Kanonen von Weißenburg herüber und der süddeutsche Führer zögerte keinen Augenblick, der Schlachtmusik entgegenzuziehen. Er langte jedoch mit seinen Truppen erst zur Siegesfeier des Tags auf dem Schlachtfelde an. Zwei Tage später sollte er mit seinen Tapfern an einem neuen blutigen Treffen theilnehmen dürfen. Die Franzosen hatten bedeutende Verluste erlitten, und nur das für die Cavallerie zur Verfolgung ungünstige Terrain schützte sie vor noch weit Schlimmerem. Den Deutschen fielen über 800 unverwundete Gefangene, darunter 20 Offiziere und eine Menge Turcos, vier Geschütze und ein Adler in die Hände. Auf deutscher Seite war General von Kirchbach durch einen Streifschuß in die Backe verwundet worden und hatten besonders die bayrischen Jäger, das 7. und 58. preußische Regiment und das 5. Jäger-Bataillon gelitten. Im Ganzen betrug der Verlust der Deutschen an Todten und Verwundeten an 900 Mann, darunter sehr viele Offiziere. Der große Krieg hatte mit diesem Offensivstoße in ermuthigender Weise begonnen und mit Recht durfte ausgerufen werden: das war ein guter Anfang, und mit einem glänzenden Siege haben wir den Feldzug eröffnet! Besonders bewundernswerth erschien die Sicherheit und Präcision, mit welcher der ganze Angriff von vornherein nach den Dispositionen des großen Hauptquartiers durchgeführt wurde. Das lernten vor Allem die Bayern schätzen, die 1866 so schwer unter mangelhafter Führung hatten leiden müssen. Die bayrischen Offiziere waren voll Zufriedenheit, und einer ihrer Generale meldete nach München: Die Disposition ließ wegen ihres geistvollen Entwurfs nichts, absolut nichts zu wünschen übrig und die Truppen verbanden sich mit den Preußen wie im edelsten Wetteifer beim Kampfe, zur herzlichsten Brüderlichkeit nach demselben. Es war ein unbeschreiblich schöner Anblick, so die Söhne des Nordens und des Südens Arm in Arm und einig zu erblicken, wie es die tausendjährige Geschichte Deutschlands noch nicht erlebt hatte. Der kaum vierstündige Kampf war kurz nach Mittag siegreich entschieden. Jezt verließ der Kronprinz mit seinem Stabe die Höhen von Schweigen, von denen aus die Lenkung der Schlacht stattgefunden hatte, und ritt durch Altenstadt nach dem Schlachtfelde. Die Begrüßung des geliebten Führers durch die Truppen, Preußen und Bayern, entzieht sich jeder Beschreibung. Der Siegestag hatte die Stimmung des Heeres hoch erhoben, flammende Begeisterung füllte die Brust jedes Einzelnen. Als der männlich schöne Prinz den blutig erkauften Gaisberg hinanritt, lösten sich die Reihen der zerrissenen Bataillone auf, Alles stürzte jauchzend und hochrufend um ihn her, selbst die Schwerverwundeten hoben sich und streckten ihm mit Mühe die Arme entgegen: es war wie ein einstimmiger Ruf: Sieh, wir haben es nicht schlecht gemacht! Aber die Schrecken des Todes überwog die Freude, die erste Bresche in das feindliche Bollwerk und in die bestgerühmten Truppen des stolzen Feindes geschossen zu haben! Der Sieg hatte die ganzen Weißenburger Linien und ein weites - militairisch werthvolles Terrain darüber hinaus in den Besitz der deutschen Armee gebracht; aber noch unendlich werthvoller war das moralische Gewicht des Sieges, der das Selbstbewußtsein der Soldaten stärkte und die uhrwerkähnliche Sicherheit der Hauptlenkung der Armeen auch bei entfernten Truppentheilen feststellte. Es war ein herrlicher deutscher Tag, dieser 4. August 1870. Und während die Leute weit umher noch sorgenvoll die Köpfe hängen ließen wegen der Räumung von Saarbrücken, trug der blizschwangere Draht bereits die Kunde davon durch das Land und nach allen Himmelsgegenden, und noch am selbigen Abend feierte ganz Deutschland den ersten deutschen Sieg. Die officielle Siegesdepesche verkündigte: Niederrotterbach, den 4. August, Nachm. 