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Ich habe den Eindruck, daß nur die definitive Ueberzeugung, es sei mit uns keine Grenzerweiterung Frankreichs zu erreichen, den Kaiser zu dem Entschlusse geführt hat, eine solche gegen uns zu erstreben. Ich habe sogar Grund zu glauben, daß wenn die fragliche Veröffentlichung unterblieben wäre, nach Vollendung der französischen und unserer Rüstungen uns von Frankreich das Anerbieten gemacht sein würde, gemeinsam an der Spitze einer Million gegerüsteter Streiter dem bisher unbewaffneten Europa gegenüber die uns früher gemachten Vorschläge durchzuführen, d. h. vor oder nach der ersten Schlacht Frieden zu schließen auf Grund der Benedetti'schen Vorschläge auf Kosten Belgiens.

Ueber den Tert dieser Vorschläge bemerke ich noch, daß der in unseren Händen befindliche Entwurf von Anfang bis zu Ende von der Hand des Grafen Benedetti und auf dem Papier der kaiserlich-französischen Botschaft geschrieben ist, und daß die hiesigen Botschafter resp. Gesandten von Oesterreich, Großbritannien, Rußland, Baden, Bayern, Belgien, Hessen, Italien, Sachsen, der Türkei und Württemberg, welche das Original gesehen, die Handschrift erkannt haben.

In dem Artikel I. hat Graf Benedetti gleich bei der ersten Vorlesung auf den Schlußpassus verzichtet und ihn eingeklammert, nachdem ich ihm bemerkt hatte, daß derselbe eine Einmischung Frankreichs in die innern Angelegenheiten Deutschlands voraussetze, die ich auch in geheimen Aktenstücken nicht einräumen könne.

Aus eigenem Antriebe hat er eine weniger bedeutende Correctur der Artifel II. in meiner Gegenwart am Rande vorgenommen. Lord Loftus habe ich am 24. cr. von der Existenz des fraglichen Aktenstückes mündlich unterrichtet und auf seine Zweifel ihn zu persönlicher Einsicht desselben eingeladen. Er hat am 27. d. M. von demselben Kenntniß genommen und sich dabei überzeugt, daß es von der Handschrift seines früheren französischen Collegen ist. Wenn das kaiserliche Cabinet Bestrebungen, für welche es seit 1867 zwischen Versprechungen und Drohungen wechselnd, ohne Unterbrechung bemüht gewesen ist, uns zu gewinnen, heute ableugnet, so ist das angesichts der politischen Situation sehr erklärlich. gez. Bismarck.

Nach diesem gewichtigen Aktenstücke und angesichts des von Benedetti's Hand geschriebenen Vertragsentwurfs, von welchem die Vertreter sämmtlicher Mächte Kenntniß genommen hatten, wäre ferneres Leugnen der französischen Regierung völlig unmöglich gewesen. Der Dummkopf Benedetti hatte einmal die unverzeihliche Schwäche begangen, das Schriftstück in Bismarcks Händen zu lassen und er mußte sich daher opfern. Er mußte sich selbst den moralischen Tod geben und that es mit folgendem Briefe an den Herzog von Gramont :

Paris, den 29. Juli 1870. Herr Herzog! So ungerecht auch die Beurtheilung war, deren Gegenstand ich persönlich gewesen bin, als man in Frankreich erfuhr, der Prinz von Hohenzollern habe die Krone Spaniens angenommen, so habe ich es nicht für passend gehalten, mich darüber auszusprechen. Wie es mir meine Pflicht gebot, habe ich der Regierung des Kaisers die Sorge überlassen, sie zu berichtigen. Ich kann nicht dasselbe Stillschweigen bewahren, dem Gebrauche gegenüber, den der Graf von Bismarck von einem Documente gemacht hat, dem er einen Werth zu geben suchte, den es niemals gehabt hat, und ich ersuche Ew. Excellenz, die Thatsachen in ihrer ganzen Genauigkeit darlegen zu dürfen. Es ist allgemein bekannt, daß Graf von Bismarck uns vor und während des letzten Krieges angeboten hat, dazu beizutragen, Belgien mit Frankreich zu vereinigen als Ersat für die Vergrößerungen, nach denen er strebte und die er für Preußen erhalten hat. Ich könnte mich in dieser Beziehung auf das Zeugniß der ganzen europäischen Diplomatie berufen, der nichts unbekannt geblieben ist. Die Regierung des Kaisers hat fortwährend diese Eröffnungen abgelehnt und einer Ihrer Vorgänger, Herr Drouyn de l'Huys, ist im Stande, in dieser Beziehung Erklärungen zu geben, welche keinen Zweifel obwalten lassen würden. Im Augenblick des Abschlusses des Prager Friedens und Angesichts der Aufregung, welche in Frankreich die Annexion Hannovers, Kurhessens und der Stadt Frankfurt an Preußen hervorrief, bezeigte Herr von Bismarck von Neuem den lebhaftesten Wunsch, das durch seine Acquisitionen gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen. Verschiedene Combinationen, welche die Integrität der Frankreich und Deutschland benachbarten Staaten respectirten, wurden vorgebracht; sie wurden ein Gegenstand mehrerer Unterredungen, während welcher Herr von Bismarck immer danach trachtete, seine persönlichen Ideen zur Geltung zu bringen. Bei einer dieser Unterredungen und um nur eine genaue Rechenschaft seiner Combinationen zu geben, ging ich darauf ein, sie so zu sagen unter seinem Dictat aufzuzeichnen. Die Form nicht minder als der Inhalt zeigt deutlich, daß ich mich darauf beschränkt habe, ein von ihm ausgedachtes und entwickeltes Project wiederzugeben. Herr von Bismarck behielt diese Abfassung, weil er sie dem Könige unterbreiten wollte. Meinerseits legte ich der kaiserlichen Regierung im Wesentlichen Rechenschaft ab von den Mittheilungen, die mir gemacht worden waren. Der Kaiser wies sie zurück, sobald sie zu seiner Kenntniß gelangten. Ich muß sagen, daß der König von Preußen selbst die Grundlage derselben nicht schien annehmen zu wollen, und seit jener Zeit, d. h. während der letzten vier Jahre, habe ich durchaus keinen neuen Ideenaustausch mit Herrn von Bismarck über diesen Gegenstand gepflogen. Wäre die Initiative eines derartigen Vertrages von der Regierung des Kaisers ergriffen worden, so wäre der Entwurf vom Ministerium aufgesetzt worden, und ich hätte nicht eine von meiner

