traf am 6. Januar 1851 eine gemeinsame österreichisch-preußische „Pacifications - Commission" in Kiel ein, und forderte sofortige Unterwerfung der Herzogthümer unter den Beschluß des deutschen Bundes. Ein österreichisches Armeecorps schlug unterdeß den Weg nach den Herzogthümern ein, um, wenn nöthig, die Forderungen der Commission mit Gewalt durchzusetzen. Eine schleswig-holsteinische Conferenz trat in Rendsburg zusammen, welche unter solchen Umständen die Unmöglichkeit eines bewaffneten Widerstandes aussprach. Doch, noch immer hofften einzelne Schleswig-Holsteiner, welche ein solches Schicksal nicht zu fassen vermochten, solchen Verrath eines ganzen Volksstamms und seiner Rechte nicht für denkbar hielten, daß in den Verhandlungen ein günstigeres Resultat zu erlangen sein werde.

Trauriger Jrrthum. In einer letzten Versammlung der schleswig-holsteinischen Bundesversammlung mit der Pacifications - Commission, die auf dem Kieler Schlosse im Januar 1851 stattfand, wurde der Versammlung der volle und wirkliche Ernst der Dinge klar; sie unterwarf sich nothgedrungen den österreichischpreußischen Forderungen, und die Statthalterschaft mußte eine Proclamation an das schleswig-holsteinische Volk erlassen, welche verkündigte, daß die Einstellung der Feindseligkeiten angeordnet und die Landesrechte unter den Schutz des deutschen Bundes gestellt worden seien.

Der Eindruck dieser Proclamation auf das Volk war ein unbeschreiblicher. Von den eigenen Stammesgenossen, die zuerst Schutz und Hilfe versprachen, schmählich gefnebelt, um, wie sie nur zu deutlich einsehen konnten, mit gebundenen. Händen dem triumphirenden und hohnlachenden Feinde ausgeliefert zu werden. Dieses zu fassen bildete eine offenbare Maltraitirung des gesunden Begriffs vermögens, es zu verlangen eine aufgezwungene Schmach, die mit ihren Wurzelfasern das ganze Herz durchdrang und jeden Tropfen gefunden Saftes in demselben aufsuchte und durch Galle und giftigen Eiter erseßte.

Die Pacificirung ging unterdeß Schritt für Schritt vor sich. Die Ereig nisse trafen ein, wie der Pessimist sie schlimmer nicht gefürchtet haben konnte. Die schleswig-holsteinische Armee mußte sich über die Eider zurückziehen und wurde vorläufig zum größten Theile entlassen, und die bisherige Statthalterschaft der Herzogthümer legte ihre Regierung in die Hände der deutschen Bundescommissare nieder, zu denen sich bereits ein deutscher Bevollmächtigter eingefunden hatte. Desterreichische und preußische Pacificationstruppen rückten in Holstein ein, und die schleswig-holsteinische Armee wurde jetzt gänzlich aufgelöst. Bald darauf übergab man den Dänen auch Holstein, und jene bekannten Unterhandlungen zwischen Oesterreich und Preußen mit Dänemark, die in dem berüchtigten londoner Protokoll ihren Schlußpunkt fanden, wurden gepflogen.

Wir müssen auf diesen Abschnitt der schleswig-Holsteinischen Frage einen

gedrängten Blick werfen. Als die deutschen Bundes commissare in Kiel eingezogen waren, proclamirten sie, „daß sie gekommen seien, um einen Zustand herzustellen, welcher dem Bunde erlaube, das Recht des Herzogthums Holstein und das altherkömmliche berechtigte Verhältniß zwischen Holstein und Schleswig zu wahren." Nur darauf hin und nach der weiteren Vereinbarung: daß die schleswig holsteinische Armee erhalten bleiben und Rendsburg und Friedrichsort mit holsteinischen Truppen besetzt werden sollten, daß alles Kriegsmaterial Bundeseigenthum und die wohlausgerüstete Marine ungefährdet unter den Schuß des deutschen Bundes gestellt werden sollte, nur nach dieser Vereinbarung hatte sich die schleswig-Holsteinische Regierung sammt dem bewaffneten Volke den Forderungen des Bundes unterworfen. Als dieses jedoch einmal geschehen war, wurde auf diese Vereinbarung ebensowenig, als bei den Verhandlungen mit Dänemark auf das Volk selbst irgend welche Rücksicht genommen. Ueber das schleswig holsteinische Volk und seine Rechte erhob sich zwischen den deutschen Großmächten und Dänemark ein unberechtigter Schacher, der zu einem Vertrag führte, in welchen die deutschen Mächte auf die Idee des dänischen Gesammtstaats eingingen und die volle Selbstständigkeit und Untheilbarkeit der Herzogthümer aufgaben.

Dänemark verpflichtete sich dagegen durch eine königliche Bekanntmachung vom 28. Januar 1852: 1. Die verfassungsmäßige Verbindung sämmtlicher Theile der Monarchie zu einem Gesammtstaate solle eine organische und gleichartige sein und auf gesetz- und verfassungsmäßigem Wege herbeigeführt werden, d. h. nach der Berathung wie mit dem dänischen Reichsrathe, so auch mit den Provincialständen Schleswigs und Holsteins. 2. Schleswig sollte nicht in das Königreich einverleibt, noch sollten irgend welche auf die Einverleibung hingerichtete Schritte unternommen werden. Beide Herzogthümer sollten aber selbstständige Einrichtungen in Verfassung und Verwaltung bekommen. 3. Es sollte die Gleichberechtigung aller Bundestheile aufrichtig angenommen und in ihren Folgen anerkannt werden, und kein Theil dem andern untergeordnet werden. 4. Es sollte auch jedes der beiden Herzogthümer behufs seines seither dem Wirkungskreise der berathenden Provinzialstände zugehörigen Angelegenheiten, eine ständische Vertretung mit beschließender Befugniß erhalten. 5. Es sollten die dänischen und deutschen Nationalitäten in Schleswig völlig gleiche Berechtigung und gleichen Schutz genießen. Diese Vereinbarung erhielt die Zustimmung des deutschen Bundes, worauf die Pacificationstruppen das Land verließen und das dänische Regiment unbeschränkt wieder herrschte.

Wie dasselbe seine eingegangenen Verbindlichkeiten hielt, und welche Schafsgeduld der deutsche Bund mit dem wortbrüchigen und von Uebermuth strogenden Dänemark 5 Jahre lang hatte, ohne sich nur einmal zu regen, dieses und vieles anderes Erbauliches wird aus unserm nächsten Kapitel hervorgehen. Hier

« ZurückWeiter »