5 Uhr 55 Min. Glänzender aber blutiger Sieg der kronprinzlichen Südarmee unter des Kronprinzen Augen. Bei Erstürmung von Weißenburg und des dahinter liegenden Gaisberges durch Regimenter vom 5. und 11. preußischen und 2. bayrischen Corps wurde die französische Division Douay vom Corps Mac Mahon unter Zurücklassung ihres Zeltlagers in Auflösung zurückgeworfen. General Douay blieb todt. Ueber 500 unverwundete Gefangene, darunter viele Turkos, und ein Geschüß sind in unsern Händen. Unsererseits erhielt General v. Kirchbach einen leichten Streifschuß. Das Königsgrenadier-Regiment und das 58. Regiment erlitten starke Verluste." So groß vorher die Niedergeschlagenheit gewesen war, um so viel lauter tönte jezt allenthalben der Jubel wieder, und mit Begeisterung wurde auch noch die folgende Nachricht über den Sieg begrüßt, die der König aus seinem Hauptquartier an die Königin Augusta sandte: Unter Frigens Augen heute einen glänzenden aber blutigen Sieg erfochten durch Räumung von Weißenburg und des dahinter liegenden Gaisberges. Unser 5. und 11. Armeecorps und 2. bayrisches Corps fochten, Feind in Flucht, 500 unverwundete Gefangene, eine Kanone und das Zeltlager in unsern Hän den. Divisions-General Douay todt, von uns General v. Kirchbach leicht gestreift. Mein Regiment und das 58. starke Verluste. Gott sei gepriesen für diese erste glorreiche Waffenthat. Er helfe weiter. Mainz, 4. August. Wilhelm. Wir schließen an dieses Schlachtbild noch Schilderungen aus dem Briefe eines Süddeutschen, der am Tage nach dem Kampfe das Schlachtfeld bei Weißenburg besuchte, da derselbe interessante und charakteristische Einzelheiten enthält. ,,Ueber Mühlfeld und Frankenfeld — schreibt derselbe erreichte ich rasch die Höhen bei Schaidt. Im Gärtchen vor dem Bahnhofe von Schaidt lagen etwa 500 gefangene Rothhosen, worunter einige Zuaven. Sie standen bewacht von preußischer Infanterie und preußischen Ulanen mit gespannten Pistolen, theils refignirt, theils luftig plaudernd umher, einige Offiziere mit finster grollendem Gesicht. Wieder Andere zeigten den Cynismus und die Schamlosigkeit, die so häufig bei unserm Nachbarvolke zu Tage treten. In weiterer Fortsetzung meines Weges begegnete mir zwischen Schaidt und Schweighofen ein trauriger Zug von Verwundeten. Einige Hundert Schritte weiter, Schweighofen zu, hielt rechts von der Straße der Kronprinz von Preußen mit seinem Stabe. Nun begannen die Spuren des Gefechts. Auf den Feldern lagen zahllose Papierfetzen, die vom Aufbrechen der Patronenpackete herrührten, die Felder rechts und links waren zerstampft, einzelne Häuser in Schweighofen ausgeräumt. Nun ging's die steile Stiege nach Weißenburg hinüber. Hier sah ich an den Hügeln rechts zertretene Weinberge, hier hatten die braven bayrischen Jäger sich mit den Turkos gemessen. Unsere Landsleute erlitten große Verluste, aber sie warfen das afrikanische Gesindel, das übrigens focht wie der Teufel, kraftvoll zurück. Mein Wagen näherte sich dem Thor von Weißenburg. Links an der Landstraße lagen todte Thiere, rechts zeigte sich eine Art Zollhaus oder Einnehnerhäuschen, vor demselben, spärlich bedeckt mit grünen Zweigen, drei todte Zuaven. Ein gräßlicher Anblick. Im Zollhäuschen, einem kleinen gegypsten Zimmerchen, lag ein unförmlicher Haufen von 5 dieser Leute. Die Thür war eingeschlagen; der Kampf, der zwischen den vier engen Wänden geführt worden war, muß gräßlich gewesen sein. Blutlachen, ein zertrümmerter Ofen, Kugelund Bajonnetspuren an den Wänden und die fünf Leichen gaben ein grausenhaftes Zeugniß davon. Weißenburg ist ein altes Städtchen, umgeben von einer Ringmauer mit festen Thorthürmen und Zugbrücken, und um diese Mauer läuft ein ziemlich breiter Wassergraben, der aber nur stellenweis Wasser hat. Das nach der Pfalz führende Thor war zusammengeschossen und zur Hälfte in den Graben gestürzt, die Zugbrücke wieder hergestellt, der Verkehr hin und her, sowohl durch Militair als Einwohnerschaft, sehr belebt. Nun fuhr ich in die Stadt ein. Einzelne Hausdächer waren von Granaten getroffen, die Ziegeltrümmer bedeckten den Boden. In den Straßen rühriges militairisches Treiben, dazwischen die Einwohner geängstigt, erschrocken, kriechend höflich. Am Stadthause steht ein starker Posten Bayern vor dem Gewehr, überall Soldaten in und vor den Wirthshäusern, dem ganz guten und billigen Elsasser Wein munter zusprechend, und Preußen und Bayern begeistert fraternisirend. Dazwischen reiten Ordonnanzen und Feldgensd'armen und unaufhörlich ziehen frische Truppen nach Süden. Wahrhaftig, das Wort Arndt's wird wahr: „Alldeutschland nach Frankreich