Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

kramt, die heimischen aber ganz offen nach Cayenne geschickt. So wurden auch neuerlich die welfischen und allerhand andere Parteigelüste in Deutschland von Paris aus mit Wohlwollen behandelt. Preußen ignorirte dieselben und nahm auch davon keine Notiz, daß Prinz Napoleon eine europäische Reise antrat, deren Hauptzweck offenbar eine militairische Inspektionsreise durch Deutschland war.

Wichtiger wurde die Reise des Königs von Preußen, der am 25. Juni 1869 zur Einweihung des Lutherdenkmals in Worms mit mehreren süddeutschen Fürsten zusammen traf, am 3. August dem Universitätsjubiläum in Bonn beiwohnte und mit dem Kaiser von Rußland Zusammenkünfte in Schwalbach und Berlin hatte, die nicht daran zweifeln ließen, daß wenn die preußisch-russische Allianz noch nicht existirte, sie beim ersten Kanonenschusse vollendete Thatsache sein würde. Auch in Schleswig-Holstein stattete der König von Preußen einen Besuch ab und fand herzlichere Aufnahme als er gehofft hatte, wie dieses Dank der persönlichen Liebenswürdigkeit und gewinnenden Erscheinung des greisen Monarchen überall der Fall zu sein pflegt. In Kiel hob der Rector der Universität in seiner Anrede an den König hervor, daß es diesem vergönnt gewesen sei, mit seinem Königreiche zugleich das gesammte Deutschland zu einer Macht zu erheben, die auch den mächtigsten Nachbarn das Schwert in der Scheide halte und knüpfte daran den Wunsch, daß der theuer erkaufte Friede erhalten bleiben möge. Darauf erwiderte der König: „Was Ihren Wunsch für die Erhaltung des Friedens betrifft, so kann diesen wohl Niemand lebhafter theilen als ich; denn es ist für einen Souverain etwas sehr Schweres und vor Gott Verantwortliches, wenn er sich gezwungen sieht, das folgenschwere Wort ,,Krieg" auszusprechen, und doch giebt es Verhältnisse, wo er sich einer solchen Verantwortlichkeit nicht entziehen darf. Sie selbst sind in diesem Lande Zeuge gewesen, daß die Nothwendigkeit zu einem Krieg an einen Fürsten wie an eine Nation herantreten kann; ja, daß wir heute vertrauend und mit gutem Willen einander gegenüber stehen, ist erst durch den Krieg ermöglicht worden. Uebrigens sehe ich in ganz Europa keine Veranlassung zu einer Störung des Friedens und sage das zu Ihrer Beruhigung. Was Sie aber noch mehr beruhigen wird, das ist der Blick auf die mit Ihnen hier versammelten Repräsentanten meiner Armee und meiner Marine, diese Kraft des Vaterlandes, welche bewiesen hat, daß sie sich nicht scheut, einen ihr aufgezwungenen Kampf aufzunehmen. und durchzuführen . . ." In Paris entstand über diesen Schlußsaß solches Halloh, daß die Rente vom Schlagfluß getroffen wurde. Der Kaiser war abwesend, aber die Minister eilten zu einer Conferenz zusammen und theilten der Börse in einer besondern Note mit, daß diese Rede keine Kriegsdrohung enthalte, sondern sich nur auf das Jahr 1866 beziehe, worauf sich die Rente wieder etwas erholte. Vor 1866 wäre eine solche Rede des Preußenkönigs von den Pariser Großmäulern, die jetzt davor zitterten, höchstens verlacht

[ocr errors]

worden so gewaltig hatten sich die Zeiten geändert. Ein Theil der Presse in Paris schrie Zeter, daß sich der König von Preußen die Rolle eines europäischen Schiedsrichters anmaße, eine Rolle die Napoleon III. freilich lange genug gespielt und durch niedrigste Ränke der Cabinetspolitik festzuhalten versucht hatte. Natürlich mußten dabei die Beziehungen der Cabinete von Paris und Berlin zu einander, troß aller Friedensversicherungen, gespannt bleiben. Wie hoch diese Spannung gestiegen war, ahnte man in Europa nicht einmal, und es erregte ein allgemeines Erstaunen, als Graf Bismarck später einmal ge= legentlich enthüllte, daß nur der Ausbruch der Revolution in Spanien schon damals 1868 den Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich verhindert habe, der schon damals, wie der Krieg von 1866 die Entscheidung zwischen Desterreich und Preußen, die Entscheidung zwischen Deutschland und Frankreich hätte bringen müssen. Königin Jsabella von Spanien sollte in diesem neu geplanten Kriegsdrama auch eine Rolle übernehmen. Napoleon III. garantirte dem sittenlosen Weibe Sicherheit vor den inneren Feinden, der Revolution in Spanien, dafür sollte die Königin, für den Fall des Kriegs zwischen Frankreich und Deutschland, das Wächteramt in Rom an Stelle Frankreichs übernehmen und den heiligen Stuhl unter den Schutz spanischer Bajonette stellen. Während sich Isabella mit ihrem Hofstaat nach San Sebastian begab, um von da aus mit ihren Bundesgenossen in Biarritz eine verabredete Zusammenkunft zu haben, brach plötzlich die Revolution in Spanien aus, wehte den Thron Isabellas um, und die üppige Tochter Bourbons kam unter Thränen in Biarritz bei der Kaiserfamilie an, als eine vertriebene und flüchtige Königin. Aber während sie an Eugeniens Brust heiße Thränen weinte, zog sich der kühle Rechner Napoleon von der spanischen Allianz zurück und die Thränen seines Weibes und deren Souverainin vermochten nicht, ihm eine Allianz und Intervention abzupressen. Das Einzige was er versprach, war die Grenze streng bewachen zu lassen. Aber Napoleons Kriegsplan war durch die Revolution in Spanien und den Sturz Isabella's wieder durchkreuzt. Um so emsiger wurde an der Neuorganisation und Neubewaffnung der französischen Armee gearbeitet, deren Chassepotgewehre bald darauf bei Mentana gegen Garibaldi's Römerzügler die Probe ablegen mußten und sich bewährten. ,,Les chassepots on fait merveille. . ." meldete der bei Mentana commandirende General du Failly nach Paris.