Hand geschriebene Copie vorzubringen gehabt; übrigens wäre er auch anders abgefaßt worden und hätte zu Verhandlungen Anlaß gegeben, welche gleichzeitig in Paris und in Berlin verfolgt worden wären. In diesem Falle hätte sich Herr von Bismarck nicht damit begnügt, den Wortlaut desselben in indirecter Weise der Publicität zu übergeben, besonders in dem Augenblick, wo Ew. Excellenz in Depeschen, die ins officielle Journal aufgenommen wurden, andere Irrthümer berichtigten, die man gleichfalls in Umlauf zu setzen suchte. Aber um den Zweck zu erreichen, den er sich vorgesteckt hatte, um die öffentliche Meinung irre zu leiten und den Indiscretionen, die wir selbst uns hätten erlauben können, zuvorzukommen, hat er sich dieses Auswegs bedient, der ihn davon befreite, genau anzugeben, in welchem Augenblick, unter welchen Umständen und auf welche Weise dieses Document geschrieben worden war. Er hat sich augenscheinlich damit geschmeichelt, Dank diesen Weglassungen, Conjecturen zu unterstellen, welche, indem sie seine persönliche Verantwortlichkeit entlasteten, diejenige der Regierung des Kaisers compromittiren würden. Ein derartiges Verfahren bedarf keiner Qualifitation, es genügt, auf dasselbe hinzuweisen, indem man es dem europäischen Publikum zur Würdigung vorlegt. Genehmigen Sie u. s. w. gez. Benedetti.

Ganz Europa beantwortete dieses schaurige Selbstbekenntniß des Herrn Benedetti mit einem schallenden Hohngelächter. Also er, der Botschafter Frankreichs und Repräsentant seines Kaisers, hatte den Schreiber Bismarcks gespielt und sich einen Vertragsentwurf von solcher Tragweite in die Feder dictiren lassen, obenein aber das wichtige Schriftftück in den Händen der preußischen Minister gelassen. Und dazu hatte er sich sein eigenes Papier aus dem Botschaftshotel mitgebracht. Wahrlich, eine nette Rolle, die der Vertreter Napoleons da gespielt haben wollte, natürlich ohne sie gespielt zu haben. Diese verlogene Gesellschaft brandmarkte sich lieber selbst, nur um die Lüge retten zu sönnen. Herr Benedetti machte sich durch diesen Brief selbst unmöglich und keine eigenen Landsleute begruben ihn in der Pariser „Patrie“ mit den vernichtenden Worten: „Was Herrn Benedetti betrifft, so wollen wir nicht weiter auf seiner Naivetät, auf seiner in seinem Alter und in seiner Lage so seltenen Unerfahrenheit bestehen. Nur Einen Wunsch hegen wir, welcher das Interesse des Landes erheischt: die Ereignisse haben Herrn Benedetti jezt Ruhestunden gegeben, die glücklich für uns sind; wir sind überzeugt, daß alle Minister, welche sie auch seien, ihm diese Ruhestunden bis ans Ende seines Lebens lassen werden.

Herrn Benedetti's Rolle war ausgespielt, und es beschäftigte sich in Deutschland von Stunde an höchstens noch der Kladderadatsch mit ihm.

VIII.

Der erste Sieg.