hinein!" Weiterhin wird der Kampf mit den Turkos geschildert: Das Terrain am Bahnhof ist von zahlreichen niedrigen Stämmen durchzogen, welche die ver schiedenen Grundstücke abgrenzen; die nach Lauterburg führende Chaussee ist mit Obst- und Pappelbäumen besetzt. Diese Umstände benutzten die Turkos, um sich festzusetzen und von hier aus mit aller Bequemlichkeit die heranstürmenden Preußen niederzuschießen. In die Gebäude des Bahnhofs, in die umliegenden Häuser nisteten sie sich ein und schossen aus Fenstern und Kellerlöchern aus nächster Nähe. Daher schreibt sich der enorme Verlust der Unsrigen. Im Uebrigen rechtfertigten diese Truppen vollständig die durch die Blätter gegangene Warnung. Bei jeder Salve des Feindes fallen sie nieder und stellen sich todt; ist dann der Feind vorgerückt, so schießen oder stechen sie ihn rückwärts nieder. Das erbitterte unsere Braven derartig, daß sie jeden dieser Mörder, anders kann man sie nicht nennen, niedermachten. Auch wenn sie gefangen werden, zeigen sie sich keineswegs würdig. Sie winseln, drehen und winden sich auf ganz widerwärtige Weise. Schließen wir mit dem auf den Blutfeldern unvermeidlichen Nachtbilde: Der Weg führte hart am Bahnhofe vorüber, über das Gebäude, wo der eben geschilderte erbitterte Kampf getobt hatte. Hier lagen die Leichen haufenweis, Preußen, Rothhosen und Turkos durcheinander. Lettere in hellblauer phantastischer Uniform mit breiten weißen Schärpen. Ueberall wurden von Leuten, die kaum zu sprechen sich getrauten, in unheimlicher Stille große Gruben gegraben, um die Leichen hineinzuwerfen. Helme, Käppis, Lederwerk und Waffen wurden gesammelt und in Verwahrung genommen, die Leichen zur Feststellung der Identität durchsucht und nach etwaigen Werthsachen geforscht. Die dritte deutsche Armee durfte nun nicht stillstehen auf ihrem siegreichen Wege. Am 4., Nachmittags 2 Uhr, war die französische Division gesprengt, ihre Todten und Verwundeten befanden sich in deutscher Gewalt, und gegen 4 Uhr Nachmittags standen die deutschen Truppen schon drei Stunden hinter Weißenburg. Der Kronprinz hatte seiner Depesche an den König das bedeutungsvolle Wort hinzugefügt: „Sete morgen Vormarsch fort“ und wie er, wie die brave Südarmee dieses Versprechen erfüllt haben, das wird unser folgender Abschnitt lehren. IX. Wörth. Man kann auf französischer Seite keinesfalls auf einen Angriffsstoß der deutschen Armeen gerechnet haben, und das ist bei dem Größenwahn, in welchem sich vor dem Kriege Regierung, Armee und Volk in Frankreich in gleichem Maße wiegten, recht wol erklärbar. Denn nur dadurch läßt sich begreifen, daß ein vorsichtiger und erfahrener Feldherr wie Mac Mahon, der die Nähe der deutschen Südarmee hart an der Grenze kennen mußte, die Division Douay in so unvorsichtiger Weise dem Schicksale preisgab, welchem sie bei Weißenburg verfiel. Er hatte dieselbe ganz allein exponirt, ja sie sogar ohne jede Reserve, ohne Zusammenhang mit der Hauptarmee gelassen, so daß sie weder Verstärkungen an sich ziehen, noch bei unversehrten Truppen Aufnahme finden konnte. Nur der Umstand, daß das Terrain für die Verfolgung der deutschen Kavallerie sehr ungünstig war, rettete die geschlagene Division vor noch vernichtenderen Verlusten. Mac Mahon mag nicht wenig überrascht worden sein, als er von der ganz außer Berechnung gelassenen deutschen Keckheit eines Offensivstoßes nach Frankreich hinein Kunde erhielt, aber er zögerte nicht, seinen Fehler zu verbessern. Um der deutschen Armee die Einnahme des nördlichen Elsaß und den Marsch durch die Vogesen unmöglich zu machen, eilte der Marschall felbft herbei. Während es anfangs schien, als ob er seine Richtung auf Hagenau nehmen wolle, ergaben doch die beim Hauptquartier des Kronprinzen am Abend des 5. August einlaufenden Berichte, daß er das hügelige Terrain um das Städtchen Wörth für seine Aufstellungen gewählt hatte. Es war dem Marschall vergönnt, die zur Vertheidigung günstigsten Punkte auszuwählen, seinen Truppen, die er durch Zuzüge auf der Eisenbahn von den Korps Canrobert und Failly auf etwa 80,000 Mann verstärkt hatte, möglichst gedeckte Stellungen anzuweisen und auch seine Artillerie auf das Günstigste zu placiren. |