Zu Ende des Jahres 1868 wurde vom preußischen Landtage noch die Beschlagnahme des Vermögens des Königs von Hannover und darauf auch des Kurfürsten von Hessen wegen ihrer offenen Feindseligkeiten gegen den preußischen Staat, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt genehmigt, daß die Wiederaufhebung der Beschlagnahme nur durch ein Gesetz erfolgen könne, nicht durch königliche Verordnung.

=

Mancher wollte damals diesen Akt gerechtfertigter Selbsthilfe gegen die Depossedirten als zu hart oder ungerecht bezeichnen; den Souverainen, welche ihre Particular Interessen mit ausländischer Hilfe durchfechten wollten, geschah indeß das Glimpflichste, als man ihnen die Mittel dazu unter Verschluß legte. Auch die französische Presse wagte nicht, über die Beschlagnahme in den gewohnten Kriegslärm auszubrechen. Als sich die officiöse „France" einen Tadel darüber erlaubte, fragte sie der „Avenir national", was sie über das Decret vom 17. Februar 1852 denke, durch welches der Prinzpräsident Napoleon die Güter der Familie Orleans confiscirte, weil sie mit solchen Geldmitteln hätten möglicherweise gegen Frankreich wühlen können. . . Wir dürfen behaupten, mit den edlen Eigenschaften der Napoleonischen Politik, hat Deutschland sich noch immer messen dürfen, und vor den üblen wolle es sein guter Genius auch für die Zukunft bewahren, auf daß es nicht nur stark und gefürchtet, sondern auch geachtet bleibe im Kreise und Rathe der Nationen.

Graf Bismarck hielt zur Debatte über das Beschlagnahmegesetz eine feurige Rede, deren Schluß lautete: Vergegenwärtigen Sie sich den Eindruck, den es in Spanien, in Rußland, in England, in Frankreich, in Ungarn und Dänemark machen würde, wenn irgend Jemand erklärte, er wolle seine particularistischen Gelüste, seine Privatinteressen mit ausländischer Hilfe durchführen, er setze seine ganze Hoffnung darauf, daß die Fluren seines Vaterlandes zertreten würden von siegreichen ausländischen Heeren. Was kümmern ihn die rauchenden Trümmer seines Vaterlandes, wenn er nur oben drauf steht? Nehmen Sie an, daß es in den Ländern, die ich genannt habe, bis in das kleine Dänemark hinein, Leute gäbe, welche die Stirne und die Freiheit hätten, sich zu dieser Theorie zu bekennen: sie würden erstickt unter der zermalmenden Verachtung ihrer Landsleute. Bei uns ist das nicht so. Hier ersticken sie nicht; fie tragen die Stirn hoch; sie senden Vertheidiger bis in diese Räume hinein. Ueberall wo Fäulniß ist, stellt sich ein Leben ein, das man nicht mit einem Glacéhandschuh anfassen kann. Dem gegenüber werfen Sie uns nicht das Spionirwesen vor. Ich bin nicht zum Spion geboren; es ist das meine Natur nicht. Wir müssen aber diese Reptilien in ihre Höhlen verfolgen und sehen, was sie machen. Dafür verdienen wir Ihren Dank. . . . .

III.

Corboten in Frankreich.