Am 3. August durchlief die Nachricht von der Räumung Saarbrückens durch die Deutschen unser Vaterland und rief eine tiefe Niedergeschlagenheit hervor. Man wußte allerdings aus der knappen Fassung, welche die offiziellen Nachrichten des deutschen Hauptquartiers auszeichnet, daß dies kleine Häuflein, welches 14 Tage lang seinen Ehrenposten behauptet hatte, vor einer kolossalen Uebermacht gewichen war, aber man fragte sich doch: Warum? War es nicht möglich, genügende Unterstützung zu senden? Mußte die deutsche Stadt den Franzosen in die Hände fallen? Ja die Furchtsamen bejammerten in diesem ersten französischen Erfolge bereits den Vorboten einer Ueberschwemmung Deutschlands mit der französischen Armee und erblickten die grimmigen Zuaven und die bestialisch grinsenden Turcos bereits vor den eigenen Hausthüren. Eine gewisse Entmuthigung herrschte in allen Kreisen, denn es war doch seit Jahren gar zu viel von der französischen Armee und ihrer Unüberwindlichkeit geredet worden, als daß ein unbedingtes Vertrauen auf den deutschen Sieg von vornherein hätte herrschen können, wenn auch an dem schließlichen Ausgange des Krieges zu Gunsten Deutschlands Niemand zweifeln mochte. Einzelne sagten allerdings im vollen Vertrauen auf Moltke's Genie sofort voraus, daß die Freude nicht lange dauern werde, denn der auf gleichzeitigem Vorrücken der drei Armeen basirende Kriegsplan werde den Verlust Saarbrückens nur so lange zulassen, als diese Armeen noch nicht in der zu einem präcisen Jneinandergreifen nothwendigen Linie aufgestellt seien. Die Ereignisse bewiesen bald, wie dieses Vertrauen sich glänzend bewährte.

Der preußische Kriegsplan wies der dritten südlichen Armee unter der Führung des preußischen Kronprinzen die erste Rolle in diesem Kriege an. Diese südliche Armee bestand aus dem 5. und 11. norddeutschen Armeekorps,

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aus zwei bayerischen Korps und den zwei württembergischen und badischen Brigaden. Sie sollte den ersten Schlag führen, denn sie hatte den weitesten Weg nach der Mosel, wo sie sich zum Hauptschlage mit den beiden andern Armeen vereinigen sollte. Einzeln marschiren und vereinigt schlagen ist das Zauberwort der Moltke'schen Strategie, das die Einrichtung seiner Dispositionen bestimmt. Die 3. Armee mußte also vorerst das untere Elsaß und die Vogesenpässe nehmen, bevor sie auf eine Vereinigung mit den deutschen Schwesterarmeen rechnen konnte. Doch der einfache Plan war nicht so undurchsichtig, um nicht auch im französischen Hauptquartier erkannt zu werden. Zwar sollen daselbst Ende Juli noch Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Generalstabschef Leboeuf und dem Marschall Mac Mahon geherrscht haben, die schließlich durch Vermittlung des Kaisers entschieden werden mußten. Jedenfalls zeigte sich's, daß die richtige Ansicht durchgedrungen war, denn Mac Mahon empfing die Aufgabe, mit seiner in und um Straßburg stehenden Armee die Vereinigung der 3. deutschen Armee mit den nördlich agirenden beiden andern Armeen des Prinzen Friedrich Karl und des Generals Steinmetz zu verhindern. Da Mac Mahon GeneralGouverneur von Algier war, so hatte er die sogenannnte afrikanische Armee unter seinem Oberbefehl, welche theils aus französischen, theils aus Zuavenund Turko Regimentern bestand. Auf diesem Flügel der französischen Kriegsstellung ruhten die größten, vertrauensvollsten Hoffnungen. Den Südosten Frankreichs hielt man nicht nur für glänzend vertheidigt und gegen jeden Angriff gesichert, sondern knüpfte noch viel kühnere Erwartungen an die daselbst versammelten Streitkräfte. Da stand der kriegsgeübteste französische Feldherr, dem blindes Vertrauen folgte; da lag Straßburg, die stattliche Feste; da besaß man endlich die natürliche Festung der Vogesen, zusammengenommen eine scheinbar unüberwindliche Macht, jedes Angriffs spottend. Und gegenüber eine aus verschiedenartigen Elementen zusammengesetzte deutsche Armee, deren einer Theil aus dem Kriege von 1866 nichts als Niederlagen aufzuweisen hatte, und an dessen hingebende Treue für die Sache Deutschlands man in Frankreich durchaus nicht glauben wollte. Ja man war vielmehr fest überzeugt, daß ein einziger Sieg der Franzosen an dieser Stelle zerseßend wirken werde. Der Verlust der süddeutschen Verbündeten, auf die man so sicher gezählt hatte, konnte von den Franzosen gar nicht als ernst gemeint angesehen werden. Dem eigentlichen Beginne der Kämpfe gingen auch hier, wie bei Saarbrücken, Plänkeleien und Rekognoscirungen voraus. So schlugen am 26. Juli preußische Ulanen und bayrische Jäger an der Brücke von Reichenau in der Nähe von Blieskastel französische Infanterie zurück. Den kecksten Rekognoscirungsritt unternahm der württembergische Generalstabs - Offizier Graf Zeppelin mit einigen badischen Dragoneroffizieren und 4 wolberittenen Ordonnanzdragonern. Diese 9 Männer ritten am 26. Juli in der Frühe von Landau aus über die Grenze gen Lauter

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