Die französische Politik hatte sich im Jahre 1866 weder durch scharfblickende Voraussicht, noch durch richtiges Urtheil über die betheiligten Mächte ausgezeichnet, die Folge davon war, daß die Voraussetzung, die der leitende Minister Rouher aussprach, daß Preußen seinen kühnen Versuch theuer werde bezahlen müssen" in das gerade Gegentheil umschlagend, in Paris größte Bestürzung bei der Nachricht von den Niederlagen Oesterreichs erregte und ,, patriotische Beklemmungen" wachrief. Die Napoleonische Vermittlung konnte dafür nicht entschädigen, so sehr sich die französische Presse bemühte, dieselbe zu einer Wichtigkeit aufzubauschen, die sie in Wirklichkeit nicht besaß. Denn im Grunde erreichte doch Preußen Alles, was es für den Augenblick erreichen wollte. Das Deutschland, welches der Prager Friede schuf, war sehr verschieden von dem, das Napoleon III. in seinem mehrfach erwähnten Briefe an Drouyn de l'Huys im Vertrauen auf den Sieg Desterreichs gezeichnet hatte. Nur die ,,starke Stellung Preußens im Norden" hatte sich überraschend schnell verwirklicht, freilich in ganz anderem Sinne und in anderer Ausdehnung, als Napoleon das gemeint hatte. Deshalb eben die patriotischen Beklemmungen. Viele Personen im Rathe des Kaisers Napoleon drängten ihn schon damals zum sofortigen bewaffneten Einschreiten, um die bedrohliche Gestaltung Preußens aufzuhalten, der Neubildung eines mächtigen Norddeutschlands durch kriegerisches Vorgehen ein Ziel zu setzen. Eine deutsche Fürstentochter, die Königin von Holland, geborene Prinzeß von Württemberg, war es sogar, die obenein in Napoleon drang, ihr Vaterland mit Krieg zu überziehen. Ich bedaure", schrieb die deutschgeborne Königin der Niederlande, „daß Sie die Gefahren eines mächtigen Deutschlands und eines mächtigen Italiens nicht sehen. Ihre Dynastie ift bedroht. Nachdem Venetien abgetreten war, hätten Sie an den Rhein marschiren und Ihre Bedingungen auferlegen sollen. Desterreich erdrosseln

[ocr errors]
[ocr errors]

lassen ist mehr als ein Verbrechen, es ist ein Fehler. Vielleicht ist dies mein letter Brief; indeß würde ich gegen die Pflichten einer alten und aufrichtigen Freundschaft zu verstoßen glauben, wenn ich nicht ein letztes Mal die ganze Wahrheit sagte. Ich glaube nicht, daß fie gehört werden wird, aber ich will mir eines Tages sagen können, daß ich Alles gethan habe, um den Untergang dessen zu hindern, der mir soviel Zutrauen und soviel Zuneigung eingeflößt hatte". Aber Napoleon III. war diesmal klüger als seine Freunde und ließ das Schwert in der Scheide. Das französische Volk war weniger über den Machtzuwachs Preußens empört, als darüber, daß das kleine Preußen Kriegsthaten vollbracht hatte, gegen die Magenta und Solferino in den Schatten traten, und daß es großartige Ländereroberungen gemacht hatte, während Frankreich leer ausgegangen war. Daß Rußland und England gleichfalls leer ausgegangen waren, kümmerte diese politischen Kinder nicht, und selbst der Minister Drouyn de l'Huys beging die Naivetät, für Frankreich eine Grenzrectification als „Compensation“ zu fordern. Mit einem einfachen „,Nein“ hatte Preußen diese Forderung beantwortet; man ersann darauf die Ausrede, der Kaiser sei krank gewesen, während sein Minister das merkwürdige Ansinnen in Berlin stellen ließ. Als Napoleon am 17. August aus Vichy nach Paris zurückkam, entließ er Drouyn de l'Huys und berief de Moustier an seiner Stelle. Gleichzeitig aber ließ er, um die Stimmung in Frankreich zu beschwichtigen, in höchst ungewöhnlicher Weise ein Rundschreiben durch Minister Lavalette verbreiten. Dieses vom Kaiser selbst corrigirte Rundschreiben suchte den Dingen, die man nicht zu ändern in der Lage war, die günstigste Seite abzugewinnen. Die Coalition der nordischen Mächte sei aufgelöst; ebenso der deutsche Bund; der mit Oesterreich und Preußen 80 Millionen gezählt habe; Italien, von Desterreich abhängig, habe als Nation früher nicht gezählt. Dieser Vergangenheit gegenüber regiere jetzt ein neues Princip, die Freiheit der Bündnisse, Europa. Das vergrößerte Preußen sichere die Unabhängigkeit Deutschlands, dessen Unruhe sich legen werde; Frankreich, stolz auf seine bewundernswürdige Einheit, brauche daran keinen Anstoß zu nehmen. Italien werde sich nicht entfernen von der Nation, die ihr Blut vergossen habe, es in der Erkämpfung seiner Unabhängigkeit zu unterstützen. Der geistliche Stuhl sei durch die Convention vom 15. September geschützt und Desterreich, im Osten sich concentrirend, noch immer eine Macht von 35 Millionen, sei durch keine Feindseligkeit und kein Interesse von Frankreich getrennt. Eine unwiderstehliche Macht treibe die Völker, sich in größere Staatsbildungen zu vereinigen; dies müsse man hinnehmen, die Politik müsse sich über die engherzigen Vorurtheile früherer Zeiten erheben. Man könne zufrieden sein, daß diese großen Dinge sich vollzogen hätten, ohne Zuhilfenahme der Revolution. Nur eine ernste Lehre für Frankreich enthalte der letzte Krieg eine Lehre, die es glücklicherweise nichts gekostet ,,die

[ocr errors]

« ZurückWeiter »